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Auf der Burg Dankerode in Jödland freute sich Prinzessin Mathilda vom Seenland auf ihre Hochzeit mit König Heinrich. Von Rufus, dem Kundschafterwolf, erfährt sie, dass die Drachenfrau Feodora verletzt wurde und das Drachenküken Freya verschwunden ist. Sofort eilt die Prinzessin ihren Freunden zur Hilfe. Eine abenteuerliche Suche beginnt. Wird es Mathilda gelingen, die Drachen zu retten? Warum gerät sie plötzlich selbst in die Fänge der Entführer? Und was hat der Schwarze Baron mit all dem zu tun?
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Seitenzahl: 107
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Es war einmal
Ein Drache in Not
Der singende Brunnen
Die Verheiratemichmal-Prinzessin
Der Schwarze Baron
Das verschwundene Paket
Es war einmal vor langer, langer Zeit in einem Königreich namens Jödland.
Das Königreich bestand aus ungefähr zwölf Herzogtümern und einigen Rittergütern, deren Oberhäupter Heinrich den Starken zum König gewählt hatten.
Heinrich der Starke hatte einen Beistandspakt mit König Richard vom Seenland geschlossen. Um dieses Bündnis zu besiegeln, vereinbarten die beiden Könige, dass Prinzessin Mathilda, König Richards einzige Tochter, den König von Jödland heiraten solle.
Nach einer langen, abenteuerlichen Reise waren Prinzessin Mathilda und ihre Mutter, Königin Isabella, auf Dankerode, der Königsburg von Jödland, angekommen, um die Hochzeit vorzubereiten.
Während die beiden Frauen die Annehmlichkeiten der großen Burg genossen, an den zahlreichen Empfängen, die ihnen zu Ehren veranstaltet wurden, teilnahmen und es sich gut gehen ließen, ritt König Heinrich ins Auenland, um sich dort mit König Harald zu beraten. Von den unerquicklichen Grenzkonflikten mit den Nordländern waren beide Länder betroffen, Jödland und das Auenland gleichermaßen. Nun wollten die beiden Könige herausfinden, ob es eine gemeinsame Lösung gäbe, damit endlich Frieden mit den Nordländern geschlossen werden konnte.
Das Angenehme am Warten auf die Hochzeit war, dass Mathilda auf diese Weise noch ein wenig Zeit mit ihrer Mutter, Königin Isabella, und ihrer besten Freundin Margaretha von Looksworth verbringen konnte. Nach der Hochzeit würden beide, begleitet von Master George, ins Seenland zurückkehren.
„Raus aus meinem Bett!“ Wütend fuhr Prinzessin Mathilda den grauen Wolf an.
Rufus, so hieß der zottelige Geselle, hatte es sich in ihrem Prinzessinnenbett bequem gemacht. Er dachte nicht im Traum daran, seinen Platz zu räumen.
„Rufus, ich will, dass du sofort mein Bett verlässt!“, verlangte die Prinzessin ungeduldig. Energisch stapfte sie mit dem Fuß auf. Das war doch wohl die Höhe. Was bildete dieser graue Geselle sich ein?
Kleines Mädchen, nun rege dich doch nicht so auf! Gelassen hob der Wolf seinen Kopf. Ich wollte doch nur einmal in deinem Prinzessinnenbett liegen. Es ist so schön gemütlich hier!„Raus da, aber sofort!“, wiederholte Mathilda ihren Befehl.
Prinzessin Mathilda war gerade von einem Empfang im Rittersaal der Königsburg Dankerode in Trontburg zurückgekommen.
Es gehörte zu ihren Aufgaben, regelmäßig an solchen Feierlichkeiten teilzunehmen. Die Hochzeit mit König Heinrich sollte in einem halben Jahr stattfinden, trotzdem reihte sich bereits ein Fest an das andere.
Mathilda langweilte das höfische Leben. Sie sehnte sich danach, endlich dieses unbequeme Kleid mit dem steifen Kragen auszuziehen und in ihr bequemes Tageskleid zu schlüpfen. Deshalb war sie ganz und gar nicht erfreut darüber, Rufus in ihrem Bett vorzufinden.
Gemeinsam mit ihrer Mutter, Königin Isabella, und deren Ritter, George von Mounterburry, und den beiden Drachen Kasimir und Feodora, zwei Drachen der königlich Storborger Drachengarde, war die Prinzessin in geheimer Mission nach Jödland gereist, um die Hochzeitsfeierlichkeiten vorzubereiten. Diese Reise war ziemlich aufregend gewesen, denn unterwegs brachte Feodora im Schloss Meseburg ein Drachenei zur Welt.
