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Dieser Band enthält folgende SF-Romane: Kopfgeld - Die Wormhole Affäre (Ann Murdoch) Lennox und der Wettlauf gegen die Zeit Time-Travellers (Margret Schwekendiek) Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen und das dunkle Zeitalter hat begonnen. In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf … Mit Mühe gelingt es Professor David Mulroney, mit seinem Flugzeug von Berlin ins Rheinland zu gelangen. Auch hier hat der Kometeneinschlag die Entwicklung der Menschheit zurückgeworfen. Wie und wo soll er Hilfe finden, um endlich Tim Lennox aufzuspüren? Die Rivalität zwischen Coellen und Dysdoor könnte sich als nützlich erweisen. Doch dann erfährt der Professor, dass Lennox in Amerika ist.
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Seitenzahl: 526
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Science Fiction Dreierband 3021 - Drei Romane in einem Band
Copyright
Die Wormhole-Affäre - Band 5 Kopfgeldjagd
Erstes Kapitel: Prestige
Zweites Kapitel: Keine Ruhe an Bord
Drittes Kapitel: Sympathie sieht anders aus
Viertes Kapitel: Mutanten sind anders
Fünftes Kapitel: Kontrollverlust
Sechstes Kapitel: Die Stille vor dem Tod
Glossar Schwarze Division
Lennox und der Wettlauf gegen die Zeit
Time-Travellers: Mit Trans-Time-Net Inc durch die Zeit
Dieser Band enthält folgende SF-Romane:
Kopfgeld - Die Wormhole Affäre (Ann Murdoch)
Lennox und der Wettlauf gegen die Zeit
Time-Travellers (Margret Schwekendiek)
Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen und das dunkle Zeitalter hat begonnen.
In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf …
Mit Mühe gelingt es Professor David Mulroney, mit seinem Flugzeug von Berlin ins Rheinland zu gelangen. Auch hier hat der Kometeneinschlag die Entwicklung der Menschheit zurückgeworfen. Wie und wo soll er Hilfe finden, um endlich Tim Lennox aufzuspüren? Die Rivalität zwischen Coellen und Dysdoor könnte sich als nützlich erweisen. Doch dann erfährt der Professor, dass Lennox in Amerika ist.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A. PANADERO
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Alles rund um Belletristik!
von Ann Murdoch
Der Umfang dieses Buchs entspricht 130 Taschenbuchseiten.
Auf Tandor III verschwinden die so dringend benötigten Rohstoffe spurlos. Um den Willen des Ordens durchzusetzen, zettelt Generaloberst Weishaupt eine gewaltsame Durchsetzung an.
Caitlin de Valera will die Spionageaffäre um ihre Agenten aufklären und macht sich mit Stavros Thiotis nach Parador-Blue auf. Hoher Besuch für die Station S 7, die legendäre Kopfgeldjägerin Rovena Leveque, auch als Killer-Queen bekannt, kommt an Bord. Was hat sie mit dem Halbmenschen Cornell Rraugh und dem neuen Chefarzt Dr. Ferrier zu tun?
Das Last Vision war gut gefüllt, die neu angekommenen Gäste bevölkerten die Räumlichkeiten nicht nur in der Bar. Bei der Größe der Station fielen 250 zusätzliche Lebewesen mehr nicht unbedingt auf, erst wenn alle drei avisierten Schiffe hier eingetroffen waren, würden sich die Besucher ein wenig auf die Füße treten, aber das galt nur für eine begrenzte Zeit, danach würde wieder Ruhe einkehren – vielleicht. Auf Outer Circle konnte man nie wissen.
Paul Meyers wirkte angesichts des Umsatzes zufrieden, und die Unruhen hielten sich in Grenzen. Nirgendwo konnte es absolut ruhig bleiben, wenn derart viele unterschiedliche Lebewesen aufeinander trafen, die in erster Linie daran interessiert waren, sich unterhalten zu lassen. So gab es durchaus ein paar kleine Auseinandersetzungen an Bord der Station. Das alles wäre kein Problem gewesen, wenn da nicht die ungeklärten Anschläge das Personal beunruhigt hätten.
Paul stellte an diesem Abend voller Unbehagen fest, dass sich offenbar ein zusätzliches Problem andeutete. Cornell Rraugh erzählte ihm wie nebenbei, dass die Ankunft von Rovena Leveque bevorstand. Zuerst konnte Paul mit dem Namen nichts anfangen, doch dann kehrte die Erinnerung zurück. Es handelte sich um eine Kopfgeldjägerin, die ohne Rücksicht auf Unbeteiligte oder gar die Umgebung ihre Jagd ausübte. Weil sie sich niemals aufhalten ließ und keine Hemmungen kannte, war sie unter dem Namen Killer-Queen bekannt geworden, was auch darauf hindeutete, dass sie aus dem königlichen Haus der aquitanischen Erbmonarchie stammte.
Was oder wen suchte die Frau an Bord von Outer Circle? Ein unbehagliches Gefühl kroch Paul den Rücken hinauf, aber er hätte nicht einmal das Recht, sie direkt danach zu fragen, wen sie jagte. Davon abgesehen würde sie es ihm auch nicht sagen. Die Gilde der Kopfgeldjäger war eine kleine verschworene Gemeinschaft, die ihre Geheimnisse gut zu hüten wusste. Doch Meyers konnte mit Damian Carter sprechen – oder nein, besser gleich mit Alexa, falls die überhaupt Details wusste. Carter hatte genug um die Ohren, bis er den Attentäter ausfindig gemacht haben würde.
Sollte die Killer-Queen mit einem ganz normalen Passagierschiff hier ankommen, wäre das ein seltenes Ereignis und könnte bedeuten, dass sie gerade nicht auf der Jagd war. Paul verstand das nicht so recht. Leveque war in der ganzen Galaxis bekannt, ohne Leibwächter oder spezielle hochgerüstete Schutzschirme würde sie nirgends hingehen können, oder doch?
Soweit war Meyers mit seinen Überlegungen, als ihm auch schon klar wurde, dass nicht nur er diese Gedanken hegte. Flüchtig schoss ihm die Idee durch den Kopf, sie könnte etwas mit den Anschlägen zu tun haben, aber das war doch eigentlich unmöglich, oder?
Paul schalt sich selbst einen Narren. Weshalb zerbrach er sich in den Kopf anderer Leute? Auch der Sicherheitschef der Station würde bald über die Ankunft der Killer-Queen Bescheid wissen. Carter brauchte keine zusätzlichen Hinweise, er war in der Lage, seinen Job auch ohne Einmischung von außen gut zu erledigen.
„So viele Lebewesen empfinde ich förmlich als Belastung, nachdem ich über längere Zeit die fast familiäre Atmosphäre hier genießen durfte.“
Paul wandte dem Sprecher seinen Blick zu und seufzte. „Sie schon wieder, Rraugh? Ich hatte für kurze Zeit die Hoffnung gehegt, Sie wären schon weg.“ Der geheimnisumwitterte Halbmensch tauchte immer wieder überraschend auf, lauschte den unmöglichsten Geschichten, gab aber keine Details über sich selbst preis. Obwohl er weitgehende Sondervollmachten besaß, hatte auch Oberst Dexter keine Ahnung, wer und was er war.
Der leicht angestrengte Unterton in der Stimme des Mannes schien dem Halbmenschen völlig entgangen zu sein.
„Da die Verwerfung nun schon so kurz bevorsteht, werde ich das doch nicht versäumen“, protestierte Cornell sanft.
„Warum helfen Sie dann Carter nicht bei den Ermittlungen? Er kann sicher jede Hilfe gebrauchen, bis der Attentäter endlich gefasst ist. Niemand hier auf der Station mag eine solche Bedrohung. Außerdem habe ich ständig das Gefühl, Sie wüssten mehr als jeder andere.“
„Was die Bedrohung angeht, gebe ich Ihnen vollkommen recht, Paul. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passieren könnte, sollte eine Explosion ernsthafte Schäden hervorrufen. Doch Damian Carter hat mir versichert, dass er die Situation durchaus allein bewältigen kann. Ich selbst finde es im Augenblick hochinteressant, die unterschiedlichen Lebewesen zu beobachten und mir Gedanken darüber zu machen, was jeden einzelnen von ihnen bewogen haben könnte, einen doch teuren Flug durch die Galaxis auf sich zu nehmen. Ist es nur die Neugier? Der Wunsch, einmal bei einer Verwerfung dabei zu sein?“
„Nervenkitzel vielleicht“, mutmaßte Paul. „Schließlich kann man hier das unmittelbare Gefühl von Gefahr erleben, ohne wirklich gefährdet zu sein.“
„Auch eine Möglichkeit“, räumte Rraugh ein und verschwand wieder einmal irgendwohin.
*
Columban von Harthausen, Generalmajor und Kommandeur der Schwarzen Division auf S 7, ließ sich nicht aufhalten, er marschierte mit allen Anzeichen von Unmut in die Zentrale der Sternstation. Outer Circle, wie die Station allgemein bezeichnet wurde, befand sich in der Nähe eines Wurmlochs, das in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen von einer Verwerfung heimgesucht wurde, eine Art Kollaps, bei dem alles in einer gewissen Reichweite eingesaugt, zerstört und teilweise wieder ausgeworfen wurde, wobei sich das stellare Phänomen wie ein Magen umstülpte. Während dieser Verwerfungen konnte das Wurmloch nicht als Raumstraße genutzt werden.
In relativ geringer Entfernung befand sich außerdem das Tandor-System, das vom Ritterorden erst kürzlich annektiert worden war. Eigentlich müsste dort längst der Abbau einiger wertvoller Rohstoffe vonstatten gehen, aber genau das war das Problem, welches den Generalmajor nun auf die Brücke zu Oberst Alexa Dexter trieb.
Die Minenschiffe, die unter hohen Kosten permanent die wertvollen Mineralien, darunter das besonders wertvolle Luciferum, fördern sollten, fanden – nichts.
Columban hatte selbst den Versuch unternommen, ein direkt angezeigtes Vorkommen von einer kleinen Abbaueinheit ausbeuten zu lassen. In dem Augenblick, da sich die Schrauben in die Planetenoberfläche bohrten, verschwand das Vorkommen spurlos. Nach Aussage der Matriarchin von Tandor verursachte dieses Phänomen die planetare Göttin, die Weltenmutter, die sich auf ihre eigene Weise gegen die „Vergewaltigung ihrer Seele“, wehrte. Niemand würde ohne den Willen der Göttin etwas abbauen, hieß es.
Das konnte und durfte der Generalmajor nicht durchgehen lassen. Nach mehreren Berichten an den Generalrat des Ordens hatte er strikten Befehl erhalten, mit allen Mitteln für einen reibungslosen Abbau zu sorgen. Er hatte also freie Hand, was ihm jedoch noch nicht viel half, denn mit welchen Mitteln wollte man gegen eine Göttin kämpfen, die niemand sehen oder hören, und mit der auch kein Mensch kommunizieren konnte.
