Strange Memories - Mia B. Meyers - E-Book
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Mia B. Meyers

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Beschreibung

Der eiskalte Unternehmensberater Mason McLean hat wohl alles, was man sich wünschen kann. Neben seinem beruflichen Erfolg ist er charismatisch, gut aussehend und lebt in einer teuren Wohnung an der Fifth Avenue. Ganz im Gegenteil zu der temperamentvollen Sekretärin Amber, die ihr Herz auf der Zunge trägt und neben ihrem losen Mundwerk eine offensichtliche Schwäche hat: Essen. Als ein Auftrag Mason an Ambers Arbeitsplatz führt, verspüren beide vom ersten Augenblick ein starkes Interesse aneinander und die erotische Spannung zwischen ihnen steigt von Tag zu Tag. Während Amber erstaunt feststellt, dass nicht alles so ist, wie es der erste Blick vermuten lässt, wird Mason von einer schmerzlichen Vergangenheit eingeholt. Unvermittelt steht er vor der schwersten Entscheidung seines Lebens. Das Buch ist in sich abgeschlossen. 320 Taschenbuchseiten

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Strange memories

Verhängnisvolle Entscheidung

Mia B. Meyers

Inhalt

Impressum

Vorwort

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Danke

Weiterer Dank

Über die Autorin

Impressum

Erstauflage September 2016

Copyright © 2016

Mia B. Meyers

c/o F. Meyer Unternehmen

Hohenbünstorf 41

29587 Natendorf

E-Mail: [email protected]

www.miabmeyers.com

Covergestaltung: www.sturmmöwen.at

Covermotiv: Shutterstock.com

Lektorat und Korrektorat: www.doktor-lektor.com

Alle Rechte vorbehalten!

Nachdruck, auch auszugsweise,

nur mit schriftlicher Genehmigung

der Autorin.

Personen und Handlungen dieser Geschichte sind frei erfunden.

Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen, Orten oder Ereignissen sind zufällig und unbeabsichtigt.

Markennamen, die genannt werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.

Dieser Roman wurde unter Berücksichtigung der neuen deutschen Rechtschreibung korrigiert.

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

um einer eventuellen Enttäuschung vorzubeugen, möchte ich dich an dieser Stelle vorwarnen.

Vermutlich werden sich meine Protagonisten stellenweise sehr speziell ausdrücken. Sie lieben klare Worte, zu denen auch der ein oder andere Kraftausdruck gehört.

Und ja, dem ist – ganz unabhängig von ihrem Alter oder ihrem beruflichen Erfolg – so.

Alle meine Protagonisten sind fiktional und dürfen es somit. Darüber hinaus, wer weiß schon, wie die oberen Zehntausend wirklich miteinander reden?!

Sollte schon dieses Vorwort nicht deinem Geschmack entsprechen, wird es leider auch der Rest nicht tun. Das würde ich zwar sehr bedauern, aber Geschmäcker sind nun einmal verschieden.

In diesem Fall muss ich mich an dieser Stelle leider von dir verabschieden. Ansonsten wünsche ich dir ganz viel Spaß beim Lesen und hoffe sehr, dass es dir gefallen wird.

Deine Mia

Prolog

Amber

Einen Tag zuvor.

»Heather.« Schwer atmend bleibe ich stehen, stütze mich mit einer Hand auf dem Knie ab und strecke die andere nach ihr aus. »Heather halt an. Ich … Ich kann nicht mehr.«

»Was?« Sie stoppt, lässt die beiden Joggerinnen durch, die leichtfüßig an uns vorbeischweben, und kommt dann zu mir. »Amber, das ist jetzt nicht dein Ernst?«

Vollkommen aus der Puste und mit höllischen Seitenstichen sehe ich mit meinem vermutlich hochroten Kopf zu ihr hoch.

