Princess Unchained: Not a fairy tale - Kitty Harper - E-Book

Princess Unchained: Not a fairy tale E-Book

Kitty Harper

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Beschreibung

Prinzessin Katherine von Montegrovien hat ihr Leben wohlbehütet hinter sicheren Palastmauern verbracht. Doch als sie und ihre Familie den Sommer in Los Angeles verbringen, will sie das Nachtleben endlich in vollen Zügen genießen. In einem Nachtklub lernt sie den smarten Dorian kennen, der seinen eiskalten Verstand hinter einem sympathischen Äußeren versteckt. Davon geblendet entflieht sie dem goldenen Käfig – ins Ungewisse. Wird die Prinzessin die neue Attraktion auf seiner geheimen Vergnügungsinsel? Kann sie Dorians kriminellen Machenschaften entkommen? Princess Unchained - Not a fairy tale ist der erste Teil einer spannenden und düsteren Dark Romance mit widerspenstigen Frauen und dominanten Männern! Riskiert einen Blick in die dunkelsten Abgründe, aber seid gewarnt: Princess Unchained ist KEIN Märchen!

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Eine Bitte
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Princess Unchained

– Not a fairy tale –

Von Kitty Harper

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über den Autor:

Kitty Harper ist das Pseudonym einer nerdigen Mutter von zwei Nachwuchs-Nerds und der Ehefrau eines Ober-Nerds. Zusammen begeistern sie sich in trauter Nerdigkeit für alles, was auch nur im Entferntesten mit Fantasy, Mystik und Science Fiction zu tun hat. Während die Nachwuchs-Nerds noch an der Vervollkommnung ihrer Kängeroo-Zitate und Nightwish-Songtexten arbeiten, widmet sich die Autorin Höherem. Das Schreiben eigener Texte ist ihr liebster Zeitvertreib und wenn sie nicht gerade durch virtuelle Welten hastet und mit Schwertern herumfuchtelt, versinkt sie in der nordischen Mythologie oder in anderen längst vergangenen Epochen.

Kitty Harper schreibt gerne sinnliche Erotik, ohne dabei vulgär zu werden. Manchmal ein wenig SM, manchmal aber auch starke Frauen, die den Herren der Schöpfung zeigen, wo es langgeht. Kitty hofft, dass ihr genauso viel Spaß an ihren Geschichten habt, wie sie selbst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Auflage, 2020

©Kitty Harper

c/o easy-shop

K. Mothes

Schloßstraße 20

06869 Coswig (Anhalt)

 

Email: [email protected]

Cover: Dream Design – Cover and Art - Renee Rott unter Verwendung der Bilder ©Adobestock

 

Korrektorat/ Lektorat: Carmen Smorra, Christine S. Lade, Angelique Wahl-Verzay, Christiane Hartmann

Verwendete Schriftarten: Linux Libertine O, Times New Roman, Raustila (TT), Exmouth, Trajan 3 Pro, Arial, Minion Pro - regular, Sheila, Baskerville Display

 

-- Alle Rechte vorbehalten! --

 

 

 

Nennt mich Melody. Das ist natürlich nicht mein richtiger Name, denn der muss geheim bleiben. Aber wenn ich mir einen Namen für mich hätte aussuchen dürfen, dann wäre es Melody gewesen. Mein Pferd hieß so. Melody war ein schönes Pferd, eine weiße Stute, sanftmütig. Niemals hat sie mich abgeworfen. Doch jetzt war Melody tot und ich wollte nicht mehr ich sein. Also ja, nennt mich Melody. Der Name ist sowieso nur zweitrangig. Wichtig ist eigentlich nur, dass ich endlich ich sein kann, nicht mehr irgendwelchen Zwängen unterlag, mich keiner Etikette mehr beugen und ich verdammt noch mal nicht mehr lächeln musste, wenn mir nach Heulen zumute war. Heute nicht. Nie wieder. Denn ich war jemand anderes geworden, nämlich diese Melody. Und Melody dachte nicht über die Vergangenheit nach, in der sie keine Stimme hatte, in der niemand ihr zuhören wollte, in der sie nur geboren worden war, um eine Rolle auszufüllen. Nein, diese Melody, die im Hier und Jetzt lebte, wollte lieben, wollte wissen, wie sich gewöhnliche Menschen fühlten und – noch viel besser – sie wollte in die Abgründe blicken.

Wenn man mehr als zwei Jahrzehnte in einem goldenen Käfig gelebt hat, gab es kein normal mehr, es gab nur noch Extreme. Alexis hatte längst aufgegeben, mich Nacht für Nacht zu begleiten. Meine Eltern meinten vor einem Jahr, es sei für mich einfacher, die Rolle zu füllen, wenn ich eine Freundin an meiner Seite wüsste, eine Vertraute, eine Hofdame. Doch Alexis konnte – oder wollte – nicht mithalten. Die Stellung an meiner Seite verschaffte ihr eine wunderbare Ausgangsposition sich einen reichen Adeligen zu angeln. Meine nächtlichen Ausflüge allerdings gefährdeten dieses Vorhaben. Mich würde man lediglich ausschimpfen, aber Alexis würde man des Palastes verweisen und ihr Prinz war dahin. Ich wollte weder einen Prinzen, noch überhaupt je einen Mann. Weder der eine noch der andere bedeuteten Freiheit, nur ein weiteres Glied an der Kette der Zwänge, unter denen ich beinahe zusammenbrach. Also floh ich, wann immer es ging.

Alexis begleitete mich schon seit Wochen nicht mehr, also brauchte ich auch keine Rücksicht auf sie zu nehmen, konnte weitergehen, als jemals zuvor. Ihr Einzug hatte eigentlich das komplette Gegenteil von dem bewirkt, was sich meine Eltern erhofft hatten. Statt dass ich mich ruhig und folgsam in mein Schicksal ergab und die Fesseln der höfischen Etikette mit Alexis' Gesellschaft besser ertrug, begehrte ich nur noch mehr auf. Ihre Anwesenheit führte mir umso mehr vor Augen, was ich alles nicht durfte. Alexis konnte kommen und gehen, wie sie wollte. Sie durfte jederzeit ausgehen, sich mit Männern treffen oder zum Shoppen in die Stadt. Ich durfte das natürlich auch – aber nicht alleine. Nicht ohne Bodyguard, nicht ohne einem strickten Protokoll zu folgen. Spontanes Eisessen, ein Kinobesuch oder eine Pizza? Mitnichten. Nein, Alexis führte mir all das nur noch umso schmerzhafter vor Augen und mein Wunsch nach Freiheit wurde größer, je länger sie bei uns war.

Wegzulaufen gehörte nicht zu meinem Plan. Nein, ich wollte nur hin und wieder Freiheiten genießen. Die einfachen Partys und Klubbesuche gaben mir längst nicht mehr die gleiche Befriedigung wie zu Beginn, ich verspürte das Verlangen nach mehr. Und als mir vor einer Woche der düstere und geheimnisvolle Flyer eines Nachtklubs in der Stadt in die Hände gefallen war, sah ich meine Chance, etwas komplett Neues zu erleben. Seien wir mal ehrlich, in einer Stadt wie Los Angeles konnte man problemlos untertauchen. Niemand, und sei er noch so bewandert in der High Society, würde mich erkennen. Alter, europäischer Adel auf L.A.s Partymeile? Wohl kaum. Ich war zwar bekannt, aber ich war schließlich nicht Paris Hilton und ich achtete akribisch darauf, immer ein Höschen zu tragen.

Ich kicherte leise, als ich die große Treppe hinunter zur hall schlich. Im Salon brannte noch Licht. Ich hatte mich direkt nach dem Dinner verabschiedet und Kopfschmerzen vorgetäuscht. Das war das Wunderbare an einer solchen Familie. Niemand glaubte einem, dass man Kopfschmerzen hatte. Jeder wusste, dass das nur eine Ausrede war, um nicht länger als nötig dem langweiligen Small Talk beizuwohnen. Selbst das Vergnügen, die Ödnis mit Sherry zu betäuben, blieb mir verwehrt. Mutter gestattete mir maximal ein Gläschen. Pah, ich war einundzwanzig. Volljährig. Ich konnte machen, was ich wollte. Aber nicht in dieser Familie. Die Etikette war alles. Mir ging das so auf die Nerven. Ich wollte leben und nicht länger nur dabei zusehen.

