Sharras Exil - Marion Zimmer Bradley - E-Book

Sharras Exil E-Book

Marion Zimmer Bradley

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Beschreibung

Bestsellerautorin Marion Zimmer Bradley ("Die Nebel von Avalon") hat mit dem opulenten Darkover-Zyklus eine einzigartige Romanreihe geschaffen: Die fesselnde Geschichte einer geheimnisvollen fremden Welt und ihrer Bewohner ist Kult! Ihr Name ist Sharra – eine unvorstellbare Macht, die in den falschen Händen zur schrecklichen Waffe werden kann. Lew Alton hatte es auf sich genommen, Sharra von Darkover fortzubringen. Nun aber ist für ihn die Zeit gekommen, auf den Planeten seiner Väter zurückzukehren. Und dort kommt es zwischen denen, die nur eigene Interessen verfolgen und Sharras Macht erneut beschwören, und jenen, die Darkover retten wollen, zum alles entscheidenden Gefecht...

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Marion Zimmer Bradley – Der “Darkover”-Romanzyklus bei EdelEdel Elements:

ISBN 978-3-95530-591-8Die LandungISBN 978-3-95530-598-7Herrin der StürmeISBN 978-3-95530-597-0Herrin der FalkenISBN 978-3-95530-609-0Der Untergang von NeskayaISBN 978-3-95530-608-3Zandrus SchmiedeISBN 978-3-95530-607-6Die Flamme von HaliISBN 978-3-95530-594-9Die Zeit der hundert KönigreicheISBN 978-3-95530-592-5Die Erben von HammerfellISBN 978-3-95530-593-2Die zerbrochene KetteISBN 978-3-95530-603-8Gildenhaus ThendaraISBN 978-3-95530-595-6Die schwarze SchwesternschaftISBN 978-3-95530-596-3An den Feuern von HasturISBN 978-3-95530-588-8Das ZauberschwertISBN 978-3-95530-599-4Der verbotene TurmISBN 978-3-95530-589-5Die Kräfte der ComynISBN 978-3-95530-586-4Die Winde von DarkoverISBN 978-3-95530-601-4Die blutige SonneISBN 978-3-95530-602-1Hasturs ErbeISBN 978-3-95530-585-7Retter des PlanetenISBN 978-3-95530-587-1Das Schwert des AldonesISBN 978-3-95530-600-7Sharras ExilISBN 978-3-95530-590-1Die WeltenzerstörerISBN 978-3-95530-604-5Asharas RückkehrISBN 978-3-95530-606-9Die SchattenmatrixISBN 978-3-95530-605-2Der Sohn des Verräters

Marion Zimmer Bradley

Sharras Exil
Ein Darkover Roman

Ins Deutsche übertragen von Rosemarie Hundertmarck

Copyright dieser Ausgabe © 2014 by Edel Elements, einem Verlag der Edel Germany GmbH, Hamburg. Copyright © 1981 by Marion Zimmer Bradley Copyright First german Edition © 2000 by Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München. Die Originalausgabe erschien 1981 unter dem Titel "Sharra's Exile" Ins Deutsche übertragen von Rosemarie Hundertmarck Trotz intensiver Recherche war es dem Verlag nicht möglich, den Rechteinhaber der Übersetzung zu identifizieren bzw. einen Kontakt herzustellen. Wie bitten den Übersetzer bzw. seinen Nachfolger, sich ggf. beim Verlag zu melden. 

Covergestaltung: Agentur bürosüd°, München

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-95530-600-7

edel.com

Ein Darkover-Roman

»Weit entfernt in der Galaxis und ungefähr 4000 Jahre in der Zukunft gibt es einen Planeten mit einer großen roten Sonne und vier Monden. Willst Du nicht mitkommen

Inhalt

Vorbemerkung der Autorin

Prolog Das zweite Jahr des Exils

I Das Exil

1 Darkover Das dritte Jahr des Exils

2 Vainwal Terranisches Imperium Das fünfte Jahr des Exils

3 Lew Altons Erzählung Vainwal Sechstes Jahr des Exils

II Das Feuerbild

1 Darkover Das Ende des Exils

2 Lew Altons Erzählung

3

4 Lew Altons Erzählung

5

6 Lew Altons Erzählung

7

8 Lew Altons Erzählung

9

10 Lew Altons Erzählung

III Die Hastur-Gabe

1 Die Hastur-Gabe

2 Lew Altons Erzählung

3

4 Lew Altons Erzählung

Epilog

Vorbemerkung der Autorin

Wie alle vorhergehenden Darkover-Romane ist auch dieser in sich abgeschlossen, und es ist nicht notwendig, die anderen zu kennen. Doch ist gerade dies Buch hauptsächlich auf Drängen meiner Leser hin entstanden.

Ich habe die Darkover-Romane geschrieben, wie sie mir einfielen, statt mich an eine streng chronologische Reihenfolge zu halten. Als Erstes kam ein Versuch, die letzten Probleme der menschlichen Gesellschaft zu lösen, und weil ich nun erklären musste, wie die Gesellschaft diesen Punkt erreicht hatte, zog jeder Roman einen neuen nach sich, der in früherer Zeit spielt. Das Resultat ist unglücklicherweise, dass auf relativ reife Romane, die in der Frühgeschichte Darkovers spielen, Bücher folgen, die ich schrieb, als ich noch viel jünger und im Vergleich zu heute weniger geschickt im Geschichtenerzählen war. Die unbefriedigendste dieser Arbeiten war The Sword, of Aldones (Das Schwert des Aldones), vielleicht weil ich es mir im Wesentlichen im Alter von fünfzehn zusammengeträumt hatte.

Im Jahr 1975 traf ich eine Entscheidung, die eine Landmarke setzte: Beim Schreiben von The Heritage of Hastur (Hasturs Erbe) wollte ich mich von den unreifen Konzepten des Sword of Aldones lösen, auch wenn dafür die Kontinuität der Serie geopfert werden musste. Als Heritage of Hastur im Druck erschien, kam mir The Sword of Aldones noch unbefriedigender vor. Jahrelang schien mich jeder Mensch, den ich traf, zu fragen, wann ich es umschreiben würde. Jahrelang antwortete ich »Nie« oder »Ich möchte das Thema nicht von neuem aufgreifen«. Aber schließlich sagte ich mir, die Idee, die ich in diesem frühen Roman entwickelt hatte, sei eigentlich gut, nur habe mir damals noch die Reife und die Geschicklichkeit gefehlt, sie so auszuarbeiten, wie sie es verdiente, und die Charaktere seien es der Mühe wert, sich noch einmal ernsthaft mit ihnen zu befassen. Ich beschloss, nicht den alten Roman umzuschreiben, sondern Ereignisse im gleichen zeitlichen Rahmen völlig neu zu gestalten. Das vorliegende Buch ist das Ergebnis.

Marion Zimmer Bradley

Prolog Das zweite Jahr des Exils

Hier war die Heimat meiner Vorfahren. Aber nun wusste ich, dass es niemals meine Heimat sein würde.

Ich blickte zum Horizont, wo die Sonne unterging – eine merkwürdig gelbe Sonne, nicht rot, wie eine Sonne sein sollte, eine gleißende Sonne, die meinen Augen wehtat. Doch gerade jetzt, kurz vor Einbruch der Dämmerung, war sie plötzlich rot und riesig und versank hinter dem See in einer karmesinfarbenen Glorie, die mich mit Heimweh erfüllte. Auch über das Wasser zog sich ein Streifen leuchtenden Rots... Ich stand wie angewurzelt, bis der letzte Schimmer verblasste und über dem See, bleich und silbrig, der einzige Mond Terras in einer schmalen, eleganten Sichel aufging.

Es hatte heute geregnet, und die Luft war schwer von fremden Düften. Doch sie waren nicht eigentlich fremd, sie waren mir ganz tief in meinen Genen irgendwie bekannt. Meine Vorfahren waren aus den Bäumen dieser Welt gestiegen, hatten die lange Evolution durchschritten, die sie zu Menschen gestaltete, und später hatten sie die Kolonistenschiffe ausgesandt, von denen eins – ich hatte die Geschichte erzählen gehört – eine Bruchlandung auf Darkover machte. Man hatte sich dort angesiedelt und so feste Wurzeln auf der neuen Welt geschlagen, dass ich, ein Rückkehrer, die Heimatwelt meiner Rasse als fremdartig empfand und mich nach der Exilwelt meines Volkes sehnte.

Ich weiß nicht, seit wann oder wie lange mein Volk auf Darkover lebt. Das Reisen zwischen den Sternen hat seltsame Anomalien; die enormen interstellaren Entfernungen vollführen merkwürdige Tricks mit der Zeit. Die Bewohner des Terranischen Imperiums werden nie eine Methode finden, festzustellen, ob Darkover vor dreitausend Jahren oder fünfzehntausend Jahren und von welchem bestimmten Schiff besiedelt worden ist... Die auf Terra inzwischen verstrichene Zeitspanne beträgt etwa dreitausend Jahre. Doch auf Darkover sind mehr als zehntausend Jahre vergangen, so dass Darkover eine Geschichte besitzt, die beinahe ebenso lang wie die irdische Geschichte der Zivilisation und des Chaos ist. Ich weiß, vor wie vielen Jahren Terra – es war lange vor der Zeit, als das Terranische Imperium sich unter den Sternen ausbreitete – das Schiff ausgeschickt hat. Ich weiß, wie viele Jahre seitdem auf Darkover vergangen sind. Doch selbst der genaueste Historiker vermag die beiden Daten nicht miteinander in Einklang zu bringen. Ich hatte den Versuch längst aufgegeben.

