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Folge 2: Ein Mann ersticht seine Verlobte auf brutalste Art und Weise - und ruft selbst den Notruf. Angeblich hat ein Dämon ihm befohlen, die Tat zu begehen. Doch Jake glaubt ihm sein Geständnis nicht: Der Mann hatte kein Motiv, ist nicht psychisch krank und stand auch nicht unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen. Wieder bittet er Laurie um Unterstützung. Doch diesmal wird Laurie tiefer in den Fall gezogen, als ihr lieb ist ...
Laurie Walsh war eine erfolgreiche Polizistin. Bis sie aus Notwehr schießen musste - und ein Mensch starb. Die Bilder verfolgen sie jede Nacht - selbst jetzt, mehr als ein Jahr später. Doch dann meldet sich ihr ehemaliger Partner Jake und bittet sie um Hilfe bei einem Fall. Und Laurie wird klar, wie sehr ihr Herz noch an der Polizeiarbeit hängt. Immer wieder hilft sie Jake fortan bei harten Fällen, die die Ermittler tief erschüttern. Und gerät dabei nicht selten selbst ins Visier der Täter ...
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
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Seitenzahl: 164
Laurie Walsh war eine erfolgreiche Polizistin. Bis sie aus Notwehr schießen musste – und ein Mensch starb. Die Bilder verfolgen sie jede Nacht – selbst jetzt, mehr als ein Jahr später. Doch dann meldet sich ihr ehemaliger Partner Jake und bittet sie um Hilfe bei einem Fall. Und Laurie wird klar, wie sehr ihr Herz noch an der Polizeiarbeit hängt. Immer wieder hilft sie Jake fortan bei harten Fällen, die die Ermittler tief erschüttern. Und gerät dabei nicht selten selbst ins Visier der Täter …
Ein Mann ersticht seine Verlobte auf brutalste Art und Weise – und ruft selbst den Notruf. Angeblich hat ein Dämon ihm befohlen, die Tat zu begehen. Doch Jake glaubt ihm sein Geständnis nicht: Der Mann hatte kein Motiv, ist nicht psychisch krank und stand auch nicht unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen. Wieder bittet er Laurie um Unterstützung. Doch diesmal wird Laurie tiefer in den Fall gezogen, als ihr lieb ist …
Dania Dicken, Jahrgang 1985, schrieb ihr erstes Buch als Zehnjährige – per Hand und mit dem guten Gefühl, eine Berufung gefunden zu haben, die bleiben würde. Während ihres Studiums verfasste sie dann zunächst Fantasyromane, die sie im Selbstverlag veröffentlichte. Nach einigen Semestern beschloss sie, ihr Soziologiestudium an der Universität Duisburg gegen einen interdisziplinären Psychologie- und Informatik-Studiengang zu tauschen, was sich schnell als richtige Entscheidung erwies. Mit den Grundlagen aus dem Psychologiestudium setzte sie ein lang gehegtes Vorhaben in die Tat um und schreibt seitdem spannende Profiler-Thriller. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in Krefeld und widmet sich hauptberuflich dem Verfassen spannender Bücher.
Dania Dicken
Fall 2Kalter Abgrund
beTHRILLED
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Meyhöfer
Covergestaltung: Thomas Krämer unter Verwendung von Motiven von © Shutterstock: Mega Pixel | Daniel Tadevosyan ; © Getty Images: Lauren Bates
eBook-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde
ISBN 978-3-7325-5391-4
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
»Ich liebe dich für deine Ideen!«, sagte Jake mit einem zufriedenen Grinsen, während er und Laurie sich am Pier 3 eine leere Bank suchten. Dort wollten sie im Licht der untergehenden Sonne die Burger und Milchshakes verspeisen, die sie sich gerade geholt hatten. Zwar herrschte um diese Zeit am Inner Harbor viel Betrieb, aber die meisten Leute waren entweder auf dem Heimweg oder unterwegs zu einem der zahlreichen Restaurants im Zentrum von Baltimore. So hatten sie keine Probleme, eine Bank zu finden, auf der sie Platz nehmen konnten. Es war sommerlich warm, eine sanfte Brise spielte mit Lauries Haaren und ärgerte sie bei dem Versuch, ihren Burger zu essen.