Die Stilettos in der einen, die Clutch in der anderen Hand huschte ich über den Teppich, der die gesamte Treppe auskleidete. Das Foyer war längst nicht mehr hell ausgeleuchtet, nur noch eine sparsame Beleuchtung erhellte die Stufen. Aus dem Salon drang Licht. Gedämpft vernahm ich die Tonspur eines Fernsehers. Ich hielt kurz inne, steckte mir eine gelöste Haarsträhne hinters Ohr und huschte dann weiter. Der neue Butler war bereits zu Bett gegangen. Nein, sein Name war nicht James, sondern Chase, er war Amerikaner, hatte keine richtige Butlerausbildung, sondern war Hotelier. Jedenfalls fand mein Vater, der Fürst, es sei an der Zeit, dass sich das Haus Maycot der Welt öffnete und auch Personal beschäftigte, das weltlicher ausgebildet war als ein streng nach britischem Vorbild agierender Butler. Ein englischer Butler hätte mir niemals den Geheimgang gezeigt, der mich ungesehen vom Anwesen führte. Und genau dorthin lenkte mich mein Weg: hinab in den Weinkeller.

Der Fürst und die Fürstin hatten beschlossen, dass ich nicht in England, sondern in Amerika studieren sollte. Die Wahl war auf Cambridge in Massachusetts gefallen, wo ich mich in die Studiengänge Anglistik und Politikwissenschaften einschreiben sollte. Bevor das Studium begann, verbrachten wir den Sommer in Los Angeles, sozusagen als Wiedergutmachung. Meine eigentlichen Interessen lagen bei Kunst, Malerei und Mode, aber das waren keine Fächer, die eine zukünftige Fürstin belegen sollte. Ich musste Politikerin werden, ob ich wollte oder nicht. Nun, heute wollte ich definitiv nicht. Ich fand, mir stand ein Sommer Auszeit zu und den wollte ich in vollen Zügen genießen. Mein schlechtes Gewissen, als ich mich vom Anwesen schlich, hielt sich also in Grenzen.

Als ich durch den Weinkeller schlich, atmete ich auf. Niemand hatte mich gesehen, niemand folgte mir. Konzentriert kaute ich auf meiner Unterlippe herum, schaltete die Lampe an meinem Handy an und leuchtete den Keller aus. Hinter einem alten Weinfass lag ein rostiges Abwassergitter, welches in einen alten Abwassertunnel aus den 30er Jahren führte. Durch den konnte ich das Anwesen ungesehen verlassen. Seine Bemerkungen zur Prohibition und zum Schmuggeln hatten mich damals nicht interessiert und ich hatte nur mit einem halben Ohr hingehört. Jetzt, wo ich vor diesem Tunnel stand, wünschte ich mir, ihm doch mehr Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Ein ekelerregender Gestank schlug mir entgegen. Hastig bedeckte ich Mund und Nase mit der Hand. So hatte ich mir den Ausflug in die Unterwelt von Los Angeles nicht vorgestellt. Der Tunnel stank jede Nacht und jede Nacht schwor ich mir, dass es das letzte Mal sein würde, ich meinen Eltern endlich die Stirn bieten wollte und meinen Freiraum verlangen würde. Und dann kniff ich doch wieder und schlich mich wie eine Ratte durch den Tunnel davon. Apropos Ratte.

Hastig schlüpfte ich in die Stilettos und zog mir den Bolero, den ich über einem kurzen Kleidchen trug, enger um die Schultern. Lose hing es um meine schmale Taille, der Rückenausschnitt reichte bis kurz über meinen Po. Wenn gewollt, konnte man den Ansatz erspähen. Harold hätte mich so nie ausgehen lassen, von meiner Mutter ganz zu schweigen. Sommer in L.A. war in Ordnung, das Nachtleben weniger. Die Angst, die Kronprinzessin könnte noch vor ihrer Krönung einen Bastard zur Welt bringen, war so groß, dass sie mich am liebsten angekettet hätten. Keine Chance.

Ich leuchtete den Tunnel nach auffällig pelzigen Bewegungen aus. Nichts. Hastig atmete ich ein, schluckte den Würgereiz hinunter und lief los. Der Tunnel war mehrere hundert Meter lang und endete unter einer Böschung. Wucherndes Gras hing über dem Eingang, Buschwerk versperrte die Sicht. Nur wer genau Bescheid wusste, wo sich der Tunnel befand, konnte ihn auch finden. Ich lächelte, als ich das Rauschen des Wassers hörte, denn ganz in der Nähe war das Meer.

Nachdem ich das Ende des Tunnels erreicht hatte, musste ich nur noch ein paar Meter nach rechts laufen. Dort führte mich ein Trampelpfad zu einem kleinen Privatweg, an dessen Mündung ein Taxi auf mich wartete – hoffentlich. Die Dame bei der Taxizentrale war schon ziemlich angepisst gewesen, als ich ihr keine Adresse genannt hatte, sondern nur die Straßenecke, wo der Fahrer auf mich warten sollte. Aber ich hatte Glück. Als ich die roten Rücklichter des wartenden Taxis erblickte, legte sich ein breites Grinsen über meine Züge. Die Nacht konnte beginnen!

Das Nightingale platzte aus allen Nähten. Der Boss hatte nicht einmal sonderlich viel Werbung gemacht, und schon strömten die Amüsierwilligen in seine Hallen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und blickte drohend in die Menge, spannte die Brustmuskeln an und blähte mich zu meiner vollen Größe – und darüber hinaus – auf. Das war natürlich nicht nötig, aber ich wollte den Effekt auf keinen Fall gefährden. Mein Job war relativ einfach – heute zumindest. Ich sollte nur dafür sorgen, dass niemand auf dumme Gedanken kam, ein wenig den bösen Rausschmeißer mimen und sofort jedes Gefahrenpotenzial erkennen und ausschalten.

»Du solltest mit deinen Fähigkeiten keine Probleme bekommen«, hatte der Boss gemeint und mich zum Türsteher degradiert. Warum? Nun, ich hatte einen Fehler gemacht und mir eine saftige Strafe eingehandelt. Nur das war nicht das Problem. Menschen machten Fehler und dieser eine hatte mich daran erinnert, dass ich noch einer war. Was mir viel mehr Kopfzerbrechen bereitete, war die simple Tatsache, dass es mir gefallen hatte. Ziemlich sogar, wenn ich ehrlich war.

Vor 24 Stunden

 

Der Schmerz kam genauso unvermittelt, wie ich gehofft hatte. Hätte er mich zappeln lassen, hätte mich die angespannte Erwartungshaltung schier umgebracht. Zum Glück war Frank kein Sadist. Oder? Er hatte diese Strafe verhängt. Und ich hatte sie mir ausgesucht. Frank hatte mir die Wahl gelassen und ich hatte mich für die Peitsche entschieden. Nur Sadisten würden so etwas tun. Auspeitschen war so was von tiefstes Mittelalter. Und ich hätte ihn am liebsten bei lebendigem Leib die Haut in Streifen vom Körper geschält, aber da hatte etwas in Franks Blick gelegen. Ein verborgenes Wissen, eine Ahnung, dass die Strafe genau das war, was ich brauchte, um wieder in der Spur zu laufen.

Ich ballte die Hände zu Fäusten, grub das Leder in meine Handfläche und spannte die Muskeln. Glühenden Eisens gleich grub sich die Peitsche in mein Fleisch, ließ die Haut zerplatzen und fraß sich ins Muskelgewebe. Schweiß stand mir auf der Stirn, lief in Strömen über meine Schläfen. Mein Atem ging flach.

»Genug?«, fragte eine unsichere Stimme.