Auch bin ich nicht der Einzige mit einer tief im DNA meiner Zellen eingebrannten, hoffnungslos zerrissenen Loyalität. Meine Mutter ist auf der Erde unter diesem unmöglich blauen Himmel und diesem farblosen Mond geboren worden, und doch hat sie Darkover geliebt, meinen darkovanischen Vater geheiratet und ihm Söhne geboren, und endlich wurde sie in den Kilghardbergen auf Darkover in einem nicht gekennzeichneten Grab zur Ruhe gebettet.

Und ich wünschte, ich läge neben ihr...

Einen Augenblick war ich mir nicht sicher, ob dieser Gedanke nicht doch mein eigener sei. Dann schloss ich ihn wütend aus. Mein Vater und ich waren einander zu nahe ... nicht in der normalen Verbundenheit einer telepathischen Comyn-Familie (obwohl schon das den Terranern um uns recht eigentümlich vorgekommen wäre), sondern in einer Verstrickung von gemeinsamen Ängsten und gemeinsamen Verlusten ... geteilten Erfahrungen und Schmerzen. Ich werde von der Kaste meines Vaters als Bastard betrachtet, weil meine Mutter Halb-Terranerin war, und mein Vater hat endlose Mühen auf sich genommen, damit ich als Comyn-Erbe anerkannt wurde. Bis heute weiß ich nicht, ob er es meinet- oder seinetwegen tat. Mein vergebliches Aufbegehren hatte uns alle in die fehlgeschlagene Rebellion unter den Aldarans verwickelt und Sharra ...

Sharra. In meinem Geist brennendes Feuer ... Bild einer Frau aus Flammen, in Ketten, ruhelos, flatterndes Flammenhaar, das ein Feuersturm hebt... steigend, verzehrend ... Marjorie, vom Feuer ergriffen, schreit, stirbt...

Nein! Gnädige Avarra, nein ...

Dunkelheit, Schwärze. Alles ausschließen. Ich schließe die Augen und senke meinen Kopf, gehe fort, da ist nichts, gar nichts ...

Schmerz. Flammende Qual in meiner Hand ...

»Ist es so schlimm, Lew?« Ich spürte die beruhigenden Gedanken meines Vaters hinter mir. Ich nickte, biss die Zähne zusammen, schlug den schmerzenden Stumpf meiner linken Hand gegen das Geländer, ließ mich von der fremden Kälte der weißen Mondsichel überfluten.

»Verdammt noch mal, mir fehlt nichts. Hör auf...« Ich suchte nach dem richtigen Wort, und mir fiel nichts ein als: »Hör auf, ständig teilzunehmen.«

»Was soll ich denn sonst tun? Ich kann es nicht ausschließen«, antwortete er ruhig. »Du hast – wie soll ich sagen? – mit voller Kraft gesendet. Sobald du deine Gedanken für dich behalten kannst, werde ich dich mit ihnen allein lassen. Im Namen aller Götter, Lew, ich bin zehn Jahre lang Techniker im Arilinn-Turm gewesen!«

Er ging nicht in Einzelheiten. Das brauchte er auch nicht. Drei Jahre lang, vielleicht die glücklichsten Jahre meines Lebens, war auch ich Matrix-Mechaniker im Arilinn-Turm gewesen und hatte mit den komplizierten Matrix-Kristallen gearbeitet, die die Gedanken von Telepathen zusammenschließen, um unsere an Metallen und Maschinen arme Welt mit einem Kommunikationsnetz und Technologie zu versorgen. In Arilinn hatte ich gelernt, was es bedeutet, Telepath zu sein, Comyn unserer Kaste mit dem ererbten Geschenk oder Fluch, den eigenen Geist mit dem anderer verbinden zu können und hypersensitiv auf die gedanklichen Ausstrahlungen um mich zu reagieren. Man lernte, andere nicht zu belauschen, man lernte, anderen die eigenen Gedanken nicht aufzudrängen, nicht verletzt zu werden durch die Schmerzen, die Not anderer, von äußerster Empfänglichkeit zu bleiben und gleichzeitig zu leben, ohne sich aufzudrängen oder zu fordern.

Auch ich hatte das alles gelernt. Aber meine Kontrolle war von der Matrix der neunten Ebene ausgebrannt worden, die ich wahnsinnigerweise mit einem Kreis halb ausgebildeter Telepathen zu handhaben versucht hatte. Vergeblich war unsere Hoffnung gewesen, die alte, hoch entwickelte darkovanische Technologie wieder zu erwecken, wie sie uns als Legende aus dem Zeitalter des Chaos überliefert ist. Und dabei hätten wir es beinahe geschafft, indem wir mit den alten Künsten experimentierten. Vom gewöhnlichen Volk auf Darkover werden sie Zauberei und Magie genannt, doch wir wussten, dass es sich dabei in Wahrheit um eine komplizierte Wissenschaft handelt. Mit ihr hätte sich praktisch alles erreichen lassen – auch die Erzeugung von Energie für eigene Raumschiffe, die aus den armen, abhängigen Verwandten, die wir Darkovaner für Terra darstellen, gleichberechtigte Partner des Imperiums gemacht hätten.

Wir hätten es beinahe geschafft ... aber Sharra war zu mächtig für uns, und die Matrix, die seit Jahren in Fesseln geschlagen war und den Schmieden in den Bergen friedlich Feuer für ihre Werkstätten brachte, war frei geworden und hatte in den Bergen gesengt und verheert. Eine Stadt war zerstört worden. Und ich, ich war ebenfalls zerstört worden, verbrannt in diesem monströsen Feuer, und Marjorie, Marjorie war tot...

Und jetzt konnte ich in meiner Matrix nichts anderes mehr erblicken als Flammen und Zerstörung und Sharra ...

Ein Telepath stimmt seine Schwingungen auf den Matrixstein ab, den er benutzt. Mit elf hatte ich eine solche Matrix erhalten; hätte man sie mir weggenommen, wäre ich bald darauf gestorben. Ich weiß nicht, was die Matrixsteine sind. Manche Leute halten sie für Kristalle, die die psycho-elektrischen Emanationen des Gehirns in den »stillen« Teilen, wo die Comyn-Kräfte sitzen, verstärken. Andere nennen sie eine fremde Lebensform, die in Symbiose mit den besonderen Kräften der Comyn lebt. Was auch die Wahrheit sein mag, ein Comyn-Telepath arbeitet mittels seiner eigenen Matrix. Die größeren Matrices höherer Ebenen werden niemals auf Körper und Gehirn des einzelnen Matrixarbeiters abgestimmt, sondern durch seinen Stein weitergegeben und transformiert.

Aber Sharra hatte nach uns allen gegriffen und uns in das Feuer hineingezogen ...

»Genug!« Mein Vater sprach mit der den Altons eigenen Kraft, zwang mir seinen Willen auf, wischte das Bild fort. Gnädige Dunkelheit sank hinter meinen Augen nieder. Dann konnte ich den Mond wieder sehen, konnte etwas anderes sehen als Flammen.

Ich ruhte meine Augen aus, bedeckte sie mit meiner guten Hand, und mein Vater sagte leise: »Du glaubst es mir im Augenblick nicht, Lew, aber es ist wirklich besser geworden. Es kommt, wenn du deine Abschirmung sinken lässt, ja. Aber es gibt lange Zeitspannen, in denen du die Herrschaft der Sharra-Matrix zu brechen vermagst...«

»Wenn ich nicht darüber rede, meinst du«, unterbrach ich ihn wütend.

»Nein«, widersprach er, »wenn sie nicht da ist. Ich habe dich überwacht. Es steht mit dir längst nicht mehr so schlimm wie im ersten Jahr. Im Krankenhaus zum Beispiel... Es gelang mir nicht, dich für mehr als ein paar Stunden auf einmal herauszuholen. Nun sind es schon Tage, sogar Wochen ...«

Trotzdem würde ich niemals mehr frei sein. Als wir Darkover in der Hoffnung verließen, die in Sharras Feuer verbrannte Hand zu retten, hatte ich die Sharra-Matrix, verborgen in ihrem kunstvoll gearbeiteten Schwert, mitgenommen. Nicht weil ich sie bei mir haben wollte, sondern weil ich nach dem, was geschehen war, von ihr ebenso wenig getrennt werden durfte wie von meiner eigenen Matrix. Diese hing mir um den Hals, sie hatte dort seit meinem zwölften Jahr gehangen, und wenn ich sie entfernte, bereitete mir das Schmerz und würde wahrscheinlich mein Gehirn schädigen. Einmal hatte man sie mir mit der Absicht, mich zu foltern, weggenommen, und ich war dem Tod so nahe gewesen, dass ich gar nicht mehr daran denken mochte. Wäre sie mir einen weiteren Tag vorenthalten worden, hätte ich an Herz- oder Gehirnversagen sterben müssen.

Aber die Sharra-Matrix ... irgendwie hatte sie meine eigene überwältigt. Ich brauchte sie nicht um den Hals zu tragen oder in körperlichem Kontakt mit ihr zu sein, aber wenn ich mich über einen kritischen Punkt hinaus von ihr entfernte, begannen die Schmerzen, und die Feuerbilder löschten wie statische Geräusche alles andere in meinem Gehirn aus. Mein Vater war ein fähiger Techniker, und trotzdem konnte er nichts tun. Die Techniker im Arilinn-Turm, wo man versucht hatte, meine Hand zu retten, konnten nichts tun. Schließlich hatte mein Vater mich in der vagen Hoffnung, terranische Wissenschaft vollbringe mehr, von Darkover weggebracht. Es war illegal, dass Kennard Alton, Regent der Alton-Domäne, Darkover gleichzeitig mit seinem Erben verließ. Trotzdem hatte er es getan, und mir ist klar, dass ich ihm dafür dankbar sein sollte. Aber ich empfinde nur Müdigkeit, Wut und Groll.

