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Carrie Bird, das Mädchen mit der Gabe der Regenbogenblumen, findet sich nach einer missglückten Teleporation an einem unbekannten Ort und in unbekannter Zeit wieder.
Damit beginnt eine beispiellose Odyssee, auch in Gefilde, in die sich nie ein Sonnenstrahl verirren kann. In ein Reich des Grauens, in dem der Tod heilig ist und Leben als Krankheit verachtet wird.
Wird Carrie den dunklen Verlockungen dieses Ortes widerstehen - oder ihnen erliegen?
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Seitenzahl: 132
Cover
Impressum
Die Stadt unter dem Friedhof
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Stanislav Istratov / Rainer Kalwitz
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-5342-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Die Stadt unter dem Friedhof
Von Adrian Doyle
Der schwärende Himmel sah aus, als wollte er schmelzen. Blitze zuckten aus den brodelnden Wolken hervor, es krachte infernalisch. Donner um Donner rollte über die Wiesen und Felder, gerade so, als stünde das wahrhaftige Ende der Welt bevor.
Das Mädchen auf dem Hügel hatte all dies kommen sehen und doch nicht verhindern können. Genauso wenig wie die Männer und Frauen in ihrer Nähe, die in höchster Not stadtwärts flohen, auf das vorgelagerte Gehöft zu, von dem sie sich Schutz erhofften.
Carrie Bird wollte ihnen folgen, schaffte es aber nicht. Wie angewurzelt stand sie da, die Hände abwehrend gegen den prasselnden Regen erhoben, Augen und Mund weit aufgerissen.
So empfing sie den Blitz.
Kurz zuvor
Irgendetwas stimmte nicht.
Cole Dickens, gerade sechzehn Sommer alt geworden, rammte die Heugabel in den Boden und wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes über das verschwitzte Gesicht.
Ein paar Schritte von ihm entfernt schuftete Dorit, die mit Abstand älteste Magd des Hofes, und sang dazu leise vor sich hin. Woher sie den Atem dafür nahm, erschloss sich Cole nicht, immerhin spürte er den trommelnden Herzschlag bis in den Hals hinein. Aber im Gegensatz zu ihm war Dorit zäh wie Leder, das wussten alle. Nur bei der Frage, wie alt sie denn nun tatsächlich war, schieden sich die Geister. Sicher war, dass sie bereits in Diensten von Coles Großvater gestanden hatte und da schon kein junger Hüpfer mehr gewesen mehr. Anpacken konnte sie bis zum heutigen Tag, da machte ihr niemand etwas vor.
Cole schaute sehnsüchtig zu der Decke, die im Schatten einer knorrigen Eiche ausgebreitet und noch mit dem Mittagsgeschirr vollgestellt war. Er überlegte, ob er hingehen und etwas trinken sollte. Vor einer Stunde hatten sie beim höchsten Stand der Sonne dort gesessen und sich für den weiteren Verlauf der Heuernte gestärkt. Kein herrschaftliches Mahl, aber ausreichend, um satt zu werden: gekochte Eier, Käse, Räucherfisch und Brot. Dazu mehrere Krüge mit Wasser und Dickmilch.
Cole schloss kurz die Augen und leckte sich den salzigen Schweiß von der Oberlippe. Wenn sein Vater ihn dabei ertappte, wie er schon wieder eine Pause machte, würde er ihm eine Standpauke halten – im besten Fall.
Unwillkürlich spähte er ins Tal, wo der Besitz seiner Eltern lag, ein alter Erbhof, der die Familie – zu der im weitesten Sinn auch die Mägde und Knechte zählten – mehr schlecht als recht ernährte.
