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Opfer, unmögliche Träume und der letzte Jäger …
Es gibt zwei Dinge auf der Welt, die Paul Grove über alles liebt: seine Tochter Trisha und die Geräusche der Berge und Wälder von Wyoming. Für Trisha würde er alles tun und die Berge und Wälder machen ihn aus. Als Trisha und ihre Freundinnen verschwinden, findet er Spuren, die keinen Sinn ergeben. Sie sind vollkommen anders als alles, was er je gesehen hat. Als seine Tochter zurückkehrt – mit einem Krieger aus einer anderen Welt – wird Paul klar, dass er mit ihr in ihr neues Zuhause zurückkehren muss, wenn er sie nicht für immer verlieren will.
Morian Reykill ist eine Hohepriesterin der goldenen Symbionten ihrer Welt, die als Blut der Götter bekannt sind. Sie ist ihre Beschützerin und ein Mitglied des Königshauses von Valdier. Als ihr erster Gefährte getötet wird, ist sie am Boden zerstört. Obwohl er nicht ihr wahrer Gefährte gewesen war, hatten sie einander sehr geliebt. Morian hatte erst vorgehabt, ihrem Gefährten in das nächste Leben zu folgen, doch irgendetwas hatte ihr gesagt, dass ihre Zeit noch nicht gekommen war.
Paul Grove findet in der atemberaubend schönen Alienfrau eine zweite Chance auf Liebe, doch als ein Verrückter seine neue Familie bedroht, werden all seine Fähigkeiten, die er sich auf der Erde angeeignet hat, gefordert, und noch ein paar mehr...
Die weltberühmte Autorin S.E. Smith präsentiert ein neues aufregendes Buch voller Leidenschaft und Abenteuer. Durch ihren einzigartigen Humor, die lebhaften Landschaften und die beliebten Charaktere wird dieses Buch garantiert ein weiterer Fan-Favorit!
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Seitenzahl: 403
Ich danke meinem Mann Steve dafür, dass er an mich geglaubt hat und so stolz auf mich war, dass ich den Mut hatte, meinem Traum zu folgen. Ein besonderer Dank gilt außerdem meiner Schwester und besten Freundin Linda, die mich nicht nur zum Schreiben ermutigt, sondern auch das Manuskript gelesen hat; und auch meinen anderen Freundinnen, die an mich glauben: Maria, Jennifer, Jasmin, Rebecca, Julie, Jackie, Lisa, Sally, Elizabeth (Beth), Laurelle, und Narelle. Diese Mädels geben mir Kraft!
Und ein ganz besonderes Dankeschön an Paul Heitsch, David Brenin, Samantha Cook, Suzanne Elise Freeman, Laura Sophie, Vincent Fallow, Amandine Vincent, und PJ Ochlan – die wunderbaren Stimmen meiner Hörbücher!
—S.E. Smith
Pauls Verfolgung:
DIE DRACHENFÜRSTEN VON VALDIER BUCH 6
Copyright © 2020 bei Susan E. Smith
Erstveröffentlichung des E-Books auf EnglischJuni 2013
Erstveröffentlichung des E-Books auf DeutschOktober 2020
Umschlaggestaltung von: Melody Simmons und Montana Publishing
ALLE RECHTE VORBEHALTEN: Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Autorin auf irgendeine Art und Weise vervielfältigt werden, dazu zählen auch vollständige oder teilweise elektronische oder fotografische Vervielfältigungen.
Alle Charaktere und Ereignisse in diesem Buch rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder tatsächlichen Ereignissen oder Organisationen sind rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.
Zusammenfassung: Als seine Tochter zurückkehrt – mit einem Krieger aus einer anderen Welt – wird Paul klar, dass er mit ihr in ihr neues Zuhause zurückkehren muss, wenn er sie nicht für immer verlieren will.
ISBN: 9781952021503 (Taschenbuch)
ISBN: 9781952021497 (eBook)
Romantik (Liebe, expliziter sexueller Inhalt) | Science Fiction (Aliens) | Royal | Zeitgenössisch | Paranormal (Gestaltwandler)| Action / Abenteuer | Fantasie
Veröffentlicht von Montana Publishing.
www.montanapublishinghouse.com
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Epilog
Weitere Bücher und Informationen
Über die Autorin
Jalo Reykill, Herrscher von Valdier – verstorben,
Gefährte von Morian Reykill, Priesterin des Symbiontennests
Fünf Söhne:
Zoran Reykill, Anführer der Valdierer
Gefährte von Abby Tanner:
Ein Sohn: Zohar
Mandra Reykill, Kommandant des Kriegsschiffs D’stroyer,
Gefährte von Ariel Hamm:
Ein Sohn: Jabir
Kelan Reykill, Kommandant des Kriegsschiffs V’ager,
Gefährte von Trisha Grove:
Ein Sohn: Bálint
Trelon Reykill, Spezialist für Systeme und Sicherheit,
Gefährte von Cara Truman:
Zwillingstöchter: Amber und Jade
Kreon Reykill, Spion/Geheimagent,
Gefährte von Carmen Walker:
Zwillingstöchter: Lenz und Phönix
Paul Grove, Rancher, Scout und Wildnis-Überlebenstrainer,
Verheiratet mit Evelyn Grove – verstorben,
Wahrer Gefährte von Morian Reykill
Raffvin Reykill: Älterer Bruder von Jalo.
Vox d’Rojah: König der sarafinischen Krieger,
Gefährte von Riley St. Claire
Ha’ven Ha’darra, Kronprinz von Kurizan,
Gefährte von Emma Watson
Opfer, unmögliche Träume und der letzte Jäger …
Es gibt zwei Dinge auf der Welt, die Paul Grove über alles liebt: seine Tochter Trisha und die Geräusche der Berge und Wälder von Wyoming. Für Trisha würde er alles tun und die Berge und Wälder machen ihn aus. Als Trisha und ihre Freundinnen verschwinden, findet er Spuren, die keinen Sinn ergeben. Sie sind vollkommen anders als alles, was er je gesehen hat. Als seine Tochter zurückkehrt – mit einem Krieger aus einer anderen Welt – wird Paul klar, dass er mit ihr in ihr neues Zuhause zurückkehren muss, wenn er sie nicht für immer verlieren will.
Morian Reykill ist eine Hohepriesterin der goldenen Symbionten ihrer Welt, die als Blut der Götter bekannt sind. Sie ist ihre Beschützerin und ein Mitglied des Königshauses von Valdier. Als ihr erster Gefährte getötet wird, ist sie am Boden zerstört. Obwohl er nicht ihr wahrer Gefährte gewesen war, hatten sie einander sehr geliebt. Morian hatte erst vorgehabt, ihrem Gefährten in das nächste Leben zu folgen, doch irgendetwas hatte ihr gesagt, dass ihre Zeit noch nicht gekommen war.
Paul Grove findet in der atemberaubend schönen Alienfrau eine zweite Chance auf Liebe, doch als ein Verrückter seine neue Familie bedroht, werden all seine Fähigkeiten, die er sich auf der Erde angeeignet hat, gefordert, und noch ein paar mehr...
Die weltberühmte Autorin S.E. Smith präsentiert ein neues aufregendes Buch voller Leidenschaft und Abenteuer. Durch ihren einzigartigen Humor, die lebhaften Landschaften und die beliebten Charaktere wird dieses Buch garantiert ein weiterer Fan-Favorit!