Ihr hättet mich sterben lassen sollen.

Mein Vater trat ins Licht des blassen Monds und der Sterne. Ich konnte kaum seine Umrisse erkennen. Groß war er, einst kraftvoll und imposant, jetzt gebeugt von der Knochenkrankheit, die ihn seit Jahren verkrüppelte, aber immer noch stark und dominierend. Ich war mir nie sicher, ob ich die körperliche Anwesenheit meines Vaters wahrnahm oder die geistige, beherrschende Kraft, die mein Leben bestimmte, seit er, als ich elf war, meinen Geist mit Gewalt der Alton-Gabe geöffnet hatte – der Gabe des erzwungenen Rapports sogar mit Nichttelepathen, ein Charakteristikum der Alton-Domäne. Er hatte es getan, weil er dem Comyn-Rat mit keiner anderen Methode beweisen konnte, dass ich würdig war, der Erbe von Alton zu sein. Aber seitdem muss ich damit leben.

Meine nicht vorhandene Hand pochte von dem Schlag des Stumpfs auf das Geländer. Merkwürdig, dieser Schmerz – ich fühlte ihn in meinem vierten und sechsten Finger ... als hätte ich mir einen Nagel weggebrannt. Und doch war nichts da, nichts als eine leere Narbe ... Man hatte es mir erklärt, Phantomschmerz, im übrigen Arm noch vorhandene Nerven. Verdammt real für ein Phantom. Endlich hatten die terranischen Mediziner und sogar mein Vater eingesehen, dass für die Hand nichts mehr getan werden konnte, und sie entschlossen sich, was sie gleich zu Anfang hätten tun sollen, sie zu amputieren. Nichts hatte getan werden können, nicht einmal mit ihrer (zu Recht) berühmten medizinischen Wissenschaft. Mir grauste noch immer in der Erinnerung an das verrenkte, entsetzliche Ding, das die Krönung ihrer letzten Regenerationsversuche gewesen war. Das, was in den Körperzellen einer Hand befiehlt, eine Hand zu sein mit Handfläche und Fingern und Nägeln und nicht eine Klaue oder eine Feder oder ein Auge, war von Sharra weggebrannt worden, und einmal hatte ich durch die Drogenbetäubung gesehen, zu was meine Hand geworden war...

Zwinge meine Gedanken auch davon weg ... gibt es überhaupt noch etwas, woran ich ohne Gefahr denken kann?

Ich blickte in den stillen Himmel hinauf, aus dem die letzten verweilenden Spuren des Abendrots verschwunden waren.

Er sagte ruhig: »In der Dämmerung ist es am schlimmsten, glaube ich. Ich war noch nicht einmal ganz erwachsen, als ich das erste Mal nach Terra kam. Bei Sonnenuntergang ging ich immer hierher, damit meine Cousins und Pflegebrüder mich nicht beobachten konnten. Man bekommt es so satt ...« Er stand mit dem Rücken zu mir, und es war sowieso zu dunkel, um sein Gesicht zu erkennen, aber trotzdem sah ich im Geist das schiefe, traurige Halblächeln. »... so satt, immer nur den gleichen alten Mond zu sehen. Und meine terranischen Cousins hielten es für eine Schande, wenn ein Junge meines Alters weinte. Deshalb achtete ich nach dem ersten Mal darauf, dass sie es nicht merkten.«

Auf Darkover gibt es ein Sprichwort: Nur Menschen lachen, nur Menschen tanzen, nur Menschen weinen.

Aber für meinen Vater war es anders gewesen, dachte ich in wildem Neid. Er war aus freiem Willen hergekommen und zu dem Zweck, eine Brücke zwischen unsern Völkern, den Terranern und den Darkovanern, zu schlagen. Larry Montray, sein terranischer Freund, blieb auf Darkover als Pflegesohn der Alton-Domäne, Kennard Alton wurde in den terranischen Wissenschaften ausgebildet. Aber ich?

Ich war ein Verbannter, zerbrochen, verstümmelt. Meine geliebte Marjorie war tot, weil ich, wie mein Vater vor mir, versucht hatte, eine Brücke zwischen dem Terranischen Imperium und Darkover zu schlagen. Und ich hatte bessere Gründe gehabt: Ich war ein Sohn beider Welten, weil Kennard, der reine Comyn, Montrays Halbschwester Elaine heiratete. Also versuchte ich es, aber ich hatte das falsche Werkzeug gewählt, die Sharra-Matrix. Ich versagte und lebte weiter, und jetzt ist alles, was das Leben für mich lebenswert macht, tot oder durch eine halbe Galaxis von mir getrennt. Auch die Hoffnung, die meinen Vater bewog, mich herzubringen – dass meine Hand, im Feuer Sharras verbrannt, irgendwie gerettet oder regeneriert werden könnte –, hat sich als bloßes Trugbild erwiesen, zu Schanden geworden trotz allem, was ich habe durchmachen müssen. Und ich bin hier auf einer verhassten Welt, die mir gleichzeitig fremd und vertraut ist.

Meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Ich konnte meinen Vater jetzt erkennen, einen Mann am Ende der mittleren Jahre, gebeugt und lahm, das einmal feuerrote Haar ganz grau, das Gesicht zerfurcht von Schmerz und Zweifeln.

»Lew, möchtest du zurück? Wäre es dann leichter für dich? Ich war aus einem bestimmten Grund hier, ich war ein Austauschstudent mit einer offiziellen Mission. Es war eine ehrenvolle Aufgabe. Aber dich bindet hier nichts. Du kannst ein Schiff besteigen und nach Darkover zurückkehren, wann immer du willst. Sollen wir nach Hause gehen, Lew?« Er warf keinen Blick auf meine Hand, das brauchte er nicht. Das ist fehlgeschlagen. Es hat keinen Sinn, hier zu bleiben und auf ein Wunder zu hoffen.

(Aber ich spüre immer noch diesen dumpfen Schmerz wie von einem ausgerissenen Nagel um den Daumen. Und mein sechster Finger tut weh, als sei er in einen Schraubstock geklemmt worden oder verbrannt. Seltsam. Ich werde verfolgt vom Geist einer Hand, die nicht mehr da ist.)

»Lew, sollen wir nach Hause gehen?« Ich weiß, er würde gern heimkehren; dies fremde Land bringt auch ihn um. Aber dann sagte er das Falsche.

»Der Rat will mich zurückhaben. Man weiß jetzt, dass ich keine weiteren Söhne mehr zeugen werde. Und du bist als Erbe von Alton anerkannt. Als ich ging, sagte man mir, es sei ungesetzlich, wenn der Lord der Alton-Domäne und sein Erbe Darkover gleichzeitig verließen. Wenn du zurückkehrtest, wäre der Rat gezwungen, dich ...«

»Verdammt sei der Rat!«, brüllte ich so laut, dass mein Vater zusammenzuckte. Die gleichen alten verfluchten politischen Winkelzüge! Er hörte nie auf mit den Bemühungen, den Rat dazu zu bewegen, mich anzuerkennen. Das hat meine Kindheit zum Alptraum gemacht, hat ihn zu dem schmerzvollen und gefährlichen Schritt gezwungen, meine Laran-Gabe vorzeitig und mit Gewalt zu erwecken. Später trieb es mich zu meinen Aldaran-Verwandten, zu dem schicksalhaften Versuch, Macht durch Sharra heraufzubeschwören, und Marjorie ...

Im Geist schlug ich diese Tür zu. Ein verschlossener Raum, Schwärze, Leere. Daran wollte ich nicht denken, ich wollte nicht... Ich wollte nicht teilhaben an ihrem verdammten Rat, und auch an den Comyn und an Darkover nicht... Ich wandte meinem Vater den Rücken und ging fort, auf die Hütte am See zu, und ich spürte ihn hinter mir, nahe, zu nahe ...

Geh weg aus meinen Gedanken! Geh weg! Lass mich allein! Ich verschloss meinen Geist wie die Tür der Hütte, hörte die Tür sich wieder öffnen und noch einmal schließen, fühlte ihn, obwohl ich mit geschlossenen Augen dastand. Ich wandte mich ihm nicht zu, ich sah ihn nicht an.

»Lew. Nein, verdammt noch mal, schließ mich nicht wieder aus, hör mir zu! Glaubst du, der Einzige auf der Welt zu sein, der den Verlust eines geliebten Menschen erfahren hat?« Seine Stimme klang rau, aber diese Rauheit kannte ich; er musste so rau sprechen oder weinen. Zweiundzwanzig Jahre war ich alt geworden, bis ich erfuhr, dass mein Vater weinen konnte.

»Du warst zwei Jahre alt, und deine Schwester starb bei der Geburt. Wir wussten beide, weitere Kinder würde es nicht mehr geben. Elaine ...« Er hatte ihren Namen noch nie vor meinen Ohren ausgesprochen, wenn ich ihn auch von seinen Freunden gehört hatte; immer war es das distanzierte, formelle deine Mutter gewesen. »Yllana«, wiederholte er, diesmal die darkovanische Version benutzend. »Ihr war ebenso klar wie mir, dass die Herrschaft eines Mannes mit nur einem Sohn auf schwachen Füßen steht. Und du warst kein kräftiges Kind. Glaub mir, ich verlangte es nicht von ihr. Es war ihre eigene freie Wahl. Und fünfzehn Jahre lang habe ich diese Bürde getragen und mir Mühe gegeben, es Marius nicht empfinden zu lassen... dass ich ihm sein Leben missgönnte, weil es mit Yllanas Leben bezahlt worden war.«

So viel hatte er noch nie gesagt. Die Härte seiner Stimme verriet mir, was es ihn kostete, es zu sagen.