»Nein«, knurrte ich. »Weiter.«

Frank trat in mein Blickfeld, die neunschwänzige Katze in der Hand. »Hör zu, Niels, ich kann verstehen, dass du es fühlen musstest, aber meinst du nicht, dass drei Hiebe genug sind? Dafür, dass du ein Mädchen in meinem Klub gevögelt hast? Ich will nicht als Sadist dastehen.« Franks Kiefer knackte.

»Du bist kein Sadist«, keuchte ich und beugte mich nach vorne, ließ mein Gewicht in die Riemen fallen. »Ich brauche das.« Mir war nicht klar gewesen, wie sehr. Ich hatte sie verloren, durch meine eigene Unachtsamkeit. Wäre ich vorsichtiger gewesen, wären wir niemals entdeckt worden, wäre sie nie fortgeschickt worden, wäre ihr verschissenes Flugzeug niemals abgestürzt. Wäre ich vorsichtiger gewesen … Aber ich bestand ja darauf, mich mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen. Mit einer Amerikanerin. Ich … gerade ich. Fehler waren tödlich, deshalb durfte ich mir nie wieder eine Verfehlung leisten, nie wieder meinem Schwanz folgen.

Frank sog scharf die Luft ein. »Es ist nicht wegen dem Mädchen, oder?«

Ich hob den Kopf und starrte meinen Boss ungeniert an. Niemand sonst in diesem verschissenen Schuppen kannte die Wahrheit, niemand außer Frank. Er war der Einzige und er würde Mallory mir gegenüber niemals erwähnen. Es sei denn, er sprach auf das andere Mädchen an, mit dem ich Sex im Hinterzimmer hatte. Doch Franks Blick war mir Antwort genug. Er meinte nicht das Ding, dass ich auf der Streckbank gefickt hatte. Er meinte meine Ex-Verlobte.

»Ist es und jetzt mach weiter.«

Frank rang mit sich. »Du bist nicht schuld. Wann will dir das endlich in den Dickschädel? Du hättest nichts dagegen tun können.«

Ich presste die Lider so fest aufeinander, dass es brannte. Aber das war leider die einzige Möglichkeit, meinen Schmerz im Zaum zu halten, denn sonst hätte ich für nichts mehr garantieren können. Frank war mein Freund und ich wollte meine Wut nicht an ihm auslassen. Ein Kompromiss? Nicht gerade eine meiner Stärken. »Zehn«, keuchte ich. »Verpass mir zehn vernünftige Hiebe. Das müsste reichen.«

Frank sog scharf die Luft ein, beugte sich vor und legte mir eine Hand in den Nacken, zog mich zu sich, sodass seine Stirn direkt an meiner lag und er mir tief in die Augen sehen konnte. »Und dann vergisst du sie und konzentrierst dich wieder auf deinen Job? Zum Beispiel, morgen Abend den Türsteher mimen?«

Ich wollte zurückweichen, doch Frank verstärkte den Druck in meinem Nacken. »Niemand macht dumme Sprüche oder pisst schief, wenn du am Eingang stehst. Und ich könnte bei dem Andrang ein zusätzliches paar Augen gebrauchen.«

»Ich mach so was nicht«, zischte ich. Frank wusste das. Mein Job war es, seinen Müll wegzuräumen. Dafür zu sorgen, dass gar nicht erst Müll in den Laden kam, dafür waren Greg und seine Jungs ausreichend.

»Ich weiß«, erwiderte Frank und setzte ein hinterlistiges Grinsen auf. »Aber wenn du willst, dass ich meinem besten Freund ein hübsches Muster auf den Rücken male, dann wirst du auch morgen den Türsteher geben. Verstanden?«

Franks eindringlicher Blick hielt mich gefangen. Ich kannte diese stechenden Augen nur zu gut. Sein unbarmherziger Wille hatte mich am Leben erhalten, als ich glaubte nicht weiteratmen zu können. Er hat mich aus der Scheiße gezogen und deshalb gab es für mich auch nur eine mögliche Antwort. Frank kannte sie bereits, bevor ich sie überhaupt ausgesprochen hatte. Lächelnd erwartete er meine Worte.

»Ja, Sir!«

 

 

Gegenwart

 

Nun gut, ich hatte das Türstehen verdient. Frank hätte sich auch fürs Kloputzen entscheiden können. Kloputzen wäre wirklich erbärmlich gewesen, als Türsteher war ich wenigstens noch zu etwas nützlich. Mein Mundwinkel zuckte eine Winzigkeit, gerade so viel, wie ich mir gestattete, um nicht aus meiner Rolle zu fallen. Ein grinsender Türsteher? Wie angsteinflößend. Das hätte mir garantiert das Kloputzen eingebracht. Denn dass Frank noch mal zur Peitsche greifen würde, daran glaubte ich nicht. Einmal hatte ihm gereicht. Ich hatte gehört, wie er anschließend in den Mülleimer gekotzt hatte. Aber ich hatte es gebraucht, bei Gott, ich hatte überhaupt nicht gewusst, wie sehr. Den Schmerz über Mallorys Verlust endlich körperlich spüren zu dürfen, machte ihn erträglich. Nur wusste ich nicht, ob dieses eine Mal reichen würde. Ich hoffte es, denn Frank würde es nie wieder tun und es gab niemandem, dem ich meinen Schmerz noch anvertrauen würde.

Dass Frank recht hatte und ich meinen Job nicht zu schlecht machte, erkannte ich in den Mienen der Gäste. Wann immer ich den Blick eines Besuchers kreuzte, sah ich Nervosität und vielleicht sogar ein ganz kleines bisschen Angst. Ich mochte es, wenn man vor mir erzitterte.

»Stopp!«, hielt ich ein junges Ding auf. »Ausweis!« Der Klub mochte noch so angesagt sein, Regeln und Gesetze blieben genauso wenig draußen wie Koks und Co. Wenn der Klub nicht nächste Woche geschlossen werden wollte, durften die Kinder erst gar nicht rein. Zumindest nicht in den offiziellen Teil des Nightingale. Das Hinterzimmer interessierte niemanden, so lange die örtlichen Polizisten auf Menzies Gehaltsliste standen. Und was dort abging, wollte sich niemand vorstellen. Niemand.

Nur für den Fall, dass sich mal jemand hierher verirren sollten, den der Boss nicht schmierte, stand ich hier und angelte nach jungem Gemüse. Wer noch keine einundzwanzig war, hatte hier nichts verloren.

Das rothaarige Püppchen blickte ängstlich zu mir auf, während sie hastig und ohne hinzusehen, ihre Puppenhandtasche durchwühlte. Wie ich es hasste, wenn sie das taten. Sie suchte nicht wirklich, sie schindete nur Zeit. Ich hob eine Augenbraue und gab ein tiefes Knurren von mir, dass sie gleich noch etwas mehr einschüchterte.

»Brauchst nicht gleich den Hofhund rauszulassen«, murmelte sie, ihre Angst überspielend. Sie zitterte regelrecht. Ich packte sie am Arm und zog sie etwas zur Seite. Das hier würde länger dauern. Ich nickte in Glenns Richtung, der sofort aufschloss und meine Position am Eingang einnahm, damit ich mich in aller Ruhe um den kleinen Teufel kümmern konnte. Sie wühlte noch immer in ihrer Tasche. Das Ding war ja nicht mal so groß wie meine Handfläche. Wie wollte sie da drinnen einen Geldbeutel unterbringen?

»Kannst du nicht mal eine Ausnahme machen? Ich habe nichts dabei.« Sie sah mich von unten herauf an, ihre großen dunklen Kulleraugen bewirkten ein Ziehen unter meiner Gürtellinie. Die Abfuhr lag mir bereits auf den Lippen, eine einstudierte Floskel, die ich jedem Kind unter die Nase rieb, bevor ich es zur Seite schob und des Klubs verwies. Aber bei ihr regte sich etwas in mir. Mein Schwanz richtete sich auf und strebte in ihre Richtung. Viele junge Dinger trugen kurze Cocktailkleidchen und höchstwahrscheinlich nicht einmal einen Slip. Ich war abgestumpft genug, damit mich der Gedanke nicht erregte. Aber bei ihr funktionierten meine Mechanismen nicht. Sie war heiß, das kurze Kleidchen verhüllte nur das Nötigste und meine Finger kribbelten. Ich wollte meine Hand unter den Fummel schieben und nachsehen, ob die Theorie stimmte, dass die Mädchen größtenteils auf Unterwäsche verzichteten. Hastig presste ich die ohnehin verschränkten Unterarme fester gegen den Brustkorb. Himmel, Niels, du hast dir erst eine Abfuhr eingehandelt, dein Bedarf sollte eigentlich gedeckt sein. Doch dieses Mädchen … Kopfschüttelnd versuchte ich, den Gedanken zu verscheuchen.