Sechsundzwanzig Jahre zuvor
Paul Grove stand stolz und aufrecht da, während ihn eine kalte Brise umwehte, die den ersten Schnee ankündigte. Doch er fühlte nur noch Taubheit, sodass er die Kälte nicht einmal wirklich wahrnahm. Obwohl er erst einundzwanzig war, war er bereits ein großer, starker Mann. Er war schon immer groß für sein Alter gewesen, und die jahrelange harte Arbeit auf der Farm seiner Eltern hatte seine Muskeln früh geformt, was seine Erscheinung noch eindrucksvoller machte.
Sein schwarzes Haar trug er kurz, einfach weil es so leichter zu pflegen war. Er war zwei Meter groß und mittlerweile nicht mehr so schlaksig wie noch vor ein paar Jahren. In seinem stark gebräunten Gesicht spiegelten sich die vielen Stunden wider, die er bei der Arbeit draußen in der Wildnis von Wyoming verbracht hatte. Heute war es allerdings nicht seine Größe oder seine Statur, die die Aufmerksamkeit der Versammelten erregte, sondern die Trauer, die in seinen dunkelbraunen Augen lag, sowie das kleine Bündel, das er schützend in seinen Armen hielt.
Er hatte seine Arme fest um den kleinen Körper geschlungen, den er an sich drückte. Tränen verschleierten ihm die Sicht, doch er weigerte sich, sie laufen zu lassen. Er konzentrierte sich auf die kleine, süße Wärme, die er an sein Herz gedrückt hielt. Es war alles, was ihm von Evelyn, seiner schönen jungen Frau, geblieben war. Sie war vor knapp einer Woche an einem Gehirn-Aneurysma gestorben. Ein Teil von ihm wollte wütend auf Gott sein, weil er ihm etwas so Wunderbares viel zu früh weggenommen hatte. Er dachte an ihre schönen braunen Augen, die liebevoll und freudig strahlten. Die Erinnerung daran, wie sie lachend und immer mit einem Lied auf den Lippen in ihrem kleinen Haus herumgetanzt war, war immer noch lebhaft.
Es schien so, als hätte er sie schon immer geliebt. Als ihre Familie in die Stadt gezogen war, hatte er sich geschworen, dass er sie für immer lieben und sich um sie kümmern würde. Er war damals in der dritten und sie in der ersten Klasse gewesen, und er erinnerte sich noch gut daran, wie ihre Eltern sich neben den Lockenkopf gekniet und ihm versprochen hatten, dass alles gut werden würde. Er war zu ihr gegangen und hatte sich vorgestellt. Zehn Minuten später hatte er ihre kleine Hand in seiner gehalten und sie zu ihrem Klassenzimmer gebracht, während ihre Eltern besorgt zugesehen hatten.
„Es tut mir so leid, Paul“, sagte einer ihrer ehemaligen Klassenkameraden. „Wenn ich irgendetwas tun kann…“
Paul nickte automatisch und zog seine kleine Tochter noch näher an sich, um sie von den besorgten, traurigen und mitleidigen Blicken abzuschirmen. Er wusste, was viele von ihnen dachten. Dass er zu jung war, um ein kleines Mädchen ganz allein aufzuziehen. Schon mehrere hatten Leute angeboten, sich um die Kleine zu kümmern. Gott, selbst Evelyns Mutter hatte darauf bestanden, Trisha zu sich zu holen. Sie hatte versucht, ihm einzureden, dass es besser wäre, wenn sich eine Frau um sein kleines Mädchen kümmern würde. Er hatte höflich abgelehnt.
„Paul!“ Evelyns Mutter Rosalie kam auf ihn zu. „Lass mich sie nehmen.“
Paul drehte sich mit traurigen Augen zu der Frau um, die sich in den letzten Jahren von einer guten, wenn auch strengen Mutter, in eine hochgradige Zicke verwandelt hatte, was ihre eigene Tochter betraf.
Rosalie hatte sich verändert, nachdem Evelyns Vater sie und ihre Tochter verlassen hatte, als Evelyn in der sechsten Klasse war. Paul hatte zugehört, als Evelyn ihm weinend berichtet hatte, dass sie es ihrer Mutter nie recht machen konnte. Er hatte die Schnitte und blauen Flecken auf Evelyns zarter Haut verarztet, wenn ihre Mutter getrunken und sie wegen Kleinigkeiten geschlagen hatte.
Er hatte Evelyns Mutter sogar gewarnt, dass er keine Gnade walten lassen würde, falls sie ihre Tochter noch einmal schlagen sollte. Ihre Mutter hatte versucht, sie auseinanderzubringen, doch er hätte alles für seine schöne Frau getan. Und das Gleiche würde er auch für seine wunderschöne kleine Tochter tun.
„Nein“, sagte Paul knapp und sah in die Augen, die ihn an die seiner Frau erinnert hätten, wenn nicht der Zorn und die Bitterkeit darin gelegen hätten. „Es geht ihr gut. Sie schläft“, fügte er in einem etwas sanfterem Tonfall hinzu.
„Gib sie mir“, bettelte Rosalie. „Hast du mir nicht schon genug weggenommen? Habe ich nicht schon genug verloren? Lass mich meine Enkelin großziehen. Du bist jung. Du kannst ein anderes Mädchen finden, heiraten und noch mehr Kinder bekommen. Ich werde nie eine andere Evelyn haben. Ich werde keine Gelegenheit mehr bekommen.“
Paul spürte, wie Wut in ihm aufstieg, während er Rosalie zuhörte. „Du hast deine schöne Tochter nie zu schätzen gewusst. Wie kommst du auf die Idee, dass ich dir meine geben würde?“, fragte er mit kalter Stimme, die er nur schwer kontrollieren konnte. „Ich habe deine Tochter mehr geliebt als das Leben selbst, Rosalie. Und unsere Tochter liebe ich genauso sehr. Sie ist jetzt mein Leben. Ich bin ihr Vater und ich werde immer ihr Vater sein. Ich werde für sie da sein. Ich werde ihr alles beibringen, sie führen und ihr mit jeder Faser meines Körpers zur Seite stehen.“
Rosalies Blick wurde kalt und bitter, während der Wind über den Friedhof hinwegfegte. „Das werden wir noch sehen. Ich habe Geld. Ich werde um das Kind meiner Tochter kämpfen. Ich werde sie zu mir nehmen und mich um sie kümmern und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Sie gehört mir!“
Paul fühlte, wie ihn eine ruhige Entschlossenheit durchströmte, als Trisha sich bewegte und ihren kleinen Lockenkopf hob. Sie zog ihren winzigen Daumen aus dem Mund und blickte zu ihm auf. Ein kleines unschuldiges Lächeln umspielte ihre rosa Lippen und ihre dunkelbraunen Augen glänzten voller Liebe und Vertrauen.
„Dada“, gluckste sie, während sie sich nach vorne beugte, um ihre kalte Nase an seiner weichen Wange zu verbergen.
Paul sah Rosalie mit einer neuen Entschlossenheit und Reife an, die für einen Einundzwanzigjährigen sehr untypisch waren. Letzte Woche hatte er die schmerzhafte Lektion gelernt, dass das Leben nicht fair war. Vielleicht war es Schicksal gewesen, dass Evelyn und er jung geheiratet hatten. Evelyn hatte zwar nicht lange gelebt, doch sie hatte ihm in ihrem kurzen Leben etwas sehr Wertvolles geschenkt: das Wissen, wie es ist zu lieben und geliebt zu werden, sowie eine wunderschöne Tochter.
