Boss and Bells: Ein CEO zu Weihnachten - Kitty Harper - E-Book
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Boss and Bells: Ein CEO zu Weihnachten E-Book

Kitty Harper

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Beschreibung

Eine Nacht im Büro, eisige Wintertemperaturen in New York und eine Anziehung, mit der keiner gerechnet hat. Nach einem Vorfall in der Firma hat Callie Wagner es sich endgültig mit dem CEO, Nathaniel Sterling, verscherzt. Seitdem meiden sie sich konsequent, da ihre moralischen Werte unvereinbar scheinen. Doch als ein Fehler die Zukunft von Sterling Investment bedroht, müssen die beiden widerstrebend ihre Differenzen beiseitelegen. Sie verlassen die Weihnachtsfeier und ziehen sich in ein Büro zurück, um die Situation zu retten. In ihrer Arbeit verlieren sie das Zeitgefühl – bis plötzlich alle Lichter erlöschen und sie in völliger Dunkelheit stehen. Ein Klick verriegelt die Tür, und ihr Schicksal ist besiegelt: Sie sind gezwungen, die Nacht zusammen zu verbringen. Wird Nathaniel seine einst aufgelegte Regel selbst brechen? Abgeschlossener »Boss-Roman« mit weihnachtlichem Flair und sinnlichen Liebesszenen.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Epilog
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Ein CEO zu Weihnachten

 

Von Kitty Harper

 

 

 

 

1. Auflage, 2024

© Kitty Harper – alle Rechte vorbehalten.

c/o easy-shop

K. Mothes

Schloßstraße 20

06869 Coswig (Anhalt)

 

Lektorat: Lektorat Franziska Schenker

Coverdesign: Dream Design - Cover and Art

Bildnachweise: @qimono, pixabay, depositphotos.com

Verwendete Schriften: Moontime, Linus Libertine

 

[email protected]

http://www.kitty-harper.de

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Kapitel 1

Mit einem Seufzen kontrolliere ich noch einmal die Zahlen mit den Ausgangswerten und speichere dann den Abschlussbericht. Das zufriedenstellende Gefühl einer absolut perfekten Prognose stellt sich ein. Nexus Solutions sieht verdammt solide aus und blickt einer glänzenden Zukunft an der Börse entgegen.

Nur noch eine letzte E-Mail, in der ich Sophia davon berichte, dass ich heute Mittag alle nötigen Daten hochgeladen habe. Schlussendlich setze ich die Abschlussformel unter die Mitteilung, schicke sie ab und lehne mich genüsslich auf meinem Stuhl zurück.

Das war's. Mit dieser Nachricht habe ich alle relevanten Dokumente, Dateien und Berechnungen, für die ich die letzten zwei Monate geschwitzt habe, an meine Projektleiterin geschickt. Nun kann ich ruhigen Gewissens die Feier genießen. Danach ist er wieder weg.

Hoffentlich. Ich verachte diesen Mann und sein rücksichtsloses Streben nach Profit. Aber so ist das Geschäft. Wie ich schmerzlich in Boston lernen musste.

Warum muss er ausgerechnet zu dieser bescheuerten Weihnachtsfeier herkommen und darauf bestehen, dass alle teilnehmen? Ich hasse ihn und seine fast manische Kontrollsucht. Echt, der Mann sollte sich mal untersuchen lassen. Der gehört auf 'ne Couch, aber nicht an die Spitze eines weltweit führenden Investmentunternehmens. Pah!

Meine gute Laune verfliegt.

Allein der Gedanke an meinen Boss genügt und ich bin auf Hundertachtzig. Aber alles ist gut.

Mit einem tiefen Atemzug schiebe ich den Schreibtischstuhl zurück und suche meine Mitte.

Nur diese eine Feier, nächste Woche bin ich ihn los. Denn üblicherweise nehmen die Analysten nicht an der Roadshow teil. Er wird zwar hier sein, aber wir werden nicht zusammenarbeiten.

Pouh.

Hoffentlich für eine sehr, sehr lange Zeit.

Ein Klopfen an meiner Bürotür lässt mich aufsehen.

»Callie?« Sophia steckt ihren Kopf durch den Spalt hinein. Ihre strenge Hochsteckfrisur ziert ein Haarreif mit Rentierohren und Hörnern.

»Was ist das?« Ich blinzle.

Schallend lacht meine Projektleiterin.

Was ist denn mit ihr los? Es wirkt fast so, als hätte Sophia bereits einiges intus, was ich mir bei ihrem stets strengen und korrekten Auftreten absolut nicht vorstellen kann.

»Was ist was?« Sophia tritt ein und lässt die Glastür offen.

»Das da.« Ich deute zwanzig Zentimeter über ihren Kopf.

»Oh, ja, das.« Amüsiert rückt sie den Haarreif zurecht. »Das ist meine Dekoration für den heutigen Abend. Wo ist deine?«

»Äh, nein.« Ich erhebe mich und streiche meinen Businessrock glatt. »Ich habe zugestimmt, an dieser Party teilzunehmen –«

Sophia hebt den Zeigefinger und ahmt mit näselnder Aussprache Mr. Sterling nach. »Weil Nate uns alle darum gebeten hat und was Nate sagt, ist Gesetz.«

»So hat er auch mit der Erkältung nicht geklungen.« Ich kichere. Die Hand vor dem Mund senke ich die Stimme. »Außerdem käme ich niemals auf die Idee, ihn Nate zu nennen. Mr. Sterling, sonst nichts.«

Sophia wackelt mit den Augenbrauen. »Ach, komm. Jeder weiß doch, dass er es nicht so streng mag. Wir sind hier alle per du.«

»Ich nicht.« Vehement schüttle ich den Kopf.

Mit einem Lächeln legt sie ihren Arm um meine Schulter. »Wärst du in seinen Augen unfähig, würdest du nicht mehr hier arbeiten. Glaube mir, in den letzten Jahren sind viele Analysten gekommen und gegangen. Du bist bislang hier. Und das will etwas bedeuten.«

Pah, wenn Sophia wüsste.

Zwischen uns herrscht nur Waffenstillstand.

Ergeben seufze ich. Die Erinnerung genügt und ich fühle den Schmerz, die Verbitterung und die Enttäuschung.

»Ich habe mal zu ihm aufgesehen, weißt du. Damals, als ich jung und idealistisch war. Aber mittlerweile ärgere ich mich nur noch. Vielleicht hätte ich wirklich kündigen sollen.«

Und damit ein verdammt gutes Gehalt in den Wind schießen? Nein.

