Spieler für immer - Cornelia Jönsson - E-Book

Spieler für immer E-Book

Cornelia Jönsson

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Beschreibung

In der Berliner Dachgeschoss-WG wohnen in trauter Viersamkeit Pauline, Franzi, Mo und Marius. Pauline lässt sich treiben. Franzi etabliert Orte der Lust im urbanen Raum. Mo und Marius kümmern sich um Gestrauchelte. Franzi spielt mit Mo, was das Zeug hält – es gibt keine sadomasochistische Spielwiese, die vor ihnen sicher bleibt. Marius und Franzi lieben sich. Polyamorie ist wunderbar, solange alle mitspielen. Aber Kelly bringt das amouröse Netz zum Zerreißen. Derweil bleibt Pauline ihrer selbstverordneten Enthaltsamkeit nicht treu. Sie verschreibt sich Gertruds Grausamkeit, weil sie ihre Grenzen fallen sehen will. Gertrud liebt es so lange, Pauline zu ihrem Geschöpf zu formen, bis sie Pauline zu lieben beginnt. Lüste toben sich aus, Energien werden freigesetzt, Projekte nehmen Gestalt an. Am Ende ist alles ganz anders.

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Cornelia Jönsson

Spieler für immer

Roman

INHALT

DIE »SPIELER«-TRILOGIE VON CORNELIA JÖNSSON

BAND 1

Spieler wie wir

BAND 2

Spieler unter sich

BAND 3

Spieler für immer

WEITERE INFORMATIONEN UNTER www.schwarzkopf-schwarzkopf.de

Faites vos jeux (Das Spiel bist du)

1

Rotschrammige Landschaft, blaugrüne Empfindung. Deine Haut ist eine Mauer, die ich beharrlich einrenne. Was an dir Wachposten ist, streckt die Waffen. Ich greife durch dein Außen und stoße zu dir vor. Deine Lider sind gesenkt, weil dein Blick fort ist, weil ein Blick eine Trennung zwischen Sehendem und Gesehenem bedeutet. Du trennst dich nicht von mir. Du setzt dich nicht von mir ab. Ich bin in jeder deiner Fasern.

Ich schneide dein Foto aus und klebe es über das Bett. Im Bett bist du. Ich habe dich auf DVD, ich habe dich digital und auf Papier. Du, wie du mich jetzt ansiehst, bist anders. Das Wesen auf der Fotografie haben wir gemeinsam geschaffen. Es ist dein Leib und meine Tat.

2

Neue Räume, alte Lieben. Die Sonne tastet über geschleppte Möbel und aufgerissene Kisten. Es setzen sich neugierige Schneeflocken auf Fensterbretter. Was sie sehen:

Eine nackte Person, die den Boden des südwestlichen Raumes ableckt. Eine Frau in Jeans und Rollkragenpullover, die ihr dabei in den Arsch tritt.

Eine Frau in einer Badewanne, unter Schaum und Rosenblättern, von Kerzen geflankt, die sich zwischen den Beinen streichelt.

Einen Mann, der Messer wetzt, in der Küche.

Er hat keinen Sex, nicht jetzt und sowieso viel zu selten.

Die Frau in der Badewanne schläft nur noch mit sich selbst.

Die beiden im südwestlichen Zimmer wollen mit vielen Menschen vögeln. Mit sehr vielen.

Der Schnee vor den Fenstern, die noch sauber sind und vorhangslos und keine Sichtschranken, der Schnee vor diesen Fenstern macht die Welt leise und langsam. Er drängt nach innen.

Innen ist für Mo das kalte Gefühl auf ihrer Zunge, wenn sie zu lange leckt, ohne neue Spucke zu sammeln.

Innen ist für Franzi Mos Stirn auf dem Boden, wenn sie sie tritt. Mos Hingabe öffnet einen Raum in Franzi, der behaglich ist und sicher. Wo alles gut wird.

Innen ist für Pauline ein leerer Gastraum, den sie mit blau geprügeltem Hintern putzt, während Menschen auf dem Weg sind, sie zu missbrauchen. Die Menschen sind schemenhaft, aber einer von ihnen hat Gertruds Gestalt. Es geht nicht um Gertrud, Pauline will von Gertrud nichts wissen. Doch Macht braucht ein Gesicht, um vorstellbar zu werden. Mit dem Schwellen ihrer Klitoris zoomt sie Gertrud näher heran. Nicht ihr Gesicht. Ihre Hand in Paulines Haar. Eine Hand ist ein gutes Gesicht.

Innen ist für Marius ein Ort, den er verlassen hat. Er hatte ihn nicht mehr verlassen seit dem Moment, in dem er merkte, dass er stärker geworden war als seine große Schwester. Ihre blutige Lippe war sein Eintritt in die eigene Ruhe. Jetzt ist er auf dem Weg zu Kelly. Der Weg ist kurz, doch wird er auf magische Weise nicht kürzer, je länger Marius ihn geht, und so hört er nicht auf, auf dem Weg zu sein. Solange er auf dem Weg ist, gibt es für ihn kein Innen, bloß Kellys Außen. Wenn er bei ihr sein wird, wird er auch bei sich sein. Momentan ist er auf dem Weg.

