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Laurie Walsh war eine erfolgreiche Polizistin. Bis sie aus Notwehr schießen musste - und ein Mensch starb. Die Bilder verfolgen sie jede Nacht - selbst jetzt, mehr als ein Jahr später. Doch dann meldet sich ihr ehemaliger Partner Jake und bittet sie um Hilfe bei einem Fall. Und Laurie wird klar, wie sehr ihr Herz noch an der Polizeiarbeit hängt. Immer wieder hilft sie Jake fortan bei harten Fällen, die die Ermittler tief erschüttern. Und gerät dabei nicht selten selbst ins Visier der Täter ...
Folge 1: Ein Serienmörder treibt sein Unwesen in Baltimore. Sein perfides Spiel hält die Stadt in Atem: Er holt sich die Frauen unbemerkt vom Straßenstrich, quält und foltert sie tagelang und verstümmelt sie noch kurz vor ihrem Tod. Und die Polizei tappt im Dunkeln. Erst dank Lauries Hilfe kommt Detective Jake McNeill dem Täter schließlich doch auf die Spur. Aber dann verschwindet eine weitere junge Prostituierte - und diesmal kennt Laurie sie persönlich ...
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
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Seitenzahl: 189
Laurie Walsh war eine erfolgreiche Polizistin. Bis sie aus Notwehr schießen musste – und ein Mensch starb. Die Bilder verfolgen sie jede Nacht – selbst jetzt, mehr als ein Jahr später. Doch dann meldet sich ihr ehemaliger Partner Jake und bittet sie um Hilfe bei einem Fall. Und Laurie wird klar, wie sehr ihr Herz noch an der Polizeiarbeit hängt. Immer wieder hilft sie Jake fortan bei harten Fällen, die die Ermittler tief erschüttern. Und gerät dabei nicht selten selbst ins Visier der Täter ...
Ein Serienmörder treibt sein Unwesen in Baltimore. Sein perfides Spiel hält die Stadt in Atem: Er holt sich die Frauen unbemerkt vom Straßenstrich, quält und foltert sie tagelang und verstümmelt sie noch kurz vor ihrem Tod. Und die Polizei tappt im Dunklen. Erst dank Lauries Hilfe kommt Detective Jake McNeill dem Täter schließlich doch auf die Spur. Aber dann verschwindet eine weitere junge Prostituierte – und diesmal kennt Laurie sie persönlich ...
Dania Dicken, Jahrgang 1985, schrieb ihr erstes Buch als Zehnjährige – per Hand und mit dem guten Gefühl, eine Berufung gefunden zu haben, die bleiben würde. Während ihres Studiums verfasste sie dann zunächst Fantasyromane, die sie im Selbstverlag veröffentlichte. Nach einigen Semestern beschloss sie, ihr Soziologiestudium an der Universität Duisburg gegen einen interdisziplinären Psychologie- und Informatik-Studiengang zu tauschen, was sich schnell als richtige Entscheidung erwies. Mit den Grundlagen aus dem Psychologiestudium setzte sie ein lang gehegtes Vorhaben in die Tat um und schreibt seitdem spannende Profiler-Thriller. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in Krefeld und widmet sich hauptberuflich dem Verfassen spannender Bücher.
Dania Dicken
Fall 1Blutige Tränen
beTHRILLED
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Meyhöfer
Covergestaltung: Thomas Krämer unter Verwendung von Motiven von © Lauren Bates/Getty Images | © Mega Pixel/shutterstock | © Daniel Tadevosyan/shutterstock
eBook-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde
ISBN 978-3-7325-5390-7
Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erscheinenden Werkes »THINK – SIE WISSEN, WAS DU DENKST! – FOLGE 1« von Trent Kennedy Johnson.
