Professor Zamorra 1045 - Adrian Doyle - E-Book

Professor Zamorra 1045 E-Book

Adrian Doyle

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Beschreibung

Das Paradies ist infiziert. So sieht es jedenfalls das Wesen Jachhwa, das sich als der Schöpfer des Paradieses befindet, in dem Nele Großkreutz und Carrie seit einiger Zeit leben.

Doch was hat es mit dem seltsamen Ort auf sich, an dem die Wände zwischen Zeit und Raum dünn geworden zu sein scheinen? Nele muss es dringend herausfinden, denn sonst geht es ihrer großen Liebe Nikolaus schlecht - jedenfalls hat Jachhwa das angedroht, wenn sie und ihre junge Freundin Carrie das Rätsel nicht lösen ...

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Seitenzahl: 134

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Inhalt

Cover

Impressum

Welten wie Fliegen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-8387-5820-6

www.bastei-entertainment.de

Welten wie Fliegen

von Adrian Doyle

In der Kühle der Nacht erschienen mehrere Gestalten auf einem Felsvorsprung über der schaurig-schönen Stadt.

Ein bizarres Insekt stach hervor – dicht gefolgt von einem kahlköpfigen Mädchen, dessen Haut in allen Farben des Regenbogens schillerte. Ein Mann und eine Frau in den besten Jahren komplettierten das Quartett. Den Augen des Mannes wohnte ein wacher Verstand inne, denen der Frau die Weisheit von Jahrhunderten. Sie alle, so verschieden sie auch sein mochten, verband, dass sie das gleiche Wagnis auf sich genommen hatten: durch ein Tor zu gehen, von dem keiner von ihnen auch nur ahnen konnte, was dahinter wartete.

Am Himmel über den Ankömmlingen leuchteten nie gesehene Sternbilder und mehrere unterschiedlich große Monde – der sichere Beweis dafür, dass sie nicht nur den Garten Eden, ihren Ausgangsort, sondern auch die Erde hinter sich gelassen hatten.

Nele war als Letzte aus dem von ihr erzeugten magischen Modus gefallen, der ihnen das Passieren der rätselhaften Pforte im innersten Kern Edens erst ermöglicht hatte. Nicht einmal Jachhwa, die dort herrschende Entität, war dazu in der Lage gewesen.

Weshalb sie uns geschickt hat, allen voran mich, dachte Nele fast angewidert. Bevor sie aufgebrochen war, hatte die Wesenheit Jachhwa alles dafür getan, dass Nele den Respekt vor ihr verlieren musste. Und letztlich war es nichts anderes gewesen als eiskalte Erpressung, was nun darin gipfelte, dass sogar vier Personen (sie zählte den Cambronen mit, weil er zwar kein Mensch, aber nichtsdestotrotz ein denkendes, fühlendes Wesen war, von dem sie annahm, dass auch es nur ein Spielball des Herrn über Eden war) unter einem Himmel standen, wie er fremder nicht sein konnte, und sich nicht sattsehen konnten an dem, was sie umgab.

Der Reihe nach, versuchte Nele, Ordnung in die wild hin und her springenden Gedanken zu bringen. Ebenso widerwillig, wie sie den Schritt durch die Pforte gemacht hatte, rief sie sich nun die Chronologie der Ereignisse ins Gedächtnis, die dazu geführt hatten, eben jenen Schritt zu vollziehen.

Im Grunde musste sie sich eine Mitschuld daran geben, dass Jachhwa sich zu jenem tyrannischen Befehlsgeber gewandelt hatte, der ihr keine andere Wahl ließ, als ihm zu gehorchen. Denn sie hatte entdeckt und ihn damit konfrontiert, dass seine ganze Existenz, sein ganzes Tun und Handeln, auf einer Lüge basierte. Bis dato hatte Jachhwa sich für ein mächtiges Schöpferwesen gehalten, das Eden – jene von der übrigen Erde abgeschottete, völlig autarke Sphäre – mit all seinen darin befindlichen Elementen erschaffen und sich anschließend darin eingerichtet hatte.

Tatsächlich aber hatte Nele in Jachhwa Hinweise darauf gefunden, dass ganz Eden, inklusive ihm, von einer Macht erschaffen worden war, über die er nicht das Geringste wusste. Er hatte angenommen, das Maß aller Dinge zu sein. Zu erkennen und sich eingestehen zu müssen, dass dem nicht so war und man seine Existenz letztlich auch nur einem noch höheren Wesen verdankte, war eine bittere Medizin gewesen, und entsprechend schwer war es Jachhwa gefallen, sie zu schlucken.

