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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Pia – Heimlich ins Heim gegeben! Magnus Grellner trat durch die zweiflügelige Terrassentür. Maike lag in ihrem knappen roten Bikini reglos auf einer der Gartenliegen, das Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne zugewandt. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und betrachtete sie. Er war sicher, sie schlief nicht. Möglicherweise hatte sie sogar schon gemerkt, dass er auf der Terrasse stand, und genoss das Wissen, dass er sie ansah. Ihr Körper war makellos und zweifelsohne sehr attraktiv. Kein Wunder, schließlich verbrachte sie täglich Stunden damit, sich zu pflegen. Sogar auf die Entfernung konnte er sehen, dass der Lack auf ihren Finger- und Fußnägeln den gleichen Farbton hatte wie ihr Bikini. Vermutlich war er frisch aufgetragen. Maike besaß ein ganzes Arsenal an Farben, um immer die Passende zur jeweiligen Garderobe zu haben. Ihre Haut schimmerte wie Bronze und ihr Bauch war ganz flach. Fast ein wenig zu flach für seinen Geschmack. In ihrem Nabel funkelte ein Steinchen, ein Nabel-Piercing. Eigentlich mochte er diese Art von Körperschmuck nicht, doch er musste zugeben, an Maike sah er gut aus. Seine Freundin räkelte sich und ließ die Fingerspitzen einer Hand von ihrem Brustansatz Richtung Bauch gleiten. Nun war er sicher, dass sie ihn längst bemerkt hatte. Es war eine für sie typische Geste, um verführerisch zu wirken. Doch dafür war er im Moment nicht empfänglich. Was er ihr zu sagen hatte, würde ihr überhaupt nicht gefallen, und ihm passte es noch viel weniger.
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Seitenzahl: 158
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Magnus Grellner trat durch die zweiflügelige Terrassentür. Maike lag in ihrem knappen roten Bikini reglos auf einer der Gartenliegen, das Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne zugewandt. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und betrachtete sie. Er war sicher, sie schlief nicht. Möglicherweise hatte sie sogar schon gemerkt, dass er auf der Terrasse stand, und genoss das Wissen, dass er sie ansah. Ihr Körper war makellos und zweifelsohne sehr attraktiv. Kein Wunder, schließlich verbrachte sie täglich Stunden damit, sich zu pflegen. Sogar auf die Entfernung konnte er sehen, dass der Lack auf ihren Finger- und Fußnägeln den gleichen Farbton hatte wie ihr Bikini. Vermutlich war er frisch aufgetragen. Maike besaß ein ganzes Arsenal an Farben, um immer die Passende zur jeweiligen Garderobe zu haben. Ihre Haut schimmerte wie Bronze und ihr Bauch war ganz flach. Fast ein wenig zu flach für seinen Geschmack. In ihrem Nabel funkelte ein Steinchen, ein Nabel-Piercing. Eigentlich mochte er diese Art von Körperschmuck nicht, doch er musste zugeben, an Maike sah er gut aus.
Seine Freundin räkelte sich und ließ die Fingerspitzen einer Hand von ihrem Brustansatz Richtung Bauch gleiten. Nun war er sicher, dass sie ihn längst bemerkt hatte. Es war eine für sie typische Geste, um verführerisch zu wirken. Doch dafür war er im Moment nicht empfänglich. Was er ihr zu sagen hatte, würde ihr überhaupt nicht gefallen, und ihm passte es noch viel weniger. Doch es musste sein, er kam nicht daran vorbei. Schon seit sein Vorgesetzter, Carsten Schönhuber, ihm vor einigen Wochen mitgeteilt hatte, welche Pläne er mit ihm hatte, lag ihm sein Wissen wie ein Klumpen im Magen. Jetzt war es soweit. Eben hatte Schönhuber angerufen, und nun musste er mit Maike reden.
Er straffte die Schultern, verließ die Terrasse und trat auf den Rasen, der sich unter den Sohlen seiner Schuhe wie ein dicker weicher Teppich anfühlte. Er wuchs dicht und sattgrün. Der Gärtner, den er ab und an kommen ließ, verstand sein Handwerk und hatte im Frühling, wie jedes Jahr, viel für eine gepflegte Grünfläche getan.