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2019 by Trent Kennedy Johnson
Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titel der englischsprachigen Originalausgabe: »They know what you THINK – Episode 1: A Glimpse of Violence«
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Uwe Vöhl
Lektorat/Projektmanagement: Lukas Weidenbach
Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von Motiven von © Shutterstock: gyn9037 | faestock | logoboom
eBook-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde
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www.lesejury.de
Beim Betreten der Bar fühlte Laurie sich wie zu Hause. Sie wurde empfangen von nicht zu lauter Musik, Gelächter und gedimmtem Licht, das zusammen mit den Backsteinwänden für die typische Atmosphäre der Sidebar Tavern sorgte. In der düsteren Rockkneipe lief man selten Gefahr, auf Touristen zu stoßen. Dafür war sie zu klein und nach neun Uhr abends mit täglichen Bandauftritten auch zu laut.
Nach kurzem Suchen entdeckte sie Jake an der Theke und ging lächelnd auf ihn zu. Er bemerkte sie nicht gleich, war zu sehr in sein Gespräch mit Barkeeperin Norma vertieft. Doch bevor Laurie ihn erreicht hatte, wandte er sich ihr zu und rutschte von seinem Barhocker.
»Hey«, sagte er und umarmte sie auf dieselbe kollegiale Art wie früher. Lächelnd erwiderte Laurie die Umarmung.
»Schön, dich zu sehen«, erwiderte sie die Begrüßung und nahm neben ihm an der Theke Platz. Norma nickte ihr gleich zu und grinste sie an.
»Du lebst ja auch noch. Wie immer?«
Laurie nickte. »Wie immer.«
Erst, als sie Jake wieder ansah, wurde ihr bewusst, dass er sie interessiert anstarrte.
»Was?«, fragte sie irritiert.
»Nichts. Ich habe nur gerade festgestellt, dass du gut aussiehst – so ausgeglichen.«
»Danke. Dir ging es aber auch schon schlechter.«
Jakes anschließendes Lachen klang halb amüsiert, halb resigniert. »Dabei hätte ich gerade ausreichend Gründe, unzählige Überstunden anzuhäufen.«
»Aber du bist hier.«
»Ja, weil ich mich darauf gefreut habe, meine alte Partnerin wiederzusehen. Du fehlst mir wirklich, Laurie.«
»Kommst du denn mit Alex nicht zurecht?«
»Doch, sicher. Aber ich wünschte trotzdem, du hättest deine Dienstmarke nicht an den Nagel gehängt.«
Laurie zuckte bedauernd mit den Schultern. »Ehrlich gesagt mag ich meinen neuen Job.«
»Junkies therapieren … Ist das kein aussichtsloser Kampf?«
»Nicht grundsätzlich. Es hat was, den Leuten zu helfen, bevor man die Handschellen klicken lassen muss.«
»Okay, das verstehe ich. Mir bleibt ja gerade wieder nur, Leichen einzusammeln …«
»Und das als Detective bei der Mordkommission des Baltimore PD!«, neckte Laurie ihn nicht ganz ernst gemeint, aber er knuffte sie trotzdem in die Seite. Plötzlich wich der heitere Ausdruck aus seinen markanten Zügen und Jake wurde unerwartet ernst.
»Ich bin nicht sicher, ob wir es mit einem Serienmörder zu tun haben.«
Norma stellte einen Ipanema vor Laurie ab, die der Barkeeperin ein paar Dollars hinschob. Während Laurie begann, am Strohhalm zu knabbern, musterte sie Jake abwartend.
Ihr früherer Kollege war nicht übermäßig groß, aber muskulös gebaut, hatte markante Gesichtszüge und kurzes dunkles Haar. Sein Dreitagebart war gepflegt, so schlimm konnte der Stress also noch nicht sein.
»Das Ganze ist eine unschöne Sache«, begann Jake nach einem Augenblick des Zögerns und beugte sich zu ihr hinüber, bevor er weitersprach. »Vielleicht hast du von der Frauenleiche gehört, die vor zwei Wochen in Elwood Park in einer Mülltonne gefunden wurde.«
Laurie überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. »Bislang nicht.«
»Eine junge Frau, splitternackt. Am Montag wurde auf jeden Fall eine zweite Leiche südlich der Interstate 895 im Marschland gefunden und wir haben die Sache jetzt auf dem Tisch.«
»Wie kommt ihr denn zu der Ehre?«
»Alex hatte mal einen ähnlichen Fall in Philly. Da war es auch ein Serienmörder.«
»Hat er ihn erwischt?«
Jake nickte. »Das scheint ihn zu qualifizieren. Aber unter uns gesagt: Ich muss gestehen, dass wir immer noch im Dunkeln tappen.«
Laurie wusste nicht gleich, was sie erwidern sollte. Sie kannte Alex Lowe, Jakes neuen Partner. Er war schon Mitte dreißig und kam aus Philadelphia. Weil seine Verlobte einen Job am renommierten Johns Hopkins Hospital ergattert hatte, war er mit ihr nach Baltimore gezogen.