An Bord von S 7 befanden sich die einzigen vier Tandorer, die jemals ihre Welt verlassen hatten. Wie sich mittlerweile herausstellte, besaßen alle Mitglieder dieses Volkes übersinnliche Fähigkeiten. Sie konnten selbst an Bord der Station eine Eruption aus dem Nichts auslösen, und sie waren fähig, über große Entfernungen hinweg mit anderen Tandorern in Kontakt zu bleiben. Sie waren also Mutanten!
Mutanten! Allein dieses Wort löste tiefen Abscheu in jedem Ordensmitglied aus. Mutanten, gleich welcher Rasse, waren genetische Missgeburten, geistige Krüppel, verabscheuungswürdige Kreaturen, nicht lebenswert.
Da sich im Augenblick wieder irdische Mutanten auf Outer Circle befanden, war die Atmosphäre innerhalb der Schwarzen Division ohnehin angespannt. Jeder Ordensritter wäre nur zu gern bereit, alle Mutanten eigenhändig zu töten. Dabei wusste bislang noch keiner von ihnen, dass sich zwischen den Paranormalen und der irdischen Regierung ein ernster Konflikt entwickelt hatte. Paul Meyers, ein alter Bekannter des zuständigen Ministers, war als Vermittler eingeschaltet worden, schwieg jedoch eisern über die Vorgänge.
Columban musste jedoch dringend mit der Kommandantin reden. Nachdem die Tandorer auf der Station einen kleinen, aber dennoch gefährlichen Vulkanausbruch inszeniert hatten, war Oberst Dexter nichts anderes übrig geblieben, als die Aliens in Einzelzellen zu inhaftieren. Sie hoffte, auf diese Weise einem weiteren ungeplanten Ereignis vorzubeugen. Von Harthausen aber musste mit den Tandorern reden. Es musste einfach eine Möglichkeit geben, die Rohstoffe zu finden und abzubauen.
Columban hatte vor gar nicht langer Zeit darüber spekuliert, dass der Planet im schlimmsten Fall eine Art Selbstmord begehen könnte. Nicht einmal er selbst wollte daran glauben, dass eine solch extreme Situation entstehen könnte. Dennoch war sie nicht von der Hand zu weisen. Nein, verflucht nochmal! Er war bereit, sich so weit selbst zu demütigen, dass er …
„Was gibt es so Wichtiges, Generalmajor, dass Sie unangemeldet auf die Brücke kommen?“ Alexa Dexter fragte in freundlichem Tonfall, doch ihre blitzenden Augen zeigten ihren Unmut über den unerwarteten Besuch. Im Allgemeinen nahm sich die Schwarze Division nur im Umgang mit Außerirdischen Sonderrechte heraus, doch Alexa versuchte, diese Extratouren so weit wie möglich zu beschränken.
„Ich hoffe, Sie werden mir verzeihen, Oberst, aber ich habe eine dringende Bitte an Sie, die keinen Aufschub duldet.“
Dexter übergab mit einer knappen Bemerkung das Kommando an einen Leutnant an der Ortung und verließ den Kommandostand. Sanft drängte sie den Generalmajor in Richtung Ausgang, Columban sträubte sich nicht.
„Was könnte so wichtig sein, dass es nicht bis später Zeit hätte, wenn ich wieder im Büro bin und allgemeine Sprechstunde habe?“, fragte sie streng.
„Ach, kommen Sie, Alexa, macht es wirklich einen Unterschied, ob ich Sie hier auf der Brücke oder im Büro frage?“, erwiderte er bemüht lässig.
Sie funkelte ihn an. „Es machte insofern einen Unterschied, als dass die Schwarze Division nichts im Kommandostand zu suchen hat, wenn sie nicht eingeladen ist. Es entsteht der Eindruck, dass Sie als Befehlshaber der Schwarzen Division in mein Kommando hineinreden. Das werde ich nicht zulassen. Muss ich Ihnen das wirklich erst erklären?“
„Nein, natürlich nicht“, gestand er ein. „Ich war jedoch der Ansicht, dass ein persönliches Gespräch zielführender sein könnte.“ Die Dringlichkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören. Dexter führte von Harthausen in ihr Büro, das nach menschlichem Ermessen als abhörsicher galt.
„Nun, Columban, reden Sie“, forderte sie. Zu ihrem Erstaunen berichtete der Generalmajor ohne Vorbehalte von dem, was er auf Tandor III erlebt und erfahren hatte.
„Eine wirklich seltsame Geschichte“, stimmte sie zu. „Aber was habe ich damit zu tun, Columban?“
„Sie haben die Tandorer inhaftiert und strengstes Kontaktverbot verhängt. Aber ich muss mit den Aliens reden.“
Alexa schwieg.
„Es muss einen Weg geben, die Vorgänge auf Tandor zu bereinigen und eine Lösung zu finden, die allen entgegenkommt. Verflucht, gibt es besondere Beschwörungen, Gebete, Opferungen – was weiß ich? Lassen Sie mich mit den Außerirdischen reden, bitte. Verstehen Sie mich denn nicht, Alexa? Ich will eine Eskalation verhindern. Die Befehle vom Generalrat sind eindeutig. Sollte der Abbau der Rohstoffe, aus welchem Grund auch immer, nicht funktionieren, habe ich Anweisung, mit Gewalt vorzugehen. Können Sie sich vorstellen, was das heißt, wo es sich um einen – meiner Meinung nach – lebenden Planeten handelt?“
Sie schwieg noch immer und versuchte das Gehörte zu verarbeiten. „Sie befürchten eine Art Kollaps? Eine gewaltige Eruption, in der alle Rohstoffe als Lava verglühen? Das wäre ein großer Verlust und würde vermutlich auch das Volk in Mitleidenschaft ziehen“, stimmte sie zu.
„Schlimmer noch“, sagte von Harthausen düster, der Oberst Dexter nicht erklären konnte und durfte, weshalb ausgerechnet die Rohstoffe auf Tandor so wichtig waren.
„Wie soll ich das verstehen?“
„Ich befürchte, der Planet in Form der Weltenmutter könnte Selbstmord begehen. Ich meine, er könnte sich tatsächlich selbst vernichten. Das würde das Systemgefüge destabilisieren, das ganze Sonnensystem könnte kollabieren. Die Auswirkungen würden weite Teile der Galaxis betreffen und könnten sich auch auf dieses Wurmloch auswirken. Dann wäre auch S 7 betroffen.“
Sie blickte ihn eine Weile prüfend an. „Warum diese Rücksichtnahme, Columban? Sie sind normalerweise nicht gerade zimperlich, dafür kenne ich Sie schon viel zu lange. Sie haben zwar immer versucht, durch Agenten und eifrige Untergrundarbeit den Widerstand so gering wie möglich zu halten, doch falls es notwendig ist, schlagen Sie kompromisslos zu. Warum also wollen Sie hier unbedingt anders vorgehen? Erzählen Sie mir bitte nicht, Sie wären plötzlich religiös geworden und wollten an das allmächtige Wesen der Tandorer appellieren oder gar ein Gebet sprechen. Was steckt wirklich dahinter? Und warum muss es ausgerechnet Tandor sein? Der Orden und die Schwarze Division könnten den Problemen mühelos aus dem Weg gehen und woanders Rohstoffe ausbeuten.“
Wie konnte er ihr erklären, dass es nur auf Tandor das Element Luciferum in abbauwürdiger Menge gab, das für den Bau neuer Technik in den Wurmlöchern notwendig war? Sie durfte nicht einmal ahnen, dass der Orden weitergehende Pläne in Bezug auf die Wurmlöcher hegte.
„Sie sind viel zu klug, Alexa“, gab er zu. „Natürlich gibt es ein paar gute und wichtige Gründe, sich auf Tandor zu konzentrieren. Sie erwarten aber nicht ernsthaft, dass ich Ihnen vertrauliche Informationen des Ordens verrate? Glauben Sie mir bitte, dass es wirklich wichtig ist.“
„Ich glaube Ihnen eine Menge, Columban, und von der Wichtigkeit Ihrer Mission bin ich überzeugt. Können Sie mir garantieren, dass die Tandorer keinen erneuten Versuch machen, hier an Bord einen Vulkanausbruch zu erzeugen?“
„Wie sollte ich das garantieren können? Ich bin nicht einmal sicher, dass die Außerirdischen mit mir reden werden. Aber Sie dürfen natürlich gern dabei sein …“
„Nein, wie überaus gütig.“
„Ach, bitte, Alexa, Sie wissen genau, wie ich es meine. Ich will kein Geheimnis daraus machen. Treffen Sie alle Vorkehrungen, die Sie für notwendig halten – aber bitte, ich muss noch einen Versuch zur Verständigung machen.“
„Was erhoffen Sie sich, was Sie nicht längst mit der Matriarchin besprochen haben?“, fragte sie hartnäckig.
„Ich weiß es nicht, verdammt noch mal.“
„Na endlich, das war mal eine ehrliche Antwort.“
„Sie können sich Ihren Spott sparen.“
„Sie sind verzweifelt, Columban, das kenne ich gar nicht von Ihnen. Haben Sie noch andere Probleme?“
„Davon wollen Sie gar nichts hören, glauben Sie mir, Alexa“, seufzte er.
„Ich werde über Ihre Bitte nachdenken, Columban. Versprechen kann ich Ihnen jedoch noch nichts. Nein …“ Sie machte eine energische Handbewegung, als er etwas sagen wollte. „Ich gebe Ihnen in einer Stunde Bescheid, wie ich mich entschieden habe.“
Er senkte zustimmend den Kopf. „Dann werde ich mich gedulden“, erklärte er gefasst und ging mit einer kleinen Verbeugung hinaus. Alexa legte ihren Kopf auf die verschränkten Arme auf dem Schreibtisch. Konnte es denn auf dieser Station nicht einen Tag geben, an dem alles ruhig blieb und einen einigermaßen geordneten Gang lief? Irgendetwas an den Worten von Columban hatte einen Gedanken in ihrem Hinterkopf geweckt. Aber die Überlegung hatte sich bereits wieder verflüchtigt. Was war das nur gewesen?
Oberst Dexter meldete sich ab, sie brauchte dringend ein ungestörtes Gespräch mit Paul Meyers. Er schien außer ihr der einzige zu sein, der hier an Bord noch einen klaren Verstand besaß.
*
Caitlin de Valera war nicht sicher, ob der Generalmajor ihren Plan gutheißen würde. Sie wollte, dass Stavros Thiotis noch einmal nach Parador-Blue flog, vorgeblich, um seine jährliche Zahlung abzuholen – zusammen mit ihr. Dabei wollte die Koordinatorin eingreifen, um denjenigen zu bekommen, der bei dem Agenten die Daten abrief und dem Orden Schwierigkeiten machte.