»Du bist eine gewissenhafte und wertvolle Mitarbeiterin, auf die ich mich in den letzten drei Jahren vollumfänglich verlassen konnte. Du hast mein Vertrauen erwidert.« Sophia schenkt mir ein Lächeln. »Hast du die Daten abgeschickt? Den Abschlussbericht an mich und Adrian übermittelt?«

»Ja, genau so, wie wir es besprochen haben und auch an Isabella. Ich bin ein letztes Mal über die Zahlen gegangen, habe meine Berechnungen überprüft.«

»Zum zehnten Mal, Callie. Nun ist aber gut. Nexus ist der ideale Kandidat für die Investoren. Die Roadshow wird der reinste Spaziergang und der Börsengang ein Fest. Lass uns feiern.« Mit den Augen rollend zieht mich Sophia hinterm Schreibtisch vor. »Jetzt ist es Zeit für Spaß, für die Party des Jahres. Nächste Woche bereiten wir die Präsentationen vor. Die Firma wird einschlagen wie eine Bombe!« Sie nimmt sich den Rentierhaarreif vom Kopf und setzt ihn mir auf. »Lass uns feiern!«

Lachende und sich unterhaltende Menschen füllen das Großraumbüro von Sterling Investment. Lichterketten, Lampions und weihnachtliche Dekorationen hängen von den Decken, den Neonleuchten und schmücken die Wände. Fort sind die kargen Schreibtische, die 364 Tage im Jahr das Herzstück des New Yorker Büros bilden.

Am frühen Nachmittag haben wir sie gemeinsam an den Rand gerückt, um Platz für ein imposantes Buffet zu schaffen, welches ich nebst Getränken jedes Jahr spendiere. Heute soll meine Belegschaft feiern, ausgelassen lachen und den Stress der vergangenen zwölf Monate vergessen.

Ich lehne mich gegen einen tristen Schreibtisch und nippe gelegentlich an meinem Scotch. Mein erster und – vermutlich – auch mein letzter für dieses Jahr. Es sei denn, ich gebe dem Drängen meiner Mutter nach und nehme am Weihnachtsdinner in ein paar Tagen teil. Dann brauche ich noch sehr viel mehr Alkohol.

»Haben Sie denn keinen Hunger, Mr. Sterling?« Eine Praktikantin schleicht sich an mich heran, einen gefüllten Teller in der einen und einen roten Partybecher in der anderen Hand. Sie arbeitet seit ein paar Monaten hier und unterstützt Isabellas Assistentin.

»Nein, Stacy, vielen Dank.« Jeder fängt bei uns mit Kaffeekochen an, selbst eine fleißige Studentin. Aber ich will sie nicht mit enttäuschter Miene fortschicken. »Aber wo Sie schon mal etwas für mich zusammengestellt haben, möchte ich nicht Nein sagen.« Ich strecke die Hände nach Teller und Getränk aus, täusche Neugierde vor. »Das sieht aber lecker aus. Vielleicht bekomme ich ja doch Hunger. Vielen Dank.«

Die junge Frau strahlt mich an und ich entlasse sie mit einem Lächeln. Als sie in der Menge untergetaucht ist, stelle ich den Teller neben mir ab und nippe an der Limonade, die Stacy für mich besorgt hat.

Uah.

Wie süß.

Widerlich.

Hastig schiebe ich den Becher hinter mich und wende mich wieder den harten Sachen zu.

»Hat sie dich doch erwischt, was?« Lucas Donovan nimmt neben mir Platz und stupst mich kumpelhaft an.

»Was?«

»Stacy, unsere Praktikantin.« Er zwinkert mir verschwörerisch zu und deutet vielsagend auf den Teller Essen zwischen uns. »Die Kleine hat dir nur die besten Leckerbissen ausgesucht.«

»Mhm. Ja, sie kümmert sich vorbildlich und erledigt ihre Aufgaben akkurat.«

Vielsagend neigt Lucas den Kopf. »Ohne Hintergedanken, natürlich.« Er zwinkert.

Ich hebe eine Augenbraue. »Meinst du etwa …?«

»Ich meine nicht nur, ich weiß es.« Lucas zuckt mit den Schultern und schiebt mir ein Kondom in die Anzugtasche.

»Ist nicht dein Ernst?!« Ich will das Ding rausfischen, doch Lucas schüttelt den Kopf.

»Meine Assistentin hat mitbekommen, wie die Praktikantinnen in der Kaffeeküche geschnattert haben. Was ein Hühnerhaufen. Zumindest sind sie alle äußerst angetan von Mr. Sterling.« Mit den Fingern macht er Zeichen in der Luft. »Vielleicht brauchst du es ja. Wenn nicht, behalte es. Für später. Soll niemand sagen, dass Mr. Sterling kleine Investmentbanker in die Welt setzt.«

Ich verdrehe die Augen. »Oh, Mann. Also entweder, Isabella stellt im nächsten Jahr auch männliche Praktikanten ein oder ich muss mich nach Hongkong absetzen.« Gedanklich mache ich mir eine Notiz, der Leiterin meines New Yorker Büros ein Memo zu hinterlassen. Die Praktikanten werden viel umgänglicher, wenn auch Männer dabei sind.

»Du könntest dir eine nette, kleine Studentin angeln und es so richtig krachen lassen. Dafür sind Weihnachtsfeiern doch da.«

»Bist du irre? Ich bin von jedem hier der Boss. Inklusive dir.«

Lucas verzieht das Gesicht. »Na, du und ich in der Besenkammer gibt bestimmt einiges an Gerede. Nein, ich meine, was wäre mit Isabella?« Leicht nickt er in ihre Richtung. »Schau dir ihren Arsch an in dem kurzen Rock. Da würde ich gerne mal –«

»Wenn du auf deine Hand verzichten kannst.« Leicht angesäuert mustere ich meinen Freund. »Wie viel hast du schon getrunken, dass du auf so eine Schnapsidee kommst?«

Lucas feixt.

Einiges also.

»Und was ist mit dieser kleinen ... Tracy?«

»Stacy, und sie ist Praktikantin. Viel zu jung. Sag mal, versteckst du eine ganze Kondomschachtel in deinem Schreibtisch und versuchst die Dinger, an den Mann zu bringen?«

»Nee, das ist ne einmalige Sache.« Verlegen stupst er mich an. »Sophia.«

»Uh.« Das wäre durchaus eine Option. Aber, nein. »Sie ist verheiratet und hat eine kleine Tochter. Kein Bedarf, danke.« Ich verziehe das Gesicht, als ich Callie Wagner entdecke. Sie kommt aus einem der Analysten-Büros, einer Art Besenkammer, die vollgestellt ist mit Akten. Bis zur Decke. Doch Sophia hat mir versichert, dass die Kleine sich dort wohlfühlt.

»Ms. Wagner? Bei der gehst du immer auf Habacht.«

»Bist du verrückt? Die Frau fährt die Krallen aus, sobald ich um die Ecke biege.«

Diese Frau besitzt unter gewissen Umständen ein Temperament, das mich herausfordert. Damals flogen nur so die Fetzen. Ihre Anwesenheit genügte, um mich zur Weißglut zu treiben. Und wenn sie dann noch recht hat … 

»Meidest du deshalb New York?« Er stupst mich mit der Schulter an. »Du hast es geliebt, oder? Die verbalen Auseinandersetzungen mit ihr? Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie jeder den Kopf eingezogen hat, wenn ihr aufeinandertraft. Sie hat dir keinen Meter Boden kampflos überlassen. Man könnte auch einfach behaupten, ihr geratet deshalb aneinander, weil ihr euch auf anderer Ebene nicht haben könnt.« Sein Lachen bleibt ihm in der Brust stecken. »Vielleicht solltest du das Kondom mit ihr benutzen. Ich habe gehört, die Besenkammer ist hier recht brauchbar.«

»Ich bin ihr Boss. Von jedem hier. Du solltest nicht mal daran denken, dass ich etwas mit einer Angestellten haben könnte. Außerdem können wir uns nicht leiden. Hör auf, dir solche Geschichten auszudenken.« Ich stupse ihn gegen die Stirn. »Da drin ist eindeutig eine Schraube locker.«

»Oder mit einem Angestellten?« Er zuckt die Schultern. »Die Leute reden eben gern. Ich glaube einfach, mein Freund, es ist für dich einfacher, wenn sie dich hasst.«

Tief hole ich Luft und will zu einer saftigen Erwiderung ansetzen, als sich Adrian Kingsley von der Seite nähert.