Aber es war meiner Mutter eigene freie Wahl gewesen, ihr Leben bei der Geburt meines Bruders Marius aufs Spiel zu setzen. Marjorie hatte keine Wahl gehabt...

Feuer. Rasende Flammen schießen in den Himmel, die gewaltigen, schlagenden Schwingen des Feuers. Marjorie brennt, brennt in Sharras Flammen ... Caer Donn, die Welt, Darkover, alles steht in Brand ...

Ich schloss die Barriere und zwang Schwärze in meinen Geist, ich hörte mich mit aller Kraft »Nein!« schreien, und wieder hob ich meinen verstümmelten Arm und ließ ihn auf irgendetwas niedersausen, nur damit körperlicher Schmerz alles andere in meinen Gedanken auslöschte. Er soll mir nicht ständig vor Augen führen, dass ich das Einzige getötet habe, was ich je liebte und je lieben werde ...

Von sehr weit weg hörte ich ihn meinen Namen rufen, fühlte, wie er besorgt meine Gedanken berührte ... Ich schloss die Barriere dichter, machte die Schwärze noch undurchdringlicher. Ich stand da und hörte nicht und sah nicht, bis er wegging.

I Das Exil

Darkover Das dritte Jahr des Exils 1

Regis Hastur stand auf einem Balkon der Comyn-Burg hoch über dem Tal. Das Schloss hinter ihm lag im Schatten der Berge, vor ihm Thendara und die Terranische Handelsstadt. Der Raumhafen und die hochragenden Wolkenkratzer des Terranischen Hauptquartiers schlossen sich an. Er dachte, wie schon so viele Male zuvor: Das da hat seine eigene fremdartige Schönheit.

Viele Jahre lang hatte er einen Traum gehabt. Wenn er mündig war, wollte er Darkover verlassen, an Bord eines dieser terranischen Sternenschiffe gehen und hinausreisen zu den Sternen, zu den fremden Sonnen und Welten ohne Zahl. Er wollte allem entfliehen, was er an seinem Leben hasste: seiner eigenen schiefen Position als Erbe eines alten Haushalts und einer Regentschaft, die mit jedem Jahr stärker zum Anachronismus wurde, und ebenso dem unaufhörlichen Drängen, endlich zu heiraten. So jung er noch war, sollte er das Erbgut der Hasturs weitergeben, dies unbekannte Potenzial an Laran, jene angezüchtete psychische Fähigkeit, die im Gehirn, in den Knochen und Genen saß. Hinter sich lassen wollte er die Herrschaft über die sich streitenden Domänen, von denen jede in der sich ständig wandelnden Welt, wie sie das moderne Darkover darstellte, etwas anderes anstrebte. Regis war achtzehn, nach dem Gesetz seit drei Jahren volljährig, auf Hastur eingeschworen. Jetzt wusste er, sein Traum würde niemals Wirklichkeit werden.

Er wäre nicht der erste Comyn gewesen, der Darkover verließ. Abenteuerlust, die Lockungen einer fremdartigen Gesellschaft und ein weites, vielfältiges Universum hatten mehr als einen Darkovaner, auch solche von höchstem Adel, in das Imperium gezogen.

Die Ridenow-Domäne, dachte er. Sie machen kein Geheimnis aus ihrem Glauben, dass Darkover sich dem Imperium eingliedern, ein Teil dieser modernen Welt werden sollte. Lerrys Ridenow ist weit im Imperium herumgereist, und zweifellos wird er bei der nächsten Ratssitzung wieder das Lob der Terraner singen. Kennard Alton wurde auf Terra erzogen, und er befindet sich jetzt mit seinem Sohn Lew dort. Und dann fragte sich Regis, wie es Lew irgendwo da draußen in diesem fremden Universum gehen mochte.

Wenn wir von der Bürde des Hastur-Erbes frei wären, würde auch ich fortgehen und niemals zurückkehren. Wieder überkam ihn die Versuchung wie damals, als er ein rebellisches Kind in seinem ersten Kadettenjahr bei der Garde gewesen war – der notwendigen Lehrzeit, die alle Comyn-Söhne durchmachten. Er und sein Freund Danilo hatten zusammen Pläne geschmiedet. Sie wollten an Bord eines der terranischen Schiffe gehen, sich einen Platz im Leben erobern ... sich in der Unendlichkeit tausender von fremden Welten verlieren. Regis lächelte in der Erinnerung daran; es war ein Kindertraum gewesen. Ob zum Guten oder Schlechten, er war Erbe von Hastur, und das Schicksal Darkovers war Teil seines Lebens, so untrennbar davon wie sein Körper oder sein Gehirn.

Danilo war Erbe von Ardais, adoptiert von dem kinderlosen Lord Dyan Ardais, und wurde für dies hohe Amt vorbereitet wie Regis für das seine. Drei gemeinsame Jahre bei den Kadetten lagen hinter ihnen; als Offiziersnachwuchs hatten sie gelernt, anderen und sich selbst zu befehlen. Regis hatte es als eine friedliche Zeit empfunden, aber sie war endgültig vorbei. Er hatte den vergangenen Winter in der Stadt Thendara verbracht, an den Sitzungen der Cortes teilgenommen, mit dem Magistrat verhandelt, diplomatische Gesandtschaften aus anderen Domänen und den Trockenstädten jenseits der Domänen, die Repräsentanten der Terraner und des Imperiums empfangen. Kurz gesagt, er hatte gelernt, das Amt seines Großvaters als Vertreters der Domänen zu übernehmen.

Seit der Festnacht, mit der die Ratssitzungen endeten, hatte Danilo ihm nur einen oder zwei flüchtige Besuche abgestattet. Er hatte mit Lord Dyan nach Burg Ardais zurückkehren und sich mit der Domäne vertraut machen müssen, die ihm gehören würde, falls Dyan kinderlos starb. Dann war Danilo der schweren Krankheit seines eigenen Vaters wegen nach Syrtis gerufen worden.

Warum kommt mir ganz plötzlich Danilo in den Sinn? Und dann erkannte er es. Er war kein besonders guter Telepath, aber das Band zwischen ihm und Danilo war stark. Abrupt wandte er sich von dem Anblick der Stadt und des Raumhafens ab, zog die Vorhänge zu und ging hinein.

Es war der müßige Traum eines Knaben, dort zu stehen und sich zu den Sternen zu sehnen. Meine Welt liegt hier. Er trat in das Vorzimmer der Hastur-Suite, gerade als einer der Diener auf der Suche nach ihm erschien.

»Dom Danilo Syrtis, Erbe und Herr von Ardais«, meldete er, und Danilo kam herein, ein schlanker, hübscher junger Mann mit dunklen Haaren und Augen. Regis wollte ihn mit der offiziellen, unter Verwandten üblichen Umarmung begrüßen, sah jedoch über Danilos Schulter, dass der Diener den Raum verließ, und irgendwie verwandelte sich die förmliche Geste dazu, dass der eine Freund den anderen begeistert an sich drückte.

»Dani! Ich freue mich so, dich zu sehen! Du kannst dir nicht vorstellen, wie langweilig die Stadt im Winter ist!«

Danilo lachte und blickte liebevoll auf Regis nieder. Er war jetzt ein bisschen größer als sein Freund. »Mir wäre die Stadt lieber gewesen. Ich schwöre dir, das Klima von Ardais hat viel mit Zandrus kältester Hölle gemein. Lord Dyan im Nevarsin-Kloster kann es nicht kälter gehabt haben.«

»Ist Dyan immer noch in Nevarsin?«

»Nein, er hat das Kloster Anfang des Winters verlassen. Wir waren die ganze Zeit zusammen in Ardais; er hat mich vieles gelehrt, was ich, wie er sagt, als Regent der Domäne wissen sollte. Dann reisten wir gen Süden nach Thendara ... Seltsam, ich hätte nie gedacht, dass mir seine Gesellschaft Vergnügen bereiten könnte, aber er hat sich so viel Mühe gemacht, mich für meine zukünftige Aufgabe richtig zu erziehen ...«

»Das tut er schon der Ehre seines eigenen Hauses wegen«, bemerkte Regis trocken.

»Aber als mein armer Vater starb, war er die Freundlichkeit selbst.«

»Auch das überrascht mich nicht«, sagte Regis. »Du bist hübsch geworden, Dani, und Lord Dyan hat immer ein Auge für Schönheit bei Jungen gehabt...«

Danilo lachte. Jetzt konnten sie gemeinsam darüber lachen, obwohl es vor drei Jahren gar nichts Lustiges gewesen war. »Oh, ich bin mittlerweile zu alt für Dyan geworden – er bevorzugt Jungen, denen noch kein Bart wächst, und wie du siehst ...« Ein nervöser Finger drehte den kleinen dunklen Schnurrbart auf seiner Oberlippe.