Doch es gab gleich mehrere Hindernisse. Auch Thiotis hatte sie den Vorschlag noch nicht unterbreitet, es war nicht abzusehen, ob er seine Haut zu Markte tragen würde. Es wäre ein hohes Risiko – ein verdammt hohes sogar. Darüber durfte sie nicht allein entscheiden.
Das kleine Raumschiff erreichte endlich das Center. Ilja Karpow kehrte zurück in die technische Abteilung, wo er mit anderen Technikern zusammen mehrere Raumschiffe wartete und modifizierte.
Caitlin musste sich zunächst mit zahllosen Verwaltungsaufgaben beschäftigen. Die drei Agenten wurden vorerst in Arrestzellen untergebracht, de Valera wollte kein Risiko eingehen. Im Übrigen stand allen ein Disziplinarverfahren bevor.
Endlich, etliche Stunden später kam Caitlin dazu, über eine gesicherte Leitung auf Outer Circle anzurufen. Doch Generalmajor von Harthausen befand sich in einem Außeneinsatz und war nicht zu erreichen. Die Koordinatorin der Abteilung Operative Kommunikation entschied sich für einen verhängnisvollen Plan und überschritt damit ihre Kompetenzen.
*
„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Sie mich zu diesem Wahnsinn überredet haben.“ Stavros Thiotis hockte im Sitz des Co-Piloten und wirkte nicht sehr glücklich. Caitlin de Valera hatte ihren aberwitzigen Plan ohne weitere Rückendeckung in Angriff genommen. Weil Generalmajor von Harthausen noch immer nicht zu erreichen war, scheute sie davor zurück, andere, weniger erfahrene Leute einzuweihen. Sicherlich würde man ihren Befehlen folgen, aber das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter war groß genug, um Bedenken laut zu äußern und den Versuch zu machen, Caitlin von diesem Vorhaben abzuhalten.
Es war gar nicht so schwierig, Thiotis zum Mitmachen zu überreden. Es handelte sich bei den Gewinnen um eine beträchtliche Summe, auf die wollte er nicht gern verzichten. Sobald er einmal nicht auftauchte, wurden alle Zahlungen eingestellt.
Cate wollte sich als seine Freundin ausgeben und hoffte, durch Beobachtung und rechtzeitiges Eingreifen ihres Partners falsche Aktionen ihrerseits verhindern zu können. Im Übrigen verließ sie sich auf ihren Instinkt.
Und doch gab es eine Sicherung, die sie nicht eingeplant hatte. Das war ausgerechnet Ilja Karpow. Eigentlich hatte Caitlin ihn nicht einweihen wollen, doch als sie mit Thiotis starten wollte, war er aufmerksam geworden, weil sie das gleiche Raumschiff anforderte, in dem sie zuvor geflogen waren.
Schon die Kleidung der Koordinatorin hatte ihm einen Hinweis darauf gegeben, dass etwas Ungewöhnliches vorging.
Ilja mochte die junge Frau und machte sich augenblicklich Sorgen, als sie ihm nicht antworten wollte, also trieb er sie ein bisschen in die Enge und drohte ihr sogar damit, auf eigene Faust den Generalmajor zu informieren. Wütend hatte sie seinen Fragen nachgegeben und ihm von ihrem Plan erzählt. Karpow kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie keinesfalls aufgeben würde. Mit Unwillen ließ sie es zu, dass er nicht nur einen gut getarnten Sender im Raumschiff aktivierte, sondern ihr auch in respektvollem Abstand folgen würde. Sie wiederum kannte ihn gut dennoch, um zu wissen, dass er sich selbst über einen eindeutigen Befehl hinwegsetzen würde, sollte sie ihm befehlen hier zu bleiben.
Caitlin verdrängte den Gedanken, dass etwas schief gehen konnte. Sie hatte nicht vor, den Mittelsmann, der die Daten abrief, ausgerechnet auf einem Freihandelsplaneten festzunehmen – dazu hätte es schon der gesamten Ordensflotte bedurft. Da Parador-Blue jedoch autark war und das Ausspionieren dort nicht als strafbar galt, besaß sie keinerlei Handhabe, um irgendetwas zu tun. Beobachten und Informationen sammeln war ihr jedoch nicht verboten, solange sie nicht erwischt wurde.
Stavros Thiotis fühlte sich bei der Sache unwohl. Er kannte Parador-Blue, wusste, wie rau und gefährlich es dort zugehen konnte – nichts für sensible, zart besaitete Gemüter, wie es nach außen hin Caitlin de Valera war. Woher hätte er auch wissen sollen, dass sie von einem Siedlerplaneten stammte, dessen Pioniere ausgerechnet von Piraten ausgelöscht worden waren. Als damals Zehnjährige hatte sie bereits töten müssen, um selbst zu überleben. Der Orden hatte die letzten Überlebenden gerettet – unter dem Kommando von Generalmajor von Harthausen, der sich damals noch als Hauptmann im aktiven Militärdienst befand. Er hatte augenblicklich einen Narren an dem mutigen Mädchen gefressen und sorgte dafür, dass sie als Mündel des Ordens erst einmal eine gute Ausbildung bekam.
Caitlin sprach fast niemals über ihre Vergangenheit, nicht einmal mit Columban. Wer die noch recht junge Frau jedoch für ein naives Gemüt hielt, konnte durchaus eine unangenehme Überraschung erleben, wenn es ernst wurde.
Trotzdem war sie keine Feldagentin, gleich nach dem Studium hatte sie den obligatorischen Dienst in der Flotte absolviert und war danach sofort in die Abteilung Operative Kommunikation eingetreten, wo sie als Protegé des Generalmajors galt und schnell Karriere machte.
Thiotis täuschte sich also, was ihr im Augenblick nicht viel ausmachte. Er hatte zugestimmt, dass ein Neuro-Techniker den Mikrochip überprüfte, um die darauf befindlichen Daten auszulesen, doch die waren so stark verschlüsselt, dass der Versuch aufgegeben werden musste. Dabei war eine weitere erschreckende Tatsache offenkundig geworden: eine unsachgemäße Entfernung des Chips würde Stavros entweder dauerhaft gelähmt zurücklassen oder sogar töten.
Eine Reihe von malerischen Flüchen in verschiedenen Sprachen war die Folge gewesen, doch gerade diese Sache hatte seine Entscheidung für ihren Plan bestärkt.
„Stavros, wir werden auf Parador-Blue als enges, vertrautes Paar auftreten. So sehr ich eine höfliche Anrede schätze, sollten wir doch jetzt schon unser Verhalten ändern. Den Namen Caitlin de Valera möchte ich nicht benutzen. Auch wenn mich kaum jemand außerhalb der Abteilung je gesehen hat, so ist der Name allein doch ein Begriff. Nehmen wir besser die Identität meiner Freundin Samtara deVille. Du kannst also Sam zu mir sagen, oder Mäuschen, oder was man sonst so in diesen Kreisen benutzt.“
Thiotis lachte auf. „In diesen Kreisen? Was hast du für Vorstellungen?“
„Sind die wirklich so abwegig? Ein Mann in deinem Alter hat zuhause eine ehrbare Frau, noch dazu, wenn er für den Orden arbeitet, was mit Sicherheit allgemein bekannt sein dürfte. Aber diese Gattin bleibt zuhause und hütet Heim und Kinder. Ein solcher Mann wird der Ehefrau auch nichts von diesem Gewinn erzählen, aber er wird die Gelegenheit nutzen, um gründlich über die Stränge zu schlagen.“
„Und deswegen hast du dich so angezogen? Hautenges Kaffior-Leder, Strümpfe von Palomag III, auffälliger Schmuck und lebende Tattoos? Ich gestehe, wärst du nicht meine Vorgesetzte, hätte ich schon längst – ich meine, du siehst – atemberaubend aus.“
Sie lachte amüsiert auf und schüttelte den Kopf, dass die perfekt gestylten Haare in einem perlenbesetzten Netz nur so flogen. „Danke, aber Komplimente werden nur samstags nachts von vierundzwanzig Uhr bis Mitternacht EST entgegengenommen.“
Er ging nicht weiter darauf ein, sondern starrte nachdenklich in den Weltraum, so wie es Caitlin auch gerne tat.
„Dir ist aber schon klar, dass man versuchen wird, mit dir anzubandeln? Falls nicht ohnehin sofort ein Scheich parat steht.“
„Wie bitte, ein Scheich? Was soll das heißen?“, fragte sie interessiert.
Thiotis seufzte, Caitlin hatte so wenig Ahnung von einer Freihandelswelt und den dort lebenden „bösen Buben“, dass eine Katastrophe nicht auszuschließen war. Sollte er sie jetzt bitten, die Mission abzubrechen? Nein, sie würde vermutlich darauf bestehen, aber allein der Gedanke konnte sie zusätzlich verunsichern. Verrückt, aber er wollte sie schützen und nahm sich vor, sie vor einem allzu forschen Auftreten zu bewahren. Am besten erledigte man diesen vermaledeiten Auftrag so schnell wie möglich. Sollte es gelingen, den Mistkerl zu finden, der ihm das angetan hatte, würde er mit Vergnügen alle guten Manieren und sämtliche Zurückhaltung vergessen.
Aber was war, wenn es nicht gelang, oder wenn – was vielleicht noch schlimmer war – der Mikrochip letztendlich nicht entfernt werden konnte? Würde sich das kleine technische Wunderwerk irgendwann selbstständig zerstören und ihn gleich mit?
De Valera schien genau zu wissen, welche Gedanken ihn gerade bewegten, denn sie lächelte wissend.
„Du machst dich nur selbst verrückt, indem du alle Möglichkeiten mit wenn-dann in Gedanken durchgehst“, sagte sie sehr vernünftig.
„Kannst du deine Gedanken einfach so abschalten, wenn unter Stress stehst?“, fragte er ironisch.
„Das kann man trainieren“, meinte sie trocken. „Wofür hältst du mich, Stavros? Was glaubst du eigentlich von mir? Dass ich ein gut behütetes Mädchen aus erstklassiger traditionsreicher Familie binnen? Du irrst dich, Stavros Thiotis. Ich habe bereits als Kind zum ersten Mal getötet und anschließend meine ermordeten Eltern begraben. Doch bevor die Piraten meine Eltern umbrachten, haben Mom und Dad mir alles Wichtige beigebracht, auch, mein Inneres vor anderen zu verbergen. Du müsstest das doch auch können, oder nicht? Wie kannst du als Agent über lange Zeit eine Rolle auf einem fremden Planeten spielen, wenn du dazu nicht auch fähig bist?“, erkundigte sie sich ernsthaft interessiert.