»Wirke ich so, als würde ich Witze machen? Lass uns für heute aufhören.« Ich atme einmal tief durch, um meine Lungen mit Sauerstoff zu füllen und weitersprechen zu können. »Wenn man mit dem Joggen anfängt, soll man langsam anfangen. Ein paar Minuten Laufen und Gehen im Wechsel oder so.«

»Wir sind noch nicht mal drei Minuten unterwegs.«

Skeptisch wische ich mir den Schweiß von der Stirn, der mir in die Augen zu laufen droht. Wirklich nicht?

»Offenbar konnten wir uns ja auch keinen heißeren Tag für unsere neu entdeckte Sportlichkeit aussuchen.« Jetzt, wo ich stehe, habe ich das Gefühl, noch mehr zu schwitzen. Jede Schildkröte hat mehr Kondition als ich. Wo ist das verdammte Sauerstoffzelt, wenn man eins braucht?

»Junge, Junge, was für ’ne Sportskanone.« Irritiert richte ich mich auf und drehe mich in die Richtung, aus der die Stimme gerade gekommen ist. Eine Parkbank weiter dehnen sich zwei Typen, deren verschwitzten Shirts ich entnehme, dass sie ebenfalls mit dem Joggen durch sind, und sehen grinsend zu uns herüber. »Lauf doch nicht so weit, wenn du nicht mehr kannst«, kommt es von dem, mit dem wahnsinnig breiten Kreuz.

Provokant hebe ich eine Augenbraue in die Höhe, sehe zu Heather, die mich flehend ansieht, und wieder zurück zu dem Anabolikamutanten. Er und sein Laufkumpan, der nicht ganz so muskelbepackt ist, scheinen sich köstlich zu amüsieren. Leider stelle ich dabei ungewollt fest, dass der andere mit den dunklen Haaren, die so wirken, als wäre er eben erst aufgestanden, dem kantigen Gesicht und den nicht zu aufdringlich definierten Armen auch gut als Calvin Klein-Model durchgehen könnte. Würde er nicht gerade Shorts und ein labbriges T-Shirt tragen, versteht sich. Aber solche Gedanken haben unter den gegebenen Umständen ohnehin keinen Platz.

»Hast du mich gerade gemeint?« Dabei gehe ich einen Schritt auf den größeren zu, bis Heather mich am Handgelenk zurückhält.

»Lass Amber. Komm, wir gehen.«

»Nein, erst will ich wissen, ob der Anabolikamutant mich gemeint hat.«

Besagter Anabolikamutant guckt seinen Freund irritiert an, als dieser mich anspricht. »Mein Freund wollte nur witzig sein. Ich entschuldige mich für ihn.«

Der Klang seiner tiefen Stimme jagt mir einen kurzen Schauer über den Rücken. Aber nur einen kurzen.

»Oh, sein Betreuer kann auch reden.« Grinsend schiele ich über meine Schulter zu Heather, die kopfschüttelnd und mit verschränkten Armen hinter mir steht.

»Was hat die gerade gesagt?« Der Anabolikamutant sieht den mit der schönen Stimme grimmig an, obwohl er sicher jedes meiner Worte verstanden hat. Ohne noch etwas zu erwidern, dreht sich der Schönling um und schiebt seinen Freund in die entgegengesetzte Richtung.

Gerade als ich noch etwas hinter ihnen herrufen will, zieht Heather mich am Arm zu sich herum und funkelt mich böse an. »Irgendwann ist es so weit und wir bekommen wegen deiner großen Klappe noch mal richtige Probleme.«

Kapitel 1

Amber

»Also bleibt es bei heute Abend?« Solange ich auf Heathers Antwort warte, halte ich mein Gesicht in den kühlen Luftzug, der aus der Lüftung im Armaturenbrett kommt.

»Aber klar, um sechs im Peaches. Ich freu mich.« Ehe ich noch etwas erwidern kann, hat sie bereits aufgelegt. Schulterzuckend nehme ich meine Tasche und die beiden Aktenordner, die ich am letzten Donnerstag mitgenommen habe, um sie zu Hause fertig zu bearbeiten. Ich stelle den Motor meines Smarts aus, öffne die Tür und sofort schlägt mir die stickige Luft wie eine Wand entgegen. Augenblicklich bricht mir wieder der Schweiß aus. Warum ist es im Mai eigentlich schon so entsetzlich heiß?