Eine dichte Hecke aus zum Teil blühenden Sträuchern umsäumte das großzügige Grundstück. Magnus schnupperte auf dem Weg zu Maike den Duft der Rosen, in den sich das Aroma frisch gemähten Rasens mischte. Dafür verantwortlich war ein kleiner Mähroboter, der gemächlich und nahezu geräuschlos über die Wiese zockelte und das Gras niedrig hielt.
Das warme Licht der Nachmittagssonne durchflutete den Garten. Magnus hatte Maikes Liegeplatz erreicht. Er zog sich einen der Gartenstühle heran und setzte sich zu ihr.
»Maike?«, sprach er sie leise an. Seine Freundin blinzelte und betrachtete ihn schlaftrunken, als hätte er sie geweckt.
»Hm?«, machte sie und streckte die Hand nach ihm aus. Ihm war nicht danach, sie zu ergreifen.
»Ich muss dir was sagen«, fuhr er fort. Maike öffnete die Augen endgültig und musterte ihn.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Ich muss weg, nach Italien, für voraussichtlich acht Wochen.« Der Druck in seinem Magen verstärkte sich. Nun, wo er es ausgesprochen hatte, war es so real geworden.
»Wieso denn das?« Maike richtete sich auf. Sie griff nach ihrem Strohhut, der neben ihrer Liege im Gras lag, und setzte ihn auf.
»Ich muss dort ein Projekt betreuen. Schönhuber hat eben angerufen.«
»Aber doch nicht von jetzt auf gleich.« Irritiert sah sie ihn an.
»Nein, natürlich nicht.« Er unterdrückte ein Seufzen. »Er hat es schon vor einiger Zeit angesprochen, aber da war es noch nicht sicher. Jetzt ist es sicher.«
»Und was ist mit Pia?«
Genau das war das Problem. Aus dem Druck in seinem Bauch wurde ein Knoten. Ein ziemlich harter Knoten.
»Es sind nur zwei Monate, Maike. Gib dir ein bisschen Mühe.« Ihm brach der Schweiß aus, während er sprach. Die Vorstellung, seine fünfjährige Tochter in Obhut seiner Freundin zu lassen, setzte ihm gewaltig zu. Eigentlich war allein der Gedanke indiskutabel. Maike konnte mit Kindern reinweg nichts anfangen. Sie und Pia kamen miteinander aus, mehr aber auch nicht. In den Monaten, die Maike mittlerweile bei ihnen wohnte, hatte sie es nicht geschafft, eine Bindung zu seiner Kleinen aufzubauen.
»Das kann nicht dein Ernst sein, Magnus.« Maike schwang ihre schlanken Beine über den Rand der Liege.
»Es ist nicht meine Entscheidung. Pia ist ein liebes Mädchen, und du bist den ganzen Tag zu Hause. Wo ist das Problem?« Er fühlte sich schrecklich. Seit über einem Jahr war er jetzt mit Maike zusammen, vor einem halben Jahr war sie bei ihm eingezogen. Er hatte sich so sehr gewünscht, sie und seine Tochter würden sich gut verstehen. Doch das Verhältnis war und blieb distanziert.
»Ich bin für Kindererziehung nicht geeignet, Magnus. Das weißt du genau.« Maike klang aufgebracht.
»Du sollst sie auch nicht erziehen, sondern einfach für sie da sein. Um den Haushalt kümmert sich Frau Schwarz, wie sonst auch«, versuchte er sie zu besänftigen. »Außerdem geht Pia den größten Teil des Tages in den Kindergarten.«
»Aber ich muss sie ja wohl hinbringen und abholen. Und spätestens ab 16 Uhr, wenn sie wieder hier ist, auch beschäftigen. Da fällt mir einfach nichts ein«, klagte Maike.
»Pia ist ein aufgewecktes Kind, ihr wird schon selbst reichlich einfallen, womit sie spielen kann und möchte. Du musst nur ein wenig auf sie achtgeben.«
»Ja. Und sie ins Bett bringen und mich um die Mahlzeiten kümmern und ihre Brotzeit für den Kindergarten. Und Freitag macht der Kindergarten sogar schon mittags zu! Die Wochenenden gibt es auch noch. Und, soweit ich weiß, ist sie Samstag in zwei Wochen zu einem Kindergeburtstag eingeladen, bei irgendeiner Sophie. Dafür braucht sie noch ein Geschenk. Magnus, ich bitte dich.«
»Frau Schwarz wird sich um sämtliche Mahlzeiten für Pia kümmern. Du musst höchstens etwas aufwärmen. Das Geschenk für Sophie besorge ich. Freitagnachmittag war Pia schon öfters bei Lilli. Vielleicht klappt das in den kommenden Wochen wieder ab und an, dann bist du auch da entlastet. Maike, du hast gewusst, dass ich eine Tochter habe, als wir zusammengekommen sind. Ich brauche dich jetzt. Ich kann den Auftrag nicht ablehnen. Es gibt in der Firma niemanden außer mir, der die Leitung des Projektes übernehmen kann. Es fällt mir selbst nicht leicht, das kannst du mir glauben.«
Maike seufzte, sah zu Boden und grub ihre Zehen ins Gras.