Der hat mir noch gefehlt. Hoffentlich hat er nicht unser privates Gespräch mit angehört. Ich kann es gar nicht gebrauchen, dass der Inhaber von Nexus Solutions Zweifel an meiner Integrität hegt. Gute Freunde, hin oder her.

Ich setze ein freundliches Lächeln auf, stoße mich von der Tischkante ab und strecke ihm die Hand entgegen. »Adrian! Wie schön, dich hier zu sehen.«

Der Mann ergreift meine Hand und schüttelt sie, jedoch mit ernster Miene, was dem Anlass unpassend ist. Immerhin feiern wir ein erfolgreiches Geschäftsjahr mit einer vorgezogenen Weihnachtsfeier.

»Ist etwas passiert?« Ein ungutes Gefühl breitet sich in meinem Magen aus.

»Ich wünschte, der Anlass wäre freudiger.«

»Oh«, macht Lucas, erhebt sich und nickt mir zu. »Ich überlasse dich mal Adrian. Wir sehen uns.« Mit einem Blick zu ihm verabschiedet sich Lucas und verschmilzt mit der Menge.

Den Arm um Adrians Schulter gelegt, führe ich ihn etwas zur Seite, damit wir uns in Ruhe unterhalten können. »Also, was hast du auf dem Herzen?

Kapitel 2

Entgegen meinen Erwartungen ist die Party … nett. Wir lachen, genießen das fantastische Buffet und stoßen auf einen erfolgreichen IPO an.

»Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.« Sophia klirrt ihr Sektglas gegen das meine. Andere stoßen ebenfalls an. Reihum grinsen wir.

»Auf einen erfolgreichen Launch im nächsten Jahr!« Sophia erhebt ihr Glas und schaut uns der Reihe nach an.

Wir prosten ihr zu und trinken Champagner auf Mr. Sterlings Kosten. Das muss man ihm schon lassen. Wenn es um das leibliche Wohl seiner Belegschaft geht, ist er nicht geizig.

»Hör mal.« David, der Rechtsberater des Projekts, hakt sich bei mir unter und legt seinen Kopf auf meine Schulter. »Wenn die Pflichtveranstaltung hier vorbei ist, hast du vielleicht Lust, mit James und mir um die Häuser zu ziehen?«

»Was? Mit euch Nerds?« Ich ziehe eine Augenbraue hoch.

»Jep.« David nickt gewichtig und deutet auf James, seines Zeichens ebenfalls Brillenträger. »Der Nerd-Club geht aus.«

Verhalten kichere ich. »Nur weil ich mich gern mit Zahlen umgebe, muss ich nicht mit euch ausgehen. Außerdem ist morgen Samstag. Meinst du nicht, ich habe schon was vor?«

»Ach was.« David winkt James her. »Das ist morgen. Schlafen kannst du auch, wenn du alt bist.«

James drängt sich zwischen Sophia und mich, sodass ich von den beiden Brillenträgern eingeklemmt werde.

IT, Recht und Finanzen, das ist fast wie im Studium.

Aber ausgehen? Nicht in diesem Leben.

»Hört mal, ihr beide seid echt nett. Aber ich kann nicht mit euch ausgehen.«

»Warum denn nicht?« James zieht einen Flunsch. »Wir sind doch in den letzten Monaten prima ausgekommen.«

»Wir haben praktisch nichts miteinander zu tun, James.« Um einer aufkommenden Verzweiflung mangels Ausreden zuvorzukommen, zupfe ich an meinem Ohrläppchen herum. Herrje, ich hasse das. »Du hockst hinter deinem PC in der IT und ich hinter meinem in der Dunkelkammer.«

»Ja, genau.« David schlingt den Arm um James’ schmale Schultern und drückt den ITler an sich. »Zeit, sich auch außerhalb des Projekts kennenzulernen.« Seine Miene wird ernst. »Du bist von all den Frauen, die hier rumlaufen, die Cleverste. Oder sollen wir Laura vom Marketing fragen? Da dreht sich doch jedes Gespräch um Schuhe und Handtaschen.«

»Na, na. Höre ich da einen Hauch Diskriminierung?« Ein tiefer Bariton dringt an mein Ohr, eine Stimme, die mir nur zu bekannt ist, vor allem, wenn sie mich anschreit.

Automatisch ziehe ich den Kopf ein und gehe in Deckung.

»Nein, Sir.« David löst seinen Arm von James und stellt sich aufrecht hin.

»Niemals, Sir.« James nimmt die Hände an die Hosennaht und reckt das Kinn.

Beide sehen aus, als würde es ihnen wie mir in Mr. Sterlings Nähe gehen, bis auf den Schauer, der mir über den Rücken rieselt.

Fast glaube ich, eine Erhöhung der Raumtemperatur wahrzunehmen. Misstrauisch schiele ich in mein Glas. Leer.

Mist, daran ist vermutlich der Alkohol schuld.

»Nun, denn.« Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen tritt Mr. Sterling neben mich.

Und ich zucke zusammen. Obwohl ich ihn bereits an seiner Stimme erkannt habe. Aber das ändert rein gar nichts daran, dass sein Erscheinen – egal wo – mich kalt erwischt.

Jedes Mal.

Ich weiß nie, wie ich ihm gegenüber empfinden soll.

Bin ich wütend? Habe ich vor seiner Position Angst? Vor seiner Macht? Oder ist es ein anderes Gefühl?

Wut auf diesen verwirrenden Mischmasch ist zumindest dabei. Immerhin kann ich wenigstens mit der etwas anfangen und sie gegen ihn richten.

Mein Puls beschleunigt und Schweiß tritt mir auf die Stirn. Scheiße, ich hatte gedacht, nach all den Jahren endlich mit der Sache abgeschlossen zu haben, aber rein gar nichts hat sich geändert. Die gleichen, irritierenden Gefühle.

»Aber ich muss insistieren.« Sterling mustert mich mit seinem eiskalten Killerblick, der mich klein und unbedeutend fühlen lässt. »Ms. Wagner hat heute Abend keine Zeit für eine außerdienstliche Veranstaltung.«

»Nicht?« Angriffslustig recke ich das Kinn.

Will er mir den Abend vermiesen? Plant er einen Streit? Warum hat er mich damals nicht gleich gefeuert? Fragt er sich vermutlich selbst jeden Tag.

»Nein. Ich muss mich mit Ihnen unterhalten, Ms. Wagner.« Mit einem Blick auf David und James fügt er hinzu: »Unter vier Augen.«

Ohne meine Antwort abzuwarten, dreht er sich herum und strebt mit raumgreifenden Schritten in Richtung der Büros der Geschäftsleitung. Mit der Hand auf der Klinke zu Isabellas Büro schaut er mich abwartend an.