Nachdem ich ausgestiegen bin, gehe ich auf das graue Gebäude zu, in dem sich Morgan Property befindet. Auf dem Weg zupfe ich mir mit spitzen Fingern und möglichst unauffällig die Jeans von meinem schwitzigen Hintern.

Im Eingangsbereich spüre ich die Kälte der Klimaanlage und atme erleichtert aus. Ich bin definitiv kein Sommermensch. Obwohl, wenn ich es recht überlege, bin ich auch kein Wintermensch.

Wie jeden Morgen winke ich Carl zu, der hinter dem Empfangstresen zu meiner Linken sitzt, und steuere auf die gegenüberliegenden Fahrstühle zu, vor denen bereits eine wartende Menschentraube steht. Das Gebäude erstreckt sich über zehn Stockwerke, in denen sich jeweils eine andere Firma befindet. Ich muss in die siebte Etage, in der sich Morgan Property befindet. Dort arbeite ich seit inzwischen vier Jahren als Empfangssekretärin.

Der Fahrstuhl scheint heute auf jeder verfluchten Etage dieses Hauses anzuhalten, bis er endlich im Erdgeschoss ankommt und sich alle Wartenden, einschließlich mir, in die kleine Kabine zwängen.

Wenn ich bis vor wenigen Minuten noch dachte, meine am Hintern klebende Hose sei mein größtes Problem, habe ich mich geirrt. Eingepfercht zwischen geschätzt zwanzig Männern und Frauen, wohlgemerkt schwitzenden Männern und Frauen, versuche ich meine 1,73 möglichst lang zu machen, um die frischere Luft über den Köpfen der anderen einzuatmen. Ein sinnloses Unterfangen, wie ich schnell feststellen muss. Noch schlimmer ist, dass sowohl meine als auch die Arme der anderen Anwesenden mit einem leichten Schweißfilm überzogen sind. Bei jeder noch so kleinen Berührung klebt die Haut von jemandem an meinem nackten Oberarm, und während ich angewidert versuche, einem Klebenden auszuweichen, backe ich auf der anderen Seite an zwei weiteren fest. Ekelhaft! Sagte ich schon, dass ich eine ausgeprägte Schweißphobie habe?

Endlich hält der Fahrstuhl auf der zweiten Etage und einige der mit mir Eingepferchten verlassen die enge Kabine, was mich befreit ausatmen lässt. Den Gesichtern der übrig gebliebenen nach zu urteilen, wohl etwas zu laut, was ich gekonnt ignoriere.

Beim zweiten Stopp komme ich endlich in meiner Etage an und sehe mich nach dem Verlassen des Aufzugs verwundert um. Normalerweise bin ich eine der Ersten, heute jedoch scheine ich die Letzte zu sein. Die beiden Aktenordner gegen meine Brust gedrückt, gehe ich auf den Empfangstresen zu, wobei ich fast von einem um die Ecke eilenden Mitarbeiter der Buchhaltung umgerannt werde. Aus etlichen Richtungen dringen Gesprächsfetzen, sämtliche Drucker scheinen zu laufen und trotz der geschlossenen Bürotür höre ich Harry, unseren Chef, rumbrüllen.

Was ist denn hier los?

Ich lege meine Tasche und die Ordner auf dem Schreibtisch ab und blättere durch die Akten, die mir mit dem Vermerk Heute erledigen auf den Schreibtisch gelegt wurden.