Bevor die Schneeflocken an den Fenstern dieser vier vorbeisegeln, werfen sie einen Blick in die Wohnung neben ihnen. Da sind in einem Raum voll Bücher und Bilder zwei Frauen, eine blond, eine dunkelhaarig. Die Dunkelhaarige schreibt, die Blonde legt ihr die Arme um die Schultern. Die Schreibende steht auf und streichelt die Umarmende. Sie zieht ihr die Kleider vom Leib. Als sie nackt ist, lässt sie sie stehen. Die Blonde verfällt in vertraute Verzweiflung.

In der Wohnung direkt unter der Vierer-WG sind schwere Vorhänge zugezogen. Das macht die Schneeflocken besonders neugierig.

Durch einen Spalt zwischen den schwarzen Stoffen erhaschen sie einen Blick auf ein dunkles, unordentliches Zimmer. Auf einem Tisch stehen Kerzen und Rosen und silberne Tabletts mit schwarzem Samtbezug. Auf den Tabletts ist Schneidewerkzeug ausgebreitet.

Zwei Mädchen in Schwarz, blutjung und künstlich blass zu roten Lippen, lächeln sich verheißungsvoll an, bevor sie suchende Blicke über den Tisch schicken. Mit feinen Fingern voll Silberschmuck nimmt sich die eine ein schmales Skalpell, die andere eine Rasierklinge. Sie schieben schwarzen Stoff ihre Arme hinauf und ziehen rote Linien über vernarbte Handgelenke. Anschließend fotografieren sie mit ihren Smartphones ihr Werk.

In der Wohnung daneben sitzt eine weitere Frau an einem weiteren Schreibtisch. Sie liest. Sie wickelt sich Haarsträhnen um die Finger. Sie unterstreicht mit einem roten Buntstift manche Sätze. Sie steht auf, geht zur Stereoanlage, schaltet klassische Musik ein und setzt sich wieder. Zwei Minuten später steht sie erneut auf, um die Musik wieder auszumachen.

Im Bad nebenan hockt ein junger Mann auf dem Wannenrand mit heruntergelassenen Hosen und macht es sich selbst, während er sich Dinge vorstellt, die mit seiner Freundin zu tun er sich niemals trauen würde.

Es ist der 25. Februar 2009, 14 Uhr.

Die nackte blonde Frau in der Wohnung neben den vieren, die heulend den Kopf gegen die Wand schlägt, während die andere Tee kocht, müsste eigentlich im Büro über Pressemitteilungen brüten.

Doch sie hat sich für zwei Tage krank gemeldet, um die Dunkelhaarige bei der Fertigstellung ihrer Promotion zu unterstützen. Und weil sie sich aus diesem grauen Blick nicht befreien kann.

Marius müsste jetzt in seiner Kanzlei in Prenzlauer Berg um die Freiheit sozial benachteiligter Jugendlicher ringen. Aber er hat sich selbst freigegeben, um die neue Wohnung einzurichten. Bloß, wie soll man die Wohnung einrichten, solange Mo sie ableckt.

Ein Rotkehlchen gräbt seine Füßchen in die noch unangetastete Schneebank auf dem Fensterbrett vor Franzis Zimmer. Ein zweites folgt ihm.

»Guten Tag«, sagt das erste, »ist Ihnen auch so kalt?«

»Ich hatte gehofft, es sei Ende Februar schon wärmer. Aber man ist ja abgehärtet. Der Süden ist auch nicht mehr, was er war. Die Menschen rasen mit ihren Motorbooten, Riesenautos und Billigfliegern durch die Welt und unsereins muss frieren.«

»Ich glaube, ich habe Sie hier noch nicht gesehen?«

»Ich habe vorher ein paar Straßen weiter gewohnt. Ich bin den vieren hier gefolgt.« Das Rotkehlchen nickt Richtung Wohnungsinnerem, wo Franzi nackt auf der nackten Mo auf allen vieren sitzt und ihr Becken kreisen lässt, bis Mo zusammenbricht und sich beide lachend auf den alten Dielen kugeln.

»Scheinen spaßige Menschen zu sein. Nicht gar so zerstörungswütig wie manch andere in diesem Haus, aber doch erfreulich weit unter der Oberfläche beheimatet.«

»Richtig. Das Mädchen mit dem langen dunklen Haar und den weiblichen Rundungen ist Franzi. Die Kleine zwischen ihren Beinen, die wie ein Junge aussieht, heißt Mo. Sie haben sich vor einigen Monaten kennengelernt und scheinen sich gut miteinander zu amüsieren. Der etwas rund gewordene Mann, der in der Küche Kuchen bäckt, was du nicht sehen, aber riechen kannst, heißt Marius und ist schon seit Jahren Franzis Freund. Ich sehe die beiden allerdings selten in erotischen Umarmungen. Dafür hat er eine neue Gespielin namens Kelly. Schön, aber wortkarg. Wenn sie da ist, passiert in seinem Bett mehr, so viel allerdings auch nicht. Dafür ereignen sich dann andere lustige Sachen. Franzi packt kleine Steinchen in Kellys Schuhe und Kaugummis aus ihrem Mund in Kellys Jackentaschen. Kelly wiederum leert Franzis Shampoo speziell für trockenes Haar aus und füllt welches für fettiges ein. Klaut ihr den Lippenstift und die Mascara. Brennt mit eigens für diesen Zweck angezündeten Zigaretten kleine Löcher in Franzis Lieblingskleider.«