Dieses Ereignis führte zu etlichen Turbulenzen, denn es brachte ihre gesamten Reisepläne durcheinander.
Der kleine Drache musste geboren werden, so viel war sicher. Deshalb betrachtete Mathilda es als ihre persönliche Bestimmung, den beiden Drachen dabei zu helfen, in diesem fremden Land eine Bruthöhle für das Drachenei zu finden.
Dracheneier können nur bei großer Hitze ausgebrütet werden. Eine Höhle mit Zugang zu den Lavaströmen der Erde war in einem Land wie Jödland, das hauptsächlich aus Wäldern und weiten Wiesen bestand, eine große Herausforderung, zumal ihnen die Zeit im Nacken saß. Zum Glück ging alles gut. Vor drei Wochen war das Drachenküken geschlüpft. Die beiden Dracheneltern hatten ihr Drachenmädchen Freya genannt.
Mit dem Heiratsabkommen, das ihr Vater mit König Heinrich geschlossen hatte, war Mathilda ganz und gar nicht einverstanden. Trotzdem hatte sie sich gefügt und war mit einer kleinen Reisegruppe nach Jödland gereist. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie sich in König Heinrich verlieben würde.
Bevor sie jedoch Hochzeit feiern konnten, musste der König sich um einige dringende, politische Angelegenheiten seines Reiches kümmern. Während dessen wartete Prinzessin Mathilda auf die Ankunft ihres Vaters, König Richard vom Seenland, der sie zum Traualtar führen sollte.
„Du sollst mich nicht immer kleines Mädchen nennen. Ich bin eine erwachsene Frau!“, fuhr die Prinzessin den grauen Wolf an.
Noch einmal rekelte sich Rufus in aller Ruhe auf dem übergroßen Bett, dann stand er auf und sprang vom Bett.
Also doch Tildalein? Erwartungsvoll sah der Wolf sie an. Er wusste, was kommen würde.
Wenn Mathilda sich mit Tieren unterhielt, war das nicht wie eine Unterhaltung zwischen zwei Menschen. Das Gespräch lief im Kopf ab. Eine stille Kommunikation zwischen Mensch und Tier. Kein anderer bekam etwas von diesem Gespräch mit.
„Nein, Tildalein geht gar nicht. So darf mich nur mein Vater nennen!“, stellte Mathilda klar.
Okay, dann doch kleines Mädchen. Stell dich nicht so an, Prinzessin. Du weißt, ich werde dich nie Königliche Hoheit nennen!
Inzwischen hatte Rufus es sich vor dem Kamin bequem gemacht.
„Oh Mann, kannst du dir nicht etwas anderes einfallen lassen? Sag, Rufus, was willst du eigentlich hier?“, lenkte Mathilda ein.
Kleines Mädchen, ich bringe schlechte Nachrichten! Mit traurigen Augen beobachtete der große Wolf die junge Frau. Inzwischen hatte Mathilda das Zimmer durchquert und stand vor ihm.
„Oh nein, ist etwas mit König Heinrich?“ Sofort war Mathilda in Sorge. Er war vor einer Woche ins Auenland geritten, um sich mit Prinz Harald zu treffen. Ging es dem König gut?
Es geht nicht um König Heinrich. Es geht um das Drachendingsbums, das Drachenküken. Jedenfalls das Ding, das da aus dem Drachenei geschlüpft ist, das wir in die Höhe gebracht haben.
„Was ist mit Freya? Feodora und Kasimir sind auf dem Weg nach Storborgen …“ Sorgenvolle Falten bildeten sich auf der Stirn der jungen Frau.
Die beiden Drachen Feodora und Kasimir waren samt Freya, dem Drachenküken, vor einigen Tagen aufgebrochen. Sie hatten nicht mehr bis zur Hochzeit warten wollen. Deshalb hatten sie sich unverzüglich den Weg gemacht, um zur Drachenburg nach Storborgen zu fliegen.
Nein, sind sie nicht! Sie wurden aufgehalten und das Drachendingsbums, das du Freya nennst, ist verschwunden! Rufus überbrachte ungerne schlechte Nachrichten. Er mochte die Prinzessin, obwohl er sie immer ein wenig necken musste. Diese Nachricht, das wusste er, würde sie sehr beunruhigen.