Der meint es wirklich ernst.

Ich soll ihm folgen, und zwar nicht in das Büro, welches er sich für seinen Aufenthalt ausgesucht hat, sondern in das der Divisionsleitung.

Toll.

Das war's.

Nun bekomme ich endgültig die Kündigung. Aus der Nummer werde ich nicht so leicht herauskommen wie damals in Boston. Da konnte ich mich mit ihm einigen.

Aber heute?

Der Mann wirkt zu allem entschlossen.

»Okay.« Hoffentlich flippe ich nicht aus.

»Viel Glück.« David schenkt mir ein misslungenes Lächeln.

»Wir warten hier auf dich. Wenn du das Gespräch überlebst, spendieren wir dir, was immer du willst.«

Ich zwinge mich zu einem schüchternen Lächeln. »Danke, Jungs. Aber vergeudet eure Zeit nicht mit einer Todgeweihten. Ich glaube, das war mein letzter Tag hier.« Mit fatalistischem Grummeln im Magen und Knien so weich wie Butter folge ich Nathaniel Sterling.

Shit.

Isabellas Büro liegt in der zwanzigsten Etage des Seagram Buildings an einer der vier begehrten Ecken mit Blick auf das nächtliche und in weihnachtlichen Lichtern erstrahlende New York. Von hier aus hat man eine perfekte Aussicht bis zum Hudson am Horizont.

Mit in den Hosentaschen versenkten Händen stehe ich am Fenster und tue so, als ob ich das Panorama genieße, doch in Wahrheit drücke ich mich davor, Ms. Wagner anzusehen. Seit jenen Tagen in Boston bereitet mir ihr Anblick … Probleme, die ich als der Vorgesetzte ihrer Chefin nicht haben sollte.

Eigentlich sollte ich mich überhaupt nicht mit ihr beschäftigen, sondern Isabella dieses Gespräch überlassen, aber unsere Vorgeschichte zwingt mich dazu. Diese Frau fordert mich auf so vielen Ebenen heraus, doch ich lenke den Fokus auf das Wesentliche.

Ihren Fehler.

Mit einem leisen Geräusch fällt die Tür ins Schloss. Vom Teppich gedämpfte Schritte nähern sich. Schließlich verstummen sie und meine Schonfrist ist vorüber.

Ihr Atem geht schnell und gehetzt. Ungeduldig räuspert sie sich. Mache ich sie wütend? Zerre ich an ihren Nerven? Ein winziges Lächeln umspielt meine Mundwinkel. Hoffentlich.

Schwungvoll drehe ich mich herum und fasse sie ins Auge.

Angriffslustig reckt sie das Kinn. Doch sie ist nicht mehr die Junior Analystin von damals. Sie wird mir nicht verbal die Stirn bieten. Mittlerweile weiß sie, wann sie den Mund zu halten hat. Gut.

Schnell hat sie sich wieder im Griff und nimmt ihre ursprüngliche Position ein, mit verbissen beherrschter Miene und einem fast schon fatalistischen Ausdruck in den Augen. Als stünde sie vor ihrer Hinrichtung.

Das wollte ich nicht.

Also ziehe ich die Hände aus den Taschen und setze mich in Isabellas Stuhl, verschränke die Hände auf der sauberen Schreibtischunterlage. »Bitte, Ms. Wagner. Nehmen Sie Platz.«

Solche Gespräche führe ich tagtäglich, habe Angestellte vor mir, die mit ihrer Hinrichtung, äh, Kündigung rechnen, aber noch nie fiel es mir so schwer, mit einer Untergebenen zu reden.

»Danke, Sir.« Sie nimmt auf dem Besucherstuhl Platz, schlägt die Beine übereinander und nestelt am Saum ihres Rocks herum. Immer wieder.

Ich sollte es hinter mich bringen. Kurz und knapp. Schonungslos. Wie damals.

Mit der Zungenspitze fährt sie über ihre zarten Lippen, sodass ich gar nicht anders kann, als sie anzustarren.

Gott, ich benehme mich absolut unpassend. Bei der nächsten Firmenfeier verzichte ich auf den Alkohol, welcher garantiert für mein Verhalten verantwortlich ist.

Jeder weiß, wie sehr ich Ms. Wagner verachte. Also glaube ich es irgendwann vielleicht selbst.

Mit einem tiefen Atemzug drücke ich den Rücken durch. »Bevor Sie irgendetwas denken, ich werde Sie nicht feuern.«

»Nicht?«

»Nein.«

Pfeifend atmet sie aus. »Ich weiß noch nicht, ob mich das beruhigen soll. Wenn wir endlich getrennte Wege gehen, würde das vieles vereinfachen.«

»Wohl wahr.«

»Wir sind uns einig? Unglaublich.« Ihr Mundwinkel zuckt.

Mich beschleicht das Gefühl, dass sie ein wenig von ihrer Anspannung ablegt.

»Immerhin reden Sie sonst nicht mit mir. Meine Anweisungen erhalte ich ausschließlich von Sophia.« Ihre Stimme enthält eine winzige Spur Trotz. Als würde sie eine Mauer hochziehen.

»Natürlich nicht. Ich habe gar keine Zeit, mich in das operative Geschäft einzumischen oder gar das Wissen über einzelne Projekte. Sophia ist Ihre Ansprechpartnerin.«

Sie verengt die Augen, scheint auf etwas zu warten. Ob ich sie erneut anschreie? Himmel. Ich habe mich in Boston wie ein Arsch aufgeführt.

»Also …?« Fragend hebt sie eine Augenbraue.

»Fragen Sie sich, was Sie hier machen?«

Sie nickt.

Eine Sekunde halten wir Blickkontakt, bevor sie sich manisch wieder ihren Händen zuwendet und die Stimme senkt. »Wenn Sie sich doch genauso gut mit Sophia unterhalten könnten, die mir Ihre Anweisungen dann weitergibt.«

Ihre Aufsässigkeit gefällt mir. Ich mag Frauen mit Biss. Deswegen habe ich mich in Boston auch so gern mit ihr angelegt. Weil sie sich nicht an meiner Machtposition gestört hat. Und ich habe sie ausgenutzt, als es gefährlich wurde. Für die Firma und erst recht für mich.

»Tja.« Ich seufze. »Darin liegt das Problem. Wie ich vorhin erfahren habe, sind Sie für die Finanzanalyse von Nexus Solutions zuständig gewesen?«

Langsam bewegt sich ihr Kopf auf und ab. »Das ist mein Job bei allen IPOs, die wir hier betreuen.«

»Ich habe erst jetzt davon erfahren.«

»Sie sich nicht in das operative Geschäft einmischen.«

Angesäuert verenge ich die Augen. Ich kann es gar nicht leiden, wenn man mich unterbricht. »Isabella hätte Sie nicht in das Nexus-Projekt holen dürfen. Sie wusste um unsere Antipathie und wie viel mir an dieser Firma liegt.«

»Ich bin die beste Analystin in dieser Niederlassung.«

»Sie sind vor allem arrogant und von sich eingenommen, wenn Sie das glauben. Jeder macht Fehler. Selbst Sie, Ms. Wagner.«

»F-fehler?« Die Farbe weicht aus ihrem Gesicht. »Was für ein Fehler?«

»Unstimmigkeiten. Ich möchte keine Wellen schlagen und Ihnen die Chance geben, Ihren Fehler –«

»Ich mache keine Fehler.« Ihr Kopf schnellt herum.