„Indem ich so authentisch wie möglich bleibe“, erwiderte er. „Auf Kyria leben von den Menschen vergessene Siedler, es war nicht schwer, eine Rolle zu spielen. Auf einem Planeten, wo eine aufwändige Maske nötig ist, gestaltet sich das schon anders. Du jedenfalls spielst bisher deine Rolle gut, aber du spielst noch nicht lange.“
„Das ist nicht nur eine Rolle“, rief sie überraschend wild.
Er schluckte. „Willst du – damit sagen, dass du tatsächlich – ich meine – du stammst wirklich von einem Siedlerplaneten? Das gehört nicht zu deiner Rolle? Aber du bist ein hohes Tier im Orden, dem Generalmajor direkt unterstellt.“ Er brach etwas hilflos ab. Natürlich waren diese Tatsachen nicht allgemein bekannt, doch Caitlin hoffte, dass er ihre Entscheidung leichter verstehen konnte, wenn sie ihm einige Details erklärte.
„Columban von Harthausen war der kommandierende Offizier der drei Ordensschiffe, die Hemingways Dream von den Piraten säuberte und die Überlebenden in Sicherheit brachte, die nicht bleiben wollten“, sagte sie spröde.
Thiotis schluckte erneut. „Hemingways Dream? Das Massaker an der gesamten Bevölkerung durch die Piraten? Aber das ist – das ist mehr als dreißig Jahre her. Du warst damals ein Kind? Verdammt, das soll mich doch der Shejtan in die tiefste Dschehenna entführen – du bist mehr als vierzig Jahre alt und siehst aus wie kaum über zwanzig“, erwiderte er bewundernd.
„Ich bin vierundvierzig, das Massaker jährt sich in drei Monaten zum fünfunddreißigstem Mal, einige Tage vorher ist mein Geburtstag – Daten, die ich aus verständlichen Gründen nicht mit einer Feier begehe. Ich wollte – ich wollte dir damit eigentlich nur klarmachen, dass ich kein verhätscheltes, zartes Mädchen aus gutem Hause bin, das schon in Ohnmacht fällt, wenn ein bisschen Wind aufkommt oder ein Tropfen Blut zu sehen ist.“
„Ich hatte nicht vor, dich in irgendeiner Weise zu kränken oder gar zu beleidigen“, sagte er reumütig.
„Hätte ich das auch nur einen Augenblick angenommen, wären wir beide nicht hier“, erklärte de Valera. „Nun gut, wir haben noch ein paar Stunden bis zu unserer Ankunft. Du könntest mir etwas erzählen davon, wie ein Agent eine Legende aufbaut“, schlug Caitlin vor.
„Warum nicht? Wir haben Zeit genug.“
„Welch seltener Besuch in meiner bescheidenen Hütte.“ Paul Meyers strahlte seine Ex-Frau an. Er bemerkte die angespannte Miene, die kleinen Fältchen unter den Augen, und die zu einer Faust geballte linke Hand, eindeutige Anzeichen für starken Stress. Aber es war nicht an ihm, sie darauf anzusprechen. Sie musste von allein damit herausrücken, wenn sie Rat und Hilfe brauchte – oder wenn sie nur mal Dampf ablassen wollte. Er fühlte sich selbst ausgelaugt und angespannt, solange die Angelegenheit zwischen den Mutanten und Minister de Lorca nicht bereinigt war, konnte es jederzeit zu einer Eskalation kommen. Auch wenn sich bis auf einige wenige die Mutanten wieder auf der Erde aufhielten, so wussten doch alle, dass sie hier auf S 7 einen sicheren Zufluchtsort finden konnten. Und Paul war der Ansprechpartner für beide Seiten.
„Was brauchst du, Alexa? Einen Tropfen echten Whisky? Nicht dieses Syntho-Zeug, sondern ein wahrhaftiges schottisches Lebenswasser?“, erkundigte er sich leichthin.
„Du bist mein Lebensretter und kennst mich viel zu gut, mein Lieber.“
Paul holte aus einem speziellen Schrank eine Flasche mit dem goldgelben, hochprozentigen Getränk und goss großzügig ein. Schon der Duft weckte ihre Lebensgeister.
Alexa schaute sich im Last Vision um. Es war noch relativ früh am Tag, erst zwei der Unterhaltungsinseln waren aktiv, der Andrang hielt sich um diese Zeit noch in geringen Grenzen.
„Kannst du dich für ein paar Minuten freimachen?“, fragte sie unverblümt.
Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Freimachen? Hier und jetzt? Erotische Darbietungen überlasse ich eigentlich den Künstlern, die Ahnung davon haben und von mir großzügig bezahlt werden.“
Dexter stutzte, dann lachte sie unvermittelt auf. „Du bist ein alter Gauner, und du weißt genau, was ich gemeint habe.“
„Natürlich. Aber es tut ab und zu gut, dich lachen zu sehen. – Stephen, ich bin für ein paar Minuten weg“, rief er zu seinem Barkeeper hinüber, der sein unbedingtes Vertrauen genoss.
„Ist gut, Boss.“
Alexa trank mit Genuss den letzten Schluck Whisky und leckte sich unbewusst über die Lippen. Paul packte sie an der Hand und zog sie mit sich, vorbei an den Houkies, die als Aufpasser am Eingang standen. Doch statt den Weg zu seinen Privaträumen einzuschlagen, führte er sie in das Observatorium, das zur Zeit unbenutzt war. Paul drängte Dexter in einen der Kontursessel und ließ sich neben ihr nieder.
„So, jetzt kannst du reden, während wir ins Nichts hinaussehen, wo in etwa einer Stunde das nächste Passagierschiff auftauchen wird, auf dem sich die Killer-Queen befindet. Aber ich vermute, die Kopfgeldjägerin ist nicht der Anlass für unser Gespräch.“
Dexter schluckte, dann seufzte sie. „Auch das noch. Woher, zum Teufel, weißt du eigentlich davon? Bei mir liegt noch keine Anmeldung auf Amtshilfe oder ein Antrag auf Jagderlaubnis vor.“
„Unser spezieller Freund Rraugh erzählte mir davon. Ich habe keinen Zweifel, seine Aussagen haben bisher immer gestimmt. Muss sich die Jägerin eigentlich bei dir melden?“
„Wenn sie auf der Suche ist, um jemanden zu verhaften, ja. Ist sie auf einer Privatreise – was ich für unwahrscheinlich halte – darf sie sich wie jeder andere Besucher frei an Bord bewegen. Aber du hast natürlich recht, es gibt ein anderes Problem, für das ich eine Lösung suche.“
„Kann es sein, dass ganz Outer Circle augenblicklich aus Problemen besteht?“, fragte Paul sachlich.
„Eigentlich immer – aber im Augenblick besonders“, stimmte sie zu. Ohne lange Umschweife begann sie von Columban und seiner Bitte zu reden, wohl wissend, dass er schweigen würde. Paul erwiderte erst nicht einmal gar nichts.
„Hat Damian Carter eigentlich herausgefunden, was es mit den Explosionen auf sich hat?“
Sie ärgerte sich nicht über den scheinbaren Themenwechsel, sie kannte Paul, und irgendwie hing an Bord dieser Station sowieso alles zusammen. „Es gibt keine konkreten Hinweise, du kannst dir vorstellen, dass Carter im Augenblick einem Dampfkochtopf gleicht.“
„Ich bin erstaunt, was du so alles kennst“, sagte Meyers ironisch.
„Du hast eben meine hausfraulichen Qualitäten nicht kennengelernt, weil wir nie Zeit für ein Privatleben hatten.“
„Du denkst also nicht, dass die Tandorer für die Explosionen verantwortlich sind?“
„Nein! Nein, ich glaube nicht. Das Muster ist ein völlig anderes, außerdem gibt es eindeutige Rückstände von Sprengstoff – eine Allerweltssorte, keine Rückverfolgung.“
„Dann waren es auch nicht die Mutanten, die ihren Bedingungen etwas Nachdruck verleihen wollten?“
„Nein, das glaube ich jedenfalls nicht.“
„Dann sehe ich keinen plausiblen Grund, der Bitte des Generalmajors nicht zu entsprechen“, meinte Paul nachdenklich. „Falls du dich aber zusätzlich absichern willst, solltest du die Mutanten bitten, eine Überwachung der vier Tandorer zu übernehmen. Das wird allerdings von Harthausen nicht gefallen, der Orden verabscheut Mutanten jeder Art …“
„Das ist es!“ Alexa sprang aufgeregt auf, Paul schüttelte verständnislos den Kopf. „Was ist was?“
„Die Mutanten! Verstehst du nicht? Auch die Tandorer müssen Mutanten sein, und genau das bringt Columban in solche Bedrängnis, dass er versucht, eine Eskalation zu verhindern.“
„Seit wann ist denn der Orden so zimperlich? Die haben doch sonst keine Hemmungen.“
Dexter nickte eifrig. „Das hat mich auch irritiert, und ich habe von Harthausen danach gefragt, aber natürlich keine richtige Antwort bekommen. Doch er sprach davon, dass er eine Art Kollaps des ganzen Planeten befürchtet. Er will nicht noch einmal nach Tandor fliegen, um mit der Matriarchin zu reden, sondern die vier Tandorer hier an Bord … Er hat mich sogar aufgefordert, alle mir geeigneten Maßnahmen zur Absicherung zu ergreifen und bei dem Gespräch dabei zu sein. Paul, ich glaube, der Generalmajor verabscheut Mutanten nicht nur – er hat regelrecht Angst vor ihnen.“
„Dann wäre es vermutlich keine kluge Maßnahme, menschliche Mutanten hinzuzuziehen“, stellte Meyers trocken fest.
Alexa starrte in den Weltraum, ihre Gedanken rasten, geistesabwesend wedelte sie mit der Hand, als wollte sie Paul am Reden hindern. Doch der saß still auf seinem Platz und blickte seine Ex-Frau versonnen an. Sie würde kein Wort sagen, bis sie alles geklärt hatte, was ihr durch den Kopf schoss.
„Es wird letztendlich darauf hinauslaufen, dass Mutanten offiziell eingeschaltet werden“, sagte sie langsam. „Selbst der Generalmajor rechnet nicht mit einem Erfolg, aber der Generalrat verlangt Erfolge und Rohstoffe – viele Rohstoffe. Doch wenn Columban Gewalt auf dem Planeten einsetzt, wird nirgendwo mehr etwas davon zu finden sein, oder diese Weltengöttin wehrt sich mit gleichen Mitteln. – Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, was auf Tandor III in so großen Mengen vorkommt, dass die Schwarze Division entschlossen ist, wirklich alle Mittel einzusetzen.“
„Wir?“, echote Paul.
„Natürlich wir. Du musst mir helfen, Informationen zu sammeln. Aus meiner Warte kann ich nur offizielle Kanäle nutzen, aber ich habe die schlimme Befürchtung, dass der Ritterorden ein eigenes Süppchen kocht und sich außerhalb der irdischen Gesetze bewegt.“
„Du meinst, der Generalrat möchte selbst die Regierung übernehmen?“, spottete Paul.