Er hob eine Hand und legte sie unter Trishas lockigen Hinterkopf. Er vergrub seine Nase in den wilden Locken und atmete den frischen Duft des Erdbeershampoos ein, mit dem er ihr am Morgen die Haare gewaschen hatte. Er würde sich seinen Grund zu Leben nicht einfach kampflos von irgendjemandem wegnehmen lassen. Im Moment war Trisha das Einzige, was ihn dazu motivierte, sich nicht von der Trauer und den Kopfschmerzen überwältigen zu lassen. Als er seinen Blick wieder Rosalie zuwandte, waren seine Augen vor unterdrückter Wut fast schwarz.
Rosalie machte einen Schritt zurück und fasste sich an den Hals, als ihr klar wurde, dass sie ihren Schwiegersohn gerade etwas zu sehr bedrängt hatte. Unterbewusst hatte sie schon immer gewusst, dass Paul ein starker Gegner sein würde, wenn man ihn in die Ecke drängte oder provozierte. Sie erschauderte, weil sie wusste, dass er auch ein tödlicher Gegner sein konnte.
Paul verlagerte Trisha erneut und blickte mit einem kalten, grimmigen Gesichtsausdruck auf Evelyn hinab. „Ich kann dir versprechen, dass du meine Tochter nie in die Finger bekommen wirst, Rosalie“, sagte Paul, bevor er sich von ihr abwandte und, ohne sich noch einmal umzudrehen, wegging.
Einundzwanzig Jahre zuvor:
„Was ist das?”, fragte Paul leise. Er kniete neben der schmalen Spur, die ein Tier hinterlassen hatte.
Ein paar lange Locken fielen hinab und berührten fast den Boden, als die kleine Gestalt neben ihm in die Hocke ging. Kleine Finger berührten vorsichtig den leichten Abdruck auf der feuchten Erde. Trisha betrachtete die Form, während sie in Gedanken die verschiedenen Tiere durchging, die in diesem Gebiet lebten und wie ihre Spuren aussahen. Sie umfasste den kleinen Bogen, den ihr Vater für sie geschnitzt hatte, bevor sie mit ihren dunklen, ernsten Augen zu ihm aufblickte.
„Berglöwe“, flüsterte sie mit großen Augen. „Der Größe des Abdrucks nach ist er schon älter. Glaubst du, er ist in der Nähe?“
„Sag du es mir“, sagte Paul leise und lächelte stolz auf sie hinab. „Wie alt glaubst du, ist die Spur?“
Trisha betrachtete die Spur erneut, bevor ihr Blick zur nächsten wanderte. „Nicht alt. Siehst du die zusammengedrückten Blätter in dem Abdruck? Er ist noch feucht und fest. Vielleicht von heute Morgen”, murmelte sie.
„Gut gemacht, Kleine“, sagte Paul und stand auf. „Wir müssen zurück zum Camp. Ariel und Carmen werden heute Abend mit uns zelten.“
Trisha grinste ihren Vater freudig an. „Kommt ihr Daddy auch?“
Paul lachte und schwang sich den großen Rucksack auf die Schulter. „Ja. Ihre Mom ist bei ihrer Schwester zu Besuch und er dachte, dass den Mädchen eine Pause von seinen Kochkünsten vielleicht guttun würde.“
Lachend sprang Trisha über die Spur. „Können wir heute Abend trotzdem mit Mommy sprechen?“
Bei ihrer unschuldigen Heiterkeit spürte Paul eine Enge in seiner Brust. Immer wenn das Wetter es zuließ, lagen sie draußen und blickten zu den funkelnden Sternen am Himmel hinauf. Und jeden Abend wählte er einen anderen aus, von dem aus seine schöne Evelyn auf sie herabblickte. Er dankte ihr jeden Abend dafür, dass sie ihm das wertvolle Geschenk gegeben hatte, das jetzt vor ihm herumhüpfte. Nur wenn er mit seiner kleinen Tochter draußen in der Wildnis war oder unter den Sternen lag und mit seiner schönen Frau sprach, spürte er ein Gefühl von Frieden. Sein Blick wanderte wieder in den wolkenlosen blauen Himmel hinauf. Er fragte sich, ob er wohl immer dieses nagende Gefühl verspüren würde, dass da draußen noch jemand auf ihn wartete. Er hatte gesucht, doch keine der Frauen, die er bisher kennengelernt hatte, hatte diese Ruhelosigkeit in seiner Seele befriedigen können.
Rasch senkte er seinen Blick wieder, als seine Ohren plötzlich eine Veränderung in den Geräuschen des Waldes vernahmen. Trisha hatte es ebenfalls gehört, ihr kleiner Körper war vollkommen erstarrt. Pauls Nackenhaare stellten sich warnend auf.
„Trisha, komm her, meine Kleine“, sagte er mit ruhiger Stimme.
Trisha machte sofort einen Schritt zurück und suchte den Wald nach dem ab, was sie beide hatte spüren lassen, dass Gefahr herannahte. Paul hob sein Gewehr an seine Schulter und stellte sich etwas breiter hin, damit das, was auch immer auf sie zukam, zuerst an ihm vorbeimusste.
„Trisha, versteck dich in den Bäumen“, zischte er leise. „Komm nicht raus, bis ich es dir sage.“
Er lauschte, während Trisha über einen niedrigen Ast stieg und an dem Baum hochkletterte. Er drehte sich nicht zu ihr um. Er verließ sich auf sein Gehör, wenn es darum ging, ob seine wunderschöne Tochter in Sicherheit war.
Aus dem Wald zu seiner Linken hörte er ein Knacken, bevor der alte Berglöwe in Windeseile auf ihn zugestürmt kam. Paul verweilte in seiner Position, bis er wusste, dass er freie Schussbahn hatte. Vollkommen unbeweglich blieb er stehen und wartete. Wenn er danebenschoss, würde er das Tier vielleicht verletzen und damit noch gefährlicher machen. Er schoss, als der Berglöwe sprang. Der Schuss traf ihn ins Herz und schleuderte ihn zur Seite, wo er sich herumrollte und in den hohen Farnen verschwand, die den Waldboden bedeckten. Paul zog den Bolzen zurück, um die abgefeuerte Patronenhülse freizugeben und lud nach. Seine ruhige Effizienz rührte aus seinem jahrelangen Training.
„Daddy“, flüsterte Trisha. „Ich kann ihn sehen. Es ist der Berglöwe. Er bewegt sich nicht.“
„Bleib, wo du bist, Kleine. Ich muss sichergehen, dass er tot ist“, sagte Paul leise und ging langsam nach vorne.
Paul bahnte sich einen Weg durch die Farne, bis er direkt neben dem Berglöwen stand. Es war ein sauberer Schuss gewesen. Es war ungewöhnlich, einen Berglöwen so weit unten am Berg anzutreffen. Er kniete sich neben die große alte Katze und untersuchte sie schnell. Sie war sehr dünn. Er zog ihre Oberlippe zurück und sah, dass ihre Zähne in sehr schlechtem Zustand waren. Dann sah er sich ihre Pfoten an und bemerkte, dass sich an der linken Hinterpfote ein tiefer Schnitt entzündet hatte.
„Zeit für das nächste Leben, alter Freund“, sagte Paul leise und legte kurz seine Hand auf den Kopf der alten Katze. „Möge die Erde deinen Körper annehmen und damit andere nähren.“
Paul stand auf und ging wieder zu dem Baum, wo Trisha auf einem Ast stand und ihm zusah. „Komm runter, Kleine. Wir können nichts mehr für ihn tun.“
Sein Blick ruhte auf Trisha, während sie herunterkletterte. Als sie weit genug unten war, hob er sie in seine Arme. Er lächelte auf sie hinab. Ihre wilden Locken wirbelten um sie herum, als sie sich kurz an ihm festklammerte. Es würde eine Weile dauern, ihr am Abend die Knoten herauszukämmen.