»Also gut. Du hast ja recht.« Sie rutschte ein Stück näher zu ihm und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Entschuldige, Magnus. Es war nur der erste Schreck. Pia und ich werden das schon schaffen.«
Misstrauisch betrachtete er ihre Hand auf seinem Arm. Der unerwartete Sinneswandel verunsicherte ihn.
»Ja?«, fragte er.
»Natürlich.« Sie lachte leise. »Wir gehören doch jetzt zusammen. Du, Pia und ich. Es war schon klar, dass irgendwann ein wenig Verantwortung auf mich zukommt. Nur hatte ich nicht so schnell damit gerechnet und schon gleich nicht für die Dauer von zwei Monaten.«
»Ich ehrlich gesagt auch nicht«, gab Magnus zu. Ein wenig war er erleichtert, dass sie nun doch kooperativ war. Trotzdem nagte in ihm die Sorge, wie es Pia damit ging, wenn er acht Wochen fort und sie auf Maike angewiesen war.
»Wann geht es denn los?«, erkundigte sich seine Freundin leichthin.
»Nächste Woche«, sagte er.
»Oh, das sind ja nur noch ein paar Tage.« Sie rutschte näher zu ihm. »Ich werde dich schrecklich vermissen, mein Schatz.«
Magnus wechselte seinen Platz vom Stuhl auf die Gartenliege und legte den Arm um Maike.
»Wir telefonieren ganz oft«, versprach er.
»Sag Magnus, was ist jetzt mit dem Pool?«, wechselte Maike unvermittelt das Thema und sah über die weite Fläche des Rasens. »Wir haben jede Menge Platz. Bei dem Wetter wäre es herrlich, ab und zu ins Wasser zu können.«
»Nicht, bevor Pia nicht älter ist und schwimmen gelernt hat«, wehrte Magnus ab. Das Thema mit dem Pool brachte Maike immer wieder, wobei sie keinen aufstellbaren Gartenpool meinte. Sie hatte sich ein gemauertes Schwimmbecken vorgestellt, eingelassen in das Grundstück.
»Pia würde sich auch freuen«, insistierte sie. Magnus drückte Maike kurz an sich.
»Ich weiß.« Der Wunsch nach einem Einbau-Pool war so ziemlich das einzige Ziel, das Pia und Maike gemeinsam hatten. Doch noch war die Sorge um seine Tochter zu groß. Allzu schnell konnte etwas passieren, was nicht wieder gut zu machen war.
»Außerdem wertet es Haus und Garten total auf. Wir könnten eine tolle Party feiern zu deinem nächsten Geburtstag«, sprach Maike weiter.
»Ja, könnten wir. Wir können aber auch ohne Pool feiern. Ich muss jetzt los, Maike, Pia vom Kindergarten abholen. Oder möchtest du das machen?«, fragte er und sah sie an. Es wäre ein erster Versuch gewesen. Sie hatte die Kleine noch nie vom Kindergarten abgeholt.
Maike lachte und sah an sich herunter.
»So? Im Bikini? Wie findest du ihn? Er ist neu. Ich habe ihn auch noch in goldener Farbe, ganz phantastisch sage ich dir.«
»Er steht dir sehr gut.« Magnus stand auf. Er verzichtete auf den Hinweis, dass sie lediglich ein Kleid hätte überstreifen müssen, um außer Haus zu gehen. Obwohl Maike sich im Verlauf des Gespräches einverstanden erklärt hatte, sich um Pia zu kümmern, war ihm nicht wohl. Er würde Frau Schwarz, die gute Seele, die seit Jahren seinen Haushalt führte, bitten, ein Auge auf sein Mädchen und auch auf Maike zu haben.