»Dann frage ich mich, warum du dir keinen Vollbart stehen lässt!«

»Nein«, widersprach Danilo mit merkwürdiger, stiller Entschlossenheit. »Ich kenne Dyan heute besser. Und ich versichere dir, nicht einmal hat er mir mit einem Wort oder einer Geste ein zwischen Vater und Sohn unziemliches Angebot gemacht. Als mein eigener Vater starb, erwies er ihm alle Ehren. Er sagte, es sei ihm eine Freude, jemandem Ehre zu erweisen, der es verdiene, vielleicht sei das ein gerechter Ausgleich für die Ehren, die er denjenigen seiner Verwandten habe erweisen müssen, die sie nicht verdienten.« Der alte Lord Ardais war vor drei Jahren nach einem langen Leben in Liederlichkeit und Schande wahnsinnig und senil gestorben.

»So etwas Ähnliches hat Dyan auch einmal zu mir gesagt«, räumte Regis ein. »Aber genug davon – ich bin froh, dass du hier bist, Bredu. Wie ich annehme, wirst du dies Jahr im Rat unter den Ardais sitzen?«

»Das hat Dyan gesagt«, stimmte Danilo zu. »Aber die Sitzungen beginnen erst morgen, und heute Abend – nun, ich bin jahrelang nicht mehr in Thendara gewesen.«

»Ich gehe selten durch die Straßen«, sagte Regis so leise, dass es nicht bitter klang. »Ich komme keine halbe Meile weit, ohne dass mir eine Menschenmenge folgt...«

Danilo setzte zu einer oberflächlichen Antwort an und hielt sie zurück. Die alte Sympathie baute sich zwischen ihnen auf, eine bessere Verständigung als durch Worte, die telepathische Verständigung des Laran, der geschworenen Brüderschaft, und mehr als das.

Ja, du bist Erbe von Hastur, Regis. Das gehört mit zu der Bürde deiner Stellung. Ich würde sie dir erleichtern, wenn ich könnte, aber das kann kein lebender Mensch. Und du würdest es gar nicht anders haben wollen.

Du erleichterst mir die Bürde durch dein Verständnis, und jetzt, da du hier bist, bin ich doch nicht mehr ganz allein ...

Gesprochene Worte waren unnötig. Nach einer Weile meinte Danilo leichthin: »Es gibt hier eine Wirtschaft, die von Garde-Offizieren besucht wird. Wenigstens hat man sich dort an Comyn gewöhnt und hält uns nicht für Missgeburten oder Ungeheuer oder glaubt von uns, dass wir gehen, ohne den Boden zu berühren, wie einige Helden aus alten Sagen. Wir könnten dort etwas trinken, ohne dass uns die Leute anstarren.«

Die Burgwachen von Thendara wissen wenigstens, dass wir menschlich sind mit allen menschlichen Fehlern und Schwächen und manchmal noch einigen dazu ... Regis war sich nicht ganz sicher, ob es sein eigener Gedanke war oder ob er ihn von Danilo empfangen hatte. Sie stiegen durch das große Labyrinth der Comyn-Burg hinunter und traten auf die in der ersten Nacht des Festes überfüllten Straßen hinaus.

»Manchmal gehe ich zur Zeit des Festes maskiert«, gestand Regis.

Danilo grinste. »Was! Und beraubst jedes Mädchen in der Stadt der Freuden hoffnungsloser Liebe?«

Regis machte eine nervöse Geste – die Geste eines Fechters, der einen Treffer eingesteht. Danilo wusste, er hatte einen bloßliegenden Nerv berührt, hütete sich aber, das durch eine Entschuldigung noch schlimmer zu machen. Trotzdem empfing Regis den Gedanken: Der Regent drängt ihn zu heiraten, verdammter alter Tyrann! Mein Pflegevater versteht wenigstens, warum ich es nicht tue. Dann gelang es Danilo, seine Gedanken abzuschirmen. Sie gingen in die Wirtschaft nahe den Toren der Wachhalle.

Der vordere Raum war gestopft voll mit jungen Kadetten. Ein paar der Jungen grüßten Regis, und er musste ein paar Worte mit ihnen wechseln. Aber schließlich gelangten sie in das ruhigere Hinterzimmer, wo die älteren Offiziere tranken. Selbst zu dieser Stunde lag der Raum im Halbdunkel. Einige der Männer nickten Regis und seinem Gefährten freundlich zu, widmeten sich aber sofort wieder ihren eigenen Angelegenheiten. Das war keine Unhöflichkeit, sondern ihre Art, dem Hastur-Erben das bisschen an Privatleben und Anonymität, das er in dieser Zeit haben konnte, nicht zu schmälern. Den Jungen im Vorderzimmer machte der Gedanke Spaß, dass sogar der mächtige Hastur-Lord durch Gesetz und Sitte gezwungen war, ihre Grüße zu erwidern und ihre Existenz zur Kenntnis zu nehmen. Doch diese Offiziere wussten von Regis’ Bürde und waren bereit, ihn in Ruhe zu lassen, wenn er es wünschte.

Der Wirt, der ihn auch kannte, brachte seinen üblichen Wein, ohne zu fragen. »Was möchtest du trinken, Dani?«

Danilo zuckte die Schultern. »Das, was er gebracht hat.«

Regis begann zu protestieren, dann lachte er und goss Wein ein. Das Trinken war sowieso nur ein Vorwand. Er hob seinen einfachen Becher, nahm einen Schluck und bat: »Und nun erzähl mir alles, was du während deiner Abwesenheit erlebt hast. Das mit deinem Vater tut mir Leid, Dani. Ich mochte ihn gern und hoffte, ihn eines Tages in den Rat zu bringen. Hast du die ganze Zeit in den Hellers verbracht?«

Stunden vergingen, während sie sich unterhielten. Der Wein stand halb vergessen zwischen ihnen. Schließlich hörten sie das Trommeln von der Wachhalle, das die Gardisten ins Quartier rief. Regis zuckte in die Höhe, dann lachte er, sich erinnernd, dass ihn das nichts mehr anging. Er setzte sich wieder.

»Was für ein Soldat du geworden bist!«, neckte Danilo ihn.

»Mir hat das Soldatenleben gefallen«, erwiderte Regis nach einer Pause. »Ich wusste immer genau, was von mir erwartet wurde, wer es erwartete und was ich diesbezüglich zu tun hatte. Wenn wir Krieg gehabt hätten, wäre es etwas anderes gewesen. Aber ich habe an nichts Gefährlicherem teilgenommen, als Aufruhr in den Straßen niederzuschlagen, Betrunkene, die Ärgernis gaben, ins Gewahrsam abzuführen, oder nachzuforschen, wenn in ein Haus eingebrochen worden war. Manchmal musste ich auch irgendwen dazu bringen, einen bissigen Hund anzubinden. Im letzten Jahr gab es einen Aufstand auf dem Marktplatz – also, das war wirklich komisch, Dani. Die Frau eines Viehtreibers hatte ihren Mann verlassen, weil sie ihn, wie sie sagte, in ihrem eigenen Bett mit ihrer eigenen Cousine erwischt hatte. Daraufhin schlich sie sich in seinen Pferch und brachte die Tiere zum Durchgehen, die er hatte verkaufen wollen. Auf dem ganzen Platz waren Stände umgeworfen und Geschirr zerbrochen ... Zufällig war ich an dem Tag Offizier vom Dienst, also fing ich mir die Aufgabe ein. Einer der Kadetten beklagte sich, er habe sein Vaterhaus verlassen, um nicht mehr den ganzen Tag hinter Kühen herjagen zu müssen! Na, schließlich trieben wir sie wieder zusammen, und ich musste vor Gericht eine Zeugenaussage machen. Die Cortes belegten die Frau mit einer Geldstrafe von zwölf Reis für all den Schaden, den die Tiere angerichtet hatten, und der Mann musste die Strafe bezahlen. Er protestierte, er sei das Opfer gewesen, und seine Frau habe die Tiere losgelassen. Die Richterin – es war eine Entsagende – antwortete, das werde ihn lehren, seine Liebesangelegenheiten in anständiger Abgeschlossenheit und in einer Weise abzuwickeln, die seine Frau weder beleidige noch demütige.«

Danilo lachte mehr über die Belustigung, die sich bei der Erinnerung in Regis’ Gesicht zeigte, als über die Geschichte selbst. Er hörte, wie sich die Kadetten im Vorderzimmer knufften und neckten, während sie ihre Zeche zahlten und sich auf den Weg ins Quartier machten. »Habe ich unter den Kadetten da draußen einen Sohn deiner Schwester gesehen? Sie müssen inzwischen große Jungen geworden sein.«

»Dies Jahr noch nicht«, antwortete Regis. »Rafael ist zwölf, und Gabriel ist erst elf... Rafael wäre zwar gerade eben alt genug gewesen, aber da sein Vater Kommandant der Garde ist, meinte dieser wohl, es sei noch etwas früh.«

Danilo blickte überrascht drein. »Gabriel Lanart-Hastur ist Kommandant der Garde? Wie ist das zu Stande gekommen? Ist Kennard Alton nicht zurückgekehrt?«

»Es gibt keine Nachricht von ihm, nicht einmal, ob er tot oder lebendig ist, sagt mein Großvater.«

»Aber der Befehl über die Schloss-Garde ist ein Alton-Amt«, wunderte sich Danilo. »Wie kommt es in Hastur-Hände?«

»Gabriel ist einer der nächsten Verwandten der Altons von Armida. Was hätte man anderes tun sollen, wo Kennard und sein Erbe den Planeten verlassen haben?«

»Es muss doch nähere Verwandte der Altons geben als deinen Schwager«, protestierte Danilo. »Zum Beispiel Kennards zweiten Sohn – er wird jetzt fünfzehn oder sechzehn sein.«