Cole träumte davon, sich eines Tages bei Nacht und Nebel aus dem Staub zu machen und sein Glück in London zu versuchen. Zur Not auch in Crawley, der Stadt, deren Mauern und Dächer jenseits des Gehöfts zu sehen waren und die nur ein paar Mil entfernt lag. Bis London war es ein gehöriges Stück weiter. Trotzdem konnte ein junger Kerl wie Cole es innerhalb von ein bis zwei Tagen zu Fuß dorthin schaffen. Und da sein Vater ihn niemals freiwillig gehen lassen würde, würde ihm, wenn er seinen Traum verwirklichen wollte, nichts anderes übrig bleiben, als das Risiko zu scheitern in Kauf zu nehmen. Sich auf eines der beiden Pferde aus dem Stall zu setzen und davonzureiten, wäre einem Diebstahl gleichgekommen, und den hätte die Familie – allen voran Abraham Dickens, sein Vater – Cole nicht verziehen. Niemals. Er hätte nie wieder nach Hause kommen dürfen, solange der Vater lebte.
Cole warf einen verstohlenen Blick zu dem rundlichen Mann, der halb hinter dem Heuwagen stand, dort seine Anweisungen erteilte, aber auch selbst beherzt mit anpackte.
Dann, plötzlich, erregte etwas anderes die Aufmerksamkeit des Sechzehnjährigen, und der Vater war vergessen.
Cole blinzelte, weil er zunächst an eine Sinnestäuschung glaubte. Aber auch beim zweiten und dritten Hinschauen blieb das Bild gleich: Ein Stück weit die Hangwiese hinauf, wo sie das trockene Heu bereits zusammengerecht und auf den Ochsenkarren geladen hatten, stand jemand, der ganz offensichtlich nicht hierher gehörte; nicht auf den elterlichen Bauernhof und auch nicht auf einen der benachbarten Höfe. Wenn, dann musste er aus der Stadt kommen, aus Crawley oder von weiter weg.
Er? Sie!
Dass es sich um ein Mädchen handelte, glaubte Cole sofort zweifelsfrei zu erkennen, obgleich ihr Schädel kahl wie der des Bürgermeisters war und sie eine Hose trug wie ein Mann. Eine Hose und ein Hemd, das sie seltsam leicht, fast wie Spinngewebe, umschmeichelte und unter dem sich eindeutige Rundungen abzeichneten.
Verdutzt drehte er sich zu den anderen um, um herauszufinden, ob noch jemand die Fremde bemerkt hatte. Offenbar nicht, sonst hätte sie auch bei ihnen Aufsehen erregt, und die Arbeit wäre zum Erliegen gekommen.
Coles Augen kehrten zu der so befremdlich wirkenden jungen Frau – sie konnte kaum älter als er sein – zurück, und im gleichen Moment traf ihn ein Schwall eisig kalter Luft.
Die Böe an sich war schon absurd; immerhin hatte bis zu diesem Moment ein strahlender Sommertag geherrscht. Allenthalben zirpten Grillen und zwitscherten Vögel. Die Hitzeblase hielt sich seit Tagen ohne jede Schwüle über dem Land, sodass die meisten Wiesen schon abgemäht und das Heu hatte eingebracht werden können. Dieser letzte Wagen noch, dann konnten sie sich fürs Erste wieder anderen Arbeiten zuwenden. Die Kartoffelfelder warteten schon; die Schädlinge, die das Kraut fraßen, mussten einzeln abgepflückt werden. Eine der Pflichten, die Cole am meisten hasste. Nicht weil ihm die Käfer leidtaten, sondern weil er sich vor den kleinen schwarzen Krabblern ekelte. Was nicht zu erklären war, da er ansonsten wenig zimperlich war, selbst haarige Spinnen, wenn sie sich in seine Kammer verirrten, mit der bloßen Hand fing. Aber Käfer …
Er schüttelte sich. Unmittelbar hinter ihm dröhnte die Stimme seines Vaters auf, der gestikulierend zum Horizont zeigte, wo sich gerade noch ein tiefblauer, wolkenloser Himmel über der Landschaft gespannt hatte.
Das war nun vorbei.
Cole sah die Wolkenfront genauso ungläubig wie die anderen in ihre Richtung jagen. Aus dem Nichts heraus – und mit atemberaubender Geschwindigkeit.
Selbst Dorits Gesang verstummte, weil sie unter ihrer wettergegerbten Haut erblasste.