»Kein Verdächtiger?«
Jake schüttelte seufzend den Kopf. »Leider nicht, nein. Wir haben nicht mal DNA-Spuren.«
»Das macht es nicht besser.«
»Nein.«
Laurie bemerkte, dass Jake sein Diensthandy in der Hand hielt, es aber nicht auf die Theke legte.
»Ich werde dich jetzt nicht bitten, die Vorschriften zu missachten«, sagte Laurie, um ihn aus seiner Zwickmühle zu befreien, doch er schüttelte den Kopf.
»Das ist es nicht. Wir waren Partner, Laurie, und tatsächlich wäre mir deine Meinung sehr wichtig. Allerdings ist das kein schöner Anblick.«
Das entlockte ihr nur ein Schulterzucken. »Deine Entscheidung.«
»Okay …« Jake schaute sich um, aber es war niemand in ihrer Nähe und sie saßen ohnehin etwas abseits, deshalb nahm er sein Handy nun doch hoch und öffnete die Fotos. Dann reichte er es Laurie.
Gleich das erste Bild verschlug ihr fast den Atem. Auf einer fast vollen Mülltonne lag die seltsam verrenkte splitternackte Leiche einer jungen Frau mit braunem Haar. Sie war voller Blut. Aufmerksam studierte Laurie auch die nächsten Fotos, die einige unschöne Details in Nahaufnahme zeigten.
An den Handgelenken trug die Tote noch Fesseln, die Seile hatten sie ihr blutig gescheuert. Sie war mit Klebeband geknebelt, die kleinen Äderchen in ihren Augen waren geplatzt, sodass ihre Augäpfel rötlich statt weiß schimmerten. Die Würgemale an ihrem Hals passten dazu.
Auch an den Fußgelenken waren noch Stricke festgeknotet. Darauf achtete Laurie jedoch kaum. Sie betrachtete entsetzt die Verstümmelungen, die der Täter der Frau beigebracht hatte. Sie hatte blutige Bisswunden an den Brüsten und an ihren Beinen klebte getrocknetes Blut – viel getrocknetes Blut.
»Die Fotos aus der Gerichtsmedizin habe ich nicht hier«, sagte Jake leise. »Dort konnte man auf einigen Aufnahmen ganz gut sehen, dass der Täter sie wohl beschnitten haben muss, ganz präzise und gründlich.«
Laurie schluckte und verzog das Gesicht. »Das ist abstoßend.«
»So etwas habe ich noch nie gesehen. Der Pathologe meinte, dass sie wahrscheinlich tagelang gefoltert wurde. Vergewaltigt, geschlagen, man hat sie hungern lassen …« Jake schüttelte den Kopf. »Das raubt mir den Schlaf.«
»Das musst du mir nicht sagen«, murmelte Laurie.
»Die Tote aus dem Elwood Park ist Tonya Dawson, neunzehn, aus Washington, DC. Eine Ausreißerin, die hier auf den Strich gegangen ist. Soweit wir es rekonstruieren konnten, wurde sie dienstags zuletzt gesehen. Die Leiche wurde am folgenden Montag gefunden, da war sie laut Gerichtsmediziner etwa vierundzwanzig Stunden tot. Sie wurde erwürgt.«
»Und die andere Tote?«
»Die Fotos kommen gleich im Anschluss.«
Laurie wischte weiter mit dem Finger über das Display und verzog das Gesicht beim Anblick der nächsten Leiche. Sie lag im Wasser, in ihren dunklen Haaren hatten sich Pflanzenteile verfangen und der Körper war schon ein wenig aufgedunsen. Trotzdem hatte auch sie an Hand- und Fußgelenken noch Reste ihrer Fesseln und auch, wenn Blutspuren in diesem Fall fehlten, traf das auf die Verstümmelungen nicht zu. Auch sie war mit Biss- und Schnittwunden übersät.