»Interessant.« Das andere Rotkehlchen nickt anerkennend mit dem Köpfchen. »Und woher kommt das Rauschen im hinteren Teil der Wohnung?«

»Da nimmt Pauline ein Bad. Pauline und Franzi sind beste Freundinnen, schon einige Jahre. Die letzten Sommer haben die beiden zusammengelebt. Dass Marius und Mo bei ihnen wohnen, ist neu.«

*

Die alte Wohnung – Küche, Bad, zwei Zimmer, eins für Pauline, eins für Franzi – war in den letzten Monaten zu klein geworden für die beiden und außerdem Marius, der ja sowieso schon immer halb in der WG wohnte, und jetzt auch noch Mo, die sich in ihrer eigenen Wohngemeinschaft nicht mehr wohlfühlte, seit sie aufgehört hatte, sich mit ihrer Mitbewohnerin die Herrin zu teilen.

»Dein Privatleben ist ganz schön raumgreifend«, bemerkte Pauline Franzi gegenüber irgendwann. »Zum Glück bin ich so zierlich, dass ich wenig Platz brauche.«

Franzis in der Folge geäußerter Vorschlag, gemeinsam, zu viert, in eine größere Wohnung zu ziehen, stieß spontan nicht auf allzu große Begeisterung bei Pauline.

»Bist du sicher, dass du mit uns allen zusammenwohnen möchtest? Oder schwebt dir in Wahrheit eher etwas Schnuckeliges für drei vor, für dich und deine Betthäschen?«, giftete Pauline. »Kann es sein, dass du so nach und nach diejenigen Freunde aussortierst, die sich nicht von dir ficken lassen? Weil es einfach unökonomisch ist, wenn nur das eine geht, das andere aber nicht? Weil du All-inclusive-Pakete bevorzugst?«

»Kann es sein, dass du eifersüchtig bist?«, fauchte Franzi zurück. »Was völlig irre wäre und enorm ungerecht, wo ich niemals auf deine blöde Ann eifersüchtig war? Oder bist du neidisch? Weil Mo und ich es so schön miteinander haben? Hättest du auch gern schlichten, guten Sex in einer harmonischen Freundschaft ohne den ganzen Herzschmerz-Hingabe-Selbstaufgabe-Verantwortungsabgabe-Scheiß mit der ständigen Sehnsucht und dem ewigen Leiden?«

»Franzi, fick dich doch einfach und deinen Harem noch dazu und lass mich in Ruhe, ich kann auch allein wohnen!«

Die gerade erst wieder zusammengeschweißte Freundschaft zwischen ihnen geriet erneut aus den Fugen und Gertrud vermittelte Pauline die Wohnung einer im Ausland weilenden Bekannten. Ein Zimmer, Küche, Bad, in Lichtenberg. Wohnblocks, Wohnblocks, Wohnblocks, Nazis, Bier und Kampfhunde. Pauline erlitt in der dritten Nacht eine Panikattacke samt Schüttelfrost und Herzrasen, die sie wieder nach Hause, zu Franzi, zu einem vernünftigen Gespräch und dem Immobilienteil der Zeitung trieb.

Die neue Wohnung ist zehn Gehminuten von der alten entfernt. Sie ist nicht mehr in Kreuzberg, wo Gentrifizierung ihre faden Spuren zeigt, sondern in Nordneukölln, Deutschlands Zentrum der Queerness.

Sie hausen im fünften Stock, was für Pauline mehr Sport bedeutet, als ihr lieb ist. Erst recht im Winter, wo Kohlen geschleppt werden müssen. Wobei die Dachterrasse, also das Vordach, auf das man durch die Fenster von Franzis oder Mos Zimmer gelangt, im Sommer für alle Mühen entschädigen wird. Und zur Not einen simplen Hinterausgang aus dem irdischen Dasein böte. Marius wollte die Wohnung, weil in ihrem Herzen eine riesige Küche liegt, mit langem Arbeitstresen, fünf Kochplatten, Platz für einen großen Esstisch und ein kuscheliges Sofa.

Rechts hinter der Küche residiert in einem Eckzimmer Pauline. Es gibt so etwas wie einen kleinen Erker mit zwei Fenstern, in den ihr Franzi und Mo ein Podest gebaut haben, so dass sie auf Fensterhöhe in ihren Kissen liegen kann. Sonst ist nur das Nötigste in ihrem Raum. Sie erhofft sich mehr Klarheit in ihrem Leben, wenn sie es mit weniger Zeug anfüllt. Man benötigt, findet sie, hierzulande nie so viel, wie man hat, und das ist ein allgemeines Problem.