Laurie nahm zwei Bissen und strich ihr Haar hinters Ohr zurück. »Ich hatte einfach solche Lust auf Burger.«
»Ich auch. Wie geht es dir?«
»Ganz gut so weit. Alles geht wieder seinen geregelten Gang. Und bei dir?«
Jake zuckte mit den Schultern. »Viel zu tun, wie immer. Du kennst das ja.«
»Nur zu gut. Hast du einen neuen Fall?«
»Als Detective beim Baltimore PD hat man immer einen neuen Fall«, erwiderte er augenzwinkernd. »Carla Payton wartet noch auf ihren Prozess, aber dass wir alle Hände voll zu tun haben, ist den Mördern hier ja egal. Die wollen um jeden Preis verhindern, dass mir langweilig wird.«
»Wie fürsorglich«, sagte Laurie augenzwinkernd.
»Ja, oder? Aber so ist der Job nun mal. Hast du noch Kontakt zu Jamie Saunders?«
Laurie nickte und biss nicht gleich wieder in ihren Burger. »Sie ist jetzt clean und in Therapie. Ich habe kürzlich mit ihrer Therapeutin gesprochen, um ihr zu sagen, womit sie es zu tun hat. Das macht es einfacher für Jamie.«
»Geht es ihr gut?«
»Schon, ja, soweit ich das beurteilen kann. Ich finde, sie geht bewundernswert mit allem um. Ich wäre vermutlich ein nervliches Wrack, aber Jamie ist einfach nur froh, dass sie noch am Leben ist.«
Was Jamie Lynn Saunders auch sein konnte – so knapp, wie sie einem Serienkiller entronnen war. Sie hatte noch Glück gehabt, denn sie war nur einen Tag in der Gewalt dieses Irren gewesen. Laurie konnte nicht vergessen, wie seine übrigen Opfer zugerichtet worden waren, nachdem er sie tagelang brutal gefoltert und schließlich erwürgt hatte. Sie war froh, dass sie Jamie hatte helfen können. Jetzt bekam die junge Frau noch eine Chance. Sie war nicht nur runter von den Drogen, sondern hatte auch die Baltimore Slayers überlebt. Laurie hatte nicht verhindern können, dass Gary und Carla Payton nun landläufig so genannt wurden – vielleicht auch in Anlehnung an die Sunset Strip Slayers Doug Clark und Carol Bundy.
»Sie kann vor allem froh sein, dass sie so eine engagierte und mutige Sozialarbeiterin hat.« Jake lächelte einnehmend.
»Ich mag meinen Job eben auch.«
»Wie läuft es mit deinem Freund? Das ist er doch jetzt, oder?«
Laurie nickte. »Würde ich sagen, ja. Seine Zahnbürste steht in meinem Bad, er hat eine Schublade in meinem Schlafzimmer und er liegt oft genug in meinem Bett. Ich denke, das ist mehr als eine Affäre.«
»Für mich ist das sehr angenehm, er geht mir nicht mehr so sehr auf den Keks, wenn er etwas wissen will«, neckte Jake sie. »Allerdings finde ich es immer noch etwas befremdlich, dass du dir ausgerechnet diesen Reporter angeln musstest …«
»Liam ist total in Ordnung«, nahm Laurie ihren Freund in Schutz. »Ich finde es toll, dass er diesen Artikel über meine Schwester gemacht hat.«
»Ja, das rechne ich ihm hoch an. Auch wenn es ja leider nicht viel gebracht hat.«
»Nein, leider …« Laurie seufzte traurig. Zwar hatten tatsächlich einige Personen sowohl die Redaktion der Baltimore Sun als auch die Polizei kontaktiert, weil sie glaubten, irgendwas über Samanthas Verbleib zu wissen. Allerdings waren alle vermeintlichen Hinweise und Spuren im Sande verlaufen – nicht zuletzt auch deshalb, weil Lauries Schwester nun schon seit elf Jahren verschwunden war.