Die Kleine verstand meine Geste allerdings als Abfuhr.

»Bitte?«, schmollte sie und zog einen Hunderter aus dem Puppentäschchen. Hundert Mäuse, nur damit sie rein durfte. Das war verdammt viel Kohle für ein so junges Ding. Ihr Augenaufschlag setzte dem Ganzen noch die Krone auf und ehe ich mich versah, löste sich wie von selbst die Verschränkung meiner Arme und ich nahm den Schein entgegen. Das Geld brauchte ich nicht, aber ihr Anblick lenkte mich ab. Meine Augen klebten an ihren sinnlich geschwungenen Lippen, wanderten hinab über ihre festen Brüste zu dem nicht vorhandenen Bauch. Ich neigte leicht den Kopf und leckte über meine Unterlippe. Verdammt.

»Ausnahme?«, presste ich angesichts meiner Verfehlung deutlich aggressiver hervor, als sie verdient hatte. Doch um ihre Selbstbeherrschung musste ich mir keine Sorgen machen. Das rothaarige Ding drückte den Rücken durch, reckte mir ihre kleinen, festen Brüste entgegen und starrte mich herausfordernd an.

»Wenn du meinen Hunderter nimmst, musst du wohl oder übel eine Ausnahme machen. Oder du kannst die Kohle vergessen.« Sie streckte ihre zierliche Hand nach dem Schein aus und zog daran, doch ich war nicht gewillt, ihn loszulassen. Nicht, dass Menzies mich schlecht bezahlte, die Summe, die er mir jeden Monat überwies, war geradezu dekadent hoch, aber ich wollte dieses kleine Persönchen noch etwas mehr reizen. Sie hatte etwas an sich, das mich herausforderte.

Meine Mundwinkel zuckten erneut, als sie kräftig an dem Schein zog. »Ich lass dich rein, aber kein Alkohol«, erwiderte ich. Keine Ahnung, warum ich das sagte. Ich sollte den Hunderter nehmen und sie vor die Tür setzen. Doch dann würde ich sie nicht wiedersehen und sie würde sich höchstwahrscheinlich einen anderen Klub suchen, in dem ich kein Auge auf sie werfen konnte. Mir war es lieber, sie würde sich hier rumtreiben. Verdammt, woher kam denn dieser Gedanke? Überrascht hob ich eine Augenbraue. Ich wusste, wie die Mädchen in solchen Klubs sich benahmen und wie das endete. Sich erst volllaufen lassen, sich in ihrem kurzen Kleidchen dem erstbesten Kerl an den Hals werfen und dann … Die Tränen flossen am Ende reichlich – wie zuvor der Alkohol. Nein, genau dieses Schicksal wollte ich für sie nicht. Ich lugte über ihre Schulter und suchte ihre Freundin. Sie kamen meistens zu zweit.

»Wo ist deine Freundin?«

Das junge Ding zuckte mit den Schultern. »Die hat Kopfschmerzen«, log sie. Aha. Nicht besonders kreativ. Sie alleine in einen anderen Klub ziehen zu lassen, wäre fahrlässig gewesen. Okay. Ich ruckte an dem Hunderter und sie ließ ihn zu meiner Überraschung tatsächlich los. Ich schob ihn hastig in meine Gesäßtasche.

»So, so«, machte ich. »Versprich mir, dass du dich an mein Verbot hältst.« Sie hob das Kinn und blickte mich herausfordernd an. Mir war auch so klar, dass sie es nicht tun würde. Aber so leicht würde ich nicht aufgeben. »Bitte?«, fügte ich nachdrücklich hinzu. Ich sagte niemals bitte und es klang auch nicht nach einer Bitte, eher nach einem höflich formulierten Befehl. Die Kleine rollte genervt mit den Augen.

»Muss ich mir ständig Vorschriften machen lassen?«

Ich schürzte die Lippen. »Mein Klub, meine Regeln.« Natürlich war das nicht wirklich mein Klub, er gehörte Frank Menzies, aber ich war hier für die Sicherheit verantwortlich, also Mein Klub. Und ich sorgte dafür, dass alle ihren Spaß hatten und niemand mit zerrissenem Höschen nach Hause ging. Vor allem nicht sie.

Schmollend nickte sie. »Darf ich jetzt rein?«

Ich fletschte die Zähne zu einem bedrohlichen Grinsen. »Ja.« Sie streckte trotzig die Schultern und schob sich an mir vorbei. Mein Blick fiel auf den Rückenausschnitt ihres kurzen Kleidchens und den Ansatz ihrer Pobacken. Ein dünner Streifen Stoff blitzte hervor. Gott sei Dank, sie trug wenigstens einen String, auch wenn das Kleid nicht die Aufgabe hatte, mir das zu verraten. »Und lass die Finger vom Alkohol, sonst versohl ich dir den Arsch!«, rief ich ihr hinterher. Hastig presste ich die Zähne aufeinander, doch mein Mund war schneller gewesen, als dass ich über die Konsequenzen dieser Worte nachdenken konnte. Sie blieb abrupt stehen und ich erwartete schon eine Standpauke, die ihrem roten Haar alle Ehre gemacht hätte, da drehte sie sich um und blickte mich herausfordernd an.

»Das würdest du tun?« Ihre dunklen Augen weiteten sich, nicht angstvoll wie man erwarten sollten, nein, eher … lustvoll. Ich schluckte trocken. »Mir hat noch nie jemand den Hintern versohlt.«

»Wirklich?« Bei ihrer Aufsässigkeit hätte sie das hin und wieder verdient. Das Kribbeln in meiner Handfläche versuchte ich zu ignorieren.

»Nein.« Sie schüttelte trotzig den Kopf. »Und du wirst es auch nicht tun!« Sie bohrte ihren dürren Zeigefinger in meine Brust. Überrascht hob ich die Augenbraue. Für einen Moment hatte ich geglaubt, sie würde drauf stehen, hart angefasst zu werden. Nun, das war wohl nichts. Und überhaupt war sie nichts für mich. Zu jung, viel zu zerbrechlich und Gast dieses Klubs. Ein Tabu, das ich gebrochen und das mich hierher verfrachtet hatte. Ich sollte sie mir ganz schnell aus dem Kopf schlagen.

»Wenn ich muss, schon. Also halt dich dran. Und jetzt rein mit dir, ich hab zu tun.« Hastig wandte ich mich um, doch der Blick, den sie mir zuwarf, brannte sich deutlich spürbar in meinen Rücken. Noch mehr Aufsässigkeit und Trotz. Ich grinste still in mich hinein. Sollte sie nur wüten. Entweder würde ihr Temperament sie schützen oder … nein, ich wollte lieber nicht drüber nachdenken.

Glenn trat einen Schritt zur Seite und ließ mich wieder meine Position beziehen. »Na, hat's Spaß gemacht, den Fuchs zu reizen?«

Ich verzog das Gesicht und griff in meine Gesäßtasche. »Nicht wirklich. Hier, für dich. Und lass mir was über. Du kannst Pause machen.« Glenns Züge erhellten sich, als er nach dem Schein griff und Richtung Bar abzog. Während der nächsten Stunden drehten sich meine Gedanken nur um dieses Mädchen. Glenn hatte sie Fuchs genannt, aber die Bezeichnung passte nicht. Nein, sie war eher eine Wildkatze, wie jemand, den man gegen seinen Willen an eine Kette gelegt hatte, fauchte sie alles und jeden an. Inklusive mich.