Auf den Kühlschrank hat sie mit Edding geschrieben: »Kein Mensch braucht Foie gras und diesen rosa Duschgel-Scheiß.«

Marius mag Foie gras. Für solche Dinge arbeitet er. Er ist nicht mehr der Jüngste. Er ist Genießer. Er wird bequem. Er mag gutes Essen, gute Weine. Er mag flauschige Decken und weiche Handtücher. Er mag ehrlich gesagt Hotelfrühstück und hätte furchtbar gern Budapester Schuhe. In zehn Jahren sieht er sich mit einer Rolex am Handgelenk.

Franzi wiederum mag das Gefühl, zu überleben. Sie ist gut darin, von allen Wegen den schwersten zu gehen. Und ihn seitwärts Richtung Unterholz zu verlassen, sobald er breit und eben wird. Sie wollte ein gutes Abitur, um alles studieren zu können. Und schließlich ihr Theaterwissenschaftsstudium abzubrechen. Sie wollte so lange im Stadttheater arbeiten, bis sie dort arbeitete. Sie hat für ihr Theater im Gefängnis gekämpft, um es langweilig zu finden, jetzt, wo es routiniert funktioniert. Sie will etwas anderes, etwas Neues, etwas Schwieriges.

Mo will helfen. Und schämt sich für das bisschen Geld, das sie dafür bekommt, und gibt es nicht aus und schämt sich auch, in der Lage zu sein, spenden zu können, und sammelt das Geld auf ihrem Konto und versucht, nicht daran zu denken.

*

Pauline dreht mit ihren Zehen den Stöpsel auf. Sie bleibt in der Badewanne liegen, während das Wasser abläuft. Sie spürt die Kälte des Februars sich auf ihre Haut legen, wo das warme Wasser sie freigibt. Gänsehaut macht sich breit. Frieren, denkt Pauline und denkt es wertfrei. Frieren nicht als Last, als Mangel, als Warnung, Frieren nicht als nach Veränderung schreiender Zustand, Frieren nicht als Negatives, Frieren vielmehr als ein interessantes Körpergefühl, das interessante Dinge mit einem macht. Gänsehaut herbeizaubert, nach längerer Zeit Lippen blau färbt und Zähne klappern lässt. Den Wunsch nach Kleidung, einem warmen Ofen, bergenden Armen weckt. Den Wunsch, heimzukommen.

*

Pauline steht auf, wickelt sich ein Handtuch ums Haar, sich selbst in den WG-Bademantel und watschelt tropfenden Fußes in die Küche. Da lümmeln postorgasmisch erschöpft Franzi und Mo auf dem Sofa, während Marius den Kopf in den Ofen steckt.

»Na, schön gebadet?«, fragt Franzi, wobei sie aus lauter Entspannung für ihre Verhältnisse ungewöhnlich langsam spricht.

»Na, schön gefickt?«, entgegnet Pauline.

Ob sie Tee wolle, will Mo wissen. Pauline will.

»Marius backt einen Kuchen, wie du riechen kannst«, sagt Franzi. »Allerdings haben wir nichts davon, denn der Kuchen ist ausschließlich für die schöne Kelly bestimmt.«

Marius dreht ihr sein gerötetes Gesicht zu. »Ist es verwerflich, dass ich einen Kuchen für Kelly backe?«

»Wann hast du für mich das letzte Mal einen Kuchen gebacken?«

»Wann hast du für mich jemals einen Kuchen gebacken?«

»Wann hat die schöne Kelly für dich einen Kuchen gebacken? Oder auch nur einen krümeligen Keks?«

»Das ist etwas anderes.«

»Etwas anderes. Was denn anderes?«

»Hör mal, wenn du Mo einen Kuchen backen willst, dann mische ich mich nicht ein, okay?«

»Wenn ich Mo einen Kuchen backen würde, würde ich dir auch einen backen! Und Pauline sowieso!«

Pauline schleicht in ihr Zimmer. Mo beginnt, Tassen aus Kisten zu räumen.

Pauline legt sich mit geöffnetem Bademantel, handtuchtrocken, auf ihr Podest am Fenster, durch das sagenhafte Sonnenstrahlen scheinen. Auf dem Fensterbrett, im frisch gefallenen Pulverschnee, stehen zwei Rotkehlchen und starren zu Pauline herein. Sie schiebt den Bademantelstoff von ihren kleinen Brüsten und lächelt verführerisch. Die Rotkehlchen wenden sich die Köpfchen zu, schauen wieder zu Pauline und noch einmal zum jeweils anderen, dann flattern sie davon. Verklemmte Viecher, denkt Pauline. Und: Vielleicht ist der Winter ja müde geworden, kann sich selbst nicht mehr sehen, vielleicht hat die Sonne ihre Wintermüdigkeit überwunden. (Was heißt hier Müdigkeit, denkt die Sonne in Paulines Gedanken hinein, es gibt noch mehr Menschen auf der Welt als dich! Und überlegt, sich zur Strafe fürs Erste zurückzuziehen, kann dann aber der fast nackten Pauline doch nicht widerstehen. Obwohl sie sich schon etwas fehl am Platz vorkommt in diesem Roman, in dem es eigentlich um harten schmutzigen Sex gehen soll und nicht um nachsichtige und freundlich vor sich hinbrabbelnde Sonnen. Aber es kann ja andererseits nicht permanent dunkel sein in einem Buch, bloß weil es sich mit abgründiger Sexualität beschäftigt.)