»Hey, da bist du ja. Wir sollten doch heute alle etwas eher kommen.« Ich sehe auf und registriere, wie Marissa mich mit weit aufgerissenen Augen mustert. »Und wie siehst du aus?«

Verwundert folge ich ihrem Blick und sehe auf die schwarzen High Heels und meine bis an die Waden hochgekrempelte Destroyed Jeans. Dazu trage ich eine anthrazitfarbene, ärmellose Chiffonbluse. Meine langen, dunklen Haare habe ich wegen des Wetters zu einem lockeren Knoten gebunden, um den Nacken freizuhaben. Nichts Ungewöhnliches also.

»Ähm ja, und wie genau sehe ich aus?« Meine Frage noch nicht ganz ausgesprochen, stelle ich fest, dass Marissa ein für sie völlig untypisches schwarzes Kostüm trägt, das sie mit einer weißen Bluse kombiniert hat.

»Lorena hat dir kein Wort gesagt, oder?«

Eine böse Vorahnung überkommt mich, während ich langsam den Kopf schüttle. »Was genau soll sie mir gesagt haben?«

Ich kann nicht wirklich erklären, warum, aber gelinde gesagt mögen Lorena und ich uns nicht besonders. Was so viel heißt wie gar nicht. Was genau sie an mir nicht ausstehen kann, weiß ich nicht und es ist mir auch egal. Dafür weiß ich ziemlich genau, was ich an ihr nicht leiden kann: nämlich dass sie mir jeden Morgen aus dem Rachen meines Chefs zuwinkt, weil sie so tief in seinem Arsch steckt.

Marissa stöhnt auf und fährt sich mit der Hand durch ihre blonden, langen Haare. »Der Tsunami kommt schon einen Tag früher als geplant. Präziser ausgedrückt in einer halben Stunde. Lorena hatte die Aufgabe, alle, die Freitag nicht da waren, telefonisch darüber zu informieren.«

Scheiße …

Umgehend kommt mir mein Aufzug auch nicht mehr ganz so passend vor, aber die Zeit, noch einmal nach Hause zu fahren, habe ich nicht. Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, wird Harrys Stimme lauter, als ich ihn auch schon dicht hinter mir höre. »Amber, das ist nicht Ihr Ernst!«

Zerknirscht und in Zeitlupe drehe ich mich zu ihm um, obwohl ich mir keiner verdammten Schuld bewusst bin. Wie schon Marissas Blick vor wenigen Minuten, wandert auch der strenge Blick meines Chefs an mir herab und auf Höhe meiner Hosenbeine zieht er reflexartig die Augenbrauen nach oben.

Aus reinem Selbsterhaltungstrieb bin ich ganz kurz verleitet zu petzen. Sicher würde er aber nur wieder sagen, dass Lorena und ich uns endlich arrangieren sollen, damit Ruhe in der Firma einkehrt. Aller Voraussicht nach ist er von den Nebenwirkungen des Lorena-Zäpfchens benebelt und sieht deswegen nicht mehr klar.

Wo wir gerade dabei sind, steht sie natürlich direkt neben ihm und kratzt aufs Neue an seinem Hintereingang. Dabei versucht sie nicht einmal, ihr schadenfrohes Grinsen zu unterdrücken.

Harry streckt seinen Arm aus und sieht auf seine Rolex, die unter dem Jackettärmel zum Vorschein kommt. »Wir haben keine Zeit mehr. Alle in den Konferenzraum!« Bevor er vorangeht, sieht er abermals in meine Richtung und lächelt mich an. »Na kommen Sie.«

Nach und nach folgen ihm alle Kollegen, was mir kurz Zeit gibt, mich noch einmal zu sammeln. Tief ein- und ausatmen und los gehts, dann werden wir dem Tsunami mal gegenübertreten.

Im Türrahmen zum Konferenzraum staut es sich, da alle dreiunddreißig Mitarbeiter sich an den Tisch für ursprünglich nur zehn Leute quetschen wollen.