»Das ist Hannah Spencer, achtzehn, hier aus Baltimore. Sie ist ebenfalls von zu Hause abgehauen, hat Drogen genommen und ist gelegentlich anschaffen gegangen. Sie ist am Sonntag vor einer Woche verschwunden und wurde Montag gefunden. Gelebt hat sie wohl noch bis Freitag«, erklärte Jake.
»Sieht fast ganz genauso aus.«
»Ja, das ist garantiert derselbe Täter. Nachweisen können wir es nicht, weil keine fremden DNA-Spuren gefunden wurden, aber wir überprüfen schon alle registrierten Sexualstraftäter in der Gegend. Bislang haben wir keinen Hinweis darauf, dass einer von ihnen als Täter infrage kommt. Für das, was der Typ mit den Frauen macht, braucht er ein abgelegenes Versteck oder einen sicheren Keller. Das haben wir uns bei allen Straftätern angesehen, aber nichts.«
»Vielleicht ist er nicht aus der Gegend. Oder er ist nicht vorbestraft.«
»Auf jeden Fall ist der Kerl gerissen und vorsichtig. Alex ist sich ziemlich sicher, dass wir seine DNA in der Datenbank haben, sonst würde er wohl kaum ein Kondom für die Vergewaltigungen benutzen. Und ganz ehrlich – mit so etwas Krassem fängt man doch nicht an. Der Kerl ist kein unbeschriebenes Blatt. Da bin ich mir sicher.«
»Auf jeden Fall schnappt er sich Opfer, an die er leicht rankommt.«
»Tonya wurde zuletzt auf dem Straßenstrich der South Conkling in Highlandtown gesehen«, sagte Jake. »Eine Täterbeschreibung haben wir nicht, nur eine Zeugenaussage, die einen dunklen Van beschreibt. Kein Modell, kein Kennzeichen. Tonya ist wohl freiwillig eingestiegen. Bei Hannah war es ähnlich, sie ist von der Dundalk Avenue verschwunden. Das hat überhaupt keiner mitbekommen. Bis jetzt haben wir zwei junge Frauen, die jemand regelrecht zu Tode gefoltert hat und Alex ist ziemlich nervös, weil der Abstand zwischen den Morden nicht sonderlich groß ist. Wenn wir Pech haben, sucht der Täter sich nächste Woche ein neues Opfer. Dann haben wir nicht nur eine weitere Tote, sondern auch ganz schlechte Presse … und ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich dagegen tun soll. Wir haben exakt gar nichts.«
Laurie schaute sich die Fotos erneut an. »Definitiv die gleiche Vorgehensweise.«
»Ja, das war derselbe Typ. Aber was sollen wir jetzt machen? Wovor sollen wir die Prostituierten warnen? Ich will keine Panik verbreiten.«
Die Zwickmühle, in der Jake sich befand, kannte Laurie nur zu gut. Foltermorde an Prostituierten verübt von einem Serienmörder – Laurie sah die Schlagzeile schon vor sich: Perverser Frauenmörder terrorisiert Baltimore – Polizei tappt im Dunkeln.
»Was sagt Alex dazu?«
»Er kennt einen Profiler beim FBI und hat ihm die Akten gezeigt, aber ehrlich gesagt hatten wir die Erkenntnisse alle schon selbst. Wir suchen einen Frauenhasser zwischen fünfundzwanzig und vierzig, der einschlägig vorbestraft ist. Er muss vertrauenerweckend genug sein, damit die Frauen in sein Auto steigen und er hat irgendwo Grundbesitz, wo er sie tagelang verstecken und foltern kann. Sein Auto ist groß genug, sowohl ein entführtes Opfer als auch eine Leiche zu transportieren. Er ist ein Sadist, der nicht aufhören wird, wenn wir ihn nicht stoppen.« Seufzend schüttelte er den Kopf. »Das war mir auch vorher schon klar.«
»Ich spitze mal die Ohren bei meinen Klienten«, bot Laurie an. »Einige von den Mädchen, die ich unterstütze, gehen ab und zu auf den Strich, um sich den nächsten Schuss zu finanzieren. Vielleicht haben die etwas gehört oder gesehen.«
»Danke, das ist nett von dir. Ich hatte jetzt auch nicht erwartet, dass du die große Erleuchtung hast … Wir beißen uns ja schon die Zähne daran aus«, sagte Jake frustriert.