„Was heißt, sie wurden aufgehalten? Und warum ist Freya verschwunden?“ Unruhig lief Mathilda hin und her.
Feodora wurde von einem Pfeil getroffen und musste landen. Dabei ist das Drachendingsbums verlorengegangen. Als ich von dem Unglück erfuhr, bin ich sofort zu den Drachen gelaufen. Feodora kann nicht mehr fliegen. Kasimir kümmert sich um sie. Doch wir können Freya nicht finden!, berichtete der Wolf.
Mit einem Mal blieb Mathilda stehen und sagte ganz ruhig: „Du weißt, was das bedeutet?“
Wir müssen los. Der Wolf grinste.
Isabella, Königin vom Seenland, stand neben einem üppig blühenden Blumenkübel mit Geranien auf einem der Balkone der Burg. Ihr Zimmer befand sich genau neben dem von Mathilda. Die Prinzessin vom Seenland und zukünftige Königin von Jödland bewohnte mit ihrem Gefolge einen ganzen Flügel in der Burg Dankerode.
Ziemlich viel Platz! Sie teilten ihn sich mit Ritter George, Lady Abygail, Margareta von Looksworth und einigen Bediensteten. Bis vor zwei Tagen hatten auch die beiden Drachen einen großen Raum mit Balkon bewohnt, um ausreichend Platz zum Starten und Landen zu haben.
Durch das Fenster zum Prinzessinnenzimmer sah die Königin von ihrem Balkon aus, wie Mathilda einen großen Hund von ihrem Bett scheuchte. Nein, das war kein Hund. Das war dieser graue Wolf, der sie zur Drachenbruthöhle begleitet hatte. Das war Rufus, der Kundschafterwolf.
Sofort ahnte Isabella, dass etwas geschehen sein musste. Ihre Intuition sagte ihr, dass Mathilda sofort aufbrechen würde. Sie beobachtete, wie die junge Frau ihr kostbares Kleid abstreifte und gegen einfache Reitkleidung tauschte, und auch sie begann schnell, sich bequemere Kleidung anzuziehen. Dann hörte sie, wie eine Zimmertür zuschlug. Mit eiligen Schritten lief die Prinzessin den Flur hinunter.
Kurz darauf ging Ritter George vor ihrem Zimmer den Gang entlang. Isabella erkannte ihn an seinen Schritten. Leise gehen konnte er einfach nicht. Schnell öffnete die Königin die Tür einen Spalt, streckte ihren Kopf hinaus und rief: „George, du musst sofort zu den Pferdeställen. Halte Mathilda auf. Ich weiß noch nicht, was geschehen ist, aber sie darf nicht losreiten, bevor ich mit ihr gesprochen habe!“
In Windeseile kleidete die Königin sich an. Obwohl sie es eilig hatte, wies sie auf dem Weg zum Pferdestall ein Dienstmädchen an, den Kanzler des Königs zu bitten, zu den Pferdeställen zu kommen. Isabella konnte regelrecht riechen, dass Gefahr in der Luft lag. Mathilda überquerte den großen Burghof und lief so schnell sie konnte zum Marstall. Marstall ist ein anderes Wort für Pferdestall, nur dass hier alles ein bisschen größer und übersichtlicher ist als in einem gewöhnlichen Pferdestall.
Sie suchte nach Johann, dem Burschen von Ritter Roland, und fand ihn in der Futterkammer.
Johann stand erst seit Kurzem in den Diensten von Ritter Roland. Daher war er mit den Aufgaben eines Burschen noch nicht sehr vertraut. Schließlich war er erst zusammen mit Prinzessin Mathilda auf der Burg Dankerode eingetroffen. Roland war bisher immer ohne Burschen ausgekommen, also ritt er ohne Begleitung mit König Heinrich ins Auenland. Beide, Ritter und Bursche, mussten sich erst an die neue Situation gewöhnen. Johann, ein schmächtiger Junge von vierzehn Jahren, mit braunen Haaren und Sommersprossen auf der Nase, war gerade dabei, die Pferde zu füttern.
Mathildas Schimmelstute namens Eni stand im hinteren Teil des Stalls, dort, wo alle Pferde der seeländischen Reisegruppe standen. Sie scharrte mit den Hufen, als Mathilda den Pferdestall betrat.