Kein Zweifel, ein Gewitter zog auf, das die Arbeit zweier Tage zunichtemachen konnte, wenn es ihnen nicht gelang, wenigstens das, was sich bereits auf dem Wagen befand, trocken unters Scheunendach zu bringen.
Coles Vater überwand seine Verblüffung als Erster. Kehlig peitschten seine Befehle. Und ein jeder wusste, was die Stunde geschlagen hatte, auch wenn es bis eben nicht danach ausgesehen hatte, als sollte das Bilderbuchwetter umschlagen.
Aber wie predigten die Pfaffen in der Kirche: Die Wege des Herrn sind unergründlich.
Cole war fromm und gottesfürchtig erzogen, deshalb nahm er den Temperatursturz und das heraufziehende Unwetter ebenso hin wie die anderen. Sein Vater schnappte sich die Zügel der Zugtiere und führte sie schnellen Schrittes talwärts, während die übrigen Helfer sich seitlich und hinter dem Wagen postierten, sodass sie ihn bremsen konnten und er nicht zu viel an Fahrt gewann. Er wäre sonst außer Kontrolle geraten und irgendwo zerschellt. Dabei hätte er die beiden Ochsen wahrscheinlich mit ins Unglück gerissen. Ihr Fleisch hätte nach der Notschlachtung nicht den Nutzen ersetzen können, den sie für den Betrieb hatten.
Ob sie aber angesichts des rasch näherkommenden Gewitters ausreichend im Zaum gehalten werden konnten, war fraglich.
Abraham Dickens musste seine ganze Erfahrung und Körperkraft aufbieten, um ihren natürlichen Instinkt zu übertrumpfen, der sie in blinder Panik losstürmen lassen wollte. Immerhin verlangte es ihm so viel Aufmerksamkeit ab, dass er kein Auge mehr für seinen Sohn hatte, der als Einziger in seinen Gedanken nicht bei der Sache war und kaum die dicken Regentropfen bemerkte, die aus dem Wolkengebräu herabfielen und schwer auf die Wiese und alle, die sich im Freien befanden, klatschten. Dazu zuckten Blitze, rollte Donner …
Cole drehte sich im Laufen immer wieder nach dem seltsam gekleideten Mädchen um, das keine Anstalten machte, sich vor dem Gewitter in Sicherheit zu bringen.
War sie nicht ganz bei Sinnen? Kleidete sie sich deshalb so verrückt?
Eine entlaufene Irre. Cole hatte von Leuten gehört, die in Klöstern wie Gefangene gehalten wurden, nur um andere Menschen vor ihnen zu schützen, weil sie in ihrem Wahn imstande waren, Verbrechen zu begehen, die ein gesunder Verstand sich nur mit äußerster Abscheu auszumalen vermochte.
Aber gefährlich sah dieses Mädchen nicht aus. Vielmehr … hilflos.
Orientierungslos.
Woher sie gekommen war, konnte Cole immer noch nicht sagen, weil er ihre Ankunft nicht beobachtet hatte.
Unweit von ihr schlug in diesem Moment ein Blitz ein wie die Faust Gottes.
Cole ließ vor Schreck das Gitter los, hinter dem sich das Heu türmte. Der Wagen samt Erntehelfern und dem Vater ganz vorn bei den Ochsen rollte weiter. Die alte Dorit rief Cole noch etwas zu, aber er hatte schon kein Ohr mehr dafür, stolperte, fing sich ab und kam zum Stehen. Als er sich umdrehte, glaubte er zu sehen, dass das fremde Mädchen zu ihm starrte, ihn stumm um Hilfe anflehte – wobei auch immer.