»Wenn ihr nichts habt außer zwei Leichen, ist das auch verdammt schwierig«, versuchte Laurie, ihn aufzubauen.
»Lassen wir das.« Jake setzte sein schönstes Lächeln auf. »Wie geht es dir denn sonst so? Triffst du dich mit jemandem?«
»Eigentlich ziemlich gut. Mein Job ist manchmal anstrengend, aber welcher Job ist das nicht?«
»Wem sagst du das!«
»Was den Stress angeht, unterscheidet sich der Job des Sozialarbeiters nicht sehr von dem eines Polizisten. Es kann frustrierend sein, wenn jemand, den man gerade noch durch einen Entzug geschleust und in eine Therapie vermittelt hat, wieder rückfällig wird. Am schlimmsten ist es, wenn die Klienten einen Termin versäumen. Du weißt nie, was los ist. Haben sie ihn auf einem Trip bloß vergessen oder sind sie tot?«
Jake nickte ernst. »Das kann ich mir gut vorstellen. Wäre nichts für mich.«
»Bis jetzt gefällt es mir. Ansonsten ist es gerade eher ruhig bei mir. Mein letztes Date ist jetzt ein paar Monate her, aber daraus wurde nichts«, sagte Laurie ohne hörbares Bedauern. »Bist du immer noch mit Jennifer zusammen?«
Jake nickte, ohne Laurie anzusehen, und trank noch einen Schluck Bier. »Daran hat sich nichts verändert.«
Während sie sich über die Arbeit und auch private Dinge unterhielten, füllte die Sidebar sich zunehmend mit Leben. Laurie hatte sich nicht nur dort mit Jake getroffen, weil die Bar nicht weit vom Police Department entfernt lag und sie deshalb früher oft dort gewesen waren, sondern auch ihre neue Arbeitsstelle lag ganz in der Nähe. So hatten sie sich gleich nach Feierabend dort verabredet.
Laurie freute sich, dass ein Treffen mit Jake endlich geklappt hatte. Zuletzt hatten sie sich vor etwa einem Jahr gesehen und als sie so mit ihm sprach, wurde ihr bewusst, dass das eigentlich viel zu lange her war. Auch privat hatte sie sich mit ihm immer gut verstanden und während sie ihn ansah, spürte sie deutlich, dass er sie immer noch vermisste. Sie konnte es verstehen, denn sie waren nicht nur ein tolles Team gewesen – sie hatte ihm das Leben gerettet. Er hatte schon damals keinen Hehl daraus gemacht, dass ihre Kündigung ihn sehr getroffen hatte. Doch sie hatte auch etwas Abstand zu allem gebraucht, was mit ihrem alten Job zusammenhing, und das betraf auch Jake.
Als es in der Bar immer lauter und voller wurde und die Band, die am Abend auftreten würde, ihren Soundcheck begann, beschlossen Jake und Laurie, sich auf den Heimweg zu machen. Sie kämpfen sich durch die anderen Besucher hindurch zum Ausgang und blieben noch kurz unweit der Tür stehen. Fröstelnd zog Laurie die Schultern hoch. Der Frühlingsabend war kühl.
»Es hat mich sehr gefreut«, stellte Jake fest. »Lass uns das bald wiederholen.«
»Gute Idee. Ich melde mich bei dir, sollte ich von meinen Klienten etwas erfahren.«
»Ja, unbedingt. Das ist nett von dir. Drück uns die Daumen, dass wir diesen Perversen bald kriegen, bevor noch jemand stirbt …«
»Das schafft ihr«, sagte Laurie überzeugt und umarmte Jake zum Abschied. »Wir sehen uns.«
»Unbedingt. Pass auf dich auf.«
Laurie nickte und ging zur St. Paul Street, um von dort aus mit dem Bus nach Hause zu fahren. Mit dem Auto wäre sie kaum schneller gewesen, deshalb machte sie es meist so. Jake verschwand in die entgegengesetzte Richtung.