»Leider kann ich mich gerade auch nicht so auf die Suche nach ihr konzentrieren, wie ich es gern würde. Mein neuer Fall vereinnahmt mich sehr und der große Durchbruch in Sams Fall steht immer noch aus. Du weißt, wie das dann läuft …«
Laurie nickte betreten. Das wusste sie leider viel zu gut. Über kurz oder lang würde Jake die Akte wieder schließen müssen und der Fall blieb ungelöst. »Habt ihr denn keinerlei neue Erkenntnisse mehr gewonnen?«
»Nein, leider nicht. Ich bin ja froh, dass wir wenigstens die Herkunft des Videos ungefähr eingrenzen konnten, aber jetzt hängt es eben auch an den Behörden in Virginia. Dort gibt es immer noch keinen Hinweis darauf, dass Sam tot sein könnte.«
Laurie seufzte unglücklich. Jake hatte sie immer zeitnah und ausführlich über alle Fortschritte in Kenntnis gesetzt. Er wusste, mit ihr musste er nicht sprechen wie mit einer normalen Angehörigen. Ihr musste er nicht jede Vorgehensweise haarklein erklären und konnte auch ganz offen zu ihr sein.
Er hatte sich das Video unzählige Male angesehen und von den Technikern bearbeiten lassen, um das Maximum an Informationen herauszuholen. Auf der Tonspur konnten sie ein Geräusch hörbar machen, das nach einer Belüftungsanlage klang; ansonsten war es in der Umgebung vollkommen still. Man konnte erkennen, dass Sam sich in einem Raum mit Holzwänden befand. Und sie hatten die Gestalt ihres Entführers analysiert, die später auf dem Video ins Bild gekommen war. Jake hatte ihr auch erzählt, warum: Die Kamera war auf einem Stativ positioniert und hatte gefilmt, wie er Sam vergewaltigte.
Dabei hatte der Täter zwar eine Sturmhaube getragen, um auf dem Video nicht identifizierbar zu sein, aber sie konnten zumindest seine Größe schätzen und wussten, dass er eine helle Hautfarbe hatte. Sie hatten die Tonspur einem Sprachexperten vorgespielt, der die Herkunft des Mannes anhand seines Akzents auf den Raum Philadelphia eingrenzen konnte. Bei der Schätzung des Alters wollten sie sich nicht festlegen, aber mit seinen Kollegen hatte Jake gezielt nach Sexualstraftätern aus der Region Philadelphia gesucht.
Etwa zwei Wochen später war ihm ein verdeckter Ermittler aus einer Sondereinheit für Cyberkriminalität zu Hilfe gekommen, der ein ähnliches Video aus dem Jahre 2007 ausfindig gemacht hatte. Er hatte von Jakes Bemühungen, die Herkunft eines Videos zu klären, gehört und sich anhand der Beschreibungen angesprochen gefühlt, die Jake in Ermittlerkreisen bekannt gegeben hatte.
Auch das Video von 2007 trug einen Datumsstempel, war in einem Raum mit Holzwänden aufgenommen worden und zeigte eine Vergewaltigung. Jake hatte es sich angeschaut und die Umgebung und den Täter sofort wiedererkannt. Tatsächlich handelte es sich um denselben Mann in demselben Raum und auch hier wussten sie, wer das Opfer war: Tina Holford, die als Sechzehnjährige in Charlottesville, Virginia verschwunden war – und zwar schon 2002. Der Ermittler hatte Tina nach langer Suche und einem manuellen Abgleich mit Fotos aus der Vermisstendatenbank als die Frau auf dem Video identifiziert, aber er wusste auch, dass sie längst tot war.
Wanderer hatten ihre skelettierten Überreste 2010 etwa 70 Meilen von Charlottesville entfernt in einem Wald am Fuße der Appalachen nördlich von West Augusta gefunden. Man hatte sie schließlich anhand ihres Zahnstatus und einer folgenden DNA-Analyse identifiziert. Der Gerichtsmediziner hatte geschätzt, dass sie schon zwei bis drei Jahre tot war, was für Jake nur einen Schluss zuließ: Sie war vor Sams Entführung ermordet worden und ihre direkte Vorgängerin gewesen. Das ließ ihn schätzen, es mit einem inzwischen etwa vierzigjährigen Mann zu tun zu haben, der seine ersten Straftaten noch vor 2002 begangen hatte.