Warum bei allen Aposteln nahm sie nicht ihre Beine in die Hand und suchte ebenso Deckung wie die, die talwärts flohen und egal, wie schnell sie waren, es nicht mehr schaffen würden, das Heu zu retten. Dafür schüttete es zu sehr, wie aus Eimern. Und dunkel war es geworden, dunkel …
Cole fröstelte. Ein Fluch rutschte ihm über die Lippen, der weder seinem Vater noch dem hiesigen Pastor gefallen hätte. Aber niemand hörte ihn; niemand stand nah genug bei ihm, außer vielleicht …
Unsinn. Die Donnerschläge folgten den Blitzen am Himmel inzwischen so schnell, dass Cole das Gefühl hatte, gleich getroffen werden zu müssen, weil die Entladungen genau über ihm stattfanden. Er wäre nicht der Erste, den ein Blitz erschlug; immer wieder kam das vor. Cole hatte selbst einmal die Leiche eines so zu Tode Gekommenen gesehen, eines Mannes von einem Nachbarhof, der während eines Unwetters Schutz unter einem mächtigen Baum gesucht hatte, dem höchsten in weitem Umkreis. Man munkelte, das sei ihm zum Verhängnis geworden. Jedenfalls war er am ganzen Körper verbrannt. Ein Anblick, den Cole zeitlebens nicht vergessen würde und ein Schicksal, das jedem drohte, der so töricht war, es mit den Elementen aufnehmen zu wollen.
Dem Mädchen …, rann es durch sein Denken. Und DIR, du närrischer Kerl!
Aber irgendwie konnte er nicht an sich denken, nur an dieses zierliche Geschöpf dort oben auf der gemähten Wiese, über dem sich die Wolken ballten, als hätte es sie heraufbeschworen, angezogen, vielleicht sogar gemacht.
Cole konnte nicht verhindern, dass er in diesem Augenblick an ein Hexenwesen denken musste, das er erspäht hatte, kein normales Mädchen, sondern ein Fabelgeschöpf, das mit Mächten im Bunde stand. Er war bereits in der Vorwärtsbewegung, um auf die Fremde zuzueilen, sie an der Hand zu packen und mit nach Hause zu zerren, wo immer noch Zeit sein würde, ihr Geheimnis zu ergründen, als es geschah: Ein grelles Licht, heller als die Sonne, stach auf das schwach und verletzlich wirkende Mädchen ohne Haupthaar herab – und spätestens jetzt hätte es seinen Schopf verloren, so wie es noch viel mehr verlor.
Allem voran sein junges Leben …!
***
Kurz zuvor
Carrie Bird hatte London untergehen und ihre Eltern sterben sehen. Damals war sie noch ein kleines Kind gewesen, nicht älter als zehn.
Sechs, sieben Jahre war das her. Jahre, in denen sie sich und ihre besonderen Fähigkeiten besser verstehen gelernt hatte. Die Gabe, sich an beliebige Plätze zu wünschen und dort anzukommen – ganz gleich, ob das Ziel auf der Erde oder irgendwo sonst im Kosmos lag. Sie musste nur ein Bild in sich formen, notfalls sogar nur eine Idee haben, wie der angepeilte Ort beschaffen sein sollte. Falls es etwas gab, das dieser Vorstellung entsprach, landete sie dort.
Doch dieser jüngste Sprung, den sie vollführt hatte, hatte sich von allen vorherigen unterschieden, und hatte – so kam es ihr vor – die Karten ihres Lebens neu gemischt.
Sie musste nur von der Anhöhe, auf der sie materialisiert war, hinabschauen auf die Stadt, die seltsam schläfrig in einer Landschaft ruhte, deren friedvolle Stille überwältigend war, obschon ein paar Stimmen und ferne Hammerschläge sie erschütterten. Aber es gab keine luftverpestenden Autos auf den Straßen, keine dröhnenden Flugzeuge am Himmel, keine rauchenden Fabrikschlote und keinen Lärm aus Radios, Fernsehern oder Smartphones. Es herrschte eine so unfassbare Ruhe, dass Carrie sich wieder und wieder in den Arm kniff, um herauszufinden, ob sie denn am Ende alles nur träumte – in ihrem Bett auf Château Montagne liegend, wo sie über der Anstrengung, ihre verschüttete Gabe zu neuem Leben zu erwecken, eingeschlafen war.