Der Klub war der Wahnsinn. Eine riesige Freifläche, die zum Tanzen einlud, eine tiefer gehängte Decke mit Metalldekorationen, von der Decke baumelnde Käfige, in denen Gogogirls dem Publikum einheizten. Aber nicht nur den männlichen Gästen. In manchen Käfigen entdeckte ich junge Männer, die sich lasziv zur Musik bewegten und die Blicke der weiblichen Besucher auf sich zogen. Neben den Käfigen hingen noch weitere Dekoelemente von der hohen Decke, leuchtende Diskokugeln, flackernde Scheinwerfer und Ketten, unglaublich viele Ketten. Sie fingen geschickt das Licht ein und zerstreuten es durch die weitläufige Halle.

Den zentralen Anlaufpunkt bildete eine runde Bar mit dutzenden Angestellten. Leicht bekleidete Kellnerinnen liefen zwischen den Gästen hindurch, schlängelten sich über die Tanzfläche zu den Tischen. Ein Turm aus Glas bildete das Zentrum der Bar. Während am Fuß des Turms Regale angebracht waren, die die Spirituosen und Gläser für die Bar enthielten, konnte man durch seinen oberen Bereich hindurchsehen. Im Zentrum des gläsernen Turms schien ein riesiger Vogel zu schweben. Je nachdem, wo man sich gerade befand, schien er eine andere Position einzunehmen. Die optische Täuschung wurde durch verschiedene Lichteffekte ausgelöst. Beeindruckt stand ich Minuten vor der Bar und starrte den Vogel an. Das Nightingale, die Nachtigall, war atemberaubend. Der Klub zog mir regelrecht den Boden unter den Füßen weg.

Der Beat spülte über meinen Körper hinweg und ich gab dem Drang nach, mich im Rhythmus der Musik zu bewegen. Lange tanzte ich, bis mir die Füße wehtaten und ich vor Durst fast umkam. Ich war völlig im Sog der Menge aufgegangen, hatte mich treiben lassen und fühlte mich so lebendig, wie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr. Ich taumelte zur Bar und wollte mir einen Long Island Icetea bestellen, doch die Warnung des Türstehers haftete meinem Verstand trotz der stundenlangen Zerstreuung auf der Tanzfläche noch an. Was immer er gemeint hatte, ich schoss seine Warnung in den Wind. Was sollte mir auch schon großartig passieren? Ich gab dem Barkeeper mit einem knappen Handzeichen zu verstehen, dass ich bestellen wollte, dennoch zögerte ich. Meine Güte, ich war keine siebzehn mehr. Ich konnte trinken, so oft und so viel ich wollte. Und dieser Tag hatte definitiv einen würdigen Abschluss mit etwas Hochprozentigem verdient. Den Cocktail hatte ich schneller hinuntergestürzt, als der Barkeeper ihn mixen konnte. Ein Zweiter musste her. Erst nach dem Dritten fühlte ich mich einigermaßen beschwingt, doch ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen und die Wirkung des Alkohols setzte unvermittelt ein. Mein umnebeltes Hirn interessierte bald gar nichts mehr. Ich wollte nur noch tanzen und das tat ich dann auch.

Heftige Beats pushten mich in ungeahnte Höhen und vom Alkohol berauscht hob ich die Arme und ließ meine Hüften kreisen. Das Gefühl, mich von der Musik getrieben hin und her zu wiegen, war unbeschreiblich. Als ich ein paar kräftige Hände auf meinem Körper spürte, schloss ich die Augen und gab mich hin. Jemand berührte meine Taille, führte meine Bewegungen und drängte sich gegen meinen Rücken. Ein Lächeln glitt über meine Lippen, als ich eine starke Männerbrust fühlte und ich begann, mich im Takt an sie zu schmiegen. Er roch herrlich männlich und seine Hände hielten mich, führten mich, leiteten mich. Immer wieder wanderten seine Fingerspitzen über meine Seiten, mal hinauf, mal hinunter.

»Hmm, du fühlst dich herrlich an«, raunte ein tiefer Bass gegen meine Halsbeuge. Ehe ich darauf antworten konnte, streiften seine Lippen flüchtig meine Haut. Ich erschauerte wohlig. Ein Lachen entschlüpfte meiner Kehle. Ich war total verschwitzt und roch, als hätte ich einen Marathon hinter mir. Aber wenn er meinte. Ich schmiegte mich statt einer Antwort noch enger an ihn, woraufhin er seine Hand über meinen Oberschenkel streifen ließ. Eine prickelnde Spur folgte der Berührung. Als seine Hand wieder hinauf wanderte, schob sie wie zufällig mein Kleid ein Stück höher. Natürlich war an diesem Manöver nichts zufällig. Ob Absicht oder nicht interessierte mich keine Spur. Gelöst schnurrte ich und schob meine Knie ein klein wenig auseinander. Er müsste schon ziemlich viel getrunken haben, wenn er diese Geste missverstand. Tat er nicht. Guter Mann. Er schien genau der Richtige zu sein. Wozu? Nun, um meinem Vater und seiner Erbfolgeplanung einen gehörigen Strich durch die Rechnung zu machen. Genau deshalb war ich hier.

Mein Plan war denkbar einfach gewesen. Finde einen Kerl, der dich entjungfert und schon bist du alle Probleme diesseits und jenseits des Pazifiks los. Den ersten Teil konnte ich abhaken, einen Kerl hatte ich. Jetzt musste ich ihn nur noch dazu bekommen, mich mit zu sich nach Hause zu nehmen. Zu mir konnten wir nicht, weil … es da eindeutig zu voll war und genug Menschen herumliefen, die etwas dagegen hatten, dass ich meinen eigenen Willen besaß. Ich schmiegte mich, während ich versuchte, gegen die benebelnde Wirkung des Alkohols anzukämpfen, noch enger an ihn.

»Na du gehst ja ran«, murmelte er und drehte mich zu sich um, als die Musik langsamer wurde. Er legte meine Hände auf seine Schultern und ich umschloss kurzerhand seinen Nacken. Seine Hände wanderten zu meinen Hüften und zogen mich enger an ihn. Gemächlich wiegte er uns im Takt der Musik und ich riskierte einen Blick in sein Gesicht. Immerhin wollte ich ihn ansehen, wenn ich ihm schon die Verantwortung aufbürdete, eine wichtige Rolle im Schicksal Montegroviens einzunehmen. Die gedämpfte Beleuchtung ließ keine genaue Musterung zu. Dunkle Wimpern ruhten auf seinen halb geschlossenen Lidern, ein dunkles südländisches Aussehen mit schwarz wirkendem Haar und markanten Gesichtszügen. Ein hartes, männliches Kinn ließ ihn älter wirken, als er vermutlich war. Dunkle Bartschatten und ein düsterer, dominant wirkender Blick jagten mir kurz Angst ein, aber ich schob die Warnungen beiseite. Sein Griff war eine Spur zu fest, die kräftige Wölbung, die sich gegen meinen Bauch drückte, eine Nuance zu gierig. Ich könnte ein Dutzend Signale aufzählen, die darauf hindeuteten, dass ich diesen Typen nicht für mein erstes Mal auswählen sollte, aber die Zeit drängte. Meine Eltern waren bereits dabei, geeignete Heiratskandidaten für mich auszusuchen und sie nach und nach zum Essen einzuladen. Selbstverständlich alles Europäer mit einem Stammbaum, dass einem schon vom Hinsehen schwindelig wurde. Sie ließen sie reihenweise einfliegen, damit ich mir einen von ihnen als Ehemann aussuchte. Aber so nicht. Ich wollte keinen eingebildeten Schnösel, wollte keine Fürstin von einem unserem Fürstentum werden, nein, ich wollte gar nichts davon. Ich wollte feiern und leben und später studieren und … wenn ich dazu mit diesem Kerl vögeln musste, dann würde ich es tun. Nach zwei, drei weiteren Long Island Iceteas sollte er sich für mich nett getrunken haben. Immerhin war er kräftig und nicht dick. Ich mochte Männer, die eine gewisse Ausstrahlung hatten.