*
Das Telefon schrillte, und Jasmin, die hochkonzentriert eine Akte gelesen hatte, schrak zusammen. Wie so oft, wenn sie bei der Arbeit war, hatte sie Zeit und Raum vergessen. Ehe sie das Gespräch annahm, ging ihr Blick zu der kleinen antiken Tischuhr, die neben dem Computer stand. Schon fast acht, liebe Güte! Sie hätte schon vor einer Stunde Kevin abholen müssen, der bei ihrer Freundin Petra war. Rasch kramte sie ihr Handy aus der Tasche, die unter dem Schreibtisch stand. Tatsächlich hatte Petra bereits eine WhatsApp-Nachricht geschrieben. Sie hatte den Eingang gar nicht bemerkt. Augenblicklich schlug ihr Gewissen. Petra wollte morgen mit ihrem Mann in Urlaub fahren. Sicher wollte sie in Ruhe ihre Vorbereitungen treffen.
Jasmin hob den Hörer des Telefons ab. »Rechtsanwaltskanzlei Schneider. Jasmin Schneider, guten Abend«, meldete sie sich und überlegte, ob sie nebenbei Petra rasch eine Antwort schicken sollte, um ihr mitzuteilen, dass sie in spätestens einer halben Stunde bei ihr wäre.
»Jasmin?«, drang eine aufgeregte Frauenstimme an ihr Ohr. »Jasmin, bist du es?«
»Gisela?« Augenblicklich zog sich in Jasmin etwas zusammen.
»Ja, natürlich bin ich es. Wer denn sonst? Du musst sofort kommen! Deinem Vater geht es schlecht, sehr schlecht.« Ein Schluchzen drang durch die Leitung, und Jasmin überlief es eiskalt.
»Was ist denn passiert?«, würgte sie hervor. Sie sah die Lebensgefährtin ihres Vaters vor sich. Die rot gefärbten Haare, die sie allabendlich mit großen Wicklern in Form brachte, den orangefarbenen Lippenstift, und bestimmt trug sie wieder ein wallendes buntes Kleid, bodenlang. Sie mochte Gisela, auch wenn sie sie ein wenig exaltiert und überdreht fand. Gisela hatte ihrem Vater ein Stück Lebensfreude wiedergegeben, die er nach dem frühen Tod ihrer Mutter vor zehn Jahren verloren hatte.
»Er hat einen Herzinfarkt! Sie haben ihn in die Klinik gebracht. Bitte, Jasmin, lass alles stehen und liegen und komm!«
»In welche Klinik? Wann ist es passiert?« Mühsam beherrschte sie das Zittern, das von ihr Besitz ergriffen hatte. In ihrem Kopf stolperte alles durcheinander. Bis Saarbrücken waren es fünf Stunden Fahrt. Selbst wenn sie augenblicklich losfuhr, würde sie erst weit nach Mitternacht dort sein, immer vorausgesetzt, sie kam in keinen Stau. Aber sie konnte auch nicht alles stehen und liegen lassen. Jemand musste sich um Kevin kümmern, und sie musste zumindest ihrer Sekretärin Paula Schmidt Bescheid sagen, damit diese die Termine für die nächsten Tage absagte.
»Heute Nachmittag.« Wieder hörte sie Gisela schluchzen. »Er liegt im Klinikum in Saarbrücken. Wann kannst du hier sein?«
»Moment, Gisela, Moment.« Jasmin musste nachdenken. Sie kannte Gisela, sie übertrieb gerne. Jetzt völlig überstürzt loszufahren, um dann mitten in der Nacht vor verschlossenen Kliniktüren zu stehen, erschien ihr nicht sinnvoll. Andererseits, wenn es um ihren Vater so stand, wie dessen Lebensgefährtin andeutete, zählte unter Umständen jede Minute. Aber sie hatte auch die Verantwortung für Kevin.
»Was heißt denn hier: Moment?«, schnappte Gisela aufgebracht. »Es geht um deinen Vater, mein Kind.« Offenbar waren ihre Tränen versiegt, zumindest für den Augenblick.
»Ich komme so schnell ich kann«, versprach Jasmin. »Aber ich muss erst dafür sorgen, dass Kevin in der Zeit gut untergebracht ist.«
»Ja, gut. Das verstehe ich. Du kannst ihn auch mitbringen«, schlug Gisela vor.