Während die Edenbewohner ihren Verrichtungen nachgegangen waren, hatte Jachhwa offenbar begonnen, bildlich gesprochen jeden Stein in seinem Reich umzudrehen, um Spuren jener ominösen Macht zu finden, die ihn so schändlich getäuscht hatte. Stark vereinfacht ausgedrückt schien es für Jachhwa kein wichtigeres Anliegen mehr zu geben als zu erfahren, wer sein Schöpfer war und warum dieser versucht hatte, jegliches Wissen an ihn aus ihm zu löschen.

Auf seiner Suche war Jachhwa auf eine Anomalie innerhalb Edens gestoßen, die ihm nie zuvor aufgefallen war. Die Anomalie hatte sich als ein Konstrukt herausgestellt, in dem Ausschnitte vergangener Erdzeitalter auf magische Weise konserviert waren, sodass man von einem markanten Punkt der Menschheitsgeschichte zum nächsten wechseln konnte. Keine Zeitreise im eigentlichen Sinn, aber dennoch damit vergleichbar.

Der Irrwitz bei der Sache war: Nur Nele war dank ihrer Ghost-Gabe in der Lage, in die Anomalie einzudringen, in der all das – offenbar ohne Jachhwas Wissen – »gelagert« war. Dort, in dieser Art »Zeitmuseum«, war sie dann auf ein seltsames Gespinst gestoßen, das noch einmal in ganz andere Welten führen mochte – aber diesen Schritt hatte Nele nicht mehr gehen wollen. Und das hatte sie nach ihrer Rückkehr Jachhwa auch unmissverständlich klar gemacht. Zu abschreckend war die Aura jener »Anomalie innerhalb der Anomalie«, zu negativ ihre Ausstrahlung, als dass sie den Gang hinein riskieren wollte.

Jachhwa aber hatte das nicht gelten lassen. Und war er in der Vergangenheit meist wie ein Sympathisant und Förderer der Menschen aufgetreten, die das Schicksal nach Eden verschlagen hatte, so war davon plötzlich nichts mehr zu spüren gewesen. Ob ihn die eigene Identitätskrise und die damit einhergehende Verzweiflung zu dem Schritt getrieben hatten, den Nele ihm nicht verzeihen konnte, oder ob einfach eine Niedertracht, die schon immer in ihm geschlummert hatte, aus ihm hervorgebrochen war, wusste sie nicht. Und war auch nicht relevant. Relevant war allein, dass er zum äußersten Mittel gegriffen hatte, um sich ihrer Bereitschaft zu versichern, das versteckte Tor – jene geheime Pforte in der Anomalie, von der niemand wusste, wohin sie führte –, doch für ihn zu durchschreiten. Und herauszufinden, ob dahinter vielleicht jene Macht heimisch war, der Jachhwa seine Existenz verdankte und die ihn genarrt hatte, seit er sich seiner in so falscher Weise bewusst geworden war.

Um sie zu zwingen, hatte er zur perfidesten Bestechung überhaupt gegriffen: Er hatte ihrer großen Liebe Nikolaus die Jugend entzogen – vielleicht auch die Unsterblichkeit – und ihn in einen Greis verwandelt, wie Nele selbst über Jahrhunderte hinweg einer gewesen war, weil sie die Eden-Frucht, die ewiges Leben verhieß, erst im hohen Alter hatte essen können.

Nikolaus hatte das Alter mit all seinen Beeinträchtigungen und dunklen Seiten niemals kosten müssen. Er war blutjung unsterblich geworden, mit nicht einmal zwanzig. Doch diesen Vorzug hatte Jachhwa ihm nun gestohlen – und Nele durch ihn ausrichten lassen, dass er den makellosen Körper nur zurück erhalten würde, wenn sie die befohlenen Kundschafterdienste für ihn leistete. Und es schaffte, von dort, wohin sie aufbrechen würde, auch wieder nach Eden zurückzukehren, um Jachhwa über das Erlebte zu berichten.

Beides waren die Bedingungen, die die Entität daran knüpfte, um Nikolaus die Frische zurückzugeben, die er ohnehin nur von Jachhwas Gnaden gehabt hatte.