Hat sie mich tatsächlich unterbrochen? Habe ich sie in Boston nicht auf ein erträgliches Maß Aufsässigkeit zurechtgestutzt? Ich fass es nicht. Vermutlich hat sie auch zu viel Alkohol im Blut.

Meine Miene wird eine Spur frostiger. »Seien Sie nicht albern.«

Ms. Wagner weitet die Augen und senkt hektisch den Blick. »Was dann?«, haucht sie.

Gott, und wie sie … 

Fahrig streiche ich mir übers Gesicht.

Du hasst sie.

Sie ist nicht gut für dich.

Das Beste wäre, einfach mit der Sprache herauszurücken.

»Vor einer halben Stunde kam Adrian Kingsley auf mich zu.«

»Der CEO von Nexus Solutions?« Ihr Zittern lässt etwas nach.

»Ja.« Zur Bestätigung nicke ich. »Sie haben heute Mittag die Berichte Ihrer Finanzanalysen abgeschlossen. Wie Sie wissen, geben wir unseren Kunden Zugriff auf die Projektdaten, damit Adrian die Daten sofort an sein Team, welches mit der Erstellung des Börsenprospekts betraut ist, weitergeben kann. Montag wollen Sie alle Daten zusammenführen und das Blatt so bald wie möglich den Beratern zur Prüfung vorlegen. Der Termin für die Abgabe bei der SEC steht.«

»Natürlich, Sir.« Sie senkt den Kopf. »Ich bin mit dem Prozess hinreichend vertraut.«

»Adrian hat einen Blick in Ihre Analysen geworfen, Ms. Wagner.«

Mit wackelndem Blick schaut sie auf.

Scheiße, ich mag es überhaupt nicht, den Spielverderber zu mimen, aber wir können uns keine Fehler leisten, schon gar nicht kann ich meine Belegschaft mit Samthandschuhen anfassen.

Sie wird es überstehen, rede ich mir ein, sich erheben und den Fehler beseitigen. So machen wir das in dieser Firma.

»Sicher handelt es sich nur um eine winzige Unstimmigkeit?«

»Winzig?« Ich atme tief durch.

Niemandem ist geholfen, wenn ich jetzt ausflippe.

Fuck, es ist der abschließende Tag unserer Zuarbeit für die Erstellung des Börsenprospekts.

Scheiße, nein. Es stimmt überhaupt nichts!

»Sie sind falsch, Ms. Wagner. Absolut falsch.« Mit jedem Wort werde ich lauter, denn ihr Fehler gefährdet das ganze Projekt. Und damit auch die Reputation meiner Firma. Deshalb sitzt sie hier und nicht Sophia. »Was immer Sie da gerechnet haben, Sie haben nicht die Zahlen von Nexus verwendet.«

»Wie bitte?« Sie springt auf. Feuer glimmt in ihren Augen. »Das kann nicht sein. Ich habe die Tabellen verwendet, die Adrian in den Projektordner geladen hat.« Sie kommt um den Schreibtisch herum, vermutlich, um mir die Basisdaten zu zeigen. Ich drehe mich ihr samt Stuhl zu.

Rechtzeitig hält sie inne und bleibt einen halben Meter neben mir stehen. »Entschuldigen Sie, Sir.«

Leicht verstimmt nicke ich. Schließlich bin ich nicht ein x-beliebiger Kollege, den sie beiseite schubsen kann. »Was sollte das werden?«

»Darf ich Ihnen zeigen, welche Daten ich verwendet habe?« Ms. Wagner schlingt die Arme um ihren Oberkörper und gräbt die Nägel in die Seidenbluse.

»Selbstverständlich.« Ich rolle zurück. »Aber das nächste Mal fragen Sie, bevor Sie zur Attacke blasen.«

Ihre Augen werden groß.

Innerlich verpasse ich mir eine Ohrfeige wegen der Wortwahl.

»Natürlich, Sir.« Sie räuspert sich, tritt an den Computer und beugt sich vor. Mit der Maus klickt sie im Projektordner herum und ruft eine Datei auf. »Sehen Sie, diese Daten hat Adrian Kingsley vor zwei Monaten hochgeladen. Auf Grundlage der Werte seiner Finanzabteilung habe ich unsere Analysen durchgeführt, so wie bei vielen anderen Unternehmen auch.« Konzentriert runzelt sie die Stirn. »Ich habe die Vorlagen erstellt, angepasst und die Formeln und Diagramme nach unseren Vorgaben eingearbeitet.«

Mir fällt es schwer, den Fokus zu behalten. Ihr Hintern zeichnet sich in dem schmalen Businessrock. Er würde sich wunderbar in meiner Hand anfühlen. Und wenn ich erst diesen Rock über ihren Arsch schiebe, sie auf Isabellas Schreibtisch lege – die Ecke dort drüben würde sich perfekt eignen – und anschließend in sie stoße, dann wäre dieser Abend ideal. Diese enge Muschi gehört vom ersten Tag an in Boston mir, mir allein und –

»Sir?«

Ich zucke zusammen und fahre hoch. »Ja?«

»Haben Sie mir zugehört?«

»Nein, eigentlich …«

Habe ich dir auf den Arsch gestarrt.

Fuck.

Die Lider fest aufeinandergedrückt, reibe ich mir die Nasenwurzel. Scheiße, was ist nur mit mir los? Diese Frau stellt meine Selbstbeherrschung auf eine harte Probe.

Deswegen ist es besser, mit ihr zu streiten. Auf Konfrontation zu gehen, fühlt sich fast so gut an wie Sex. Und da ich das eine nicht haben darf, begnüge ich mich mit dem anderen.

Als ob ich Schmerzen hätte, verziehe ich das Gesicht.

Oh, Mann. Reiß dich zusammen. Ms. Wagner ist deine Angestellte. Sie verdient Respekt. Jawohl.

Als ich die Augen wieder öffne, versuche ich mich an einem kühlen Blick. »Nein, leider habe ich Kopfschmerzen. Können Sie bitte noch einmal wiederholen, was Sie gesagt haben?«

Misstrauisch zieht sie die Augenbrauen zusammen. Für einen Atemzug mustert sie mich so kritisch wie meine Mutter, die mich beim Schwindeln ertappen will, doch dann dreht sie sich wieder dem Monitor zu. »Nun, ich habe gesagt, dass ich die Berechnungen auf Grundlage dieser Datei erstellt habe. Sehen Sie, Sir, das sind die Firmendaten der Nexus Solutions.« Sie markiert die Umsatzzahlen, wechselt den Bildschirm und öffnet ihren Finanzbericht, wo sie die Ausgangszahlen farbig hinterlegt. Exakt die gleichen Werte. »Fantastische Zahlen, die der Firma einen fulminanten Auftakt an der Wall Street bescheren werden.«

»Das kann doch nicht sein.« Ich runzle die Stirn und rolle nach vorn, überprüfe meinerseits die Zahlen. »Ich telefoniere mir Adrian.« Zügig greife ich nach dem Telefon auf Isabellas Schreibtisch und will mich von meiner Sekretärin durchstellen lassen, doch dann fällt mir auf, dass sie vermutlich draußen am Buffet steht und feiert.