Er blickte ein letztes Mal in den klaren blauen Himmel hinauf und bedankte sich bei seiner schönen Frau, dass sie auf sie aufpasste. Sein Herz wurde leichter, so als ob er spüren könnte, wie sie zu ihnen herunterlächelte.
Eines Tages, dachte er, eines Tages werde ich die Frau finden, die mein Herz genauso erfüllen kann, wie du es getan hast.
Heute:
Paul strich mit seinen Fingern über die Brandspuren. Er war in den letzten sechs Monaten dutzende Male hier gewesen. Und er würde nicht aufgeben. Er war derjenige gewesen, der die Hütte gefunden hatte, acht Kilometer hinter der Stelle, wo die Straße endete. Und er hatte die erste von vier Leichen gefunden, die dort begraben gewesen waren.
Bei der Erinnerung verkrampfte sich sein Magen. Als Trisha nicht wie versprochen bei ihm erschienen war, hatte er sie angerufen. Sie beantwortete seine Anrufe immer, wenn sie konnte. Wenn sie einander verpassten, riefen sie sich zurück, sobald sie konnten, egal ob Tag oder Nacht.
Zwei Tage später hatte er einen Anruf von der Polizei des Staates Kalifornien erhalten. Trisha und ein paar andere Frauen wurden vermisst. Sie war nicht von einem Flug für Boswell International zurückgekehrt. Der Test-Jet stand immer noch auf der Startbahn in Shelby, Kalifornien.
Er war die ganze Nacht durchgefahren, um dorthin zu kommen. Auf einem neuen Überwachungssystem war zu erkennen, was auf dem schwach beleuchteten Parkplatz passiert war. Der örtliche Sheriff hatte Abby Tanner, eine Künstlerin, die seine Tochter und ihre Freundin Ariel aus New York zurückgebracht hatten, entführt.
Das FBI und die kalifornische Polizei hatten die Ermittlungen aufgenommen, als es so ausgesehen hatte, als ob einer von ihren Leuten involviert wäre. Paul hatte ein paar Beziehungen spielen lassen. Aufgrund seiner Erfahrung als Fährtenleser in der Wildnis hatte er die Erlaubnis bekommen, bei der Suche zu helfen.
Erst nach drei Tagen hatten sie die Pick-ups von Abby und dem Sheriff gefunden. Das Motorrad von Carmen Walker, die wie eine Tochter für Paul war, hatte dahinter auf dem Boden gelegen und die dunklen Bremsspuren waren der Beweis, dass Carmen das Bike hastig hingeworfen hatte. In diesen drei Tagen hatte Paul Dinge über Sheriff Clay Thomas erfahren, die ihm das Blut in den Adern hatten gefrieren lassen.
Thomas war aus der Marine entlassen worden, weil man ihn verdächtigt hatte, dass er außerhalb der Basis, der er im Mittleren Osten zugeteilt worden war, Frauen umgebracht hatte. Es gab keine Beweise, da man die Leichen der Frauen nie gefunden hatte. Paul hatte noch um ein paar weitere Gefallen gebeten, sodass es ihm schließlich gelungen war, das verstörende Profil eines Mannes zu erstellen, der es genoss, andere, vor allem Frauen, zu quälen.
Alle Familien, die befragt wurden, berichteten, wie Thomas ihre Frauen, Schwestern oder Töchter gestalkt hatte. Sie hatten ihn den lokalen Behörden gemeldet, doch es war nie etwas unternommen worden. Nicht einmal, nachdem ihre Lieben auf mysteriöse Weise verschwunden waren. Thomas hatte immer ein Alibi gehabt und immer darauf geachtet, beim Verlassen der Basis nicht beobachtet zu werden.
Nachdem Paul die Hütte gefunden hatte, war ihm klargeworden, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun hatten. In der Hütte befanden sich alle möglichen Instrumente, um maximale Schmerzen zu verursachen. Zwischen den Holzdielen klebte getrocknetes Blut.
Paul war um die Hütte herumgelaufen, als die Ermittler in das Gebiet geströmt waren. Er musste das Gebiet „sehen“, bevor die ganzen „Experten“ die Beweise vernichteten. Er hatte seine Suche immer mehr ausgeweitet, bis er das erste Grab gefunden hatte. Er hatte drei weitere Leichen gefunden, bis er sich sicher sein konnte, dass keine weiteren da waren.
Mit jeder Leiche, die er gefunden hatte, war ein Teil von ihm gestorben. Seine größte Angst, dass Trisha, Ariel oder Carmen eine der entstellten Frauen waren, hatte an ihm genagt. Es hatte zwei lange Monate gedauert, bis die Ergebnisse gezeigt hatten, dass keine der Frauen aus dem Flugzeug dabei war. Von da an war er einmal pro Monat zwischen seiner Ranch in Wyoming und Shelby, Kalifornien hin und her gefahren, um das Gebiet nach weiteren Hinweisen abzusuchen.
Jetzt stand er da und betrachtete die Brandspuren an den Bäumen. Der Bericht der Brandermittler war zu keinem Ergebnis gekommen. Sie hatten keine chemischen Überreste finden können und keine Erklärung, was das Feuer ausgelöst haben könnte, das so heiß gewesen war, dass es einen kleinen Bereich zu Asche verbrennen konnte, ohne auf etwas anderes überzugreifen.
Die Spuren waren sehr präzise, so als wären sie zielgerichtet von einer extrem heißen Quelle gekommen. Er hatte den Experten vom Militär Fotos der Schäden gezeigt, doch selbst die waren ratlos gewesen. In einem Bericht stand, dass nichts auf der Erde heiß genug werden konnte, um einen solchen Schaden zu verursachen, ohne jedoch auf den umliegenden Wald überzugreifen.
Paul stand da und betrachtete die Stelle, wo ein junger Ermittler ein winziges Häufchen Asche entdeckt hatte. Die Analyse suggerierte, dass es sich dabei um menschliche Überreste handelte, doch nicht einmal bei einer Einäscherung blieb so feine Asche zurück. Er zog ein kleines gefaltetes Tuch aus seiner Tasche.
Er öffnete es und betrachtete die silberne Schuppe, die etwa so groß wie ein Dollarschein war. Er hatte sie in der Nähe der Stelle gefunden, wo man die Asche entdeckt hatte. Sie war dunkelrot mit einem Hauch von Dunkelgrün und Gold an den Rändern. Er hatte sie an der Wyoming State University untersuchen lassen. Hugh Little war ein alter Schulfreund von ihm und arbeitete in der Abteilung für Bioforschung. Er erschauderte, als er an Hughs nächtlichen Anruf dachte.
„Hey Paul”, hatte Hugh aufgeregt gesagt. „Ich, ähm, hör mal, du musst mich anrufen, sobald du wieder zurück bist. Es geht um diese Schuppe, die du mir geschickt hast. Ich muss wirklich mit dir darüber sprechen.“ Hugh war so aufgeregt gewesen, dass Paul kurzerhand zum vierhundert Kilometer entfernten Campus gefahren war, wo Hugh tätig war.
Hugh hatte ihn mit einer so aufgestauten Begeisterung begrüßt, die Paul bei dem sonst so gelassenen Mann noch nie gesehen hatte. Er hatte Paul in sein Labor gebracht und ihm seine Erkenntnisse erklärt. Paul hatte aufmerksam zugehört, doch so richtig gefesselt war er von den Bildern gewesen.
„Die Schuppe stammt von irgendeiner lebenden Kreatur. Daran besteht kein Zweifel. Erst dachte ich, es wäre vielleicht ein Reptil, doch jetzt glaube ich das nicht mehr. Ich habe noch nie so etwas gesehen. Es ist nicht nur die chemische Zusammensetzung der Schuppe oder die Größe. Sieh dir die Schuppe einmal unter dem Mikroskop an“, erklärte Hugh.