Um ihn nicht länger ansehen zu müssen und meiner Courage dabei zuzusehen, wie sie die Röcke raffte und floh, legte ich meinen Kopf auf seine Brust und schmiegte mich noch enger an ihn. Ich nahm meine Hände von seinen Schultern, ließ sie über seinen Rücken gleiten und umfasste seine Hüfte. Die Wölbung stippte neckend gegen meinen Bauch. Ich kicherte leise. »Bist du … angetan?« Na toll, manchmal verwünschte ich meine gute Erziehung. Wer sagte denn so was? Der Typ war geil und nicht nur »angetan«.

Offensichtlich empfand er meine Worte genauso deplatziert wie ich. »Angetan? Hmm, ich weiß nicht, was das bedeuten soll, aber ich würde gerne deinen Arsch anfassen.«

Ich verschluckte mich fast vor Überraschung. Er wartete gar nicht erst auf eine Antwort von mir, sondern legte wie selbstverständlich beide Handflächen auf meinen Hintern und grub seine Finger in mein Fleisch. Ohne, dass ich es wollte, entschlüpfte mir ein leises Stöhnen. Der Typ nahm den Laut als Zustimmung und schob seine Hände ungefragt unter mein Kleid, knetete meinen Hintern und zog die Backen leicht auseinander.

»Nicht«, murmelte ich unentschlossen. Was tat ich denn hier eigentlich? Ich warf mich dem erstbesten Kerl an den Hals und setzte meine Jungfräulichkeit für so einen Arsch aufs Spiel? Wer hatte mir denn ins Hirn geschissen? Ach ja, ich vergaß. Ich wollte so dringend unbrauchbar werden, dass mir fast alles egal war.

Endlich ließ er von meinem Hintern ab, legte den Zeigefinger unter mein Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. Nicht, wollte ich wimmern, aber sein intensiver Blick fesselte mich. Stahlblaue Augen brannten sich durch meine Pupillen in mein Gehirn und versengten mir den Verstand. Himmel, dieser Blick! Sein Mundwinkel zuckte amüsiert.

»Öffne deine Lippen für mich, Kleines«, befahl er mit rauchiger Stimme. Ich wollte aufbegehren, aber er wartete gar nicht erst auf meinen Widerstand. Vielleicht war es ihm auch egal. Er legte seinen Finger um meinen Hals und drückte langsam zu, sodass ich gar nicht anders konnte, als zu gehorchen. Seine andere Hand schob sich von hinten zwischen meine Schenkel und fand sicher ihr Ziel. Ich warf den Kopf in den Nacken, spürte, wie er geschickt in mich eindrang und vergaß alles um mich herum. Dieser Mann war unglaublich. Herrisch und sanft, dominant und unglaublich einfühlsam. Seine Berührungen waren so geschickt, dass ich mein Unwohlsein völlig vergaß. Vielleicht ist jeder Frau beim ersten Mal unwohl? Bestimmt. Ich schob die Gedanken beiseite und konzentrierte mich auf seine geschickten Finger. Seine Art jagte mir ein wenig Angst ein, doch er verscheuchte sie mit betörenden Berührungen. Ich fühlte mich gehalten, fast sicher, wenn auch ein wenig eingeschüchtert. Das hätte mich ihn alarmiert von mir stoßen lassen sollen, doch als ob er in mir wie in einem offenen Buch lesen konnte, verwandelte er jeden Zweifel in Lust. Das Verlangen brannte in mir und ich gab mich ihm sehnsüchtig hin. Das war genau das, was ich fühlen wollte.

Zärtlich wanderten seine Lippen über meinen Hals, suchten die meinen und mein Widerstand schmolz durch seinen hingebungsvollen Kuss. Seine Zunge drang in mich ein, ahmte die Bewegungen seines Fingers – Himmel, wie viele hatte er in mich geschoben? Zwei drei? – nach und füllte mich aus. Meine Mitte zog sich schmerzhaft zusammen, als er den Daumen auf meine Klit drückte und hätten seine Lippen nicht meinen Mund verschlossen, ich hätte den ganzen Klub zusammengeschrien, als ich zuckend kam.

Er streichelte mich zärtlich, hielt mich mit einer Hand im Rücken aufrecht und blickte lächelnd auf mich hinunter. »Lust auf mehr? Dieser Klub hat ein Hinterzimmer, wo wir …«

»Nicht heute Abend!«, knurrte eine tiefe Stimme, die mich, wie von einem Kübel Eiswasser übergossen, zurück in die Wirklichkeit holte. Die Lust verpuffte und meine Klit zog sich eingeschüchtert zurück. Fantastisch. Der Griff meines Prinzen verstärkte sich, drückte mich fester an sich, gegen seine pralle Erektion. Ich erschauerte erneut, das Verlangen kehrte zurück und ich rieb meinen Bauch über die harte Beule. Gerne hätte ich meine noch immer pochende Kilt über seine Härte geschoben, aber leider war ich dazu zu klein. Ich hätte mich dazu mindestens auf die Zehenspitzen stellen müssen, aber ich wagte nicht, mich zu bewegen.

»Lass sie los, Dorian.« Die Stimme ließ mich zusammenschrecken, doch Dorian – was für ein wunderschöner Name – ließ sich nicht von dem Mann beeindrucken. »Such dir im Hinterzimmer eine andere.«

»Wieso, Niels? Dich stört es doch sonst auch nicht, wenn ich mir die Mädchen direkt von der Tanzfläche pflücke. Du musst schon zugeben, sie ist ziemlich heiß.« Dorian nahm mich bei den Armen und hielt mich etwas von sich, sodass er mich ausgiebig betrachten konnte. Fröstelnd rieb ich mir über die Arme. Kalt war es allerdings nicht. Es war Dorians Blick, der mich zurückschrecken ließ. Und vielleicht auch der Nachklang seiner Worte. Er nahm sie sich von der Tanzfläche? So wie mich? Wie viele hatte er hier verführt? Wie viele waren ihm gefolgt? Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch.

»Diese nicht. Sie gehört nicht zu denen. Lass sie los, sonst …« Die unterschwellige Drohung in seinen Worte war selbst in meinem umnebelten Geist angekommen. Er brauchte gar nicht weiter reden. Dorian stieß einen Seufzer aus und beugte sich zu mir hinunter.

»Tut mir leid, Kleines. Ich hätte dir gerne mehr gegeben, aber der böse Niels ist so ein Spießer.« Er küsste mich knapp, bevor ich umgedreht wurde. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie ich mit immer größer werdenden Augen vor dem Typen vom Eingang stand. Seine Augen funkelten böse und er gab mir mit einem knappen Nicken zu verstehen, dass ich verschwinden sollte. Plötzlich erinnerte ich mich sehr lebhaft an seine Drohung und ich zog hastig mein Kleid, dass bei Dorians kleiner Exkursion in mein Lustzentrum verrutscht war, über meinen Hintern. Niels' Mundwinkel zuckte verräterisch. Er wusste noch genau, was er mir angedroht hatte und meine Reaktion darauf war so offensichtlich peinlich, dass ich hastig davon stöckelte.

»Die ist tabu. Merk dir das.« Niels' dunkle Stimme folgte mir, doch ich wagte nicht, mich umzudrehen. Nur schnell weg hier! Doch Manolo Blahniks sind vielleicht toll auf einer Tanzfläche und im Fernsehen wirken sie so praktisch wie Sneaker. Wenn man allerdings auf der Flucht vor einer – verdienten – Strafe war, erwiesen sie sich als äußerst hinderlich. Ich war noch nicht sehr weit gekommen, da fühlte ich eine riesige Hand meinen Nacken umschließen. Das konnte nur Niels sein. Hastig blieb ich stehen und erstarrte wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Nur dass Niels keine Schlange war, sondern eher ein … Bison.

»Nicht so schnell, Kleine!«, knurrte er und dirigierte mich mit seiner Hand in die falsche Richtung. Hey, Moment, ich wollte zum Ausgang!