Ein Gefühl von Wehmut begleitete Laurie auf ihrem Weg nach Hause. Sie hatte gern bei der Polizei mit dem drei Jahre älteren Jake zusammengearbeitet. Er hatte sie nie spüren lassen, dass sie eine Frau war. An der Police Academy war das anders gewesen und so mancher männliche Kollege hatte bei ihrem raschen Aufstieg zum Detective offen gefragt, bei wem sie sich hochgeschlafen hatte. Doch während Laurie solche Spitzen lieber ignorierte, hatte Jake den Kollegen gründlich die Meinung gegeigt.
Sie waren schon zusammen Streife gefahren, bevor sie sich bei der Mordkommission wieder begegneten und erneut Partner wurden. Die beiden waren ein gutes Team gewesen – bis Laurie an diesem einen Abend vor zwei Jahren einen Mann erschossen hatte. Will Forester hatte sich gewaltsam seiner Festnahme widersetzt und plötzlich eine Waffe gezogen. Er hatte damit sogar auf Jake geschossen, ihn aber glücklicherweise verfehlt. Laurie hatte nicht lang gezögert, das Feuer erwidert und Forester zweimal in die Brust getroffen. Er war noch vor dem Eintreffen der Sanitäter an seinem eigenen Blut erstickt.
Als Laurie auch nach Monaten noch seine starren Augen im Traum vor sich sah, sein vor Blut gurgelndes Röcheln hörte und zitternd aus dem Schlaf hochfuhr, wenn sie sich sein abrupt endendes Zucken und Krampfen vorstellte, beschloss sie, keine Waffe mehr in die Hand zu nehmen und zog daraus die Konsequenzen. Es war nicht so, dass sie nicht gern Polizistin gewesen wäre – sie liebte den Job und in Baltimore gab es für die Mordkommission immer genug zu tun. Die Mordrate lag weitaus höher als in New York oder Chicago, die Stadtbevölkerung bestand zu zwei Dritteln aus Afroamerikanern und ein Viertel der Einwohner lebte unter der Armutsgrenze – das sorgte immer für sozialen Sprengstoff.
Aber sie konnte ihre Waffe nicht mehr in die Hand nehmen. Sie bekam Schweißausbrüche, wenn sie an der Straßenecke vorbeikam, an der es passiert war. Ihr Brustkorb fühlte sich an wie in einer Schraubzwinge, wenn sie das Department betrat. Niemand hatte ihr Vorwürfe gemacht, auch nicht sie selbst – aber sie konnte diesen Job nicht mehr machen. Es ging einfach nicht.
Also hatte sie ihn schweren Herzens aufgegeben und verdiente ihr Geld jetzt mit einer anderen Herzensangelegenheit: Sie war Sozialarbeiterin in einem Drogenberatungs- und Therapiezentrum in der Innenstadt und erlebte dort nun Tag für Tag hautnah, dass Baltimore auch ein nicht zu unterschätzendes Drogenproblem hatte. Sie unterstützte Junkies und Alkoholabhängige dabei, ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen. Sie half bei Behördengängen, vermittelte Rechtsberatungen, überzeugte Abhängige davon, einen Entzug und eine Therapie zu machen. Anderen organisierte sie eine Wohnung, half bei der Arbeitssuche und allen übrigen Problemen, die so anfielen. Ein anstrengender Job, ähnlich wie bei der Polizei, aber es gefiel ihr. Und das, obwohl sie auch dort manchmal mit dem Tod konfrontiert wurde.
Manchmal vermisste sie Jake wirklich. Mit ihm konnte man Pferde stehlen und er hatte sie immer mit Respekt behandelt. Und auch, wenn er wirklich attraktiv war, hatte es diesbezüglich nie Unklarheiten gegeben: Er hatte seine Freundin und Laurie befand sich immer noch auf der Suche.