Das verkomplizierte die Suche enorm, denn die Akten waren alt, die Daten nicht immer vollständig. Allerdings vermutete er jetzt, dass der Täter zwar aus der Gegend um Philadelphia kam, aber irgendwo in den Wäldern Virginias ein abgelegenes Versteck hatte. Dort hatte er jahrelang zuerst Tina Holford eingesperrt und nun hielt er vermutlich seit elf Jahren Lauries Schwester gefangen.
Wenn sie denn noch lebte. Einen Hinweis auf ihren Tod gab es nicht, Jake hatte sich einen Ansprechpartner in Virginia gesucht und ihn mit dem Fall vertraut gemacht. Gemeinsam waren sie die Leichenfunde der letzten fünf Jahre durchgegangen und hatten versucht, irgendwie dem Täter auf die Schliche zu kommen oder herauszufinden, woher dieses Video stammte. Allerdings hatten sie keinerlei Informationen, die ihnen verrieten, wo und von wem es aufgenommen worden war.
Es hatte sogar eine Suchaktion in den Appalachen in der Region gegeben, in der man damals Tina Holfords Leichnam gefunden hatte – aber nichts. Sam blieb wie vom Erdboden verschluckt.
Es wurmte Jake enorm, dass sie keinerlei konkrete Hinweise wie eine IP-Adresse, einen Benutzeraccount oder eine Originaldatei hatten, die ihnen weitergeholfen hätten. Jake hatte das Video von Sam auf dem Rechner der Paytons gefunden, wo es seit Jahren gespeichert gewesen war, und dem verdeckten Ermittler hatte man das andere ohne Angaben von Quellen zugespielt.
Es war ein Wechselbad der Gefühle für Laurie. Seit sie davon wusste, verging kein Tag, an dem sie nicht an Sam dachte und sich fragte, wo ihre Schwester festgehalten wurde und von wem. Es quälte sie, dass es zwar endlich einen Hinweis auf ihren Verbleib gab, der aber so vage blieb, dass ihnen die Hände gebunden waren. Sam war doch irgendwo da draußen und hoffte jeden Tag, dass man sie fand und rettete. Vielleicht vermisste sie Laurie so, wie Laurie sie vermisste …
»Special Agent Morrissey, mein Ansprechpartner beim FBI in Richmond, nimmt die Sache auf jeden Fall sehr ernst und auch, wenn ich demnächst vielleicht nicht mehr weiter in der Sache ermitteln kann, bleibt er dafür zuständig. Er hat letzte Woche noch vorgeschlagen, dass ich dir seine Nummer gebe, damit du dich bei Fragen an ihn wenden kannst«, riss Jake sie aus ihren Gedanken.
»Oh, das ist aber nett.«
»Ja, der Mann ist ganz in Ordnung, denke ich. Es gibt immer noch Chancen.«
Laurie nickte bloß, ohne zu wissen, was sie erwidern sollte. Die Vorstellung, dass Sam immer noch irgendwo eingesperrt war, quälte sie. Das musste sofort aufhören. Aber sie war ja selbst Polizistin gewesen und wusste, wie das lief. Die Polizei konnte auch nicht zaubern, ebenso wenig das FBI. Die Bundesbehörde war ohnehin nur zuständig, weil es Hinweise darauf gab, dass ein Verbrechen über Staatsgrenzen hinweg geschehen war – der Täter hatte Sam ja vermutlich von Maryland nach Virginia verschleppt. Aber auch das FBI konnte natürlich keine Wunder vollbringen.
»Ich versuche, nicht allzu sehr zu hoffen«, gab Laurie zu. »Dann ist die Gefahr, enttäuscht zu werden, nicht so groß.«
»Jetzt gib doch noch nicht auf. Du weißt, dass dieser Fall mir besonders am Herzen liegt.«
»An welchem neuen Fall arbeitest du denn gerade?«, wechselte Laurie abrupt das Thema. »Du musst nicht antworten.«
»Warum sollte ich das vor dir geheim halten? Wir plaudern doch nur unverfänglich.«
Laurie lächelte, denn sie wusste seine Offenheit zu schätzen.