»Selbst wenn er als Erbe von Alton anerkannt wäre«, sagte Regis, »wäre er nicht alt genug, die Garde zu kommandieren. Und Kennards älterer Bruder hatte einen Sohn – das ist der, den sie auf Terra fanden ... Aber er ist erster Techniker im Arilinn-Turm und versteht vom Kommandieren einer Truppe nicht mehr als ich vom Sticken. Seine terranische Erziehung wäre sowieso ein Handicap – da draußen in Arilinn schadet sie ihm nichts, aber in Thendara will man ihn nicht haben, um nicht täglich daran erinnert zu werden, dass sich Terraner im Herzen des Comyn-Rats befinden.« Regis’ Stimme klang bitter. »Es ist schließlich gelungen, Lew Alton loszuwerden, und letztes Jahr hat sich der Rat von neuem geweigert, Marius auch nur eins der Rechte – oder eine der Pflichten – eines Comyn-Sohns zuzugestehen. Mein Großvater erzählte mir ...« – seine Lippen verzogen sich zu einem ganz kleinen Lächeln – »... dass sie mit Lew einen Fehler gemacht hätten und ihn nicht zu wiederholen gedächten. Terranisches Blut – schlechtes Blut, Verrat.«

»Lew hätte von ihnen Besseres verdient«, entgegnete Danilo leise. »Und wenigstens Kennard ist keines Verrats schuldig und sollte gefragt werden.«

»Meinst du, ich hätte mich nicht in diesem Sinn ausgesprochen? Ich bin alt genug, im Rat zu sitzen und den älteren Leuten zuzuhören, aber glaubst du wohl, Dani, dass sie mir zuhören, wenn ich rede? Mein Großvater sagte, schließlich seien Lew und ich als Kinder Bredin gewesen, und das trübe mein Urteil. Wenn Kennard hier wäre, um gefragt zu werden, würden sie ihn vielleicht anhören. Das tun die meisten. Aber sie haben Marius nicht vernachlässigt, auch wenn sie ihm den Status als Alton von Armida nicht zugestehen. Sie haben Gabriel zu seinem Vormund ernannt, und er ist einer guten terranischen Erziehung wegen ins Terranische Hauptquartier geschickt worden. Er ist gebildeter als du oder ich, Dani, und was er dort gelernt hat, nützt ihm in dieser Zeit des Imperiums und der Sternenreisen vermutlich mehr als das da ...« Er wies auf die Schwert tragenden Gardisten in der Wirtschaft. Regis war durchaus für den darkovanischen Vertrag, der jede Waffe verbot, deren Wirkung über die Reichweite ihres Trägers hinausging. Der Grundsatz war, dass ein Mann, der töten wollte, sein eigenes Leben dafür einsetzen müsse. Aber Schwerter waren nicht allein Waffen, sondern auch Symbol eines Lebensstils, der angesichts eines interstellaren Imperiums überholt erschien. Danilo folgte Regis’ Gedanken und schüttelte hartnäckig den Kopf.

»Da bin ich anderer Meinung als du, Regis. Marius verdient vom Rat etwas Besseres als eine terranische Erziehung. Kennard hätte Darkover nicht verlassen und erst recht nicht so lange fortbleiben dürfen. Hastur sollte ihn sofort zurückrufen – es sei denn, dein Großvater giert danach, dass eine weitere Domäne unter die Herrschaft der Hasturs gerät. Wie es scheint, hat er die Elhalyn-Domäne bereits übernommen – oder warum ist Derik im Alter von achtzehn immer noch nicht gekrönt?«

Regis verzog das Gesicht. »Du kennst unseren Prinzen nicht. Er mag achtzehn Jahre zählen, aber er ist ein Kind von zehn – oder könnte es sein. Mein Großvater wünscht sich nichts sehnlicher, als von der Bürde der Regentschaft über Thendara frei zu sein ...«

Danilo blickte skeptisch, sagte jedoch nichts. Regis wiederholte: »Derik ist noch nicht reif zu regieren. Der Rat hat seine Krönung verschoben, bis er fünfundzwanzig ist. Es gibt einen Präzedenzfall dafür. Derik erreicht Mannheit und Weisheit eben langsam, und der Aufschub lässt ihm Zeit. Falls nicht – nun, den Falken wollen wir fliegen lassen, wenn seine Schwingen gewachsen sind.«

»Und was wird, wenn Derik nach Hasturs Meinung niemals fähig wird zu regieren?«, fragte Danilo. »Es hat eine Zeit gegeben, als die Hasturs alle diese Domänen beherrschten, und die Rebellion gegen ihre Tyrannei zersplitterte die Domänen in hundert kleine Königreiche.«

»Und die Hasturs waren es, die zur Zeit König Carolins alle wieder vereinigten«, entgegnete Regis. »Auch ich habe die Geschichtsbücher gelesen. In Aldones Namen, Dani, glaubst du vielleicht, mein Großvater möchte unbedingt König des ganzen Landes werden? Oder sehe ich in deinen Augen wie ein Tyrann aus?«

Danilo sagte: »Nein, das nicht. Aber im Prinzip sollte jede der Domänen stark sein – und unabhängig. Wenn Lord Hastur den Prinzen nicht krönen kann – und nach dem bisschen, was ich von Derik gesehen habe, sieht er gar nicht wie ein König aus –, dann sollte er anderswo nach einem Erben für Elhalyn Umschau halten. Verzeih mir, Regis, aber es gefällt mir nicht, so viel Macht in Hastur-Händen vereinigt zu sehen. Da ist erstens die Regentschaft, durch die der Erbe der Krone kontrolliert wird, und jetzt geraten auch noch die Altons unter die Herrschaft der Hasturs. Und mit der Alton-Domäne verbunden ist der Befehl über die Schloss-Garde. Welche Richtung wird Hastur als Nächstes einschlagen? Lady Callina von Valeron ist unverheiratet. Will er sie vielleicht mit dir zusammengeben und auch die Aillard-Domäne an sich bringen?«

»Ich bin alt genug, um bei meiner Heirat ein Wort mitzusprechen«, antwortete Regis trocken. »Und ich versichere dir, sollte er einen Plan dieser Art haben, dann hat er mit mir nicht darüber gesprochen. Stellst du dir meinen Großvater als eine Spinne im Mittelpunkt eines derartigen Netzes vor?«

»Regis, ich habe nicht die Absicht, einen Streit mit dir heraufzubeschwören.« Danilo hob den Weinkrug; Regis schüttelte den Kopf, doch Danilo goss trotzdem die Becher voll, hob seinen an die Lippen und setzte ihn ab, ohne getrunken zu haben. »Dein Großvater ist ein guter Mann, und was dich selbst betrifft – nun, du weißt genau, wie viel ich von dir halte, Bredhyu.« Er benutzte die intime Version des Wortes, und Regis lächelte. Danilo aber fuhr ernst fort: »All das schafft einen gefährlichen Präzedenzfall. Nach dir können Hasturs regieren, die tatsächlich nicht für so viel Macht geeignet sind. Es mag ein Tag kommen, an dem sich alle Domänen als Hastur-Vasallen wieder finden.«

»Zandrus Höllen, Dani!«, rief Regis ungeduldig. »Glaubst du wirklich, Darkover wird bis dahin unabhängig vom Imperium bleiben oder die Comyn werden, wenn dieser Tag kommt, immer noch über die Domänen herrschen? Ich finde, Marius Alton ist der Einzige von uns, der für die Entwicklung, die Darkover nehmen wird, richtig vorbereitet ist.«

»Dieser Tag«, sagte Danilo leise, »wird nur über die Leichen der Ardais-Domäne kommen.«

»Zweifellos werden an diesem Tag auch Hastur-Leichen daliegen, aber kommen wird er für alle. Hör zu, Dani«, drängte er, »verstehst du die Situation wirklich? Vor ein paar Generationen, als die Terraner herkamen, befanden wir uns zur richtigen Zeit am falschen Ort – auf einem Planeten, der zwischen dem oberen und dem unteren Spiralarm der Galaxis liegt, genau da, wo die Terraner einen Raumhafen als Knotenpunkt und Transitstation für den Verkehr des Imperiums brauchten. Sie hätten einen unbewohnten Planeten vorgezogen, und ich bin überzeugt, sie haben darüber diskutiert, ob sie Darkover in einen solchen verwandeln sollten. Dann entdeckten sie, dass wir eine verloren gegangene terranische Kolonie sind ...«

»Und Sankt-Valentin-im-Schnee liegt zu Nevarsin begraben«, fiel Danilo erregt ein. »Das alles habe ich gehört, als wir vor drei Jahren Gefangene in Aldaran waren, Regis!«

»Nein, hör zu – die Terraner fanden uns, die wir eine auf Terra selbst längst tote Sprache benutzten, aber wir waren eine primitive Welt, die terranische Technik war uns verloren gegangen – wenigstens dachten sie das. Sie gaben uns den Status einer Geschlossenen Welt, um uns zu rapide soziale Umschwünge zu ersparen. Das tun sie bei allen primitiven Gesellschaften, damit diese sich in dem ihnen gemäßen Tempo entwickeln können. Mit der Zeit fanden sie heraus, dass unsere Welt doch nicht ganz so primitiv ist, sie erfuhren von unserem Laran, von unserer Matrix-Technologie. Sie entdeckten, dass die telepathisch zusammengeschlossenen Turmkreise Metalle fördern, Flugmaschinen mit Energie versorgen und noch viel mehr zu tun vermögen. Ja, da wollten sie die Matrix-Technologie für sich, und sie haben alles Mögliche versucht, um ein wenig davon zu bekommen.«

»Regis, das weiß ich alles, aber ...«

»Willst du mir zuhören? Du weißt es ebenso gut wie ich; einige Darkovaner wünschten sich – und wünschen sich immer noch – die Vorteile der terranischen Technik, einen Platz im Imperium, für Darkover den Status einer Kolonie mit politischer Macht, Vertretung im Reichssenat – all diese Dinge. Andere, besonders die Comyn, waren der Meinung, die Mitgliedschaft im Imperium würde unsere Welt und unser Volk vernichten. Aus uns würde eine Kolonie wie ein Dutzend andere werden, abhängig von terranischem Handel, von außerplanetaren Metallen und Luxusgütern, vom Tourismus ... Bis heute hat sich diese Partei durchgesetzt. Ich bin überzeugt, auf Darkover müssen Veränderungen eintreten. Aber uns muss genügend Zeit bleiben, um sie zu verkraften.«

»Und ich will nicht, dass es überhaupt dazu kommt«, erklärte Danilo.