»Ich muss gehen!«, schnappte ich wie Cinderella, die kurz vor Mitternacht vom Ball floh. Nur dass ich in diesem Szenario nicht die Dienstmagd war.

»Gleich kannst du gehen, erst unterhalten wir uns.« Niels schob mich in ein freies Separee. Ich konnte nur kurz einen Blick auf das Reserviert-Schildchen werfen, da fand ich mich auch schon auf einer weichen Sitzbank wieder – unter dem bitterbösen Blick eines Stieres.

Sie hockte da wie das sprichwörtliche Elend. Die Knie fest gegeneinander gepresst, die kleine Handtasche in ihre Brust gedrückt, zitterte sie wie Espenlaub. Die roten Locken hingen ihr in sanften Wellen auf die schmalen Schultern. Sie wirkte so zerbrechlich, dass ich den Gedanken, sie über's Knie zu legen, ganz schnell beiseiteschob. Niemals könnte ich einem so elfenhaften Wesen etwas antun. Eher würde ich Dorian bei lebendigem Leib die Haut vom Fleisch ziehen. Meine Fingerknöchel knackten, als ich mir vorstellte, wie es sich wohl anfühlte, wenn ich meine Faust in sein hübsches Gesicht krachen lassen würde. Nur leider würde der Boss das nicht gutheißen. Dorian Menzies war Franks Sohn. Auch wenn sich die beiden nicht sonderlich nahestanden, rührte niemand ungestraft seinen Sohn an. Familie war eben Familie und die war tabu.

Erschrocken zuckte das rote Ding zusammen, als sie das Geräusch trotz der lauten Musik hörte. Die Separees hatten schall und blickdichte Vorhänge, sodass man hier drinnen völlig ungestört war – oder die da draußen nicht störte. Was sich hinter diesen Vorhängen manchmal so alles abspielte, war weiß Gott nichts für jugendliche Ohren. Wie alt war sie gleich noch? Einundzwanzig laut Ausweis. Kopfschüttelnd musterte ich meine Schuhspitzen. Ich hätte sie niemals reinlassen dürfen.

Ich war schon drauf und dran, ihr zu versichern, dass ich meine Drohung niemals wahr machen würde, doch dann kam mir eine Idee. Wenn sie nur genug Angst vor mir hatte, würde sie sich vielleicht fernhalten und Dorian niemals wieder in die Arme laufen. Nur sollte ich es sachte angehen. Ich wollte zwar einen bleibenden Eindruck hinterlassen, ihr aber kein Trauma fürs Leben verpassen. »Wie heißt du?«, fragte ich stattdessen.

Die roten Locken schwangen herum und sie starrte mich so entsetzt an, als wäre das die allerletzte Frage, mit der sie an diesem Ort gerechnet hätte. »Wieso willst du das jetzt wissen? Du hast doch meinen Ausweis gesehen«, blaffte sie mich an. Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch. Offensichtlich war sie doch nicht so eingeschüchtert, wie sie vorgab zu sein. Oder aber sie war eine verdammt gute Schauspielerin. Ich warf einen Blick auf ihre nach wie vor zitternden Knie. Sie konnte sie noch so fest aneinanderdrücken, das Zittern verriet sie dennoch.

»Dein Ausweis war eine hundert Dollar Note. Vielleicht gibst du mir jetzt deinen richtigen Ausweis und wir alle sind glücklich.«

Das Püppchen schob grimmig die Unterlippe vor. »Fein!«, fauchte sie und entleerte den Inhalt ihrer Puppenhandtasche auf dem Tischchen zwischen uns. Ein buntes Sammelsurium ergoss sich auf die runde Platte und ich hatte Mühe mir vorzustellen, wie sie den ganzen Krempel wieder in die winzige Tasche stopfen wollte. Das wütende Gemurmel, welches sie beim Durchsuchen der Handtasche von sich gab, erregte meine Aufmerksamkeit. Sie beschimpfte mich als Arsch, Bastard und einer ganzen Menge anderer Ausdrücke, die die Lippen eines solchen Wesens niemals verlassen sollten. Beim Gedanken an ihre Lippen wurde ich prompt hart. Super. Genau das, was mir noch fehlte. Wütend mahlte ich mit dem Kiefer.

»Wird's bald?!«, schimpfte ich und war drauf und dran, den Inhalt der Tasche vom Tisch zu fegen. Aber allein die Vorstellung, wie sie ihren Arsch beim Aufheben der Sachen in die Höhe reckte, ließ mich innehalten. Scheiße, wenn sie so vor mir kniete, konnte ich für nichts mehr garantieren.

»Pah!«, schimpfte sie und zerrte gerade noch rechtzeitig triumphierend eine kleine Plastikkarte aus dem Haufen Krempel. »Da ist er ja! Siehst du«, sagte sie und überreichte mir die Karte, »alles halb so wild.«

Tiefe Falten des Zweifels bildeten sich auf meiner Stirn, als ich die Karte entgegennahm. Ich warf ihr noch einen grimmigen Blick zu, der sie die Knie zusammendrücken und die Hände auf dem Schoß falten ließ, bevor ich mich mit amüsiertem Kopfschütteln der Karte zuwandte. Was auch immer das für ein Ausweis war, er gehörte mit Sicherheit nicht ihr. Auf der kleinen Karte stand nämlich, dass sie aus einem Land namens Montegrovien stammte und ihr Name Katherine sei. Den Namen nahm ich ihr ja noch ab, aber Montegrovien? Wollte sie mich verarschen?

»Und das ist wirklich dein Ausweis?«, hakte ich misstrauisch nach. Das rote Ding nickte heftig.

»Siehst du, mein Foto.« Sie beugte sich vor und deutete auf eine Abbildung ihrer selbst, deutlich züchtiger und definitiv jünger. Vielleicht lag das aber auch daran, dass das Mädchen auf dem Foto ihre Schönheit nicht unter einer Tonne Make-up begraben hatte. Sie war wirklich hübsch. Ehrfürchtig berührte ich das Foto. Hübsch war eine glatte Untertreibung. Ihre natürliche Anmut war atemberaubend. Zarte Haut, rosige Lippen und ein kindlich-naiver Blick. Nicht, dass sie dumm wirkte, überhaupt nicht. Die großen blauen Augen, dass einnehmende Lachen und die süßen Sommersprossen bewirkten, dass sich mein Herz zusammenzog und mein Schwanz sich aufmerksam regte. Wunderbar, wirklich wunderbar.

Hastig räusperte ich mich und hob zweifelnd die Augenbraue, als ich mich von dem Anblick löste und versuchte, mit dem Fingernagel, Klebespuren zu ertasten, aber das Foto war definitiv auf die Karte gedruckt, was allein noch kein Beweis für die Echtheit des Ausweises war. Ich neigte ihn, um etwaige Spiegelungen zu erkennen, die ihn als echt auswiesen, aber das Licht in dem Separee reichte dafür nicht aus. Wieso auch? Wer sich in diese Bereiche zurückzog, wollte nicht unbedingt viel erkennen. Ich konnte also nicht mit Sicherheit sagen, ob die Plastikkarte eine Fälschung war oder nicht. Was ich aber wusste, war, dass ich von auf der Karte aufgedrucktem Land – ihrem Heimatland – noch NIE gehört hatte und ich es ziemlich vermessen fand, von sich selbst zu behaupten, man sei eine Prinzessin. Das stand da nämlich. In geschwungenen Lettern. Royal Highness. Und mit königlichen Hoheiten kannte ich mich – unfreiwillig – aus.

»Ich denke, du willst mir eine Fälschung unterjubeln. Mal im Ernst, gibt es das Land Montegrovien überhaupt? Und du willst eine Prinzessin sein? Wo sind deine Bodyguards? Nein, ernsthaft. Ich glaube, dein Ausweis ist gefälscht.«

Es war ein regelrechtes Gefühlschaos, das meine Worte in ihrem Gesicht auslösten. Erst schien sie empört und ich erwartete eine Standpauke, ähnlich jener, die sie mir bei ihrem Eintreten gehalten hatte. Doch dann drückte sie den Rücken gerade und lächelte mich zuckersüß an. Schauspielerin, eindeutig. Und deshalb noch weniger geeignet, sich hier herumzutreiben. »Melody«, säuselte sie und ließ die Handtasche sinken. Kleine Brüste drückten sich gegen das golden glitzernde Kleidchen. Sie machte einer Diskokugel alle Ehre.