»Es geht um den Mord an einer jungen Frau. Sie wurde von ihrem eigenen Freund umgebracht. Das hat er uns gestanden. Er behauptet aber, schuldunfähig zu sein, weil er Stimmen gehört hat, die ihn dazu gezwungen hätten.« Sein Blick verriet, wie glaubwürdig er das fand.
»Ah ja«, machte auch Laurie vielsagend. »Wollte sich nicht sogar John Wayne Gacy mal auf die Art herausreden?«
»Das weiß ich nicht, aber dem Kerl hier nehme ich das nicht ab. Es gibt noch ein paar kleinere Ungereimtheiten, die ich klären muss, aber er leugnet ja gar nicht, den Mord begangen zu haben. Er leidet auch total und vermisst sie. Allerdings sieht es so aus, als sei er wirklich nach Hause gekommen mit dem festen Vorsatz, seine Freundin vom Fleck weg zu erstechen. Der Gerichtsmediziner hat dreiundzwanzig Messerstiche gezählt. An der Tatwaffe sind die Fingerabdrücke des Verdächtigen, er war voll mit dem Blut der Toten, aber irgendwer hat im Tatzeitraum geduscht und das waren weder er noch die Tote. Nur war sonst niemand dort.«
»Merkwürdig«, pflichtete Laurie ihm bei.
»Ja, irgendwas übersehen wir noch, aber wir werden es herausfinden.«
»Mit Sicherheit. Und wie läuft es sonst?«
Jake zuckte nichtssagend mit den Schultern. »Alles normal, eigentlich.«
»Wie geht es Jennifer?«
»Ach, der geht’s ganz gut.«
Laurie hörte die Gleichgültigkeit in seinem Unterton genau, entschied sich dann aber dagegen, weiter nachzuhaken.
Jake wirkte irgendwie geistesabwesend, das war unübersehbar. Dabei war es sein Vorschlag gewesen, sich nach Feierabend auf einen Burger zu treffen. Laurie nahm es ihm nicht übel, auch wenn sie ahnte, dass es vermutlich nur darum gegangen war, ihr zu sagen, dass er bald die Ermittlungen wegen Sam niederlegen musste. Damit hatte sie gerechnet und konnte es ihm nicht zum Vorwurf machen.
Nachdem sie ihre Burger gegessen hatten, blieben sie noch eine Weile zusammen auf der Bank sitzen, doch als die Sonne hinter aufziehenden Wolken verschwand, wurde es rasch kühl und sie beschlossen aufzubrechen.
»Hat mich gefreut«, sagte Jake und umarmte Laurie zum Abschied. »Ich melde mich bei dir, sollte sich noch etwas ergeben.«
»Danke«, sagte sie und wünschte ihm noch einen schönen Abend. Ganz in Gedanken machte sie sich auf den Weg zum Bus, der sie nach Hause bringen würde. In diesem Augenblick konnte sie wirklich nur an ihre Schwester denken. Hoffentlich fand das FBI in Virginia etwas …
Als die Sonne wieder unter den Wolken hervorlugte, färbte der Himmel sich blutrot. Es war ein wunderschöner Sonnenuntergang, der Laurie ein wenig schwermütig machte. In Federal Hill angekommen stieg sie aus dem Bus und lief das letzte Stück nach Hause. Während sie ihre Wohnungstür aufsperrte, beschloss sie, Liam noch anzurufen.
Sie streifte ihre Schuhe ab, stellte ihre Tasche in die Ecke und machte einen Umweg über das Bad, bevor sie sich mit ihrem Handy aufs Sofa setzte und ihren Freund per Kurzwahl anrief.
»Guten Abend, schöne Frau«, begrüßte er sie auf seine typisch charmante und etwas alberne Art, was nichts daran änderte, dass er sein Kompliment durchaus ernst meinte.
»Hey.« Laurie legte die Füße hoch. »Störe ich?«
»Gar nicht, wieso?«
»Ich wollte deine Stimme hören. Hast du noch zu tun?«
»Zum Glück nicht. Ich wollte mir gerade eine Dose Bier aufmachen. Wieso bist du schon zurück?«
»Wir waren fertig und es wurde kühl am Hafen«, sagte Laurie.