Paul sah zu, wie das verschwommene Bild der Schuppe schärfer wurde und man ein Muster darauf erkennen konnte. Am Rand befand sich eine perfekt geschwungene dünne goldene Linie, die längs mit dunkelgrünen Linien durchzogen war. Das Rot glänzte und die Farbe schien herumzuwirbeln, so dass es aussah, als ob sie brennen würde. In der Mitte der Schuppe war ein Symbol, das wie ein Speer aussah. Paul kam näher und betrachtete das Muster aufmerksam.
„Ist das echt?“, hatte er Hugh ruhig und nachdenklich gefragt.
„Oh ja, sie ist echt. Siehst du diese wirbelnden Farben? Ich habe versucht, eine kleine Probe davon zu nehmen. Sie hat alle Nadeln zerstört, die ich benutzt habe. Als ich versucht habe, die Schuppe durchzuschneiden, hat sie mein Messer geschmolzen“, erwiderte Hugh. „Ich weiß nicht, wo du das herhast, aber ich sage dir eins, so etwas habe ich auf der Erde noch nie gesehen.“
Eine kalte Welle des Schreckens durchfuhr Paul, als er das wirbelnde Rot betrachtete. Das war jetzt schon das dritte Mal, dass ihm das jemand sagte. Er hatte Hugh, der noch mehr Versuche durchführen wollte, die Schuppe unter Protest wieder abgenommen. Paul hatte ihm erklärt, dass sie für die Ermittlungen gebraucht wurde und er sie ihm vielleicht nachdem Trisha gefunden wurde, nochmal schicken könnte. Jetzt brauchte er sie erst einmal.
Paul blickte in den bewölkten Himmel. Bald würde es regnen. Das konnte er riechen. Als er wieder zu seinem Pick-up zurückging, drehte er sich noch einmal gedankenverloren um und ließ sich dann auf den Fahrersitz gleiten. Er musste noch jemandem einen Besuch abstatten, bevor er sich auf den Heimweg machte. Er hatte den Namen erst vor ein paar Tagen erfahren. Keiner der Ermittler hatte die alte Frau, die mit der Künstlerin befreundet war, für wichtig genug gehalten, um sie zu befragen. Paul griff nach dem Klemmbrett, das auf dem Armaturenbrett lag, um nach der Adresse zu sehen. Edna Grey, sechsundsechzig Jahre alt, Freundin der Familie von Abby Tanner. Grey hatte Abbys Großeltern gekannt, bei denen sie aufgewachsen war. Sie hatte mit ihnen in der Unterhaltungsbranche gearbeitet, bevor sie in den Ruhestand gegangen war.
Wie ihm einige Kontaktpersonen berichtet hatten, passte Abby oft auf ihre Tiere auf, wenn Grey ihre Kinder besuchte. Paul legte das Klemmbrett auf den Beifahrersitz und ließ den großen Ford 250 Diesel an. Er legte den Rückwärtsgang ein und wendete in drei Zügen, sodass er den Berg wieder hinunterfahren konnte.
Als er auf den Highway einbog, schaltete er die Scheibenwischer ein, da es zu regnen begann. Er hoffte, dass diese Edna Grey ihm ein paar hilfreiche Informationen liefern konnte. Langsam gingen ihm die Hinweise aus.
Er rieb sich die Brust über seinem Herzen. Er wusste, dass seine Kleine noch am Leben war. Er konnte sie spüren. Es war nicht so wie damals, als Evelyn gestorben war.
Damals hatte er gewusst, dass sie tot war. Er hatte die Leere in seinem Herzen gespürt. Er hatte gewusst, dass etwas passiert war, noch bevor er den Anruf seiner Mutter erhalten hatte, die zu Besuch gewesen war, als Evelyn zusammengebrochen war.
Nein, Trisha war noch am Leben. Er konnte spüren, dass sie ihn rief. Es war fast so stark wie das andere Gefühl, das er in letzter Zeit hatte. Dass sich sein Leben bald ändern würde. Er war rastlos, so als ob er irgendwie wüsste, dass die Leere, die er schon so lange spürte, bald gefüllt werden würde.
Paul betätigte den Blinker und wurde langsamer, als er in die lange Schottereinfahrt einbog. Durch die Windschutzscheibe, die vom Regen ganz verschmiert war, konnte er ein großes zweistöckiges Haus am Ende der Einfahrt sehen. Eine große Veranda lud Besucher zum Verweilen ein.
Er bog in die geschwungene Einfahrt vor den Stufen ein und stellte den Motor ab. Dann öffnete er die Tür und zog sich seinen großen texanischen Hut noch tiefer in die Stirn, um sein Gesicht vor dem kalten Nieselregen zu schützen. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, schritt er die Veranda hinauf.
Ein leises Bellen ertönte auf der anderen Seite der Tür. Noch bevor er seine Hand heben konnte, um zu klopfen, ging die Tür auf und das gutmütige Gesicht einer Frau Mitte sechzig tauchte auf. Sie hatte ihr langes dunkelgraues Haar zu einem Zopf geflochten, der ihr über den Rücken fiel und trug ausgewaschene Jeans mit einem blauen geknöpften Hemd, das in ihrer Hose steckte. Sie sagte erst einmal nichts, dann lächelte sie und öffnete die Tür. Ein großer Golden Retriever stand neben ihr. Er hatte einen grünen Tennisball im Maul und wedelte mit dem Schwanz.
„Ms. Grey, mein Name ist Paul Grove“, sagte Paul, der seinen Hut abnahm und ihn nervös mit beiden Händen festhielt. „Meine Tochter ist Trisha Grove. Sie hat das Flugzeug geflogen, das Ihre Freundin Abby Tanner zurückgebracht hat.“
Edna nickte und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Kommen Sie herein. Ich habe schon damit gerechnet, dass jemand kommen würde.“
Paul senkte respektvoll seinen Kopf, als er das Haus leise betrat. Er blickte sich um, während sich seine Augen langsam an die schwache Innenbeleuchtung gewöhnten. An einer Wand hingen Fotos von berühmten Sängern und Schauspielern und dazwischen Bilder von Ednas Familie. Dann fiel sein Blick auf eine Vitrine mit Auszeichnungen.
„Kommen Sie mit“, sagte Edna, die in den hinteren Teil des Hauses ging.
Paul blickte die Treppen hinauf und bemerkte das abgenutzte, aber polierte Holz auf den Stufen. Er ließ seinen Blick durch die gute Stube schweifen, bevor er daran vorbeiging. Er folgte Edna durch den engen Flur, in eine helle, sehr moderne Küche. Die großen Fenster im hinteren Teil ließen viel Tageslicht herein. Edna winkte ihn zu sich an den abgenutzten weißen Tisch neben dem Fenster und setzte Wasser zum Kochen auf.
„Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen, Paul Grove. Sie werden mich wahrscheinlich für eine senile alte Frau halten, die in einer Fantasiewelt lebt, aber das bin ich nicht“, sagte Edna, die Paul mit einem festen, aber beruhigenden Lächeln ansah. „Ob Sie mir glauben wollen oder nicht, liegt ganz bei Ihnen. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich weiß und was ich vermute.“
„Ist meine Tochter am Leben?“, fragte Paul mit tiefer heiserer Stimme.