„Feodora ist verletzt! Wir müssen nachsehen, was passiert ist!“, rief Mathilda Johann zu.
Sofort unterbrach der Junge seine Arbeit. „Ich dachte, die Drachen sind auf dem Weg nach Storborgen.“
„Dachte ich auch. Rufus war hier. Er sagt, die Drachen wurden aufgehalten. Feodora wurde angeschossen und kann nicht mehr fliegen. Und Freya ist verschwunden! Ich will herausfinden, was geschehen ist. Willst du mich begleiten?“
Johann nickte. Schon wollte er zu Enis Pferdebox eilen, um Mathildas Stute zu satteln, als Mathilda rief: „Ich sattle Eni selbst. Du reitest Morgenwind!“
So schnell es ging, sattelten Mathilda und Johann die Pferde. Kurz darauf führten sie sie aus dem Pferdestall. Sie standen gerade auf dem Burghof, als Ritter George angelaufen kam und Mathilda den Weg verstellte.
„Warte, Prinzessin, nicht so schnell.“ Groß und breit baute sich der Ritter vor Eni und Mathilda auf. Bevor Mathilda es verhindern konnte, hatte George nach Enis Zügeln gegriffen und hielt die Schimmelstute fest.
„Master George, lasst mich. Ich bin in Eile. Die Drachen wurden überfallen. Ich muss zu ihnen!“, quengelte Mathilda. Sie wusste selbst, dass ihre Worte ein wenig sonderbar klangen. Die Drachen wurden überfallen? Ihr Vater, König Richard, hatte ihr die beiden Drachen mitgegeben, um sie, die Prinzessin, zu beschützen. Und jetzt wollte sie losreiten, um die Drachen zu beschützen?
„Und dann willst du einfach zu den Drachen, ohne uns zu benachrichtigen?“, fuhr die Königin mit aufgebrachter Stimme dazwischen. Wie aus dem Nichts heraus stand sie plötzlich neben Ritter George.
„Die Drachen wurden aufgehalten. Rufus war hier, um es mir mitzuteilen. Ich wollte kurz mit Johann hinreiten, um nachzusehen, was geschehen ist!“, antwortete Mathilda. Mist, ihre Mutter zu informieren, hatte sie ganz vergessen.
„Mathilda, du weißt, so einfach ist das nicht. Für eine zukünftige Königin gibt es viele Gründe, um vorsichtig zu sein. König Heinrich hat etliche Feinde. Es könnte eine Falle sein!“, sagte Isabella.
„Aber Rufus … Ich vertraue ihm!“, antwortete Mathilda. Nachdem sie einen Moment lang nachgedacht hatte, fügte sie kleinlaut hinzu: „Du hast recht, auch das mit den Drachen könnte eine Falle sein … Aber wenn sie doch Hilfe benötigen?“
„Dann sollten wir den König benachrichtigen und sofort aufbrechen!“ Erst jetzt bemerkte Mathilda, dass ihre Mutter ebenfalls schlichte Reitkleidung trug. Ihre langen blonden Haare hatte sie eilig zu einem Knoten geschlungen, aus dem eine Art Schweif heraushing. Über der Schulter hing ihr handgefertigter Bogen, in der einen Hand trug sie ihre Ledertasche mit Arzneimitteln, in der anderen den Köcher mit Pfeilen. Isabella war nicht nur Königin, sondern auch Heilerin und eine geschickte Bogenschützin.
Master George konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Stolz, klug und zu einem Abenteuer bereit – so liebte er seine Königin.
„Der kürzeste Weg zum Pferdestall führte mich durch die Küche“, sagte er. „Dort habe ich schon mal um Reiseproviant für mehrere Tage gebeten. Wollen wir die Packpferde mitnehmen?“ Gute Verpflegung war dem Ritter wichtig. Offensichtlich rechnete er mit einem längeren Ausflug.
„Ich denke, die Packpferde benötigen wir nicht“, antwortete Isabella. „Wir müssen erst einmal erfahren, was wirklich geschehen ist. Da kommt schon Kanzler Rittenstiel. Mathilda, wir sollten ihn bitten, König Heinrich zu benachrichtigen und ihm den Grund unseres Ausflugs mitteilen.“
Während Mathilda Kanzler Rittenstiel berichtete, was geschehen war und warum sie losreiten wollten, holten Isabella und Ritter George ihre Pferde aus dem Marstall.