»Ich denke, es ist besser, ich komme ohne ihn.« Allein die lange Fahrt würde für den Kleinen sehr anstrengend sein und in der Folge für sie natürlich auch.
»Wie du meinst. Ich hätte den Jungen schon gern einmal wiedergesehen, und dein Vater sicherlich auch.«
Jasmin runzelte die Stirn. Die letzte Äußerung hörte sich nicht so an, als stünde es dramatisch um den Vater. Sie beschloss, nicht nachzufragen.
»Ich schreibe dir, sobald ich weiß, wann ich hier loskomme«, beendete sie das Gespräch.
Sekundenlang saß sie danach still hinter ihrem Schreibtisch, unfähig, eine Entscheidung zu treffen. Fakt war, sie musste nach Saarbrücken, so schnell es ging, und vorher regeln, was wichtig war. Am wichtigsten war Kevin, doch für ihn hatte sie bereits eine Lösung. Sie konnte nur hoffen, dass es rasch und problemlos klappte ...
*
Eine halbe Stunde später betrat Jasmin die Wohnung ihrer Freundin Petra.
»Es tut mir so leid, dass ich so spät bin«, entschuldigte sie sich und erzählte ihr im Eiltempo, was geschehen war. Petra sah sie betroffen an und nahm sie kurz in den Arm.
»Das mit deinem Vater tut mir sehr leid. Ich habe mir schon gedacht, dass du bei der Arbeit wieder die Zeit vergessen hast. Kevin schläft im Wohnzimmer«, sagte sie. »Was wirst du jetzt tun?«
»Ich rufe nachher noch im Klinikum Saarbrücken an. Ich will vom Personal wissen, wie es Vater geht. Gisela übertreibt gerne, aber in dem Fall … Es lässt mir so oder so keine Ruhe. Ich muss ihn sehen.«
»Das verstehe ich. Nimmst du Kevin mit?«, fragte Petra.
Jasmin schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich versuche, gleich morgen früh einen Platz für ihn in Sophienlust zu bekommen. Ich hoffe sehr, dass es klappt. Dann könnte ich im Anschluss sofort weiter nach Saarbrücken fahren.«
»In dem Kinderheim? Das ist eine gute Idee«, stimmte Petra zu. »Da war er doch schon mal.«
»Ja, vor einem knappen Jahr, als ich die Fortbildung in Rainsbach hatte. Es hat ihm sehr gut dort gefallen, und ich könnte mir sogar vorstellen, dass er sich freut, wieder hinzudürfen. Aber heute möchte ich dort nicht mehr vorsprechen, es ist schon zu spät«, sagte Jasmin.
»Es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen kann«, sagte Petra bedauernd.
»Mach dir keine Gedanken. Genieße deinen Urlaub mit Jochen«, erwiderte Jasmin. Petra war immer für sie da. Niemals hätte sie erwartet, dass die Freundin nun ihre Reise absagte, weil es ein Betreuungsproblem mit Kevin gab.
Jasmin holte ihren schlafenden Sohn aus dem Wohnzimmer und trug den Kleinen zum Auto. Der Junge murmelte nur kurz im Schlaf einige unverständliche Worte und wurde auch nicht wach, als sie ihn in den Kindersitz setzte und angurtete.
Petra und Jasmin verabschiedeten sich voneinander und versprachen, sich zu schreiben.
Eine Stunde darauf lag Kevin in seinem Bett. Jasmin packte ein paar Kleidungsstücke in eine Reisetasche. Sie hatte mittlerweile in der Klinik angerufen, jedoch nur eine Nachtschwester erreicht, die ihr nicht viel hatte sagen können. Gernot Schneider ging es den Umständen entsprechend, man musste abwarten. Sprechen durfte sie nicht mit ihm, er schlief.