Paulines Zimmer im Sonnenlicht ist kahl eingerichtet. Ihr Bett, ein Schrank mit Kleidern, ein Bücherregal. Den Umzug hat sie genossen, weil sie Ballast abwerfen konnte. Kein Mensch, dachte sie, braucht so viele Klamotten. Alles, was nicht zu den regelmäßig getragenen Lieblingskleidungsstücken gehörte, gab sie in die Altkleidersammlung. Auch ein Korsett, einen Lederrock, ein paar Lacksandalen. Verschenken konnte sie nichts, weil keiner, den sie kennt, so schmal ist wie sie.

Aus dem Bücherschrank entfernte sie jedes Buch, das sie nicht für wirklich wichtig erachtete. Sie verteilte den Ausschuss unter Freunden und auf der Straße. Ihre CDs spielte sie auf ihren Laptop, die Scheiben stellte sie in einer Kiste vor die Haustür. Die Uniunterlagen aus sechs Jahren verschwanden in mehreren Mülltüten. Aller möglicher Schnickschnack, Kosmetikkram, Haarspangen, Nippes, Tand, den ihr irgendwer irgendwann geschenkt hatte, wurde entsorgt. Die zwei Fotos von Ann, die sie besaß, hielt sie eine halbe Stunde lang zitternd vor dem offenen Kachelofen in Händen und konnte sie dann doch nicht loslassen. Es ist nicht Ann, um die es ihr geht, ging, weiß Pauline inzwischen. Ann ist ihr fremd. Aber Ann war die Zeit, in der sich Pauline fundamental und rücksichtslos auf eine nicht wiederholbare Weise hingegeben hatte. Ann ist Paulines Schwäche. Ann ist Paulines tiefe Sehnsucht nach Schutz. Deshalb wanderten Anns Fotos nicht ins Feuer, sondern in einen Umschlag, der wiederum in ihrem Bücherregal, von außen unsichtbar hinter Carol verschwindet.

Hier und Jetzt, auf dem Podest, in der allerersten Sonne, denkt Pauline nicht an den Umschlag. Neue Heimat, denkt sie stattdessen.

*

»Auf unsere neue Heimat!«, sagt Mo in der Küche, die Teetasse schwenkend, in das Gezanke der beiden anderen hinein.

Heimat ist für Mo, wo etwas fehlt. Nora war Heimat, weil sie mit Mo spielte, ohne sie zu lieben. Ihre alte WG war Heimat, weil sie nichts Heimatliches besaß, bloß ein Verbundensein in verletzter Sehnsucht. Ganz selten, wenn Mo beispielsweise einen Butterkeks in heißen Kakao taucht, riecht sie plötzlich die Erinnerung an eine Heimat, in der alle da sind.

Heimat ist für Franzi ein Raum, in dem sie den Überblick über Spannungen und Streitigkeiten behält. Und mit zunehmender Kontrolle innerlich kleiner wird unter dem Wunsch, dass alle sich lieb haben.

Heimat ist für Marius Ruhe. Eine abgeschlossene Tür, innen und außen. Die Verfügungsgewalt über sich und die Situation. Heimat ist still. Gestern hat Kelly ihn weggeschickt.

Heimat ist für Pauline ein enges Gefühl zwischen steilen Bergen mit vielen Stofftieren, die einander nicht kennen, und einer Ungeduld im Bauch, die von Leere zeugt.

Ein Wald, ein Rotkäppchen, ein Wolf. Ein Räuber-Hotzenplotz-Wald, in dem irgendwo auch Heidi wohnt, diese Langweilerin. Im Spätsommer, wenn die Haut der anderen von sattem Braun ist und die Kinder der Urlauber wieder abgereist sind und die alten Menschen zurückkehren, gibt es Brombeeren, Johannisbeeren, Himbeeren, Vogelbeeren und wahrscheinlich auch Braunbären. Die die Wanderer fressen werden, die braunen Schuhe, die bunten Jacken, die rissigen Karten.

»Diese Beeren darfst du nicht essen, diese Beeren sind giftig«, haben Frauen in kurzen Hosen zu Kindern mit rotverschmierten Mündern gesagt. Daher weiß Pauline, dass man Vogelbeeren nicht essen darf.

»Kuck mal, Mama, das sind Vogelbeeren!« Sie zog am Ast, dass es ihr wehtat in der Hand.

»Ich weiß.« Die Mutter lächelte.

»Sag mal ›Vogelbeere‹, Mama!«

»Ach, Kind.« Strich ihr über den Kopf und sagte nichts.