„Nicht gleich, nein – oh, was meinst du?“
„Ok, mein Liebes, ich glaube, darüber sollten wir jetzt kein weiteres Wort mehr verlieren.“ Paul zog sie an sich und küsste sie, obwohl sie sich ein wenig wehrte, dann flüsterte er ihr etwas ins Ohr, und sie schmiegte sich an seine Schulter.
„Wirst du mir helfen?“, murmelte sie.
„Habe ich jemals Nein zu dir sagen können? Ich werde unseren Freund Rraugh fragen, ob er vielleicht etwas gehört hat. Du hast ihn erlebt, sobald er einmal eine Spur aufgenommen hat, lässt er nicht mehr locker.“
„Ich wünschte, jemand würde seine Spur aufnehmen und etwas über ihn herausfinden“, knurrte Dexter.
„Früher oder später werden wir schon etwas erfahren. Mit dieser Vermutung bezüglich der Mutanten könntest du allerdings recht haben.“ Er kicherte plötzlich. „Ich stelle mir gerade vor, wie sich der arrogante, überhebliche, selbstsichere Generalmajor Columban von Harthausen demütigt, um die Mutanten um Hilfe zu bitten.“
„Paul Meyers, schäm dich, das klingt schon vorab wie Schadenfreude. Außerdem ist Columban ein netter Kerl.“
„Reden wir von der gleichen Person? Im Zusammenhang mit dem Kommandanten der Schwarzen Division, der auch noch Leiter des Ordens-Geheimdienstes ist, finde ich den Begriff nett reichlich deplatziert.“
„Lass uns darüber nicht diskutieren, mein Lieber. Ich muss dir wieder einmal danken, du hast mir sehr geholfen. Ich werde das Gespräch mit den Tandorern gestatten, im Beisein von Lucas von Harthausen, einigen Sicherheitsleuten und zwei Mutanten, falls die bereit sind, mich zu unterstützen. Damit muss der Generalmajor leben – oder er lässt es. Ich danke dir wirklich herzlich, Paul. Ich liebe dich.“ Schon eilte sie hinaus.
Meyers starrte noch einen Moment in den Weltraum und lächelte. „Ich würde doch zu gerne eine Spionsonde dabei haben, um ja nichts zu verpassen“, murmelte er amüsiert und ging zurück in seine Bar, wo früher oder später Cornell Rraugh auftauchen würde.
*
Tief dunkelrot war der Anzug aus Gorgon-Leder, eine Vielzahl von Taschen bot Platz für zahlreiche Utensilien, wie auch Waffen; Schuhe aus dem gleichen Leder vervollständigten die Montur. Schwarzes, langes, kräftiges Haar wurde zu beiden Seiten des edel geschnittenen Kopfes von Schmetterlings-Spangen gebändigt. Das Gesicht war von ebenmäßiger, madonnenhafter Schönheit und ließ keine genaue Altersbestimmung zu. Auf der Stirn des menschlichen Gesichts zeigte sich ein dunkelroter sechszackiger Stern aus unbekanntem Material von der Größe einer kleinen Münze. Tiefblaue Augen blickten hart, unergründlich und emotionslos in die Welt. Die Körperhaltung war sehr gerade und drückte neben Autorität, unbeugsamen Willen und große Distanziertheit aus. Das war die so genannte Killer-Queen, Rovena Leveque.
Sie war die erste, die aus dem gerade angedockten Raumschiff stieg, andere Passagiere hielten deutlichen Abstand zu ihr. Nicht nur sie selbst baute eine enorme Distanz zu anderen Lebewesen auf, ihre Ausstrahlung war so nachdrücklich, dass es kaum jemand wagte, sich ihr zu nähern.
Rovena schien damit zufrieden zu sein. Sie war gern allein, aber sie war niemals einsam.
In der Regel nutzte sie die Zeit, um die Jagd zu planen. Als Kopfgeldjägerin gab sie sich nicht mit kleinen Fischen ab, sie liebte die Herausforderung und riskierte dabei oftmals ihr Leben. Sie hatte mittlerweile so viel Geld verdient, dass sie sich mühelos eine eigene schnelle Raumyacht hätte kaufen können, aber sie zog es vor, mit Linienmaschinen zu reisen. Ob sie befürchtete, mit eigenem Schiff schnell zum Ziel für ihre Feinde zu werden, oder ob sie ganz einfach unberechenbar bleiben wollte, hatte noch niemand zu fragen gewagt.
Damian Carter stand mit Lucas von Harthausen etwas abseits und betrachtete alle Neuankömmlinge. Er wollte von vornherein wissen, ob unter den Gästen solche waren, von denen man Probleme zu erwarten hatte. Der Sicherheitschef von Outer Circle täuschte sich selten in seiner Einschätzung, und er wollte wissen, ob Lucas über ähnliche Fähigkeiten verfügte.
Im Blick des jungen Mannes lag Bewunderung, als er die Frau sah, doch dahinter lauerte unbestimmte Angst. Ein guter Anfang.
„Nun, Lucas, was sagst du zu dieser – Persönlichkeit?“, fragte Damian.
„Das ist die Frau, die als Killer-Queen bezeichnet wird? Sie ist – beeindruckend.“
„Rovena Leveque stammt von der Siedlerwelt Aquitaine, die schon vor mehr als dreihundert Jahren als eine der ersten Provinzen besiegelt wurde. Recht bald gab es Unabhängigkeitsbestrebungen, und weil die Erde damals noch auf viele Produkte von dort angewiesen war, gab man dieser Welt weitgehende Freiheiten, politisch wie wirtschaftlich. Dennoch waren die Aquitanier verpflichtet, Soldaten zu stellen und niemals mit Feinden der Erde Beziehungen aufzunehmen oder zu unterhalten. In der eigenen Verwaltung des Planeten entwickelte sich nach kurzer Unruhe ein Königshaus, das bis heute regierte und im Großen und Ganzen fähige Herrscher hervorgebracht hat. Rovena Leveque gehört angeblich zur Königsfamilie, aber ich kenne niemanden, der sie je danach gefragt hätte.“
„Dann hätte sie doch bestimmt auf Aquitaine Karriere machen können“, wandte Lucas ein, der nun beobachtete, wie die Killer-Queen zur Passagieranmeldung ging. Ihr Gang erinnerte an eine sprungbereite Raubkatze.
„Vielleicht war ihr der Planet zu klein, oder es gab keine Herausforderung, die ihr groß genug gewesen wäre. Auf jeden Fall hatte sich schon früh entschlossen, Aquitaine zu verlassen. Sie schaffte es dann irgendwie, dass Aurelio da Silva sie als Schülerin annahm.“
„Der Aurelio da Silva?“, fragte Lucas ungläubig.
„Kennst du noch einen anderen? Ja, da Silva, der ehemalige Ordensritter, der aus dem Orden austrat und als Kopfgeldjäger erfolgreich war, bevor er als Vermittler zwischen den Menschen und dem Reich der Tuskanier im Dritten Galaktischen Krieg tätig wurde. Nun, Leveque hat von ihm alles gelernt, was es zu lernen gab. Allerdings ist die niemals so menschlich gewesen wie er. Mit Verbrechern, die sich wehren, macht sie kurzen Prozess. Da sie ohnehin nur solche Aufträge annimmt, bei denen der Gesuchte auch tot abgeliefert werden kann, hat sie selbst keine Strafverfolgung zu fürchten. Es gefällt mir nicht, dass sie hier ist, und auch Oberst Dexter ist nicht davon angetan.“
„Dann wird sie hier Schwierigkeiten machen? Befürchtest du das?“, fragte Lucas.
„Es ist möglich, obwohl ich keine Ahnung habe, wen sie hier jagen will. Meines Wissens nach hält sich keine gesuchte Person auf der Station auf. Aber wenn sie hier jagen will, muss sie das anmelden und braucht die Genehmigung von Oberst Dexter. – Nun gut, soviel zu diesem Thema. Hast du denn trotz aller Bewunderung auch die übrigen Passagiere beobachtet?“
Lucas lächelte, ihm war bewusst, dass Damian Carter ihn prüfte. „Drei Männer, vermutlich von der Erde, die den Eindruck von Geschäftsleuten erwecken wollen, aber schon bei ihrer Kleidung schlampig sind. Meiner Meinung nach sind die nicht ganz koscher. Und dann ist da noch dieses seltsame Pärchen, menschenähnliche Siedler. Ich kann mich täuschen, aber ich glaube, die haben hier krumme Geschäfte vor. Die übrigen sehen für mich unverdächtig aus.“
„So ist auch meine Einschätzung. Gut gemacht. Nun komm, wir wollen uns mal unserem Ehrengast vorstellen.“
Lucas folgte Carter und kam in den Genuss, Rovena Leveque aus der Nähe betrachten zu können.
„Willkommen an Bord, Madam. Ich bin Damian Carter, der Sicherheitschef von S 7. Darf ich erfahren, welchem Zweck Ihr Besuch hier dient?“
Die Killer-Queen schaute ihn mit ihren unglaublich blauen Augen an, ohne dass er in diesem Blick etwas lesen konnte. „Ich möchte mich hier an Bord mit jemandem treffen. Das ist doch hoffentlich nicht verboten?“
„Nein, Madam, das wissen Sie auch genau.“
„Sie wollen wissen, ob ich mich auf der Jagd befinde? Sie dürfen sicher sein, dass ich in einem solchen Fall alle Vorschriften beachte. Da ich keine Jagderlaubnis beantragt habe, ist Ihre Frage höchst überflüssig. Gibt es sonst noch etwas?“
„Oberst Dexter, die Kommandantin der Station, legt Wert darauf, mögliche Probleme bereits im Vorfeld auszuräumen.“
„Eine kluge Entscheidung. Ich wiederhole mich, damit Sie mich tatsächlich verstehen. Ich habe vor, jemanden zu einem Gespräch an Bord zu treffen.“
„Befindet sich diese Person bereits hier oder gehört sie zum Personal der Station?“ Carter zeigte sich wenig beeindruckt davon, dass Leveque ihn mit einem kalten blauen Blitz aus ihren Augen bedachte.
„Meine Privatangelegenheiten pflege ich nicht vor anderen auszubreiten. Ihnen fehlt die Legitimation, solche Fragen zu stellen.“
„Bei einer Persönlichkeit mit Ihrem Profil darf keine Möglichkeit außer Acht gelassen werden. Falls jemand von unserem Personal involviert ist, geht das die Kommandantin durchaus etwas an. Und ich stehe hier in ihrem Auftrag.“
„Richten Sie Oberst Dexter meine Hochachtung für die erstklassige Arbeit aus. Sie verdient vollen Respekt. Wollen Sie mich noch länger aufhalten, Mister Carter?“
„Nein, Madam, aber ich werde Sie im Auge behalten.“
„Das hoffe ich doch sehr. Ich habe viele Feinde und bin froh, wenn mir jemand die Mühe abnimmt, sie zu beseitigen.“ Sie beachtete nichts und niemanden mehr, sondern nahm Kurs auf das Zocalo, von wo aus die Horizontallifte in die Wohnräumlichkeiten führten.