Aber hätte sie nicht spätestens, wenn sie sich die Frage stellte, ob sie sich in einem Traum verloren hatte, daraus erwachen müssen?
Stattdessen blieb die Kulisse bestehen. Dieses befremdliche Idyll, von dem sie ahnte, dass es keines war, ihr nur so vorkam, weil das Leben dort, woher sie kam, so viel hektischer und lauter war als hier.
Bei den Menschen, in deren Sichtweite sie erschienen war, handelte es sich um Knechte und Mägde, die damit beschäftigt waren, die Heuernte einzubringen. Sie luden sie mit langen Gabeln auf einen großen, von zwei Ochsen gezogenen Wagen, während jenseits der Stadt der Himmel sein prachtvolles Blau verlor und von bleiernem Grau durchmischt wurde. Gleichzeitig frischte der Wind auf und trieb die Wolkenfront genau auf Carrie zu – und damit auch auf diejenigen, die das Unheil offenbar schon vor ihr hatten nahen sehen. Lange bevor – jetzt! – der erste Blitz aufzuckte und fernes Grollen zu vernehmen war.
Ein Unwetter zieht auf. Die armen Leute, sie haben es noch gar nicht bemerkt. Wenn sie sich nicht sputen, werden sie um den Lohn ihrer Arbeit gebracht.
Das Heu würde verderben, wenn es jetzt nass wurde.
Carrie fröstelte, obwohl es nicht kalt war. Längst – sie hatte Augen im Kopf und einen Verstand, der unentwegt arbeitete, die Situation analysierte – war ihr klar geworden, dass es nicht darum ging, wo in aller Welt es sie hin verschlagen hatte, sondern …
… wann!
Ich bin nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit gehüpft – rückwärts! In eine Vergangenheit, in der Landwirtschaft noch ohne maschinelle Hilfe betrieben wurde. In der Straßen noch nicht asphaltüberzogen und so befestigt waren, dass Autos und selbst Panzer darüber rollen konnten, sondern aus nicht mehr als gestampfter Erde bestanden.
Sie machte es nicht nur an den paar Gestalten fest, die unweit von ihr schufteten. Der Verzicht auf die Annehmlichkeiten der Moderne war überall sichtbar. Vor allem aber war er eben hörbar – beziehungsweise drang er nicht ans Gehör. Die Geräusche und Stimmen, die existierten, woben sich in nie erlebter Harmonie in die Stille des Tages. Sie zerstörten sie nicht, sondern unterstrichen sie quasi, während dort, woher Carrie kam …
Ich muss sie warnen!
Doch noch während sie zu dem Entschluss kam, wurde einer von ihnen auf das Unwetter, das sich in der Ferne zusammenbraute, aufmerksam und warnte die anderen.
Offenbar wollten sie retten, was sie bereits aufgeladen hatten, und den Rest opfern, weil sie, wenn sie weitermachten, alles verlieren konnten.
Carrie konnte das Entsetzen der Leute spüren und begann zu ahnen, was der Verlust ihrer Ernte für sie bedeutet hätte.
Die schwarzen Wolken kamen immer näher. Die ihnen innewohnende rohe Gewalt ließ Carrie erschauern. Ihr Herz trommelte so hart, als wollte es aus der Brust springen.
Weg, dachte sie. Nur weg hier!
Sie versuchte, die nötige Konzentration aufzubringen, um ihre Gabe zu zwingen, sie von hier fortzubringen – zu dem Punkt in Zeit und Raum, von dem aus sie zuvor hierher geschleudert worden war.
Aber während die Bauern ihrer Zuflucht entgegenstürmten, hatte sie sich noch keine zwei Schritte von der Stelle bewegt. Sie stand nur da, die Fäuste geballt, das Gesicht verzerrt und verzweifelte an dem Bemühen, sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen – ohne allerdings ihre Beine in die Hand nehmen und losrennen zu müssen.
Fortbewegung ohne Muskelkraft – in der Vergangenheit war ihr dieses Kunststück spielerisch leicht gelungen. Aber damit schien es vorbei zu sein.