Und so war es gekommen, dass Nele doch noch einwilligte, ihrer Intuition zuwider zu handeln, die sie davor gewarnt hatte, das Tor zu durchschreiten.

Dass sie zu guter Letzt nicht allein, sondern in Gesellschaft dreier Mitstreiter aufgebrochen war, verdankte sie allein diesen, denn sie hatten sich ausnahmslos freiwillig dazu gemeldet.

Nele hatte das Angebot dankend angenommen. Weil sie sich von jedem Einzelnen ihrer Begleiter eine Hilfe erwartete – wo auch immer sie hingeraten würden.

Und jetzt sind wir hier, dachte sie, den Blick in die Ebene richtend, wo die Ruinen einer Stadt zu sehen waren, die sich über den Untergang hinaus ihre Faszination bewahrt hatte.

Sie schauderte, spürte die Blicke der anderen auf sich ruhen. Denen Ähnliches durch den Kopf gehen musste wie ihr. Und dann kam auch schon die Frage: »Beim Hort! Wo sind wir?«

Der Cambrone Oz, der einer überdimensionierten, den aufrechten Gang beherrschenden Heuschrecke ähnelte, war ein außergewöhnliches Wesen: Er war, was an sich schon ungewöhnlich genug war für einen Angehörigen seiner Spezies, eng mit Carrie befreundet, hatte darüber hinaus aber auch lange Zeit als tot gegolten. Gefallen bei der Abwehr einer Invasion aus Höllenschründen, die Eden heimgesucht hatte und letztlich nur hatte verhindert werden können, weil ein Freund, der nicht in Eden lebte, aber versiert im Kampf gegen alles Dämonische war (Zamorra, dachte Nele) ihnen entscheidend geholfen hatte. Er und sein magisches Amulett, mit dessen Energie er die WUNDE, wie Jachhwa es nannte, regelrecht verschweißt und geschlossen hatte. Da sich Oz zum Zeitpunkt der Schließung im Innern des Tunnels, der nach Eden führte, befunden hatte und Zamorras Beobachtung zufolge, da auch schon wie seine Artgenossen nicht mehr am Leben gewesen war, hatte es insbesondere für Carrie nicht den geringsten Zweifel an seinem Tod gegeben.

Umso mehr hatte es sie erschüttert, als Oz plötzlich wieder vor ihr stand. Bei den Trümmern des einstigen Lebenshorts aller Cambronen, die als Spezies ausgestorben zu sein schienen.

Oz hatte Carrie erklärt, selbst nicht zu wissen, was mit ihm geschehen war. In einem aber war er sich absolut sicher gewesen: von Jachhwa geschickt worden zu sein, um mit Nele in Kontakt zu treten und sie auf die entdeckte Anomalie aufmerksam zu machen. Im Weiteren war Oz zu einer Art Verbindungsglied zwischen ihnen und der Entität geworden, die Oz offenbar wie ihre Marionette benutzte – solange er sich auf ihr zugänglichem Gebiet bewegte. Diese Kontrolle riss aber außerhalb Edens offenbar komplett ab, sodass Oz auch nur dort wieder ganz der Alte war, der sich Carrie verbunden fühlte.

Es war diesem Umstand und Carries Intervention geschuldet, dass Nele eingewilligt hatte, neben dem Regenbogenmädchen und ihrem guten Freund Paul Hogarth auch den Cambronen mitzunehmen, als sie gemeinsam ins Ungewisse gestartet waren.

Und jetzt waren sie dort, wohin Jachhwa sie gezwungen hatte, und würden sich erst einmal orientieren müssen -schnell orientieren müssen –, weil das Bild der Verwüstung, das sich ihnen bot, alles nahelegte, nur nicht, dass sie einen Garten Eden gegen den nächsten eingetauscht hatten.

***

»Ganz ruhig, Oz. Wie fühlst du dich?«

Carries Augenmerk galt dem Wohlergehen ihres Freundes, und zwar, was sie auszeichnete, noch bevor sie sich um ihre Umgebung – oder sich selbst – sorgte.

»Ich?« Er schien in sich hineinzulauschen, wobei das Interpretationssache war. Nele konnte nicht wirklich von sich behaupten, in der Physiognomie einer Schrecke lesen zu können. »Soweit in Ordnung«, zirpte er schließlich.