Tage später, morgens, an ihrem Bett. »Sag mal ›Vogelbeere‹, Mama!«

»Paulinchen, lass mich schlafen, ja?«

Ein Wald, eine Schlucht, ein Winter. Weißer Schnee, rote Finger und taube Füße, die wehtun, wenn man zu Hause die Stiefel auszieht. Aber das weiß man nicht, solange man im Wald ist. Das weiß man jedes Mal von Neuem nicht.

An schwarzglänzenden Felsen durchsichtige Eiszapfen. Eiszapfen sind die Diamanten der Elfen. Menschenhände kleben daran fest oder rutschen ab. Durchnässen sich die Handschuhe und machen sich die Finger taub.

Gelang es aber Pauline, einen abzubrechen, nachdem sie die Elfen um Erlaubnis gefragt hatte (leise geflüstert, damit die Erwachsenen es nicht hörten, die nichts verstanden), steckte sie ihn sich in den Mund und lutschte Kälte. Eiszapfen sind Wassereis ohne Geschmack. Elfen schmecken darin schon etwas. Die unterschiedlichsten Aromen, die sich Menschengaumen gar nicht vorstellen können. Je nachdem, um welche Uhrzeit und bei welcher Temperatur an welcher Stelle der Regen fiel, der später Eis wurde. So, wie jeder Fluss und jeder See, jeder Bach, jede Quelle fundamental anders schmeckt im Elfenmund. Und die Erde, die Blätter. Für Pauline schmeckten Eiszapfen nach Kälte. Die Geste war befriedigender als das Ergebnis. Sie stieß sich das spitze kalte Wasser an den Gaumen, sie schloss die Lippen um den Zapfen und spürte, wie sie taub wurden. Sie dachte, sie könnte sich so einen Eiszapfen auch in den Po stecken. Das würde wahrscheinlich wehtun und das gefiele ihr. Es wäre auch kalt, was ihr weniger gefiele. Sie stellte sich eine Frau vor, Mireilles Mutter zum Beispiel. Die Frau sagt: Ertrage diese Kälte für mich. Ich halte eine Schale unter deinen Po und fange das Eis auf, das du schmilzt. Anschließend trinkst du es, mir zuliebe.

Mireilles Mutter war schön: dunkle Locken mit vereinzelten silbernen Strähnchen. Feenhaar. Blaue, klare Augen, weiße, edle Haut. Ihre Stimme wie Samt und ihre Kleider elegant.

Mireilles Mutter war auch streng, aber nicht unberechenbar. Zu Pauline war sie immer sehr freundlich. Mit Mireille sprach sie manchmal in scharfem Ton auf Französisch. Mireille widersprach ihr zuweilen lautstark auf Deutsch, doch am Ende blieb sie kleinlaut zurück.

Einmal war die Mutter besonders wütend. Pauline weiß nicht mehr warum, der Anlass war wahrscheinlich belanglos. Aber sie weiß, dass die Mutter Mireille am Handgelenk packte und die Treppe hinauf in ihr Zimmer zerrte. Pauline schlich sockenfüßig hinterher. Durch die angelehnte Zimmertür sah sie die Mutter auf Mireilles Bett sitzen und Mireille, die damals acht oder neun war, lag über ihren Knien. Ihr gelber Rock war hoch- und ihr weißer Schlüpfer heruntergezogen. Mireilles Mutter schlug ihr mit flacher Hand auf den Po, der rot wurde. Pauline hatte ein Brennen zwischen den Beinen, das sie kannte, und fasste sich später, zu Hause, im Bett, auf eine Weise an, von der sie vage wusste, dass sie irgendwie sexuell war.

Mireille hatte damals geweint und Pauline sie getröstet. »Mach dir keine Sorgen«, hatte die Mutter zu Pauline gesagt, »sie hat es verdient. Oder, Mireille.« Mireille schniefte.

*

Sechs oder sieben Jahre später saßen Pauline und Mireille im Frühsommer abends nach dem Geigenunterricht auf dem Rand des Brunnens, der das Stadtzentrum markierte, und rauchten. Sie rauchten Mentholzigaretten, damit man es nicht roch. Dabei war es Paulines Eltern egal, dass sie rauchte, und merkte es Mireilles Mutter sowieso. Mireille hatte Parfum, Kaugummis und Zahnpasta dabei, weil »die alte Hexe« sonst in der Lage wäre, sie schon wieder zwei Wochen lang einzusperren. Es dämmerte. Pauline spürte den steinernen Brunnenrand kalt unter ihrem Po. Ab und zu fielen ihr Wasserspritzer auf den Rücken. Dumme Jungs lärmten auf der Wiese gegenüber. Pauline blies minzigen Rauch aus und sagte zu Mireille: »Ich finde deine Mutter wunderbar. Ich fand sie schon immer wunderbar. Ich hab mir oft gewünscht, sie wäre meine Mutter.« Kaum hatte sie die Worte gesprochen, sirrten sie in ihrem Kopf, dann fielen sie ihr als Steine in den Hals. Sie schluckte und die Steine landeten in ihrem Bauch. Ich habe mich verraten, dachte Pauline, jetzt weiß sie, wie ich bin, dass ich anders bin. Unheilbar anders. Es liegt gar nicht wirklich an meinen schwarzen Kleidern, an der Musik und den düsteren Gedichten. Es liegt viel tiefer. Jetzt wissen alle, dass ich verrückt bin.