»Wer will das schon? Aber die Terraner sind hier, ob es uns passt oder nicht. Und ich will mich nicht beschuldigen lassen, ich versuchte, unser Volk auf der Stufe primitiver Barbaren zu halten, damit meine Familie und ich es weiter mittels seines Aberglaubens beherrschen können!«

Er hatte heftiger gesprochen, als es in seiner Absicht lag, und vergessen, wo sie sich befanden. Eine matte Stimme ließ sich hören: »Bravo! Der Erbe von Hastur ist erwachsen geworden und hat gelernt, dass die Terraner eine Realität und keine Horde schwarzer Männer sind, mit denen man kleinen Kindern Angst einjagt.«

Regis fuhr zusammen. Ihm kam zu Bewusstsein, dass sie nicht allein waren. Er drehte sich um und erblickte einen großen, dünnen Mann mit hellem Haar und dem Stempel der Comyn auf seinen eckigen Gesichtszügen. Er trug elegante, stutzerhafte darkovanische Kleidung, doch sein Mantel war mit kostbarem importiertem Pelz besetzt. Regis verbeugte sich, das Gesicht zu einer höflichen Maske erstarrt.

»Cousin«, grüßte er, »ich hatte Euch nicht gesehen, Lerrys.«

»Ich Euch auch nicht, Dom Regis«, antwortete Lerrys Ridenow. »Aber als Ihr so laut spracht, dass die Terraner in ihrem Hauptquartier Euch am anderen Ende der Stadt hören konnten, warum sollte ich da so tun, als hörte ich Euch nicht? Es freut mich, dass Ihr die Situation voll versteht. Ich hoffe, es bedeutet, in diesem Jahr wird im Rat ein weiterer Fürsprecher der Vernunft auftreten, so dass die Ridenows nicht mehr allein gegen dies tatterige Konklave von alten Jungfern beiderlei Geschlechts zu kämpfen haben.«

Regis erwiderte steif. »Bitte, glaubt nicht, dass ich völlig einer Meinung mit Euch bin, Dom Lerrys. Ich stelle mir gar nicht gern vor, zu welchen sozialen Umschwüngen es kommen wird, wenn wir zu einer weiteren terranischen Kolonie werden ...«

»Aber wir sind eine weitere terranische Kolonie«, behauptete Lerrys. »Und je eher wir uns das klarmachen, desto besser für uns. Soziale Umschwünge? Pah! Unser Volk will die guten Dinge, die das terranische Bürgerrecht mit sich bringt, und den Rest wird es akzeptieren, sobald es vor einer vollendeten Tatsache steht. Die Leute haben einfach nicht genug Bildung, um zu wissen, was sie wollen, und die Hasturs und die würdigen Lords der Comyn sorgen dafür, dass sie sie auch niemals bekommen!« Er erhob sich halb. »Müssen wir uns das von Tisch zu Tisch zurufen? Wollt Ihr Euch nicht zu uns setzen, Cousin – und Euer Freund ebenfalls?« Er benutzte die intime Version des Wortes mit all ihren Andeutungen. Regis, der sich getroffen fühlte, streifte Danilo mit einem Blick. Halb und halb wünschte er, der andere werde ablehnen, aber es fehlte ihnen an einem glaubwürdigen Vorwand. Lerrys war Comyn und sein Verwandter; Regis hatte keinen Grund für seine Antipathie.

Ausgenommen vielleicht den, dass wir mehr gemeinsam haben, als mir recht ist. Er spricht hemmungslos Dinge aus, die ich meines Großvaters wegen diskret behandeln muss. Ich beneide ihn darum, dass er ein jüngerer Sohn eines weniger bedeutenden Comyn-Hauses ist, dass auf ihm nicht ständig die Blicke der Öffentlichkeit ruhen. Was er auch tut, es wird nicht sofort zum Gegenstand des Klatsches oder der Zensur.

Sie siedelten an Lerrys’ Tisch über und nahmen eine neue Runde an, die keiner von ihnen wollte. Nach der nächsten oder übernächsten, dachte Regis, würde er sich entschuldigen und mit Danilo anderswohin zum Essen gehen. Bald würde Zapfenstreich getrommelt werden, und er konnte eine anderweitige Verabredung vorschützen. Die Speiselokale, die er bevorzugte, würden für Lerrys zu zahm sein, und ebenso für seine eleganten Begleiter. Die meisten von ihnen waren, wie er sah, Darkovaner, doch sie trugen kostbare terranische Kleidung – nicht die zweckmäßigen Uniformen der Raumhäfen, sondern glänzende, farbige Dinge aus den fernsten Winkeln des Imperiums.

Lerrys goss den von ihm bestellten Wein ein und nahm das Gespräch an dem Punkt wieder auf, wo er es unterbrochen hatte. »Schließlich sind wir Terraner; uns stehen alle Privilegien unseres Erbes zu. Jeder in den Domänen könnte von der terranischen Medizin und Wissenschaft profitieren – ganz zu schweigen von der Bildung! Zufällig weiß ich, dass du lesen und schreiben kannst, Regis, aber du musst zugeben, dass du eine lobenswerte Ausnahme bist. Wie viele, auch unter den Kadetten, können mehr als ihren Namen kritzeln und sich durch das Armee-Handbuch buchstabieren?«

»Ich finde, ihre Bildung reicht aus für das, was sie in der Welt tun müssen«, sagte Regis. »Warum sollen sie sich mit Unsinn belasten? Denn als das stellt sich das meiste Geschriebene heraus. Es gibt schon genug untätige Gelehrte auf Darkover – und was das anbetrifft, im Imperium auch.«

»Und wenn sie ungebildet sind«, erwiderte Lerrys mit hämischem Lächeln, »kann man sie leichter in den Banden abergläubischer Scheu vor den Comyn halten, unter der gottgewollten Herrschaft der Hasturs, den Verwandten der Götter...«

»Ich will dir gern darin Recht geben, dass es keine Entschuldigung für diese Art geistiger Sklaverei gibt«, sagte Regis. »Wenn du gehört hast, was ich zuvor sagte, weißt du, dass ich gegen diese Tyrannei protestierte. Aber du kannst nicht behaupten, wir seien Terraner und sonst nichts.« Er streckte den Arm über den Tisch, ergriff Lerrys’ Hand und legte seine eigene flach dagegen. Er zählte die sechs Finger, berührte den kleinen Lederbeutel an seiner Kehle, in dem der Matrixstein ruhte, warm, pulsierend ...

»Die Kräfte der Comyn sind real.«

»Ach – Laran.« Lerrys zuckte die Schultern. »Sogar einige der Terraner, die zu uns gekommen sind, haben es entwickelt. Auch dies ist Teil unseres terranischen Erbes, und wir können sie einiges darüber lehren ... Warum soll diese Kraft auf die Comyn beschränkt bleiben? Im Ausgleich dafür würden wir ihre wissenschaftlichen Errungenschaften teilen. Die Wetterkontrolle wäre in den Ländern jenseits der Hellers wie ein Segen der Götter. Die Trockenstadt-Wüste könnte vielleicht wieder urbar gemacht, einige der unbesteigbaren Berge hinter der Mauer um die Welt könnten in Kontakt mit den Domänen gebracht werden. Astronomie, Sternenreisen – und dafür würde sich das Wissen vom Laran über die ganze Galaxis ausbreiten ...«

»Es könnte gefährlich, zu gefährlich, sein, das ganze Imperium wahllos mit Laran zu beschenken«, erklärte einer von Lerrys’ jungen Begleitern schüchtern. »Warst du dabei, als Caer Donn verbrannte, Lerrys?«

»Ich war dabei«, sagte Regis und sah den jungen Fremden scharf an. »Ich kenne dich. Rakhal... Rafe ...«

»Rakhal Daniel-Scott, z‘par servu«, stellte der junge Mann sich vor. »In der Terranischen Zone nennt man mich Rafe Scott. Ich habe damals gesehen, was unkontrolliertes Laran anrichten kann – und hoffe, es nicht noch einmal sehen zu müssen!«

»Das steht nicht zu befürchten«, meinte Lerrys. »Die Sharra-Matrix ist zerstört worden. Soviel wir wissen, war sie die Einzige von diesen alten Matrices, die aus dem Zeitalter des Chaos bis in unsere Tage überdauert hatte. Abgesehen davon, wenn es solche Dinge gibt, sollten wir lernen, sie zu beherrschen und zu benutzen, aber uns nicht wie Banshee-Vögel im Sonnenschein verstecken und so tun, als existierten sie nicht. Glaubt mir, den Terranern liegt ebenso wenig wie uns daran, dass Laran auf diese Weise außer Kontrolle gerät.«

»Und, ganz gleich, was geschieht, es wird immer solche geben, die Laran benutzen können, und solche, die es nicht können«, warf ein anderer junger Mann ein. Auch er kam Regis bekannt vor; wahrscheinlich war er einer von Rafe Scotts Verwandten. Regis erinnerte sich gar nicht gern an die Zeit auf Burg Aldaran und die Schrecken, als Sharra in den Bergen jenseits des Flusses wütete. Er und Danilo waren auf ihrer Flucht aus Aldaran in diesen Bergen beinahe ums Leben gekommen ...