Edna lächelte, als das Wasser kochte und sah erst nicht Paul an, sondern den Dampf, der aus dem Kessel kam. „Lassen Sie mich meine Geschichte erzählen und dann werde ich Ihnen diese Frage stellen.“
Edna goss das kochende Wasser in zwei Tassen. Dann streckte sie sich, um einen Schrank zu öffnen und holte zwei Teebeutel heraus, die sie in die Tassen gab. Sie stellte die Tassen auf zwei Untertassen und trug sie zu dem Tisch hinüber, wo sie eine vor Paul abstellte und die andere an ihrem Platz, bevor sie sich setzte. Der Golden Retriever kam ins Zimmer und legte sich zu ihren Füßen. Er ließ den Tennisball zwischen seine Vorderpfoten fallen und legte sein Kinn mit einem leisen Jaulen darauf ab.
„Bo vermisst Abby“, sagte Edna, bevor sie in ihre Tasse blies und einen Schluck trank. „Ich auch, aber sie ist an einem besseren Ort. Zumindest glaube ich, dass sie das ist.“
„Wo glauben Sie ist sie?“, fragte Paul, der die Tasse mit seinen kalten Händen umfasste, allerdings nicht von dem duftenden Gebräu trank.
Edna seufzte. Dann sah sie Paul mit einem klaren, intelligenten Blick an. „Vor sechs Monaten habe ich meinen Hund Bo und meinen Maulesel Gloria zu Abbys Hütte in den Bergen gebracht. Abby hat die Hütte von ihren Großeltern geerbt. Sie ist dort geboren und aufgewachsen und hatte nie vor, von dort wegzugehen“, erklärte Edna. Sie hielt kurz inne, um noch einen Schluck von ihrem Tee zu nehmen.
Paul sagte nichts. Er wartete nur darauf, dass Edna fortfuhr. Er glaubte, dass er, wenn er wartete und lange genug zuhörte, mehr erfahren würde, als wenn er sie bedrängte.
Edna nickte und lächelte Paul an. „Abby würde Sie mögen. Sie sind ein geduldiger Mann, Paul Grove. Abby hat an einem aufwändigen gläsernen Kunstwerk für die Boswells gearbeitet. Ihre Tochter Trisha war die an Bord des Flugzeugs, wenn ich das richtig verstehe.“
„So wie auch drei andere Frauen, die mir sehr wichtig sind“, stimmte Paul zu. „Trisha war die Pilotin. Zwei ihrer Jugendfreundinnen waren auch an Bord, ebenso wie ein weiteres junges Mädchen, das meine Tochter und Ariel unter ihre Fittiche genommen haben.“
„Ja, das habe ich in der Zeitung gelesen. Da ist allerdings etwas, was sie wissen sollten, das nicht in der Zeitung stand“, sagte Edna, die sich nach vorne beugte. „Als ich Bo und Gloria nach meinem Besuch bei meinem Sohn und meiner Schwiegertochter abgeholt habe, war Abby nicht mehr alleine. Sie hatte einen Mann bei sich. Er war anders als alle Männer, die ich je kennengelernt habe. Er hatte eine Wildheit und eine Stärke an sich, die nicht ... normal war.“
Pauls Gesicht verzog sich zu einer unbeweglichen Maske. „Glauben Sie, dass er Abby etwas getan hat?“
Edna schüttelte den Kopf und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Im Gegenteil. Ich glaube, er hat Abby gerettet ... genauso wie Ihre Tochter und die anderen Frauen.“
„Warum glauben Sie das?“, fragte Paul steif. „Sie haben doch gesagt, dass er irgendwie anders war. Inwiefern anders?“
Das Lächeln auf Ednas Gesicht verblasste und ihre Augen verdunkelten sich, als sie sich erinnerte. „Weil er sie geliebt hat und mir geschworen hat, dass er alles tun würde, was in seiner Macht steht, um sie zu beschützen und sie glücklich zu machen. Ich habe ihm geglaubt. Sein Name war Zoran Reykill und er war ein Alien aus einer anderen Welt”, sagte Edna vorsichtig.
Paul kniff die Lippen zusammen und erwiderte Ednas unbeirrten Blick. „Sie wollen mir erzählen, dass meine Tochter von Außerirdischen entführt worden ist?“, fragte er mit tiefer, emotionsloser Stimme.
„Nicht entführt, sondern eher gerettet“, erwiderte Edna und nahm einen Schluck von ihrem Tee. „Ich muss Ihnen sagen, dass ich mir erst Sorgen gemacht habe, als ich einen merkwürdigen Mann bei Abby gesehen habe. Sie müssen wissen, dass Abby sehr ruhig und zurückhaltend ist. Sie öffnet sich anderen gegenüber nicht so schnell. Sie war vollkommen zufrieden alleine auf ihrem Berg. Dieser Mann war extrem groß, sogar noch größer als Sie. Er hatte schwarzes Haar, das ihm über den Rücken hing und goldene Augen mit länglichen Pupillen. Er hat mich verstanden, doch ich konnte ihn nicht verstehen, bis...“ Sie verstummte, als sie an das goldene Schiff auf der Wiese dachte.
„Bis...“, drängte Paule sie leise.
„Bis er mich in sein Raumschiff gebracht hat“, erwiderte Edna. „Zoran hat mich zu der Wiese in der Nähe der Hütte gebracht. Erst war da gar nichts, doch dann ist plötzlich ein mächtiges goldenes Raumschiff aus dem Nichts aufgetaucht. Es schwebte ein paar Zentimeter über dem Boden. Es war lebendig. Ich konnte die wirbelnden Farben und das Schimmern sehen, als ich nähergekommen bin. Als Zoran es berührt hat, sind plötzlich eine Tür und Stufen erschienen. Er hat mich mit hineingenommen. Unter uns haben sich Sitze aus Gold gebildet und vor uns ist eine Schaltfläche aufgetaucht. Ich konnte verstehen, was er sagte, solange wir in dem goldenen Schiff waren.“ Edna sah mit einem entschlossenen Blick zu Paul auf. „Er hat mir erzählt, dass er in unserer Welt bruchgelandet ist und Abby ihn gefunden hat. Sie hat ihn gepflegt und er wusste, dass sie seine wahre Gefährtin war. Er hat mir erzählt, dass er sie bei seiner Abreise mitnehmen würde. Ich denke mir das nicht aus. Ich habe keine Beweise, ob Sie mir glauben oder nicht, liegt ganz bei Ihnen. Können Sie die Dinge erklären, die Sie gefunden haben? Sie sind nicht der Einzige, der Nachforschungen angestellt hat, Mr. Grove. Ich weiß, welche Beweise sie hinterlassen haben und ich kenne Ihren Hintergrund. Was haben Sie herausgefunden?“, fragte Edna.
Paul wandte seinen Blick von Edna ab und sah aus dem Fenster. Er sah eine Scheune, vor der ein alter Maulesel im Nieselregen stand. Dann fiel sein Blick auf die Berge in der Ferne, bevor er wieder die Frau anblickte, die vor ihm saß.
„Dass irgendetwas dort war, was nicht von dieser Welt ist“, erwiderte er leise.
Edna nickte langsam. „Jetzt werde ich Ihnen die gleiche Frage stellen, die Sie mir gestellt haben. Ist Ihre Tochter am Leben?“, fragte sie leise und legte ihre Hand sanft auf seine.
Paul blickte auf seine unberührte Teetasse hinab und schluckte den Kloß in seinem Hals herunter. Tränen brannten in seinen Augen, als er an seine schöne Tochter dachte. Er fragte sich, ob sie glücklich war. Ob sie in Sicherheit war. Ob sie ihn genauso sehr vermisste, wie er sie. Paul blickte auf und nickte schließlich.