„Mein Gott, welch eine Frau“, stieß Lucas hervor.
„Und welch eine Gefahr für uns alle“, erwiderte Carter trocken.
„Du glaubst ihr nicht?“
„Doch, ich glaube ihr. Sie hat es nicht nötig zu lügen, außerdem würde sie ihren Ruf damit beschädigen. Rovena Leveque hat ihr Leben selbst in der Hand, und sie gestaltet ihr Schicksal ganz nach Belieben – bis irgendjemand besser ist und sie tötet.“
„Wie viele Verbrecher hat sie schon aufgespürt, und wie viele davon hat sie – nun ja, tot abgeliefert?“
„Das weiß außer ihr selbst niemand genau. Die Zahlen, für die ich mich verbürgen kann – etwa hundertachtzig aufgespürte Verbrecher, von denen ganze zwölf lebend das Gericht erreichten.“
Lucas klappte die Kinnlade herunter, Damian lachte. „Mach den Mund wieder zu, Junge. Der Tod ist nichts, worüber man staunen sollte. Manch einer begrüßt ihn sogar wie einen alten Freund. Los jetzt, wir haben noch eine Menge zu tun.“
„Ich dachte, du willst Leveque im Auge behalten. Sollten wir nicht …“
„Manchmal stehst du aber wirklich auf dem Schlauch.“
„Wie bitte?“
„Du bist begriffsstutzig“, meinte Damian grinsend. „Natürlich habe ich längst jemanden darauf angesetzt, Leveque über die Fernbeobachtung nicht aus den Augen zu lassen. Die ganze Station ist gespickt mit Kameras, und ich will wissen, was diese Frau tut und mit wem sie sich trifft.“
Lucas schaute verlegen drein. „Tut mir leid, ich habe die einfachste Sache nicht gesehen.“
„Damit stehst du nicht allein, das passiert jedem Mal. – Ach, hat Oberst Dexter noch etwas gesagt über die vier Tandorer?“
„Nein, sie sind auch weiterhin in Einzelhaft, und ich weiß, wie schwer das für sie ist. Ich wünschte, ich könnte ihnen helfen.“
„Damit sie ganz Outer Circle in einen Vulkan verwandeln? Ein verdammt hohes Risiko, Lucas. Mach dir keine Sorgen, ich bin sicher, Oberst Dexter wird eine praktikable Lösung für alle finden.“ Zwischen den Sicherheitsketten herrschte ein freundschaftliches Klima, wo sich einer auf den anderen verlassen konnte. Hatte Lucas seinen Vorgesetzten zunächst noch mit dem respektvollen Sie angesprochen, so war er, wie alle anderen auch, längst zum Du gewechselt.
Die beiden trennten sich auf den Zocalo, um anderen Aufgaben nachzugehen.
*
„Wow, das sieht ja schon aus dem Weltraum sehr beeindruckend aus“, stellte Caitlin de Valera, jetzt Samtara deVille erstaunt fest. Seit gut einer Stunde war Parador-Blue auf den Schirmen der Ortung zu sehen. Doch erst jetzt, im Näherkommen, wurde die ganze Schönheit sichtbar.
Es handelte sich um den vierten Planeten im System Almodovar. Die Freihandelswelt besaß einen Mond, der größer war als der Planet, doch Eliazar, der Mond, bestand in erster Linie aus Staub und Gas und war im Grunde bedeutungslos – abgesehen von der Tatsache, dass im Inneren der Gas- und Staubschichten zahlreiche Verstecke angelegt worden waren. Die verschiedenen Piratenclans brauchten Rückversicherungen, auch wenn Rufus Mendelssohn als unbestrittener Anführer dafür garantierte, dass kein Angriff des Ordens oder vom irdischen Militär auf die Freihandelswelt erfolgen würde.
Von mehreren Stellen des Planeten aus zogen sich unglaublich lange Rampen durch die Stratosphäre hindurch bis in den Weltraum. Lange und großzügige Andockrampen boten die Möglichkeit, mit Privatyachten direkt dort anzulegen. Wer genug Geld besaß, mietete einen Rundum-Service, der vom kostenlosen Transport auf dem ganzen Planeten über die Unterbringung in einem guten Hotel bis hin zu ausgewählten Veranstaltungen oder dem freien Eintritt in das große Casino reichte. Es gab aber noch eine Steigerung dieses Angebots, wie Cate wenig später zu ihrem Erstaunen feststellen musste.
Stavros meldete sich beim zentralen Planeten-Portal an, und im nächsten Augenblick schien der Funk zu explodieren. Zahllose Gespräche standen plötzlich in der Warteschleife, während von der automatischen Anmeldung auf dem Planeten zu einem lebenden Wesen umgeschaltet wurde.
Auf dem Funkmonitor wurde ein Dschabba sichtbar, entfernt menschenähnlich mit Tentakelaugen auf dem blanken Schädel.
„Stavros Thiotis lebt! Welch eine Ehre für Parador-Blue. Ich bin immer wieder erstaunt, wie hartnäckig du dich an das Leben klammerst.“
„Juri-Bane, alter Freund, ich kann es mir doch nicht entgehen lassen, Maki-Dur um die jährliche Rente zu erleichtern. Ich will mein Geld, so wie es mit zusteht. Kannst du mir bitte einen Landeplatz zuweisen?“
Ein donnerndes Scheppern, in dem Caitlin erst nach Sekunden ein Lachen erkannte, erfüllte den Äther.
„Du hast dein zehntes Jubiläum, Stavros Thiotis, dir steht etwas ganz anderes zu als ein einfacher Landeplatz. Die hübsche Knolle an deiner Seite wird sicherlich beeindruckt sein.“
„Knolle?“ De Valera wollte schon protestieren, als Thiotis ihr beruhigend eine Hand auf den Arm legte. „Du solltest das als Kompliment nehmen, Samtara“, murmelte er gutmütig, wohl wissend, dass der Dschabba noch immer mithörte. „Diese Aliens vermehren sich, indem ausgewählte Exemplare Knollen am Körper wachsen lassen. Sie sind kleine Kinder, die tatsächlich noch eine gewisse Schönheit aufweisen.“
Sie schluckte und zwang sich zu einem Lächeln. „Dann muss ich mich wohl für diese Freundlichkeit bedanken“, sagte sie und ließ ihre Hand auffällig über die Schulter von Thiotis bis an die Wange und zum Ohrläppchen gleiten, wobei sie ihm ins Ohr hauchte: „Du hast mir gar nicht erzählt, welch eine prominente Persönlichkeit du bist.“ Während dieser Worte schaute sie ihn schmachtend an und verschluckte sich fast bei dieser unglaublichen Schauspielerei.
„Du hast mir bisher noch nicht viel Gelegenheit gelassen, dir überhaupt etwas zu erzählen“, brummte er und zeigte ein lüsternes Grinsen. Erneut brandete das scheppernde Gelächter des Dschabba auf.
„Stavros Thiotis, du darfst jetzt die Kontrollen deines Hüpfers an die Zentrale abgeben und dich um die Funksprüche kümmern – wenn deine Freundin dir Zeit dazu lässt.“
Caitlin fuhr sich lasziv mit der Zunge über die grell geschminkten Lippen. „Auf die Wange küssen darf ich ihn aber schon noch?“, fragte sie mit einem dümmlichen Augenaufschlag.
„Ist schon gut, mein Täubchen“, knurrte Stavros. „Am besten setzt du dich ganz still in deinen Sessel und wartest ab, bis ich dir etwas anderes sage.“
Sie hockte sich gehorsam hin, während Thiotis einige Schaltungen vornahm, damit die zentrale Steuerungseinheit auf dem Planeten das Kommando über das Raumschiff übernehmen konnte.
„Wenn du sie irgendwann verkaufen willst, würde ich dir ein gutes Angebot machen“, brüllte der Dschabba amüsiert. „Vielleicht kann sie sogar ein paar Knollen für mich austragen.“
„Ich werde es mir überlegen. Leb wohl, Juri-Bane.“ Stavros schaltete ab und bemerkte, wie sich de Valera schüttelte. „Das ist erst der Anfang, Sam. Noch ist es Zeit abzubrechen.“
„Du willst mir doch nicht etwa den Spaß verderben?“
„Ich habe dich gewarnt.“ Thiotis wandte sich der Funkkonsole zu und nahm die Anrufe nacheinander entgegen. Einige der Leute schien er gut zu kennen, es entspannen sich mehrere kurzweilige Gespräche. Endlich beendete Stavros mit einem Seufzen das letzte Gespräch und blickte aus der Kanzel.
„Donnerwetter, ich glaube, uns wird tatsächlich etwas Besonderes geboten. Man bringt uns zur Rampe dreizehn.“
„Was heißt das?“
„Das heißt, dass wir empfangen werden wie der König von Neu-Kaledonien – falls der jemals hierher kommen sollte.“
„Oder wie Rufus Mendelssohn persönlich?“, wandte sie ein.
„Ich bezweifle, dass Rufus mit Glanz und Gloria hier auftauchen würde, falls überhaupt. Er würde stattdessen versuchen herauszufinden, ob seine Investitionen gut geführt werden und ordentlich Gewinn abwerfen. Ich weiß von gut einem Dutzend Geschäften, die ihm gehören oder an denen er beteiligt ist. Außerdem hast du gesagt, dass das „Age of deathless“ über Mittelsmänner ebenfalls ihm gehört. Vermutlich sind es dann noch mehr.“
„Vielleicht gehört ihm ja sogar der ganze Planet“, mutmaßte sie.
Er zuckte die Schultern. „Wer will das schon sagen? – So, nun wappne dich. Du wirst einiges an Bemerkungen und sehr eindeutigen Angeboten über dich ergehen lassen müssen.“
„Damit habe ich durchaus gerechnet.“
„Es kann sein, dass du dich handgreiflich gegen zu viel Aufdringlichkeit wehren musst, aber du solltest grundsätzlich aufpassen, mit wem du dich anlegst. Wenn es dir zu viel wird, sollten wir besser einen Bodyguard anfordern“, schlug Thiotis vor und versenkte sich für einen Augenblick in das Schauspiel der lebenden Tattoos auf den nackten Oberarmen von Caitlin. Sie hatte sich für Eidechsen entschieden, die täuschend echt über Äste huschten und sich im Blattwerk eines Baumes versteckten.