»Du bist echt verrückt!«, sagte Mireille. »Was ist denn bitte wunderbar an einer Grundschullehrerin, die ihre Tochter schlägt und ihrem Mann das Essen aufwärmt, wenn er von anderen Frauen nach Hause kommt? Ich hätte lieber deine Mutter. Du kannst machen, was du willst, und keiner nervt dich.« Mireille hatte gar nichts gemerkt. Aber recht hatte sie. Mireilles Mutter verlor an Strahlkraft für Pauline. Dafür wurde Mireille selbst immer schöner. Kurze, dunkle Locken, blaue, klare Augen, weiße, edle Haut. Eine dunkle Stimme und ein Lachen voller Lebenslust. Ein Jahr später konnte sich Pauline nichts Schöneres vorstellen.

3

Den Kuchen will Kelly nicht, weil sie schlank bleiben möchte. Blöde Ziege, denkt Marius, versucht aber trotzdem, sie zu verführen. Und schafft es sogar.

Am nächsten Tag stellt er den Kuchen auf den WG-Tisch.

»Du glaubst doch nicht, dass ich einen Kuchen esse, den du für Kelly gebacken hast!«, giftet Franzi und wirft den Kuchen aus dem Fenster.

Unten läuft ein Hund des Weges, der gerade noch rechtzeitig ausweicht und nach genauerer Untersuchung des Geschosses sein Glück nicht fassen kann.

Ein paar Tage später backt Marius einen neuen Kuchen, Möhrenkuchen, speziell für Franzi. Franzi will keinen Kuchen, der nach dem Kuchen für Kelly entstand.

»Manchmal bist du echt eine saublöde Kuh!«, kommentiert Pauline ihre störrische Haltung.

»Iss du doch den Kuchen!«, gibt Franzi zurück.

»Du weißt, dass ich nicht viel vom Essen halte.«

Franzi sagt, sie würde ein Stück Kuchen essen, wenn auch Pauline eins äße. So machen sie es. Franzi teilt auch mit Mo und mit Marius. Und weil Marius sich Nüsse von den einen Nachbarn, einen Rührstab von den anderen und Butter von dritten ausgeliehen hat, teilt Franzi den Kuchen auch mit ihren Nachbarn.

Gegenüber macht ihr Susanne auf, völlig verheult. Warum geht die an die Tür mit dieser tränenverklebten Haut, denkt Franzi. »Ich hab Kuchen für euch«, sagt sie. »Ich bin Franzi, ich wohne gegenüber, ihr habt meinem Freund einen Rührstab –«

»Jaja, ich weiß.« Susanne nimmt Franzi den Kuchen aus der Hand. Sie wird ihn in die Küche stellen. Vielleicht freut sich Lea, wenn sie zurückkommt. Falls sie zurückkommt. Ich hätte öfter für sie Kuchen backen sollen, denkt Susanne, Erdbeerkuchen, ich weiß doch, dass sie den liebt, ist das denn so schwer.

»Ja, und wenn du mal reden willst oder so, kannst du ja –« Die Tür fällt in Franzis Satz hinein.

Eine Treppe weiter unten, direkt unter der Wohnung von Lea und Susanne, öffnet ihr Maike. Im Schlafanzug, mit dunklen Augenringen, sich eine Haarsträhne um den Finger wickelnd.

»Hallo, ich bin Franzi, ich wohne über euch und ich wollte euch ein Stück Kuchen schenken, weil ihr uns Nüsse geschenkt habt«, leiert Franzi herunter, so schnell sie kann, und Maike entgegnet noch schneller: »Ich hab keine Zeit, ich muss meine Diplomarbeit schreiben.«

Die zweite Tür knallt in Franzis Gesicht. Sie klingelt gegenüber. Die Tür öffnet sich bloß einen Spalt breit. In dem Spalt steht ein blasses, dunkel gekleidetes Mädchen.

»Was willst du?«, fragt sie.

»Ich bin Franzi«, sagt Franzi schon etwas genervter, »ich wohne über euch und ich habe Kuchen für euch, weil ihr uns Butter geliehen habt –«

»Ich hab dir keine Butter geliehen.«

»Nein, aber vielleicht irgendjemand anders aus eurer Wohnung.«

»Du musst doch wissen, wer dir Butter geliehen hat.«

»Ja, der hat sie ja nicht mir geliehen, sondern meinem Freund und mein Freund hat diesen Kuchen gebacken und den Kuchen hat er mir geschenkt und deswegen schenke ich euch jetzt ein Stück von dem Kuchen, weil ihr, also nicht du, aber irgendjemand aus dieser Wohnung, meinem Freund die Butter geschenkt hat, mit der er den Kuchen gebacken hat, den er mir geschenkt hat.«

»Is die Butter jetzt geschenkt oder geliehen?«

»Ja, wie soll man denn Butter leihen, wie bescheuert ist das denn, soll ich dir gebrauchte Butter –«

»Heyhoh, wer schreit denn da so?« Hinter dem blassen Mädchen erscheint ein blondwuscheliger Typ, etwas älter schon.