Carries Anteilnahme hatte ihren Grund. Beim letzten Mal, als das unsichtbare Band zwischen Oz und seinem Schöpfer durchtrennt worden war, hatte er eine Ohnmacht erlitten. Entweder hatte sein Körper gelernt, besser damit umzugehen, oder Jachhwa hatte ihn diesmal im Vorfeld nicht so streng an die Kandare genommen, sodass Oz auch keine »Entzugserscheinungen« verkraften musste.

»Und bei dir selbst?«, wandte sich Nele an das Mädchen. »Hast du irgendwelche Beschwerden? Oder du, Paul?« Sie blickte zu dem ehemaligen Yard-Detective, mit dem sie eine Freundschaft verband, die sich gegen die zwischen Carrie und Oz nicht zu verstecken brauchte. »Vor allem du.«

Er wusste, worauf sie anspielte. Bis auf Oz war jeder von ihnen in Pauls schräges Geheimnis eingeweiht.

Bevor er und Nele den Garten Eden gefunden hatten – damals, als Nele noch nicht gewusst hatte, ob sie ihren Geliebten Nikolaus dort nach jahrhundertelanger Suche überhaupt finden würde –, hatte es einen Zusammenstoß zwischen ihm und einem entarteten Cherubim gegeben. Dessen Attacke hatte Paul zwar überlebt – in gewisser Weise aber auch nicht. Denn fortan war er im Dreistunden-Takt gestorben, um ein, zwei Minuten später wieder von den Toten zurückzukehren, drei Stunden lang, strotzend vor Gesundheit, wieder seinen Geschäften nachzugehen …

… und dann wiederum tot zusammenzubrechen.

Das Ganze wiederholte sich in einer Endlosschleife und verlangte nicht nur ihm selbst, sondern vor allem seinem Umfeld – sprich Nele – eine Menge ab. Zum Guten gewendet hatte sich dieses absurde immer und immer wieder Sterben-und-wieder-Auferstehen-müssen erst, als ihnen der Eintritt in Jachhwas verborgenes Reich gelungen war. Dort herrschten offenbar Bedingungen, die Pauls »Krankheit« geheilt hatten, zumindest aber unterdrückten.

Und genau da lag das Problem. Denn wenn sie es nur unterdrückten, musste es da nicht zurückkehren, sobald er seinen Fuß aus Eden setzte?

Vor ihrem Aufbruch hatte Nele ihn eindringlich auf diese Gefahr hingewiesen, doch Paul hatte sich nicht abbringen lassen. Seine Argumentation klang eher sentimental als einleuchtend: Willst du das Dreamteam sprengen? Trotzdem hatte sie sich überreden lassen. Nikolaus wäre, was männliche Mitstreiter betraf, ihre erste Wahl gewesen. Aber Jachhwa ließ ihn nicht gehen, bewahrte ihn als Faustpfand. Und in seiner jetzigen Verfassung, das musste sich Nele eingestehen, hätte er ihr auch keine große Hilfe sein können. Selbst moralische Unterstützung war von jemandem, der selbst moralische Unterstützung nötig hatte, kaum zu erwarten.

Ich hasse dich, Jachhwa!, wiederholte sie im Geiste gebetsmühlenartig, was in ihr vor sich ging, seit die Eden-Entität, wie Nele es empfand, ihr wahres Gesicht gezeigt hatte.

Sie erinnerte sich an einen Versuch Carries, Nikolaus zu helfen, indem sie ihre Gabe, die sie zu einer menschlichen Regenbogenblume machte, bei ihm anwendete und mit ihm eine kurze Strecke innerhalb Edens »teleportierte«. Auf diese Weise, so hatten frühere Anwendungen dieser Art bewiesen, konnte sie Krankheiten und Verletzungen derjenigen heilen, die sie auf ihren Sprüngen mitnahm.

Aber Alter war keine Krankheit, und so hatte auch Carrie Jachhwas Erpressung nicht hinfällig machen können.

Nichtsdestotrotz rechnete Nele ihr schon den Versuch hoch an.

»Du weißt doch: Unkraut vergeht nicht!« Paul zwinkerte ihr zu. »Um es mit Oz’ Worten zu sagen: Soweit bin ich in Ordnung. Und falls alle Stricke reißen, ich also wieder in meinen alten ›Rhythmus‹ zurückfalle, sorgt euch nicht weiter um mich. Ihr wisst ja – es geht vorbei.«

»Nicht, wenn gerade ein hungriges Tier um die Ecke kommt – oder eins, dem es gefällt, dich zu fressen, obwohl es eigentlich gar keinen richtigen Appetit hat.« Nele zwinkerte zurück.