Fuck.

Und reinrufen möchte ich sie nicht.

»Ich bin nicht mal fähig, eine Nummer ohne meine Assistentin zu wählen.«

Ms. Wagner schenkt mir ein schüchternes Lächeln, welches sich sofort unterhalb der Gürtellinie bemerkbar macht.

Nicht lächeln. Bitte, tu das nicht.

Als hätte sie meine Gedanken gelesen, entgleitet es ihr und sie fokussiert sich wieder auf den Bildschirm, wo sie intensiv Adrians Basisdaten studiert.

Ha, ich habe seine Nummer in meinem Smartphone!

»Wo hab ich nur mein Telefon?« Suchend schaue ich mich um, taste meine Taschen ab, aber es ist nirgends zu finden.

Vermutlich habe ich es auf dem Schreibtisch im Großraumbüro liegen gelassen.

»Ich gehe schnell mein Telefon holen.« Schon will ich mich erheben und auf den Weg machen.

»Warten Sie. Möglicherweise habe ich den Fehler schon gefunden. Sehen Sie das Datum?« Sie markiert einen Bereich im unteren Drittel des Dokuments. »Die Daten sind veraltet. Adrian hat uns nicht die aktuellen Berichte geschickt.«

»Wie bitte? Umso wichtiger, dass ich ihn anrufe. Mit Ihren Vorlagen müssten wir die Werte schnell austauschen und die Analysen neu durchlaufen lassen können.«

»Mh, geben Sie mir einen Augenblick.« Ms. Wagner klickt auf dem Bildschirm und murmelt unverständliches Zeug. Dann erhellt sich ihr Gesichtsausdruck und sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln. »Ha! Ich habs!«

Kurzfristig lenkt mich ihr wunderschönes Gesicht von der Ernsthaftigkeit der Situation ab und erweckt in mir das Bedürfnis, sie zu küssen.

Genau deshalb habe ich mich von ihr ferngehalten. Solche Dinge darf ein CEO nicht über seine Angestellte denken.

Fahrig streiche ich mir übers Gesicht. »Also?«

»Oh, ja. Ihre Kopfschmerzen. Entschuldigen Sie.« Sie klickt auf dem Monitor herum. »Also, die automatische Synchronisierung des Verzeichnisses war ausgeschaltet. Passen Sie auf, wenn ich hier klicke …« Sie setzt einen Haken und bestätigt mit OK. »… dann sollten die Daten …«

In dem Augenblick ploppen unzählige neue Dateien auf, die jeweils mit dem Datum der Erstellung versehen sind. Nach einigen Sekunden scheinen alle Dokumente aktualisiert worden zu sein.

»Sehen Sie, das ist die aktuellste Datei.« Ms. Wagner öffnet sie. »Auf Grundlage dieser hätte ich die Finanzanalyse erstellen müssen. Aber ich habe eine veraltete Version verwendet, weil die letzte Aktualisierung vor zwei Wochen war.« Betroffenheit spiegelt sich in ihrem Gesicht wider. »Tatsächlich ist es mein Fehler. Tut mir leid, Sir.« Sie senkt den Blick.

Das letzte Wort überhöre ich geflissentlich. Ich möchte mich jetzt nicht mit der Vergangenheit beschäftigen.

Missbilligend schnalze ich mit der Zunge. »Das ist mir relativ egal, ob es Ihr Fehler oder jemand anderes verantwortlich zu machen ist. Vorzugsweise James, denn der hätte sich um den reibungslosen Betrieb der Technik kümmern müssen.«

Sie nickt betroffen, schweigt jedoch.

»Das Einzige, was mich interessiert …« Ich beuge mich vor und komme ihr dabei unangemessen nahe. »… wie bügeln wir diesen Fehler wieder aus? Schaffen Sie es, den Finanzbericht in den nächsten Stunden zu erstellen? Auf Grundlage der neuesten Zahlen?«

Sie wirkt, als ob ich das Unmögliche von ihr verlangen würde. »Sie meinen, ich soll die Arbeit von drei Wochen innerhalb weniger Stunden erledigen?«

»Vorzugsweise bis Montagmorgen, denn dann startet Adrians Team mit der Erstellung des Börsenprospekts. Nexus ist mir sehr wichtig und ich würde es begrüßen, wenn wir unseren Pflichten vollumfänglich nachkommen. Also bleiben uns drei Tage.«

»Drei Tage?« Sie schluckt. »Und was ist mit dem Wochenende?«

Ich atme tief durch. »Ihre Freizeit oder die Reputation dieser Firma. Was ist Ihnen lieber?«

Ihr Mund klappt auf und zu, ohne dass ein Geräusch herauskommt.

»Okay.« Ich erhebe mich, stütze die Hände auf die Arbeitsplatte. Das wird mir sehr schwerfallen, aber sie hat recht. Überstunden kann ich nach den anstrengenden Wochen unmöglich verlangen und es ist meine Firma. Es wäre daher nur recht und billig, wenn ich ihr helfe. »Und was ist, wenn ich Ihnen zuarbeite?«

Ihre Augen werden groß. »Sie?«

Über die Verblüffung in ihrer Stimme muss ich lachen. »Sie werden es nicht glauben, Ms. Wagner, aber ich habe einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Finanzwesen. Ich weiß, wie man eine Finanzanalyse erstellt. Natürlich sind Sie die Expertin. Sie haben die letzten Jahre nichts anderes gemacht, während mein Wissen aus dem Studium stammt. Also, was wäre, wenn ich Ihnen dabei zur Hand gehe? Meinen Sie, wir könnten das Ding gemeinsam bis morgen früh wuppen?« Ob ich es will oder nicht, mein Mundwinkel kräuselt sich. »Können wir die Reputation meiner Firma retten?«

Keine Ahnung, was ich erwartet habe, aber nicht diesen Glanz in Augen, blauer als ein strahlender Sommerhimmel.

Ein Ausdruck purer Freude erhellt ihre Züge, so leuchtend, dass ich fast wie geblendet zurückgetaumelt wäre.

»Es ist mir eine Ehre. Ich gehe nur schnell meinen Laptop holen. Dann können wir starten.« Sie eilt um den Schreibtisch herum in Richtung Bürotür.

»Und ich werde Adrian eine Mail schreiben. Aber, Ms. Wagner?«

Sie bleibt auf ihren Absätzen stehen und wendet sich mit der Hand auf dem Türknauf mir zu. »Ja, Sir?«

»Kein Wort zu niemandem. Ich möchte den anderen die Feier nicht vermiesen. Sie sollen nach Hause gehen und das Wochenende genießen. Die Vorbereitung der Roadshow wird anstrengend genug. Das hier kriegen wir beide allein hin.«

Sie nickt zuversichtlich.

»Ich gebe meine Firma und mich vertrauensvoll in Ihre Hände, Ms. Wagner.«

 

Kapitel 3

Mr. Sterlings Worte hallen in mir nach. Er gibt seine Firma in meine Hände. Doch das ist es nicht, was mich taumeln lässt. Nein, er war so … anders. Die übliche Distanziertheit fehlte. Und dann dieser Spruch.

Er gibt sich in meine Hände.