»Ich wollte der Kleinen Kuchen schenken«, stöhnt Franzi.

»Der brauchst du keinen Kuchen schenken, die isst nichts, siehste doch, aber ich!« Er steckt sich seinen Joint in den Mund und grapscht sich den Kuchen. Ein bisschen Asche fällt auf die weiße Butter-Frischkäse-Creme obendrauf.

»Kommste rein und trinkst’n Kaffee mit mir?«, nuschelt er zwischen wegen dem Joint zusammengekniffenen Lippen hindurch.

Franzi hat nichts anderes vor und ist außerdem erschöpft.

Sie stolpert hinter dem Blondschopf her durch einen dunklen Flur voller Schuhe, Jacken, Vogelkäfige und wer weiß was noch am Boden in die Küche. Auf dem Esstisch befinden sich vergammelte Blumen, Kerzen, volle Aschenbecher, leere Espressotässchen, Damenrasierer, bröselige Croissants, ein Sardinien-Reiseführer, ein paar CDs, ein Notebook, diverse Papiere, eine Tischwaage, einige Stifte und Gabeln. Franzi setzt sich auf den Stuhl, auf dem nichts liegt. Der Blondschopf drückt ihr den Joint in die Hand, um an der Espressokanne herumzufummeln. Aufschrauben, Espresso im Kühlschrank suchen, Espresso nicht finden, Espresso im Regal entdecken, Espresso einfüllen, merken, dass das Wasser fehlt, Sieb mit Espresso vorsichtig rausnehmen, dabei das Pulver auf den Boden streuen, Wasser einfüllen, Sieb rein, zuschrauben, aufschrauben, Espresso nachfüllen, zuschrauben, Gas andrehen, kein Feuerzeug finden, von Franzi eins gereicht bekommen, Herd an, alles gut.

»Ich bin Marek«, sagt er, »und die Kleine heißt Jacqueline.«

»Die ist aber ganz schön klein, was?«, fragt Franzi. Das Gras, das sie nicht gewohnt ist, liegt ihr jetzt schon schwer auf der Zunge.

»Die ist sechzehn. Sagt sie zumindest. Das war so, also Rehab, die hier auch wohnt, ’ne ganz Nette, also Rehab, die legt halt so auf in so Clubs und dann, also jetzt so vor ’n paar Wochen, äh Monaten, legt die halt so auf in so ’nem Club so und dann halt so Licht an irgendwann und der ganze Scheiß, weil halt Party vorbei und so und war auch schon voll spät so, also halt Licht an und alles und alle so raus so nach und nach und dann die beiden Mädels, also Jacqueline und Eva-Maria, die hängen da halt noch so rum an der Bar. Und der Keeper dann so: Ja Mädels, Feierabend jetzt so, ab in die Heia, und die rührn sich halt nicht und er so, alles klar, jetzt aber mal ganz flott nach Hause mit euch und so und Jacqueline heult und Eva-Maria so: Ja, wir ham halt kein Zuhause. Und draußen halt November und so. Und Rehab, die is halt voll cool und die saß da halt so an der Bar, so Gute-Nacht-Wodka und so und die dann halt so: Ja, dann pennt halt bei uns. Und die also mit, die beiden und dann wars eh so, dass halt bei uns ’nen Zimmer frei und so und die da also so rein und Rehab dann am nächsten Tag, also abends mein ich, Rehab dann so: Ja, was is denn mit euern Eltern, und die beiden also auf Trebe quasi und Rehab so: Ja, alles klar, ihr könnt ja hier wohnen und so, aber sagt mal euern Eltern Bescheid, die machen sich doch Sorgen und so und die Mädels so: Nee, die machen sich keine Sorgen und die sind auch voll Scheiße und so, und Rehab aber voll hart geblieben und jetzt is alles schick so weit so, glaub ich.«

»Ah ja.« Franzi nimmt den Kaffee entgegen, der inzwischen fertig ist. Marek bastelt den nächsten Joint.

»Und du arbeitest hier gerade oder wie?« Sie weist mit einer unbestimmten Geste auf das Notebook, die Papiere.

»Ja, wir planen gerade Aktionen wegen der Finanzkrise und so, ich mein, muss ja echt sein, das is ja alles voll scheiße, da muss halt was passieren, weils halt nicht geht.«

»Weil was nicht geht?« Franzi ist schon klar, dass das alles nicht geht, aber sie möchte gern mal konkret wissen, was genau eigentlich nicht geht, weil sie nämlich ständig den Eindruck hat, dass einfach gar nichts geht, mal ganz grundsätzlich, und das ist verwirrend und somit blockierend.