„Du bist nicht nur bildhübsch, du hast dich auch auf eine unnachahmliche Weise elegant und doch aufreizend gestylt. Allein das Grün der Blätter harmoniert phantastisch mit deinen Haaren …“
„Das reicht jetzt, Stavros. Vergiss nicht, weswegen wir hier sind. Ich sollte für dich keine Frau sein, sondern ein Partner.“
„Nun, das vergesse ich ganz bestimmt nicht. Es ist eine Vergewaltigung meines Ichs, dafür wird jemand bezahlen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du ausgesprochen begehrenswert bist.“
Caitlin lächelte ihn an. Sie war froh, sich nicht in ihm getäuscht zu haben.
Er öffnete die Schleuse, die schwül-warme Atmosphäre von Parador-Blue schlug ihnen entgegen, dazu kam der Jubel von gut zwei Dutzend Lebewesen, die auf den Ehrengast warteten.
*
Das Hotel war einfach unglaublich. Es erstreckte sich als lange Röhre weit in den Himmel hinein und besaß sagenhafte 211 Stockwerke. Man hatte es komplett im Retro-Stil einer irdischen Epoche erbaut und mit allerlei Kitsch und pseudo-realen Gegenständen ausgestattet. Lebensgroße Roboter, die wichtige Persönlichkeiten verkörpern sollten, trugen die Züge von Musikern, Schauspielern und anderen berühmten Persönlichkeiten der Erde, wobei niemand so recht auf Authentizität geachtet hatte. Doch wer kannte sich damit schon genauer aus? Immerhin konnte sich der Gast von einem Robotbutler namens Richard Wagner bedienen lassen oder einen Spaziergang mit Elisabeth Taylor machen.
Auch die Zimmer waren an diese Konventionen angepasst. Zweckmäßig erschienen die Möbel, fast schmucklos – bis man die kleinen versteckten Annehmlichkeiten entdeckte. Verdeckte Lichtleisten, Verdampfer für wohltuende Gerüchte, Hologrammdisplays, Mikrophone und Lautsprecher – und noch einiges mehr.
Caitlin fand das Apartment, das aus drei Zimmern und einer großen Hygienezelle bestand, einfach nur abscheulich. Da es sich jedoch um ein großzügiges Geschenk handelte, akzeptierte sie einfach die Tatsachen.
Stavros schloss aufatmend die Tür, legte kurz den Zeigefinger an die Lippen und grinste. „Endlich sind wir alleine, mein Täubchen. Wir werden uns ein bisschen ausruhen und dann ins Casino gehen, wo ich möglichst schnell mein Geld abholen will.“
Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und tat so, als würde sie ihn leidenschaftlich liebkosen.
„Wenn du glaubst, dass ich der Rolle wegen mit dir schlafe …“
„Das habe ich nie angenommen“, unterbrach er sie ebenfalls murmelnd. Beide waren überzeugt davon, dass der Raum verwanzt war und alles peinlich genau aufgenommen wurde.
„Dann sollten wir uns etwas einfallen lassen, warum wir nicht miteinander sofort ins Bett gehen“, murmelte de Valera.
„Das können wir uns nachher überlegen. Mit einem solchen Empfang und dieser Unterbringung habe ich nicht gerechnet. Aber erst einmal können wir so tun, als wären wir tatsächlich erschöpft.“
„Schon gut.“ Sie zog ihn auf das breite, weiche Bett, das augenblicklich im Inneren angenehme Wellenbewegungen erzeugte. Caitlin legte sich auf seinen ausgestreckten Arm und schlief einfach ein.
Stavros lächelte. Er hatte nie daran geglaubt, ein solches Abenteuer mit einer derart ungewöhnlichen Frau zu erleben. Er wollte einfach jeden Augenblick genießen, solange es ging.
Wütend beendete Columban von Harthausen die Verbindung zu Oberst Dexter.
Unerhört war das! Unglaublich! Dreist! Eine Zumutung!
Alexa Dexter, die lächerliche Kommandantin dieser lächerlichen Station wollte ihm Bedingungen diktieren? Ihm, Columban Reginald Bartholomäus Graf von Harthausen, Generalmajor der Eliteeinheit Schwarze Division des edlen Ritterordens, Leiter der Abteilung Operative Kommunikation, von weniger gebildeten Leuten auch psychologische Kriegsführung oder schlichtweg Geheimdienst genannt?
Er hatte sie in aller Höflichkeit um einen kleinen Gefallen gebeten, und sie – sie wollte Mutanten zur Absicherung hinzuziehen.
Mutanten! Geistige Missgeburten! Genetische Krüppel!
Hätte er ihr doch bloß nichts über die geistigen Fähigkeiten der Tandorer erzählt. Aber immerhin besaßen diese Wesen ebenfalls unerklärliche geistige Fähigkeiten. So sehr sich der Generalmajor überhaupt gegen einen Kontakt sträubte, so dringend notwendig war die Kommunikation.
Aber menschliche Mutanten zur Absicherung? Nein, nein und nochmals nein!
Er ballte die Faust und schlug sie fest auf den Schreibtisch, trotz aller Wut darauf bedacht, nichts von seinen Emotionen nach außen dringen zu lassen. Er traute seinem Adjutanten Leutnant van Heel nicht, und außerdem machte es auf die Truppe keinen guten Eindruck, wenn sich der Befehlshaber selbst nicht unter Kontrolle halten konnte.
Mit Mühe fand er seine Beherrschung wieder. Er hatte Alexa gerade kurz abgefertigt, ohne eine konkrete Antwort zu geben.
„Leutnant Richter, sofort in mein Büro“, bellte er in den Inter-Com. Wie kam es nur, dass er zu der jungen Pilotin der Schwarzen Division so viel Vertrauen entwickelte? Vielleicht, weil sie ihm in gewisser Weise ähnlich war – vielleicht, weil er sie noch so viel lehren konnte; vielleicht aber auch, weil sie eine der wenigen war, die auch Vertrauen zu ihm entwickelt hatte. Auf jeden Fall gefiel ihm ihre offene und doch respektvolle Art, ihr Lachen wirkte ansteckend, und sie zeigte gelegentlich einen Hang zu unorthodoxen Ideen.
Keine zwei Minuten später meldete Leutnant van Heel die Ankunft von Harry Richter. Sie trug, wie alle Mitglieder der Schwarzen Division, die relativ schmucklose, aber gut geschnittene, pechschwarze Uniform mit dem weißen Koppel. Ihr halblanges, aschblondes Haar war mit einer Spange im Nacken gebändigt. Sie baute sich in korrekter Haltung vor dem Schreibtisch auf und hielt die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
„Sie wollten mich sprechen, Sir?“ Aufmerksam musterte sie sein Gesicht, es war immer gut, die Stimmung eines Vorgesetzten zu erkennen, um zu wissen, ob man mit einer Rüge rechnen musste, oder ob sich der Umgangston locker gestaltete.
Die Zeichen standen auf Sturm, Harry Richter ging in Gedanken ihr Sündenregister durch. Hatte sie etwas angestellt, was den Generalmajor in Rage bringen konnte? Nein. Also war etwas oder jemand dafür verantwortlich, was sich außerhalb ihrer Reichweite befand. Im Augenblick konnte es sich eigentlich nur um die Tandorer und ihren verwünschten Planeten handeln.
Columban zwang sich zu einem Lächeln. „Sollte jemals etwas über dieses kleine Gespräch nach außen gelangen, reiße ich Ihnen eigenhändig den Hintern auf. – Ich bin noch nicht fertig, Harry“, gebot er Schweigen, als sie etwas sagen wollte. „Ich habe bisher noch niemanden gebraucht, um Dampf abzulassen. Aber hier benötige ich tatsächlich ein Ventil. Sind Sie bereit zuzuhören und das Maul zu halten? Sagen Sie es schnell, und denken Sie nicht lange darüber nach.“
„Ich – alles, was Sie wollen, Sir. Ich dachte, Sie wüssten das längst“, stieß Harry hervor.
„Na also, warum sagen Sie das nicht gleich? – Setzen Sie sich, Harry, das hier ist nichts Offizielles. Wollen Sie einen Drink? Ich habe allerdings nur Syntho-Whisky hier.“
Sollte sie ablehnen? Nein. „Gerne, Sir, ich nehme, was Sie haben.“
„Gute Antwort, Leutnant.“ Columban wirkte auch weiterhin angespannt, als er zwei Gläser vollschenkte und dann die Taste für den Sprechfunk zum Vorzimmer betätigte. „Leutnant van Heel, ich wünsche auf keinen Fall gestört zu werden – es sei denn, die Station fällt gerade in eine Verwerfung.“
„Ja, Sir, darf ich noch einmal darauf hinweisen …“
„Nein, dürfen Sie nicht.“ Er schaltete ab. „Entschuldigen Sie bitte, Harry, ich bin nicht betrunken, und ich habe auch keine Drogen genommen. – Ich stehe vor einem Problem, und ich scheue mich davor, eine Entscheidung zu treffen.“
„Wie kann ich helfen, Sir?“, fragte Richter knapp.
„Sie haben auf Tandor erlebt, was geschehen ist, und Sie haben einen interessanten Denkansatz beigesteuert. Glauben Sie, dass die Patrona uns helfen würde, mit der Weltenmutter eine Übereinkunft zu treffen?“
„Nein, meiner Meinung nach auf keinen Fall“, erwiderte Harry bestimmt.
Er nickte. „So denke ich auch, also müssen wir den Versuch machen, mit den hier an Bord lebenden Tandorern zu sprechen. Ich habe Oberst Dexter gebeten, uns ein Gespräch zu ermöglichen, unter Sicherheitsvorkehrungen, die sie für angemessen hält. So weit, so gut. Sie hat mich vor einigen Minuten darüber informiert, dass sie meiner Bitte zustimmt, unter der Voraussetzung, dass ich zwei menschliche Mutanten als Absicherung akzeptiere.“
Harry schnappte nach Luft, dann kippte sie ihren alkoholfreien Whisky hinunter. „Wie kann sie es wagen, der Schwarzen Division Vorschriften machen zu wollen?“, schnaubte sie.
Columban seufzte. „Sie hat das Recht dazu, sie ist sogar verpflichtet, alle Möglichkeiten zu nutzen. Ich wäre ein Narr, würde ich Oberst Dexter einen Vorwurf daraus machen.“
„Mit Verlaub, ich glaube, wie wir alle haben Sie Angst vor den Mutanten, Sir“, stellte Harry leise fest.
Auch Columban schluckte seinen Drink. „Es stimmt, Harry, ich habe Angst. Es ist nicht nur so, dass diese abartigen Monstren gegen alle menschlichen Regeln verstoßen – es ist – es ist eine Tatsache, dass ich im Verlauf meines Lebens merkwürdige Erlebnisse mit Mutanten hatte, die ich sicher nicht noch einmal durchleben möchte.“
„Sie hatten also schon öfter Kontakt mit Mutanten? Mein Beileid, Sir“, sagte Richter mitfühlend.