Ich bin der Boss.

Meine Muskeln ziehen sich zusammen. Wenn ich nicht in mein Büro eilen müsste, würde ich dämlich grinsen.

Was passiert hier?

Seine Nähe fand ich nicht mehr unerträglich wie früher, eher … reizvoll.

Dieser Mann lässt jede Faser meines Körpers erstarren. Seine Präsenz füllt den Raum bis in die hinterste Ecke, kaum bleibt Luft zum Atmen.

»Hey, Callie!«

Wie angewurzelt bleibe ich stehen und drehe mich nach der Person, die mich gerufen hat, um.

Sophia hebt den Arm und eilt zu mir. »Wo willst du denn hin?« Atemlos stützt sie sich an meiner Schulter ab. »Hier ist die Feier. Du planst doch hoffentlich nicht deine Flucht?«

»Nein, ich …« Irritiert deute ich auf meine Bürotür, welche sich hinter zusammengeschobenen Schreibtischen verbirgt.

Keine Ahnung, wie viel ich Sophia erzählen darf, aber ich halte lieber meinen Mund. Dennoch kann ich sie nicht anlügen.

»Ich muss meinen Laptop holen. Mr. Sterling möchte, dass ich ihm die Finanzanalyse zeige.«

»Während der Party?« Ungläubig blinzelt Sophia mich an. »Diese Projektphase ist abgeschlossen. Was will er denn noch?«

Ich zucke die Schultern. »Was weiß ich. Er ist der Boss und wenn er etwas möchte, dann werde ich das machen.«

»Nein, also das kommt überhaupt nicht infrage. Du hast die letzten Wochen wie eine Wahnsinnige an diesen Analysen geschuftet. Heute ist Feiern angesagt und nicht dem edlen Herrn Sterling seine Wünsche erfüllen. Na, dem werde ich was erzählen.« Sophia krempelt imaginäre Ärmel hoch und sieht sich um. »Wo ist er?« Sie ballt die Fäuste.

Mir entweicht ein Kichern. »In Isabellas Büro. Du musst das nicht tun. Ich mache es gern. Mir ist sowieso nicht nach Feiern zumute.«

»Nicht?« Verwundert lässt Sophia die Arme sinken.

»Nein. Feiern war noch nie mein Ding. Ich zeige ihm nur schnell die Berichte, beantworte seine Fragen und im Nu bin ich fertig.«

»Na gut.« Sophia spitzt die Lippen. »Aber wenn er noch mehr von dir verlangt, lass es mich wissen. Ich lege mich gern mit dem Boss an.«

»Ich weiß. Aber das musst du nicht.«

Die nächsten Stunden werden mich komplett fertigmachen. Ich muss mich zusammenreißen, ihm nicht die Meinung zu geigen, und all die Worte, die ich ihm damals in Boston noch vor den Latz knallen wollte, herunterschlucken.

Doch das kriege ich hin.

Er hat selbst gesagt, ich bin der Boss.

Vielleicht will ich dieses Spiel ein ganz kleines bisschen genießen.

Mr. Sterlings Boss.

Als Rache für Boston, wo er seine Macht ausgespielt und mich mundtot gemacht hat. Das kann ich ihm nicht verzeihen.

»Bist du sicher?«

»Ja.« Mit mehr Selbstsicherheit, als ich empfinde, schiebe ich sie Richtung der anderen. »Trink für mich einen mit. Okay?«

»Wenn du meinst?«

»Ja.«

»Okay.« Schließlich wendet sich Sophia ab und verschmilzt mit der Menge.

Erleichtert drehe ich den Feiernden den Rücken zu und zwänge mich zwischen den zusammengeschobenen Schreibtischen hindurch zu meiner Bürotür. Schnell raffe ich Laptop, Unterlagen und alles, was ich für wichtig erachte, zusammen und eile zurück in Isabellas Büro.

Hoffentlich geht dieser Abend schnell vorbei.

Andererseits bereitet mir die Vorstellung, Mr. Sterling herumzukommandieren, ein gewisses Vergnügen.

 

Wenige Minuten später haben wir uns Isabellas Schreibtisch so zurechtgebaut, dass wir loslegen können.

Ich räuspere mich. »Und Sie meinen nicht, Isabella wird noch einmal hereinkommen und nachsehen? Was sagen wir dann, warum wir hier eine Krisensitzung veranstalten?«

Er hebt eine Augenbraue. »Das ist der Vorteil, wenn man der CEO ist. Niemand wagt es, einem solche Fragen zu stellen.«

»Natürlich.« Ich zucke zusammen und will den Kopf einziehen, doch ich leite diese Operation. Also strecke ich den Rücken durch und erwidere seinen Blick.

In seinem Schmunzeln glaube ich, so etwas wie Anerkennung zu sehen. »Also? Womit fangen wir an? Verfügen Sie über mich.«

Die Art, wie er die Worte ausspricht, lässt einen wohligen Schauer über meinen Rücken rieseln und ich habe das Gefühl, dass da mehr drinsteckt, als ich auf den ersten Blick erkenne. Doch ich erinnere mich daran, wer er ist. Zu jedem Zeitpunkt könnte er wieder den Boss heraushängen lassen.

Es fühlt sich ungewohnt an, ihn mit Aufgaben zu betreuen, für die normalerweise ein Junior Analyst zuständig ist.

Er sitzt am PC im Chefsessel. Ich rolle zu ihm herüber und will nach der Maus greifen. Rechtzeitig halte ich inne. »Darf ich?«

»Natürlich.« Mr. Sterling macht mir Platz und ich rufe die Daten der Nexus Solutions auf, schiebe sie an den Rand und öffne die Vorlage meiner Berechnungsdatei. »Das wird jetzt eine Fleißarbeit. Sie müssen alle relevanten Daten in die dafür vorgesehenen Felder eintragen …«

Die nächsten Stunden verbringen wir damit, den ersten Teil der Finanzanalyse vorzubereiten und in eine ansprechende Form zu bringen. Wir einigen uns darauf, nur die Berichte zu erstellen, die zwingend in den Börsenprospekt müssen und alle weiteren Analysen, die lediglich für Adrians Akten sind, im Nachgang hinzuzufügen.

Erfreulicherweise haben sich ein paar Daten als deckungsgleich mit den Altdaten erwiesen, sodass ich nur noch die Auswertungen prüfen und mit der neuesten Analyse abgleichen muss.

Im Großraumbüro ist es still geworden. Niemand scheint sich mehr auf der Etage zu befinden, sodass wir keine Angst haben müssen, gestört zu werden.

»Ich glaube, hier stimmt etwas nicht.« Mr. Sterling hält inne und runzelt die Stirn. »Die Zahlen ergeben ein anderes Bild von Nexus.«

»Darf ich mal?« Zügig rolle ich mit meinem Schreibtischstuhl an seine Seite. Bereitwillig macht er Platz, steht auf und reibt sich nachdenklich das Kinn.

»Vielleicht stimmt etwas in den Formeln nicht.« Da ich die Werte bereits kenne, kontrolliere ich meine Berechnungen.

Dreimal.

Doch das Resultat bleibt das Gleiche.

»Manchmal macht das Programm Mist.« Hastig greife ich nach einem Stück Papier und rechne per Hand eine Zeile exemplarisch.