In Federal Hill stieg sie aus und lief das letzte Stück bis zu ihrer Wohnung nach Hause. Sie lag einen Steinwurf vom Riverside Park entfernt in einem lebendigen Viertel, was Laurie sehr sympathisch fand. Dort lebte sie nun schon seit einer ganzen Weile – allein, was okay war, auch wenn sie es gern anders gehabt hätte.
Dass sie nicht in einer Beziehung lebte, lag zumindest nicht an ihrem Äußeren. Sie war durchschnittlich groß, schlank, hatte schulterlanges braunes Haar und dunkle Augen, die ihr letzter Freund als geheimnisvoll bezeichnet hatte. Unansehnlich war sie nicht und es fiel ihr selten schwer, einen Mann für sich zu begeistern. Schwieriger fiel es ihr, ihn auch zu halten.
Ihr letzter Freund war nicht damit zurechtgekommen, dass sie als Polizistin arbeitete – nicht nur, weil sie viele Überstunden schieben musste, sondern weil das in einer Stadt wie Baltimore tatsächlich kein ungefährlicher Job war. Ein paar Wochen vor ihren tödlichen Schüssen auf Forester hatte er sich von ihr getrennt, und seitdem hatte es nur einige One-Night-Stands oder kurzen Affären gegeben.
Sie kam zurecht. In der Ferne hörte sie Polizeisirenen und in der Luft lag ein leicht salziger Geruch. Baltimore war eben eine Hafenstadt. In den letzten Jahren hatte sie sich gemausert, und inzwischen ließ sich der Inner Harbor durchaus als Touristenattraktion bezeichnen. Aber Laurie hatte die Stadt auch anders gekannt. Sie war vor neunundzwanzig Jahren dort geboren und hatte bislang nie einen Grund gehabt wegzuziehen. Deshalb lebte sie immer noch hier und versuchte, das Leben dort ein wenig besser zu machen.
In ihrer Wohnung angekommen ließ sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Vor der Garderobe entledigte sie sich ihrer Schuhe und der Jacke. Als sie ihre Tasche abstellte, streifte ihr Blick das gerahmte Foto auf der Kommode, das sie mit ihrer jüngeren Schwester Samantha zeigte. Auf dem Bild war Sam sechzehn und sie selbst achtzehn. Sam hatte ihren Arm um Laurie gelegt, grinste breit in die Kamera und hatte spitzbübisch ein Auge zugekniffen.
Zu gern hätte Laurie gewusst, wie Sam heute vielleicht aussah.
***
Er liebte den salzigen Geschmack von Tränen, wenn er sich mit Blut mischte. Das war sein Lebenselixier. Es gab nichts Besseres, als ihre Tränen zu kosten, wenn er Sex mit ihnen hatte, oder ihr Blut zwischen den Fingern zu spüren. Ihre erstickten Schreie erregten ihn, wenn er sich ihnen nur näherte und in ihren Augen blanke Panik sah, weil sie genau wussten, was jetzt passieren würde. Was er mit ihnen machen würde. Wie weh er ihnen tun würde.
Der Keller war so leer ohne ein wehrloses Mädchen darin. Das durfte nicht mehr lang so bleiben, das hielt er nicht aus. Er wollte ein neues Mädchen.
Besser noch zwei …
Er schlief besonders gut, wenn er wusste, dass unten im Keller seine persönliche Sklavin auf ihn wartete, heimlich weinte und zwischen Todesangst und Hoffnung schwankte. Das taten die kleinen Schlampen sogar noch, wenn er beschloss, es zu Ende zu bringen und zum letzten Mal seine Hände um ihre Kehle schloss. Inzwischen wusste er, wie er zudrücken musste – nicht zu fest, sonst zerquetschte er ihren Kehlkopf und sie starben schneller, als ihm lieb war. Nein … Er musste Geduld haben. Es machte ihn an zuzudrücken, wenn er gerade seinen Spaß mit ihnen hatte. Dann zappelten sie und rissen die Augen panisch auf. In diesen Momenten hatte er das Sagen, da hatte er die Macht.