„Ja, sie lebt. Aber ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Wie kann ich sie nach Hause holen, wenn sie in eine andere Welt gebracht worden ist?“, fragte Paul und sprach damit seine Angst einer Frau gegenüber aus, die ihm die einzigen Antworten gab, die langsam Sinn ergaben.
Edna lehnte sich zurück. „Irgendetwas sagt mir, dass sie genauso unglücklich darüber ist, von Ihnen getrennt zu sein, wie Sie. Wenn sie auch nur halb so hartnäckig ist wie Sie, würde es mich nicht überraschen, wenn die Aliens nochmal zurückkommen. Und wenn es so weit ist, werden Sie sie vielleicht nicht nach Hause bringen, sondern Ihre Tochter wird Sie mitnehmen.“
Paul musterte Edna einige Augenblicke lang. Zum ersten Mal seit sechs Monaten spürte er einen Anflug von Hoffnung. Er blieb noch eine Stunde bei Edna. Er stellte ihr eine Frage nach der anderen und versuchte, so viel wie möglich über diesen Zoran Reykill und sein goldenes Schiff zu erfahren. Die Einladung zum Abendessen lehnte er höflich ab und sagte Edna, dass er auf der langen Fahrt nach Hause über vieles nachdenken musste.
Er nickte Edna und Bo zu, als er aufbrach. Auf dem langen Heimweg erledigte er mehrere Anrufe. Er musste sich um einiges kümmern. Wenn seine kleine Tochter zu den Sternen geflogen war, so wie sie es immer gesagt hatte, dann musste er ein paar Dinge regeln. Schließlich hatte er ihr versprochen, dass er sie begleiten würde, falls sie das je tun sollte.
Morian Reykill stieß einen Seufzer aus, als sie vorsichtig die neue Pflanze berührte, die sie gerade umgetopft hatte. Sie ließ ihren Blick durch das Atrium schweifen, das sie sich eingerichtet hatte, in der Hoffnung, dort etwas Frieden zu finden. Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Es war lächerlich, dass sie sich so einsam fühlte. Ihr Leben wäre überaus erfüllt, wenn sie einfach akzeptieren würde, was ihr alles gegeben worden war.
Alle ihre fünf Söhne hatten ihre wahren Gefährtinnen gefunden. Da waren zwar noch ein paar Dinge, die geregelt werden mussten, aber sie würden schon ihren Weg gehen. Vielleicht würde sie nur ein bisschen helfen müssen. Die schönen Kreaturen, mit denen sie zurückgekehrt waren, waren vollkommen anders als alles, was sie jemals gesehen hatte ... und sehr stur.
Ihr entfuhr ein Kichern, als sich die kleine Blüte kurz öffnete, um sich dann wieder fest zu verschließen, als ob sie sich über ihren Umzug in ein neues Zuhause ärgern würde. Die Frauen waren dieser kleinen Pflanze sehr ähnlich. Auch sie wussten nicht, ob sie hier sein wollten. Mit der Zeit würden sie jedoch ihre Wurzeln ausstrecken und sich in dieser eigenartigen neuen Welt zurechtfinden, in die sie gebracht worden waren.
In den letzten Monaten war so viel passiert. Morian schloss ihre Augen, als sie bei dem Gedanken an ihren Gefährten einen Stich spürte. Dass sein eigener Bruder ihm das Leben genommen hatte, brach ihr regelrecht das Herz. Sie war immer dankbar gewesen, als sie mit Jalo zusammen gewesen war.
Er war ein gutmütiger, freundlicher und intelligenter Mann gewesen, der ihr Herz mit seiner Zärtlichkeit erobert hatte. Er war immer geduldig mit ihr gewesen und hatte sie erst kennengelernt, bevor sie zusammengekommen waren. Sein Drache hatte sie toleriert, weil sie eine Priesterin des Symbiontennests war.
Sein Symbiont hatte sie aus dem gleichen Grund akzeptiert, die beiden hatten jedoch nicht die gleiche brennende Leidenschaft für sie empfunden wie der Mann. Sie hatte gewusst, dass sie nicht Jalos wahre Gefährtin war und sogar akzeptiert, dass sie Platz machen und ihn aus der Ferne lieben musste, falls er je seine wahre Gefährtin finden sollte. Doch er hatte keine andere Frau gefunden, die von allen drei Teilen akzeptiert wurde, die den Mann ausmachten. Tatsächlich schien er glücklich mit ihr zu sein, trotz des Hungers, der, wie sie wusste, tief in ihm brannte.
In der Woche, als Jalo gestorben war, hatte Raffvin die Idee gehabt, jagen zu gehen. Berichten zufolge war es ein Unfall gewesen. Sein Drache war bei einem plötzlichen Felssturz verschüttet worden. Raffvin war angeblich ebenfalls umgekommen, seine Leiche war jedoch nie gefunden worden. Morian wusste jetzt auch warum. Er hatte seinen Bruder umgebracht und versucht, ihre Söhne ebenfalls zu töten, während sein eigener Tod nur vorgetäuscht war.
Morians Hände zitterten, als sie daran dachte, dass sie beinahe noch mehr Familienmitglieder verloren hätte. Sie glaubte nicht, dass sie nochmal einen solchen Verlust ertragen könnte. Sie war am Boden zerstört gewesen, als Zoran verschwunden war.
Seine Rückkehr war ein Segen gewesen, da er mit einer Spezies zurückgekehrt war, die sowohl von ihren Symbionten als auch von ihren Drachen akzeptiert wurde. Es gab nicht viele Frauen auf Valdier. Die wenigen, die im richtigen Alter waren, hatten bereits Gefährten.
Leider wurden nur wenige Frauen geboren. Ihre Wissenschaftler glaubten, dass die Kombination aus der dominanten Persönlichkeit der Männer und dem Bedarf an Kriegern während des Großen Krieges der Grund dafür war. Doch, obwohl der Große Krieg zwischen den Sarafinen, den Kurizanern und den Valdierern schon vor über einhundert Jahren geendet hatte, wurden immer noch wenige Frauen geboren.
Der Mangel an Gefährtinnen für erwachsene Männer wurde langsam kritisch. Viele valdierische Krieger suchten jetzt auf Sarafin oder Kurizan nach Gefährtinnen. Das größte Problem war es, eine Frau zu finden, die von allen drei Teilen des Mannes akzeptiert wurde. Mit viel Glück gelang es einem Mann, eine zu finden, die alle drei Teile zumindest tolerierten. Mit der Zeit würde der Hunger seines Drachen und die Unzufriedenheit seines Symbionten das Paar jedoch trennen, wenn sie nicht aufpassten. Im schlimmsten Fall würden ein oder zwei Teile die Frau nicht akzeptieren und versuchen, sie zu töten.
Morian war dankbar, dass das für ihre Söhne kein Problem mehr darstellte. Jetzt mussten sie nur noch lernen, zu verstehen und zu akzeptieren, dass ihre Gefährtinnen willensstarke Frauen waren.
Morian bewunderte ihre Willensstärke. Sie selbst war wegen ihres eigensinnigen Verhaltens oft in Schwierigkeiten geraten. Jalo hatte es toleriert, doch als junges Mädchen war sie oft bestraft worden, weil sie Dinge getan hatte, die sich für eine Frau nicht gehörten.
Als Priesterin des Nests und Königinmutter der Drachenfürsten hatte sie mehr Freiheiten als sie anderen Frauen auf Valdier. Die meisten Frauen wurden von ihren Gefährten streng bewacht und durften nicht einfach allein reisen, so wie sie, nun da sie keinen Gefährten mehr hatte.
„Morian“, ertönte Abbys Stimme vom Eingang des Atriums.