Carrie beendete das Geplänkel, indem sie an die Felswand trat, die sich hinter ihnen erhob und aus der sie an Neles Hand gekommen waren.

Eine sichtbare Öffnung gab es nicht. Da war Stein, einfach nur hartes, schroffes Gestein.

»Nele?«

»Ja?«

»Du hast uns durch dieses komische Gespinst geführt, diese ›Pforte‹, wie sie sich von der Anomalie aus darstellte. Tust du mir einen Gefallen?«

»Wenn ich kann.«

»Geh noch mal auf dein spezielles Level und sieh nach, ob es da ist.«

»Wie meinst du das?«

»Ich will einfach nur wissen, ob wir, wenn wir es wollen, auch wieder zurückkönnen – auf dem gleichen Weg, den wir gekommen sind. Bitte, nur zur Beruhigung.«

Nele seufzte, wandte den Blick und richtete ihn hinunter in die Ebene mit der Ruinenstadt, deren Architektur wie einem futuristischen Film oder Gemälde entlehnt schien.

»Warum tust du ihr nicht den Gefallen?«, fragte Paul. »Und uns allen?«

»Weil ich die Antwort schon kenne«, erwiderte Nele rau. »Ich habe mich schon unmittelbar nach unserer Ankunft ›umgesehen‹, noch während ich ghostete.«

»Verdammt!«, entfuhr es Paul, der sie gut genug kannte, um ihren Tonfall und die Körpersprache zu deuten.

»Ja«, sagte sie. »Verdammt! Ich wollte es euch eigentlich nicht sagen, noch nicht sofort jedenfalls. Um eurer Motivation nicht schon zu Beginn einen Dämpfer zu verpassen.«

»Das heißt …?«, fragte Carrie.

»Von dieser Seite gibt es kein Tor. Auch auf der Ghost-Ebene nicht. Fragt mich nicht, warum, es ist einfach so.«

»Aber dann …«

»… sitzen wir fest.« Nele nickte. »Zumindest solange, bis wir einen anderen Weg gefunden haben. Was uns aber nur gelingen wird, wenn wir endlich die Beine in die Hand nehmen und uns hier umschauen.« Sie zeigte zur Stadt hinunter. »Und da wir mit leeren Händen gar nicht erst zurückzukommen brauchen, fangen wir am besten mit dem an, was Jachhwa von uns will.«

»Wie kannst du an Jachhwa denken, wenn wir so offensichtlich in der Bredouille stecken?«, fragte Carrie. »Soll ich es versuchen? Du weißt schon …«

»Wenn gar nichts anderes mehr geht, vielleicht. Vorher nicht, Carrie. Wir wissen nicht, wie dieser Ort auf dich reagiert. Und selbst wenn du deine Gabe ungestraft anwenden könntest, ist zweifelhaft, ob du uns damit von hier weg befördern könntest. Sieh zum Himmel hoch. Du weißt, was ich meine. Wir scheinen unfassbar weit von dort entfernt zu sein, wo wir aufbrachen. Deiner Reichweite sind Grenzen gesetzt.«

»Genau das will ich herausfinden.«

»Um dich vielleicht gleich irgendwo wimmernd am Boden zu wälzen, weil du dich überschätzt und übernimmst?«

»Das kann immer passieren. Auch dir.«

»Noch mal: Wir sind gerade erst angekommen. Wir wissen nichts über diesen Ort. Lass uns erst die Möglichkeiten ausschöpfen, etwas über ihn zu erfahren, von denen wir sicher sein können, dass sie funktionieren. Und die naheliegendste von allen wäre, dort hinunterzugehen und zu versuchen, herauszufinden, ob dort noch jemand lebt – jemand, der unsere Neugier befriedigen kann.«

»Sie hat recht, Carrie«, sagte Paul. »Hören wir auf sie. Wir wurden nicht gezwungen, Nele unsere Unterstützung zu geben. Wir sind freiwillig hier – zumindest, was mich betrifft. Und das schließt mit ein, dass ich ihr vertraue.«

»Wer sagt, dass ich ihr nicht vertraue?«