Leichter fühlte Jasmin sich nicht. Zu ungenau war die Auskunft der Krankenschwester gewesen. Sie schloss ihre Reisetasche. Für ein paar Tage würde reichen, was sie in aller Eile zusammengesucht hatte. Nun musste sie noch, sozusagen auf gut Glück, einen Koffer für Kevin packen. Es belastete sie, ihren Kleinen morgen in aller Frühe mit ihrem Vorhaben konfrontieren zu müssen, obwohl sie sicher war, er würde sich freuen, nach Sophienlust zu dürfen. Vor knapp einem Jahr hatte er sich dort mit Heidi und Kim angefreundet, die nur wenig älter waren als er und dauerhaft in Sophienlust wohnten. Schon häufiger hatte er gefragt, ob er die beiden besuchen dürfte. Morgen, noch vor dem Frühstück, wollte sie Nick von Wellentin-Schoenecker anrufen. Er war der Eigentümer des Kinderheims. Jasmin hatte ihn als sehr netten, verständigen jungen Mann kennengelernt, der trotz seiner Jugend Sophienlust mit Umsicht und Weitblick leitete. Sie hatte seinerzeit nicht gefragt, wie alt er war, doch sie schätzte ihn auf höchstens zwanzig Jahre, vielleicht sogar jünger.
Jasmin betrat leise das Zimmer ihres Sohnes. Kevin lag auf der Seite, sein kleiner Mund stand ein Stückchen offen und seine Wangen schimmerten rosig. Dicht fielen ihm die glatten braunen Haare in die Stirn. Eine Welle der Zärtlichkeit durchflutete Jasmin. Zu gerne hätte sie ihren kleinen Jungen gestreichelt, geherzt und geküsst, doch mit diesem Überschwang der Gefühle hätte sie ihn wohl nur geweckt und verwirrt. Sie hielt sich zurück.
Die Schiebetür des schmalen Kinder-Kleiderschrankes glitt geräuschlos auf. Neben dem Schrank stand ein kleiner dunkelblauer Koffer. Sie machte sich daran, alles Notwendige zusammenzupacken.
*
Nick von Wellentin-Schoenecker betrat das Kinderheim. Es war früh am Morgen, noch nicht einmal sieben Uhr. Dennoch zog bereits der aromatische Duft frisch gebrühten Kaffees durchs Haus, und aus der Küche hörte er das Klappern von Geschirr. Magda, die Köchin, war bereits am Werkeln, und wenn er sich nicht irrte, buk sie Waffeln. Die feine Süße des leckeren Gebäcks konnte er durch das Kaffeearoma hindurchschnuppern.
Aus dem Büro vernahm er das Läuten des Telefons, trotz der frühen Stunde. Zügig durchquerte Nick die Eingangshalle und öffnete die Tür zu seinem Arbeitszimmer.
Etwa zwanzig Minuten später verließ er das Büro wieder. Angelina Dommin kam gerade die breite Treppe herunter. Oben, im ersten Stock befanden sich die Schlafzimmer der Kinder. Ein Sonnenstrahl, der sie nach unten begleitete, ließ ihre rotblonden Haare golden aufleuchten. Ein freudig-verlegenes Lächeln erschien auf ihrem hübschen, sommersprossigen Gesicht.
»Guten Morgen, Nick. Du bist ja früh hier«, begrüßte sie ihn. Er lächelte zurück.
»Guten Morgen, liebes Pünktchen«, antwortete er. Angelina wurde, wegen ihrer vielen Sommersprossen, von allen im Heim ›Pünktchen‹ genannt.
»Ja, tatsächlich. Ich wollte nachsehen, ob die Rechnung von dem Handwerksbetrieb schon gekommen ist, für die Sanierung vom Dach des Pferdestalles«, berichtete er.
»Und? Ist sie?«, fragte Pünktchen. Sie hatte den Fuß der Treppe erreicht und blieb in der Eingangshalle stehen.
»Ja. Über einen Posten bin ich allerdings gestolpert. Es wurden mehr neue Sparren verlegt, als angedacht. Ich möchte mir das ansehen und mit Janos reden.«
Pünktchen nickte.
»Du bist aber auch schon früh auf. Es sind doch Ferien«, bemerkte Nick.
»Stimmt.« Angelina lächelte. »Ich bin gestern auf Beauty ausgeritten. Sie ist mit dem linken Vorderbein an einem dornigen Zweig hängen geblieben und hat sich verletzt. Ich möchte nach ihr sehen.«
»Oh, das tut mir leid. Die arme Beauty. Ist es schlimm?«, fragte Nick besorgt. Pünktchen schüttelte den Kopf.
»Janos hat ihr gleich eine Salbe draufgemacht und vorher desinfiziert.«
»Dann ist sicher bald alles wieder gut«, sagte Nick. »Wir können zusammen zum Stall gehen.«
»Gern«, stimmte Pünktchen zu.