Morian lächelte, als sie an ihre schöne ruhige neue Tochter dachte. Abby war die wahre Gefährtin von Zoran, ihrem ältesten Sohn. In ihrer Sanftheit und ruhigen Art lag eine gewisse Stärke und sie hatte bereits bewiesen, dass sie keine zarte Blume war, die sich irgendwo versteckte.
Als sie das Lachen eines Babys hörte, wusch Morian sich hastig die Hände. Abby hatte vor kurzem einen kleinen Jungen zur Welt gebracht. Ihr erstes Enkelkind. Cara, Trelons Gefährtin, hatte kurz darauf Zwillinge bekommen. Die ersten Mädchen, die seit mehreren Jahrhunderten in die Königsfamilie geboren wurden, und man merkte bereits, dass sie einmal genauso wie ihre Mutter werden würden. Sie waren erst ein paar Monate alt und drehten sich bereits herum und versuchten ständig zu entwischen.
„Abby“, rief Morian erfreut und streckte ihre Arme nach ihrem neuen Enkelsohn aus, der freudig quiekte, als er sie sah. „Wie geht es meinem wundervollen Kleinen?“, gurrte Morian leise.
„Oh, es geht ihm ausgezeichnet“, sagte Abby mit einem müden Seufzen. „Bei deinem ältesten Sohn bin ich mir da jedoch nicht so sicher. Er treibt mich noch in den Wahnsinn!“
Morian kicherte und Zohar stieß ein gurgelndes Lachen aus. „Was hat er jetzt wieder angestellt?“
Abby setzte sich auf die Bank neben dem Springbrunnen in der Mitte. Sie strich sich eine dicke Strähne ihres langen dunkelbraunen Haars zurück und entspannte sich. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie zusah, wie ihr Sohn versuchte, Morians Haare aus ihrem Zopf zu zupfen. Deswegen trug sie ihr Haar nur noch offen. Zohar schrie jedes Mal, wenn sie es hochsteckte und er nicht herankam. Zoran hatte darauf bestanden, dass sie es offenlassen sollte, damit sein Sohn es berühren konnte, wann immer er wollte.
„Erstens lässt er mich meine Haare nicht hochstecken. Wenn ich es versuche, macht er es wieder auf, weil er sagt, dass Zohar das nicht mag. Aber er ist genauso schlimm. Einmal habe ich schon damit gedroht, es abzuschneiden, aber er...“ Abby errötete, als sie daran dachte, was Zoran ihr angedroht hatte, wenn sie auch nur daran dachte, sich ihr Haar abzuschneiden.
Morians Augen glänzten belustigt, als sie zu Abby hinüberblickte. „Sein Vater war genauso. Einmal wollte ich mir die Haare abschneiden lassen. Ich hatte sogar schon die Schere in der Hand, als er reinkam und mich erwischt hat“, kicherte Morian und ihr Gesicht wurde ebenfalls leicht rosig. „Er hat mich für drei Tage ans Bett gefesselt.“
„Drei Tage?“, keuchte Abby ungläubig. „Was hast du getan?“
„Ich habe es so sehr genossen, dass ich ihm mindestens einmal im Monat gedroht habe, mir die Haare abzuschneiden, bis...“ Morian verstummte und ihre Augen wurden traurig. „Bis er umgebracht wurde.“
Abby stand auf und ging zu Morian, die mit Zohar am Rand des Brunnens saß. „Es tut mir so leid, Morian“, sagte Abby und legte ihre Hand auf Morians Schulter.
Morian blickte auf und schüttelte ihren Kopf. „Es ist viele Jahre her, aber ich vermisse ihn immer noch. Er war ein guter Gefährte. Ich vermisse unsere Gespräche“, gab sie leise zu. Dann schüttelte sie erneut ihren Kopf und lächelte. „Also, wie konntest du dich wegschleichen, ohne dass Zoran etwas bemerkt hat?”
„Er hat es bemerkt“, ertönte eine tiefe Stimme von dem schattigen Pfad, der zum Brunnen führte.
Abby verdrehte die Augen und setzte sich neben Morian. „Hey Schatz.“
„Wag es nicht, mich Schatz zu nennen“, knurrte er, während er auf sie zukam. „Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du in unserem Wohnbereich bleiben sollst. Du musst dich ausruhen. Zohar hat dich gestern Nacht bestimmt ein halbes Dutzend Mal aufgeweckt“, sagte er und zog Abby hoch, um sie in seine Arme zu schließen.
Abby ließ sich gegen Zorans Brust sinken und genoss seine warme Haut an ihrer Wange. „Da war er nicht der Einzige“, murmelte sie düster.
Diesmal wurde Zoran ein bisschen rot. „Ja, naja, du hast extrem süß gerochen“, flüsterte er und warf seiner Mutter einen Blick zu, die ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue ansah. „Naja, das hat sie. Die Milch, die sie für Zohar produziert, ist –“, fügte er zu seiner Entschuldigung hinzu.
Abby stöhnte, um ihn zum Schweigen zu bringen, während sie ihr heißes Gesicht an seiner Brust vergrub. „Das ist mehr, als deine Mutter wissen muss“, stöhnte sie.
„Ja, allerdings“, kicherte Morian. „Aber wie ich vorhin bereits gesagt habe, er ist wie sein Vater.“
Zoran klappte den Mund auf, bevor er ihn rasch wieder schloss und den Kopf schüttelte. „Das war’s. Zeit, dass wir wieder in unseren Wohnbereich zurückkehren. Komm her, kleiner Krieger. Wir legen dich hin, damit du ein Schläfchen machen kannst. Ich glaube, deine Dola braucht ebenfalls ein kleines Nickerchen.“
Morian kicherte, als Zohar seinen Vater böse anblickte, bevor er sein Gesicht verzog und laut aufheulte, als Zoran seine kleinen Finger vorsichtig von den Haaren löste, die er aus Morians Zopf gezogen hatte. Zoran schnitt eine Grimasse und warf Abby einen Blick zu. Die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Mit einer gehobenen Augenbraue streckte Abby die Arme aus und nahm Zohar kopfschüttelnd wieder auf den Arm. Kaum hatten sich seine kleinen Finger um eine lange dunkle Haarsträhne geschlossen, hickste er und beruhigte sich. Seufzend vergrub er sein Gesicht an ihrem Hals.
„Deswegen darfst du dir niemals die Haare schneiden lassen“, sagte Zoran stur. „Ich mag es nicht, wenn er schreit. Es tut mir in den Ohren weh.“
Morian kicherte, als Abby und Zoran gingen und darüber diskutierten, dass Zohar lernen musste, dass es nicht immer nach seinem Willen gehen konnte, nur damit er nicht weinte. Sie erinnerte sich daran, dass sie mit Jalo die gleichen Diskussionen gehabt hatte. Sie hoffte, dass Abby mehr Glück haben würde als sie. Jalo hatte seine Söhne geliebt und sie wusste, dass sie sich in mehr Schwierigkeiten gebracht hatten, als gut für sie gewesen war, weil sie es geschafft hatten, ihn um den Finger zu wickeln.
Sie drehte sich auf dem kühlen Stein um und ließ ihren Blick durch das Atrium schweifen, das ihr absolutes Heiligtum war. Sie tauchte ihre Finger in das klare Wasser und spielte abwesend damit, bis die Stille einen Punkt erreichte, an dem sie nicht mehr beruhigend war, sondern sie fast erstickte. Sie betrachtete die kleinen Wellen, die sie im Wasser gemacht hatte. Und ihr wurde bewusst, dass ihr Leben genauso war wie das aufgewühlte Wasser.