»Lasst uns noch mal durch!« Debra, Harrys zierliche Chefsekretärin, rammt sich mit dem Stuhl in ihren Händen den Weg frei. Seth, der Teamleiter unserer Immobilienmakler, folgt ihr mit zwei weiteren Stühlen. Geschätzte zehn Minuten später betrete auch ich endlich den Raum und suche nach einem freien Stuhl. In der hintersten Reihe sitzt Marissa, die mich zu sich winkt und auf den freien Platz rechts neben sich deutet.

Eine Entschuldigung nach der anderen murmelnd, drängele ich mich zwischen den sitzenden und stehenden Kollegen zu ihr durch und lasse mich erschöpft auf den Stuhl fallen. Haarsträhnen kleben an meiner Stirn und trotz Klimaanlage könnte ich mich jetzt ohne Weiteres schon wieder umziehen. Debra, Seth und Luca sitzen vorne am Tisch und blättern hektisch in ihren Unterlagen. Bis auf das Rascheln ihres Papiers und ein leises Flüstern der Kollegen ist es im Raum unheimlich ruhig geworden.

Marissa lehnt sich flüsternd zu mir rüber. »Und was meinst du, ob der Tsunami wirklich so schlimm ist, wie sein Ruf?«

Mir mit der Hand Luft zufächelnd, zucke ich mit den Achseln und sehe nach vorne in Richtung Tür. Natürlich reden wir von keinem echten Tsunami, sondern von Mason McLean, einem Unternehmensberater. Mr. Morgan, der Inhaber von Morgan Property, ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr mit den Zahlen unserer Zweigstelle zufrieden. Dementsprechend hat er Harry vor einer Woche darüber informiert, dass er die Unternehmensberater Donovan & Company engagiert hat.

Noch am selben Tag hat Harry eine Teambesprechung einberufen, um uns darauf vorzubereiten. Laut seinem Vortrag besteht die Firma Donovan & Company bereits in der zweiten Generation und ist eine der führenden Unternehmensberatungen in New York. Besagter Tsunami, auf den wir gerade warten, arbeitet in dieser Firma. Seinen Spitznamen hat er Angestellten zu verdanken, deren Arbeitgebern er wieder auf die Beine geholfen hat. Wobei seine Erfolgsquote bei unglaublichen einhundert Prozent liegt. Wenn man dem Gerede glauben kann, soll er mit einer eiskalten Skrupellosigkeit vorgehen, da ihm alles, bis auf seinen Auftrag, die Firma zu retten, völlig gleichgültig ist. Wie ein Tsunami zerstört er alles, was seiner Meinung nach den Erfolg einer Firma beeinträchtigt, und das sind nicht selten Arbeitsplätze. Selbst führende Angestellte wie Harry können sich ihrer Stelle nicht mehr sicher sein. Daher ist es nur allzu verständlich, dass die Anspannung im Raum fast greifbar ist – und ich sitze hier mit einer löchrigen Jeans.

Die Zimmertür geht auf und Harry betritt den Konferenzraum. Er stellt sich mit dem Rücken vor das Türblatt, blickt einmal in die Runde und dreht dabei ohne Unterlass an seinem Ehering. Fast könnte man meinen, dass er wirklich genauso unsicher ist wie wir. Gespannt sehe ich in Richtung Türrahmen, durch den wir jeden Moment das Hindurchtreten des Tsunamis erwarten. Als er endlich den Raum betritt, vergesse ich, weiter mit meiner Hand zu fächeln. Das ist er?

Irgendwo ganz weit hinten in meinem Kopf höre ich Heathers mahnende Worte. »Irgendwann ist es so weit und wir bekommen wegen deiner großen Klappe noch mal richtige Probleme.«

Scheiße …

Kapitel 2

Amber

Möglichst unauffällig rutsche ich auf meinem Stuhl so weit wie möglich nach unten und hoffe, dass er mich nicht erkennt. Natürlich erkennt er mich nicht. Ich glaube nicht, dass er sich heute noch an die ambitionierte Sportlerin von gestern erinnern wird. Ich hingegen kann mich leider nur allzu gut erinnern. Vor allem an das, was ich zu ihm und seinem dusseligen Freund gesagt habe.