Das gleiche Ergebnis.

Verdammt.

»Okay. Neustart.« Mir steht der Schweiß auf der Stirn.

Natürlich entstehen bei anderen Zahlen andere Ergebnisse, aber die Diskrepanz hätte nicht so gravierend sein dürfen.

Doch als ich das Programm neu starte, die Formeln erneut auslöse, bleiben die Werte gleich. Die Prognosen für Nexus sind zwar immer noch gut, aber es ergibt sich ein weniger rosiges, sondern durchaus realistischeres Bild.

»Die Ergebnisse unserer Analysen sind immer noch positiv.« Mit einem aufmunternden Lächeln wende ich mich an Mr. Sterling, doch er steht mit finsterer Miene hinter mir.

»Aber Adrian ging von besseren Werten aus.«

»Die wir auf Grundlage falscher Zahlen ermittelt haben.« Nervös spiele ich mit meinem Daumen. »Wir können keine falschen Prognosen abliefern. Damit würden wir uns strafbar machen und ganz nebenbei nicht unserem Kunden dienen.«

Nachdenklich nickt er. »Andererseits habe ich Adrians Firma bereits bei den Investoren mit glänzenden Zukunftsaussichten angepriesen.«

»Von denen Sie nichts wissen konnten, weil die Analysen mit falschen Zahlen vorlagen.«

»Aber was wäre, wenn Sie die Immobilien der Firma etwas weniger realistisch bewerten, sondern einfach optimistischer an die Sache rangehen? Hier zum Beispiel.« Er deutet auf eine alte Lagerhalle in einem heruntergekommenen Industriegebiet. »Wenn wir davon ausgehen, dass sich die Region in den nächsten Jahren entwickelt, steigt der Wert der Immobilie.« Neben mir stützt sich Mr. Sterling auf den Schreibtisch. Lauernd mustert er mich. »Wenn wir so vorgehen, würde sich ein positiveres Bild von Nexus ergeben, oder?«

»Sie verlangen also von mir, Zahlen zu beschönigen?« Angriffslustig recke ich das Kinn.

Das kann nicht sein Ernst sein. Erneut befinden wir uns in einer ähnlichen Lage wie in Boston.

»Nexus Solutions ist ein IT-Dienstleister der nächsten Generation. Sie begehen keine Menschenrechtsverletzungen. Im Übrigen wäre es zum Wohl unserer Firma. Wenn Nexus’ Börsengang nur mäßig abläuft, setzen wir eine Menge Geld in den Sand.«

Verbissen presse ich die Kiefer aufeinander. »Aber unter den Zahlen steht mein Name.«

»Nicht unter dem Börsenprospekt. Wenn Sie möchten, kann ich die volle Verantwortung für die, nennen wir es, bereinigten Zahlen übernehmen?« Der stechende Ausdruck in seinen Augen lässt keinen Zweifel, wozu er bereit ist.

Doch ich bin nicht gewillt, kampflos aufzugeben.

Diesmal nicht.

»Sie haben gesagt, ich bin der Boss.«

»Aber letztlich bin ich Ihr Boss, und wenn ich sage, wir bereinigen die Zahlen, dann tun wir das.« Die Schärfe in seiner Stimme verdeutlicht mir, dass er gewillt ist, seine Meinung mit jeder Härte durchzusetzen.

»Ich wusste es. Sie haben sich nicht geändert. Noch immer sind Sie der gleiche Arsch wie in Boston. Profitversessen und ohne Rücksicht auf Verluste. Ich dachte nicht, dass Sie sogar gegen das Gesetz verstoßen würden.« Wütend stoße ich mich vom Schreibtisch ab, erhebe mich und stapfe schnaubend zum Fenster. Mit verschränkten Armen starre ich über die glitzernde und funkelnde Stadt, atme gedehnt aus.

Flocken rieseln vom Himmel.

Wie gern wäre ich jetzt da draußen.

»Ms. Wagner.« Mit einem leisen Seufzen tritt Mr. Sterling neben mich, doch ich sehe mich nicht nach ihm um.

Soll er sagen, was er zu sagen hat. Meinetwegen mich feuern. Dann wäre ich ihn endlich los.

»Ich weiß Ihre Offenheit sehr zu schätzen, und ich genieße Ihre erfrischende Ehrlichkeit. Aber wir haben eine Verpflichtung unseren Kunden gegenüber. Sterling Investment steht für den bestmöglichen Börsengang junger Unternehmen. Und das möchte ich nicht mit Formalien gefährden.«

»Formalien?« Entrüstet wirble ich zur Seite. »Sie reden davon, Vermögenswerte besser dastehen zu lassen, als sie in Wirklichkeit sind. Wir bewerten Schrottimmobilien als hochwertige Geldanlagen. Das ist –«

»Kein Vergleich zu dem, was ich damals in Boston von Ihnen verlangt habe. Denken Sie daran. Wir ziehen an einem Strang. Und wenn Sie Ihren Job behalten wollen …«

»Das ist es, oder? Sie drohen mir wieder. Sie können mich nicht feuern.«

»Aber ich kann Ihnen mit einer Beförderung winken. Denken Sie daran, wie viele Jobs Sie mit einem schleppenden IPO gefährden, wie viel Kapital Adrian flöten gehen könnte. Es sind nur ein paar Zahlen. Stellen Sie Ihre Moral für heute Nacht hintan und lassen Sie uns die Finanzanalyse fertigstellen.« Müde seufzt er. »Wir sind beide erschöpft.«

Ich drehe mich wieder um, starre nach draußen und atme tief durch. Beobachte das Schneespiel und fühle mich dadurch nicht mehr so in die Enge getrieben.

Dann gebe ich mir einen Ruck, wende mich ihm zu. »Okay.«

Überrascht hebt Mr. Sterling eine Augenbraue. »Was?«

Er scheint so überrumpelt zu sein, dass ich lächeln muss. »Auch wenn mir Ihr Vorgehen nicht gefällt, kann ich es zumindest nachvollziehen. Ich werde die Analyse so bereinigen, dass die Prognose von Nexus glänzend wirkt. Aber so, dass ich es mit meinem Gewissen noch vereinbaren kann. Ist das klar?«

»Nichts anderes habe ich von Ihnen erwartet, Ms. Wagner. Handeln Sie als mein Gewissen.«

Bevor ich mich in seinem gewinnenden Lächeln verliere, wirble ich herum. Nein, ich fange jetzt nicht an, mich mit dem Teufel zu verbrüdern, auch wenn er noch so verführerisch grinsen kann. Aber ich kann zumindest zugeben, dass dieser Mr. Sterling nicht mehr ganz so kühl und distanziert ist wie damals in Boston.

Irgendwann nach Mitternacht strecke ich mich. »Nur noch eine Überprüfung. Dann war’s das.«

Er sieht von seinen Excel-Tabellen auf. »Was? Kann nicht sein? Ich habe hier noch eine nur halb ausgefüllte Auswertung und –«

»Ja, aber wir benötigen diese Auswertung nicht für den Prospekt. Ich kann sie auch in der nächsten Woche nachziehen.«

»Und die Präsentation?«

»Daran bin ich sowieso nicht beteiligt. Also habe ich Zeit.«

Mr.

---ENDE DER LESEPROBE---