Er ging nicht auf diese Bemerkung ein. „Ich kann die Bedingungen von Oberst Dexter in gewisser Weise verstehen.“
„Aber können Sie sie auch akzeptieren?“, fragte die Pilotin.
„Da kommen wir endlich zu springenden Punkt. Ich fürchte, ich werde es tun müssen, sonst kann ich dem Generalrat gleich das Scheitern der Mission melden. Dann kommt der Befehl zur gewaltsamen Niederschlagung des gar nicht vorhandenen Aufstands, und im Gegenzug wird eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes stattfinden.“
„Sie sind also wirklich überzeugt davon, dass der Planet lebt, Sir? Gestehen Sie ihm – oder ihr – sogar ein Bewusstsein zu?“
„Woher soll ich das wissen? Allerdings liegt die Vermutung nahe, denn sonst würden unsere Minenschiffe nicht so gezielt an der Nase herumgeführt. Es ist, als wüsste dieses – dieses Wesen stets ganz genau, was wir vorhaben. Dazu kommt die überaus enge Verbindung zu den Tandorern. Können Sie mir sagen, wie ich das alles dem Generalrat klarmachen soll? Die halten mich noch für übergeschnappt und verordnen Fronturlaub auf den Narren-Planeten Kopernikus fünf.“
„Dann übernehmen Sie dort das Kommando und führen die Narrenschar zurück in die Realität“, schlug Harry lächelnd vor.
„Sie haben eine sehr schlechte Meinung von mir, Leutnant Richter. Sie halten mich für fähig, mich mit den Narren zu unterhalten? Dann bin ich wirklich einer von denen“, rügte er gespielt streng.
„Verzeihen Sie, Sir, ich wollte – wollte Sie nicht beleidigen – das war nur eine geschmacklose Bemerkung – ein schlechter Scherz, Sir“, beeilte sie sich zu versichern.
„Schon gut, Harry, keine Sorge, genauso habe ich es auch aufgefasst. Ich werde also jetzt Oberst Dexter mitteilen, dass ich akzeptiere, auch wenn es mir schwer fällt. Sie werden mich begleiten.“
„Ich? Aber, Sir, das steht mir rangmäßig gar nicht zu – das wäre doch sicher Sacher Ihres Adjutanten …“
„Genug. Wenn ich die Dienste von Leutnant van Heel in Anspruch nehmen möchte, lasse ich ihn das wissen.“
Unvermittelt lachte Harry leise. „Sie mögen ihn nicht? Warum haben Sie ihn dann auf seinen Posten belassen?“
Er schaute sie an. „Nun, was meinen Sie? Beantworten Sie Ihre Frage selbst.“
Sie überlegte kurz. „Einen Feind, oder einen Spion, den man kennt, kann man beobachten und notfalls manipulieren. Wenn Sie van Heel wegschicken, wissen Sie nicht, ob es einen weiteren Zuträger für Generaloberst Weishaupt oder vielleicht sogar für den Generalrat gibt.“
„Kluge Antwort.“
Columban rief Alexa Dexter an und machte sich gleich darauf mit Harry auf den Weg. Als sie im Vorzimmer an Leutnant van Heel vorbeiging, lachte sie innerlich. Vermutlich glaubte dieser knochentrockene Bürokrat, dass sie mit dem Generalmajor ein Verhältnis hatte.
Wäre das tatsächlich so, würden sie für ein Schäferstündchen sicher nicht das Büro benutzen. Der Gedanke setzte sich in Harry fest. Was wäre, wenn es der Generalmajor tatsächlich darauf anlegte? Würde sie zustimmen? Er war zwar wesentlich älter, aber durchaus attraktiv und vermutlich ein einfallsreicher Liebhaber. Aber sie würde keinesfalls mit ihm flirten, er war ein Vorgesetzter und somit sakrosankt. Vielleicht verstand sie seine Freundlichkeit auch falsch. Davon abgesehen konnte sie von ihm sicherlich verdammt viel lernen.
*
Oberst Dexter, Lucas von Harthausen und die beiden menschlichen Mutanten erwarteten den Generalmajor bereits. Alexa lächelte freundlich, ihr schien gar nicht klar zu sein, welche Demütigung sie Columban zufügte.
„Das sind Dario Grillo und Indra Palalong, beide sind Telepathen und auf die Erdregierung vereidigt, damit selbstverständlich an die Para-Vorschriften gebunden. Die Vertraulichkeit wird auch auf die Angelegenheiten des Ordens ausgedehnt, obwohl uns allen bekannt ist, dass der Orden eine Zusammenarbeit mit Mutanten ablehnt.“
Die beiden neigten höflich den Kopf zum Gruß. Sie trugen keine Uniform, doch die streng geschnittenen Anzüge wirkten fast so.
„Lucas, schön, dich zu sehen“, sagte Columban herzlich.
„Onkel, ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, mit Nargiz und den anderen zu sprechen. Sie sind verwirrt, verängstigt und fühlen sich einsam. Auf ihrer Welt leben alle in einer großen Gemeinschaft …“
„Ich habe nicht vor, deinen Freunden ein Leid zuzufügen“, unterbrach von Harthausen spröde.
„Und was sollen dann – diese Leute hier?“ Lucas deutete mit dem Kopf auf die Mutanten und handelte sich damit eine Rüge von Dexter ein.
„Ich dulde keine abfälligen Bemerkungen über andere Lebewesen, Herr von Harthausen. Wer sich hier an Bord befindet, besitzt die gleichen Rechte und Pflichten wie alle anderen auch, egal ob Mensch, Alien oder Mutant. Wenn Sie weiter im Sicherheitsdienst arbeiten wollen, erwarte ich absolute Neutralität.“
„Ja, Oberst, ich habe verstanden“, murmelte er zerknirscht.
„Gut, dann wollen wir gehen. Bisher halte ich die Tandorer in Einzelzellen, auch wenn mir klar ist, wie schwer sie darunter leiden. Doch ich kann nicht das Risiko eingehen, eine erneute Beschädigung der Station geschehen zu lassen. Sie beide werden bitte die Gedanken daraufhin sondieren, ob die Tandorer eine von ihren Beschwörungen im Sinn haben – ein Gebet, egal – was auch immer. Noch eine Eruption an Bord werde ich nicht zulassen.“
Dario Grillo nickte. „Wissen die Tandorer, dass sie von uns gescannt werden?“
„Bisher nicht. Wir wissen nicht einmal, ob es sich bei ihnen um echte Telepathen handelt“, erwiderte Dexter.
„Falls ja, werden sie es spätestens dann bemerken, wenn wir sondieren. Es könnte zu – Konflikten auf geistiger Ebene kommen“, gab Indra Palalong zu bedenken.
„Müssen wir noch länger über die Befindlichkeiten der Telepathen diskutieren?“, fragte Columban scharf.
„Wir sollten alle Eventualitäten bedenken“, mischte sich Alexa ein, und der warnende Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
„Sie haben das Kommando, also verhätscheln Sie diese Leute auch weiterhin“, meinte der Generalmajor wegwerfend.
„Damit wäre das zumindest geklärt. Also gut, ich lasse jetzt die vier Tandorer in eine Verhörzelle bringen. Columban, ich erwarte, dass Sie die Befragung so kurz wie möglich machen. Ich werde die Tandorer auch fragen, ob sie auf ihren Planeten zurückgebracht werden wollen. Das würde die Gefahr für die Station deutlich verringern. Wir haben auch ohne diese Wesen Sorgen genug.“
In dieser Hinsicht stimmte von Harthausen ihr voll und ganz zu.
Es gab an Bord nur eine Verhörzelle, die bei Bedarf auch als Gerichtssaal fungierte, für höchst vertrauliche Gespräche genutzt wurde, oder gelegentlich als Kirche diente, wenn ein Gottesdienst anberaumt war. Platz war an Bord einer Station im Weltraum immer rar, es kam gar nicht infrage, dass Räumlichkeiten ungenutzt leer standen.
Nargiz und seine Freunde, die sich mehrere Tage nicht gesehen hatten, hielten sich fest umklammert, ohne ein Wort zu sagen. Jeder von ihnen war von einem Sicherheitsmann hierher gebracht worden, diese vier hatten vor dem Schott Aufstellung genommen, sie würden hier draußen kein Wort von dem Gespräch hören.
Oberst Dexter führte die Gruppe herein, die den relativ kleinen Raum ausfüllte. Lucas lief sofort auf die vier Tandorer zu, die ihn ohne Scheu in ihren Kreis zogen.
Die beiden Mutanten nahmen rechts und links der Tür Aufstellung und begannen sofort mit der Sondierung. Columban drängte seine Emotionen zurück und hoffte, dass das auch Harry Richter gelang. Er glaubte, in seinem Rücken die Blicke der beiden menschlichen Mutanten zu spüren. Wie konnte sein Neffe so unbefangen und freundschaftlich mit den Aliens umgehen?
Nun fühlte er die beruhigende Nähe von Harry. Er stand diesen geballten geistigen Kräften nicht allein gegenüber.
„Können wir endlich anfangen, oder brauchen wir noch länger für diese Wiedersehensorgie?“, fragte von Harthausen ätzend.
Alexa machte eine einladende Handbewegung. „Wir sollten uns setzen und zum Wesentlichen kommen. – Generalmajor von Harthausen, für das Protokoll, dieses Treffen findet auf Ihren Wunsch hin statt. Sie möchten mit Nargiz und den anderen Tandorern sprechen. Bitte, Sie können anfangen.“
Die Tandorer hatten scheinbar noch keinen der Menschen beachtet, es war, als müssten sie sich eng aneinander schmiegen, und sie bezogenen Lucas voll und ganz mit ein. Dexter trat einen Schritt zur Seite, sie war jetzt nur noch Beobachter.
„Lucas, ist es möglich, dass ihr eure Kuscheleinheiten später fortführt?“, fragte Columban ironisch.
Der junge Mann hob den Kopf und sprach leise auf die Tandorer ein. Gehorsam setzten sie sich an den Tisch, Lucas blieb hinter ihnen stehen und starrte seinen Onkel streitlustig an. „Was genau willst du von Nargiz und den anderen? Hat die Schwarze Division auf dem Boden ihrer Heimatwelt noch nicht genug angerichtet?“
„Mischen Sie sich nicht in Dinge, von denen Sie keine Ahnung haben“, fauchte Richter dazwischen.
„Danke, Harry, ich bin durchaus in der Lage, allein zu meinem Neffen zu sprechen. Wir wollen keine Aggressionen aufkommen lassen. Mir ist an einer ruhigen Aussprache gelegen“, wandte der Generalmajor ein und setzte sich den Aliens gegenüber. Er spürte ihre Blicke ebenso wie die der menschlichen Mutanten, sein ganzer Körper spannte sich, doch er gab sich den Anschein von Gelassenheit.