»Trotzdem sind wir alle Terraner«, nahm Lerrys den Faden wieder auf, »und das Imperium ist unser Erbe – als Recht, nicht als Vergünstigung. Wir sollten es nicht nötig haben, um das Bürgerrecht im Imperium und die damit verbundenen Vorteile zu bitten. Sie haben uns den Status einer Geschlossenen Welt gegeben, und es ist höchste Zeit, diesen Fehler zu korrigieren. Bevor wir das tun können, müssen wir anerkennen, dass unsere rechtmäßige Regierung das Terranische Imperium ist und nicht die hiesige rückständige Aristokratie! Ich verstehe wohl, dass du, Regis, auf deine Machtposition nicht gern verzichten möchtest, aber hör mich an! Spielt es angesichts eines Imperiums, das tausend Welten umspannt, eine Rolle, was die Bauern von unsern Adligen denken? Solange dies eine Geschlossene Welt ist, werden die hiesigen Aristokraten ihre persönliche Macht und ihre Vorrechte behalten. Jetzt nimm an, wir erklären uns zu einem Bestandteil des Terranischen Imperiums – wir erklären nicht etwa den Wunsch, Bestandteil des Imperiums zu werden, sondern dass wir es bereits sind und daher den terranischen Gesetzen unterstehen. Dann kann jeder Bürger Darkovers Anspruch auf dies Privileg erheben, und ...«

»Es mag viele geben, die das durchaus nicht für ein Privileg halten ...«, begann Danilo hitzig, und Lerrys höhnte: »Kommt es darauf an, was diese Leute denken? Oder verteidigt Ihr, indem Ihr ihnen dies Privileg verweigert, vielleicht nur Euer eigenes, Lord Danilo, als Regent von Ardais ...«

Bevor Danilo darauf antworten konnte, entstand Unruhe im vorderen Raum. Dann trat Dyan Ardais in das Hinterzimmer, wo die wenigen noch anwesenden höheren Offiziere und die Comyn saßen. Er schritt geradewegs auf ihren Tisch zu.

»Ich grüße euch, Verwandte.« Er verbeugte sich leicht. Danilo erhob sich und blieb in Erwartung einer Anrede oder eines Befehls stehen, wie es sich für einen Pflegesohn in Anwesenheit des Oberhaupts seiner Domäne geziemt.

Dyan war groß und mager, ein Berg-Darkovaner aus den Hellers mit adlerähnlichen Zügen und stahlgrauen, fast farblosen, metallisch wirkenden Augen. Regis hatte ihn, seit er ihn kannte, noch nie anders als ganz in Schwarz gesehen, falls er nicht Uniform oder die Zeremonienfarben seiner Domäne trug. Das gab ihm ein kaltes, strenges Aussehen. Wie bei vielen Bergbewohnern hatte sein Haar nicht die echte Comyn-Farbe, sondern war grob, kraus und dunkel.

»Danilo«, sagte er, »ich habe nach dir gesucht. Doch ich hätte mir denken können, dass ich dich hier finden würde, und Regis ist natürlich bei dir.«

Regis spürte die kurze telepathische Berührung als ironisches Flackern – Wahrnehmen, Erkennen. Ihn ärgerte die Intimität; es war, als habe der ältere Mann sich in aller Öffentlichkeit eine etwas unschickliche Geste erlaubt, zum Beispiel ihm das Haar gezaust, als sei er ein Junge von acht oder neun. Die Sache war so geringfügig, dass er nicht protestieren konnte, ohne sich etwas zu vergeben. Er wusste, Dyan freute es, wenn er ihn in einem Zustand des Unbehagens oder der Fassungslosigkeit erwischte, doch wusste er nicht, warum. Dessen ungeachtet war das Gesicht des Lords von Ardais völlig ausdruckslos.

Er sagte: »Wollt ihr beide mit mir essen? Ich habe dir etwas mitzuteilen, Danilo, das deine Pläne für die Ratssitzungen beeinflussen wird. Und da ich weiß, du wirst es Regis doch als Erstes erzählen, kann ich es euch ebenso gut gleichzeitig sagen und damit Zeit sparen.«

»Ich stehe Euch zu Befehl, Sir«, erwiderte Danilo mit einer leichten Verbeugung.

»Willst du dich uns anschließen, Cousin?«, fragte Lerrys. Dyan zuckte die Schultern. »Vielleicht für einen Becher.«

Lerrys rutschte auf der Bank weiter, um für Dyan und seinen Begleiter Platz zu schaffen. Regis kannte den jungen Mann nicht, und auch Lerrys sah Dyan fragend an.

»Kennt ihr euch? Merryl Lindir-Aillard.«

Dom Merryl war nach Regis’ Schätzung ungefähr zwanzig. Er war schlank, rothaarig, sommersprossig und sah auf jungenhafte Weise gut aus. Mit gedanklichem Schulterzucken – Dyans Freunde und Favoriten gingen ihn, Aldones sei gelobt, nichts an – verbeugte er sich vor dem jungen Merryl. »Seid Ihr verwandt mit Domna Callina, Vai Dom? Ich glaube, wir beide sind uns noch nie begegnet.«

»Ich bin ihr Stiefbruder, Sir«, antwortete Merryl, und Regis hörte in den Gedanken des anderen wie ein Echo die Frage, die Merryl nicht zu stellen wagte: Lord Dyan hat ihn Regis genannt – ist das der Enkel des Regenten, der Hastur-Erbe? Was tut er hier unter den anderen, warum sitzt er hier wie ein ganz normaler Mensch ...? Es war die übliche Reaktion, und für Regis war es anstrengend, damit zu leben.

»Dann werdet Ihr dies Jahr im Rat sitzen?«

»Ja, ich habe die Ehre. Ich soll meine Stiefschwester vertreten, die von ihren Pflichten als Bewahrerin in Arilinn festgehalten wird«, erklärte Merryl, und die quälenden telepathischen Dissonanzen klangen fort: In jeder anderen Domäne wäre es mein Ratssitz, aber gerade in dieser einen, verdammt soll der ganze Rat sein, hat die weibliche Linie den Vorrang, und so ist es diese verdammte Hexe, meine Halbschwester, die Herrin über uns alle ist...

Regis schloss mit aller Kraft seine Abschirmung, und das Geplätscher ausleckender Gedanken verstummte. Er sagte höflich: »Dann heiße ich Euch in Thendara willkommen, Verwandter.«

Der dunkle, schlanke Junge, der zwischen Lerrys Ridenow und Rafe Scott saß, fragte schüchtern: »Ihr seid Callinas Bruder, Dom Merryl? Ja, dann möchte auch ich Euch als Verwandten begrüßen. Callinas Halbschwester Linnell wurde zusammen mit mir auf Armida erzogen, und ich nenne sie Breda. Sie hat mir von Euch erzählt, Verwandter.«

»Es tut mir Leid, aber ich kenne nicht sämtliche Verwandten von Domna Callina«, entgegnete Merryl mit gleichgültiger Höflichkeit. Regis zuckte unter der Abfuhr, die Merryl dem Jungen erteilte, zusammen. Plötzlich ging ihm auf, wer der Dunkelhaarige sein musste: Kennards jüngerer Sohn Marius, der vom Rat niemals anerkannt worden und bei den Terranern erzogen worden war. Regis hatte Marius nicht wieder erkannt, aber das war nicht verwunderlich. Sie bewegten sich in verschiedenen Kreisen, und als er den Jungen das letzte Mal gesehen hatte, war er noch ein kleines Kind gewesen. Inzwischen würde er fünfzehn sein. Merryls Schroffheit schien ihm nichts auszumachen. Hatte er sich an Beleidigungen so gewöhnt, dass er gelernt hatte, sie zu ignorieren, oder hatte er nur gelernt, sich diesen Anschein zu geben? Mit besonderer Höflichkeit sagte Regis: »Dom Marius, ich hatte Euch nicht gleich erkannt, Cousin.«

Marius lächelte. Seine Augen waren dunkel wie die eines Terraners. »Entschuldigt Euch nicht Lord Regis; es sind nicht viele im Rat, die mich kennen.« Und wieder hörte Regis den unausgesprochenen Zusatz: Oder es zugäben, wenn sie mich kennen würden. Lerrys überspielte die peinliche Pause, indem er Wein eingoss und dabei bemerkte, der Wein hier sei nicht vom Besten.

»Aber als Gardist hast du sicher gelernt, darüber hinwegzusehen, Cousin!«

»Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, dass du einmal die Uniform der Garde getragen hast, Lerrys«, gab Dyan für seine Verhältnisse recht liebenswürdig zurück.

»Nun ja, ich habe meiner Pflicht als Comyn-Sohn Genüge getan«, sagte Lerrys lächelnd, »wie wir alle. Allerdings erinnere ich mich nicht, dich unter den Kadetten gesehen zu haben, Merryl.«