»Oh, muss ich kommen und dich wärmen?«
»Würdest du?«
»Aber sicher. Wie könnte ich da Nein sagen? Bis gleich.«
Mit einem Lächeln verabschiedete Laurie sich von ihm und legte auf. In solchen Momenten liebte sie Liam. Gerade lieferte er ihr genau das, was sie brauchte – eine Schulter zum Anlehnen, jedoch ohne übersteigerte Erwartungen. Er nahm ihr nicht die Luft zum Atmen. Im Gegenteil, im Augenblick arbeitete er furchtbar viel und sie sahen sich seltener, als es Laurie lieb gewesen wäre. Es reichte ihr jedoch völlig, dass er jetzt kommen würde, denn momentan wollte sie nicht allein sein.
Bis zu seiner Ankunft räumte sie noch ein wenig auf. Sie kam nicht dazu, sich zu langweilen, denn da klingelte es bereits und Liam stand vor der Tür. Er hatte sich lässig an ihren Türrahmen gelehnt und lächelte, als sie ihm öffnete.
»Guten Abend, schöne Frau«, sagte er augenzwinkernd. Laurie konnte dem Impuls nicht widerstehen, ihn gleich zu küssen und sich in seine Umarmung zu flüchten.
»Hey. Alles okay?« Liam drückte sie an sich.
Sie nickte und lud ihn ein hereinzukommen, bevor sie die Tür hinter ihnen schloss und voraus ins Wohnzimmer ging. Gemeinsam setzten sie sich aufs Sofa, wo Laurie sich bequem an ihren Freund lehnte, bevor sie die Augen schloss.
»Hätte nicht damit gerechnet, dass wir uns heute noch sehen«, gab Liam zu.
»Ich wusste ja nicht, wie spät es wird, aber jetzt … Ich wollte einfach nicht allein sein.«
»Wie gut, dass du einen Freund hast.« Liam verzog keine Miene, entlockte Laurie aber immerhin ein Lächeln.
»Ja, das ist es.«
»Gibt es etwas Neues von deiner Schwester?«
Fast wäre Laurie zusammengezuckt. Genau das war ihr Problem. Sie bekam Sam einfach nicht aus dem Kopf.
»Nichts, was du nicht schon weißt. Jake sagte mir vorhin nur, dass er jetzt gerade an einem Mordfall sitzt und natürlich nicht ewig an Sams Fall arbeiten kann, wenn keine neuen Erkenntnisse mehr kommen.«
»Er will ihn zu den Akten legen?«
»Will er nicht, muss er aber irgendwann. Immerhin ist ja das FBI in Virginia noch an der Sache dran …«, versuchte Laurie, sich selbst zu trösten.
»Das können die doch nicht machen, ich meine … Sam ist noch irgendwo da draußen! Das kann doch nicht wahr sein«, regte Liam sich auf.
»Jake gibt nicht auf, dafür kenne ich ihn zu gut.«
»Schon, aber …« Frustriert schüttelte Liam den Kopf. »Ich würde eine Task Force einsetzen, damit mal Bewegung in die Sache kommt, und er setzt nicht mal die Ermittlungen fort. Das ist falsch.«
»Das ist doch nicht seine Schuld.«
»Trotzdem. Wenn ich noch etwas tun kann …«
»Ich weiß nicht was«, murmelte Laurie frustriert und seufzte tief. »Weißt du, was schlimm ist?«
Liam schüttelte stumm den Kopf.
»Ich muss jetzt immer daran denken, dass sie vermutlich noch lebt. Dass sie irgendwo da draußen ist und durch die Hölle geht und ich ihr nicht helfen kann. Diese wachsende Gewissheit ist so grausam. Ich meine, ich weiß ja, was auf dem Video noch zu sehen war …«
Ihr kamen die Tränen, als sie daran dachte, dass dieser Mann ihre Schwester vergewaltigt hatte. Das musste einfach aufhören.
Als sie ganz leise zu schluchzen begann, drückte Liam sie an sich und küsste sie aufs Haar.
»Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben«, murmelte er.