»Gut, Melody, also …« Der Name … ein eiskalter Schauer kroch mir über den Rücken. Fast wie Mallory, aber eben nur … fast.

»Warum hast du mich dann reingelassen?«, unterbrach sie mich vorlaut. Abrupt ließ ich die Hand mit ihrer Plastikkarte sinken und starrte sie sprachlos an. War sie mir gerade ins Wort gefallen? Während ich sie entsetzt ansah, schien ihr aufzufallen, was sie gerade getan hatte. Hastig schlug sie sich die Hände vor den Mund und zog den Kopf ein.

»Entschuldige«, murmelte sie in ihre Handflächen und wurde knallrot – was bei dem schummrigen Licht kaum zu erkennen war, aber ihre Gesichtsfarbe glich der ihrer Haare, sodass ich davon ausgehen konnte.

Ich neigte den Kopf zur Seite und merkte gerade noch rechtzeitig, wie ein Grinsen an meinen Mundwinkeln zerrte. Hastig kniff ich die Lippen zusammen und knurrte sie unwillig an. »Man unterbricht die Leute nicht«, maßregelte ich sie.

Hastig nickte sie. Ihre großen Kulleraugen sahen unter ihren langen Wimpern hindurch zu mir auf. Der Anblick war geradezu verboten heiß. Genau so würde sie aussehen, wenn sie vor mir auf die Knie ging, ihre sinnlichen Lippen öffnete und ich … hektisch reichte ich ihr den Ausweis zurück und griff nach der Flasche Wasser und einem bereitgestellten Glas. Die Separees waren immer mit genügend kostenlosen Getränken versehen und dieses hier war sozusagen Franks privater Rückzugsort. Schnell goss ich mir etwas ein und … erstarrte erneut, als ihre Lider flatterten und sie gierig auf das Glas blickte. Ich stieß ein Seufzen aus, schob ihr das gefüllte Glas hin und schenkte mir selbst ein.

»Also«, begann ich erneut und hielt kurz inne, um ihr die Möglichkeit zu geben, mir erneut ins Wort zu fallen. Tat sie nicht. Braves Mädchen. »Ich möchte nicht, dass du dich mit Dorian Menzies einlässt.«

»Es geht dich überhaupt nichts an, mit wem ich mich einlasse. Das ist ganz allein meine Sache!« Trotzig schob sie ihr niedliches Kinn vor, doch ein Blick von mir genügte und sie bewegte ausweichend ihr Glas hin und her. Ich sagte nichts, sondern sah sie nur schweigend an. Vielleicht kam sie ja von selbst drauf. Aber entweder sie war zu dumm – wovon ich nicht ausging – oder sie wollte nicht. Ich schätzte Letzteres.

»Wieso nicht?«, fragte sie nach einer Weile, nachdem ich immer noch nicht geantwortet hatte. Ich dachte, ein vielsagender Blick würde ausreichen. Offensichtlich nicht.

»Weil er dich auf der Tanzfläche angegrabscht hat«, erklärte ich schließlich. Melody hob den Kopf und wurde – erneut – knallrot. Oh, er hatte sie also nicht nur angefasst. »Was hat er getan?«, fuhr ich sie etwas lauter, als ich eigentlich vorgehabt hatte, an. Die Kleine zuckte zusammen und zog erneut den Kopf zwischen den Schultern ein. Himmel, was denn nun? Einerseits war sie aufsässig und andererseits tat sie so, als würde sie Angst vor mir haben. Ich war nicht der Böse in dieser Geschichte. Zumindest nicht heute. Diesmal wollte ich der Ritter sein, der die Jungfer rettete. Ich unterdrückte ein Lächeln. »Melody«, der Name kam mir nur schwer über die Lippen und löste ein Gefühl in mir aus, was ich mir eigentlich für den Rest meines Lebens verwehren wollte. Sie war nicht Mallory. »Was hat er getan?«, fragte ich deutlich vorsichtiger.

Erneut kam sie aus ihrem Versteck und leckte sich die Lippen. »Er hat das getan, wonach sich jedes Mädchen sehnt.«

Hä? Okay, die Formulierung hätte definitiv aus einem Märchen stammen können. Aber mir stand nicht der Sinn nach Prosa und das hier war die Realität. »Geht's auch genauer?«

Sie rollte genervt mit den Augen und trank einen Schluck Wasser. »Er hat …«, sie verstummte, wand sich, schien es nicht aussprechen zu können. Und dann fiel ihr plötzlich ein, dass sie mir überhaupt nichts sagen musste. Ich konnte den Trotz erneut in ihrem Blick flackern sehen. »Ich muss dir überhaupt nichts sagen!«, fauchte sie, stand ruckartig auf und … plumpste wieder auf die Polster. Sie gab dabei ein Quietschen von sich und meine Selbstbeherrschung war dahin. Ich lachte laut auf und handelte mir dabei einen bitterbösen Blick ein. War wohl doch ein Cocktail zu viel gewesen, was? Doch meine Schadenfreude währte nicht lange. Sie verdrehte die Augen, schlug sich hastig die Hand vor den Mund und gab ein würgendes Geräusch von sich. Scheiße, auch das noch.

»Nicht kotzen!«, rief ich, sprang auf und nahm die Flaschen aus dem Sektkühler. Mit einer schwungvollen Bewegung kippte ich das Eis hinter mich – mir doch egal, wem ich eine kalte Dusche verpasste – und hielt ihr den Eimer zum Reinkotzen hin. Hastig griff sie nach dem Behälter und würgte ihren Mageninhalt hinein. Fürsorglich raffte ich ihr rostrotes Haar im Nacken zusammen und achtete darauf, dass es nicht in der Kotze landete.

»Waren doch ein paar Cocktails zu viel, oder?« Ein Blick auf den Inhalt des Eimers ließ mich die Augen verdrehen. »Und wann hast du zuletzt was gegessen?«

Melody warf mir einen bösen Seitenblick zu, bevor sie die nächste Welle der Übelkeit zwang, ihre Aufmerksamkeit in das Innere des Eimers zu richten. Ich verzog angewidert das Gesicht und wartete geduldig, bis sie sich beruhigt hatte. Melody sank zurück in die Polster und schloss stöhnend die Augen.

»Ich hätte auf dich hören sollen«, stöhnte sie leise.

»Ganz genau«, erwiderte ich und hielt eine Serviette über den Eimer, die ich mit einem großzügigen Schluck Wasser befeuchtete. Ich reichte Melody die Serviette, damit sie sich das Gesicht abwaschen konnte. Dann schob ich ihr die Schale mit Erdnüssen, die neben den Getränken ebenfalls auf dem Tisch stand, zu und wartete, bis sie – mich nach wie vor mit bösen Blicken beschießend – ein paar der Nüsse gegessen hatte.

»Ich erspare dir jetzt die Strafpredigt über Trinken und leere Mägen …«

»Wie zuvorkommend«, giftete sie. Ich atmete kurz tief durch, ging allerdings nicht auf ihren Kommentar ein. Don't feed the trolls und so.

»Aber du solltest dich wirklich von Dorian fernhalten.«

»Und wenn er mir gefällt …«, murmelte sie weiter mümmelnd.

»Er ist kein Umgang für dich und du wirst dich nur in Schwierigkeiten bringen, wenn du weiterhin seine Nähe suchst.«

»Mein Problem«, zischte sie leise. Nicht, wenn ich dich an deinem roten Schopf aus der Scheiße ziehen muss. Das sagte ich natürlich nicht laut. Sie hatte recht. Dorian war ihr Problem und mich gingen ihre – und auch seine – Angelegenheiten eigentlich nichts an.

---ENDE DER LESEPROBE---