»Wow.« Marissa stiert mit leuchtenden Augen nach vorne und ein Blick in die Runde zeigt mir, dass es den anderen Frauen nicht anders geht als ihr.

»Guten Morgen, mein Name ist Mason McLean«, erfüllt seine tiefe Stimme den Raum und ich fühle mich förmlich gezwungen, meine ganze Aufmerksamkeit wieder auf ihn zu richten. Harry ist mit seiner stattlichen Größe von geschätzten 1,85 schon recht groß, doch dieser McLean überragt ihn locker um einen halben Kopf.

Okay. Wenn ich meine gestrigen Erfahrungen und damit den Schluss, dass er vermutlich ein Arschloch ist, mal außer Acht lasse, ihn also rein objektiv betrachte, würde ich vielleicht auch das Sabbern anfangen. Durch das perfekt sitzende Jackett lassen sich auch ohne viel Fantasie seine breiten Schultern und die schmalen Hüften erkennen. Seine Nase ist gerade und der Mund sinnlich geschwungen, dennoch ist sein Gesicht nicht im typischen Sinne schön. Dafür sind seine Gesichtszüge zu rau und sein Blick zu hart. Doch gerade das ist es, was ihn so einnehmend wirken lässt. Alle Kollegen, selbst die Männer, scheinen genau wie ich geradezu an seinen Lippen zu hängen. Nur dass ich nicht eins der Worte höre, die seinen Mund verlassen. Langsam lässt er seinen Blick kreisen und sieht jedem meiner Kollegen für einen kurzen Moment direkt ins Gesicht. Als er bei mir angelangt ist, setzt mein Herz einen Schlag lang aus. Bitte erkenne mich nicht. Nur Sekunden vergehen, bis er den Blick wieder von mir nimmt und sich auf seine Unterlagen konzentriert, die vor ihm auf dem Tisch liegen. Ich weiß, es ist vollkommen irrational, und doch spüre ich einen Anflug von Enttäuschung. Er scheint mich wirklich nicht wiederzuerkennen und damit war mein Eindruck bei ihm wohl nicht im Ansatz so bleibend wie seiner bei mir.

»Haben Sie dazu noch irgendwelche Fragen?«

Wie jetzt? Ist er schon fertig mit seiner Rede? Mist, was hat er denn gesagt?

Marissa beugt sich in meine Richtung und flüstert mir hinter vorgehaltener Hand zu: »Meinst du, ich darf ihn fragen, ob er eine Freundin hat?«

Unsanft stoße ich ihr meinen Ellenbogen in die Seite, um sie ruhig zu stellen, obwohl ich genau das auch gerne wüsste.

War ja klar. Lorena meldet sich wie in der ersten Klasse und stellt ihre Frage, nachdem der Tsunami ihr auffordernd zugenickt hat. »Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, machen wir alle uns große Sorgen um unsere Jobs. Können Sie uns sagen, ob diese berechtigt sind?« Dabei dreht sie wie eine Geisteskranke in ihren Haaren. Warum machen Frauen das? Vielleicht sollte sie auch ihre Bluse noch einen Knopf weiter öffnen? Dann müsste sie nicht so krumm sitzen, um ihm ihre anatomischen Abrissbirnen zu präsentieren.

»Auch wenn ich Ihre Befürchtungen diesbezüglich gut verstehe, kann ich Ihnen dazu noch nichts sagen. Noch weitere Fragen?« Wieder sieht er uns direkt an, was fast den Anschein macht, als möchte er, dass wir Vertrauen zu ihm aufbauen. Nur sein harter Blick verrät, dass es ihm streng genommen egal ist, ob wir ihn mögen oder nicht. Nicht einmal die Andeutung eines Lächelns umspielt seine Lippen und die steile Falte zwischen seinen Augenbrauen deutet daraufhin, dass sein Gesichtsausdruck nur selten anders ist.

»Gut, dann werde ich mir jetzt einen ersten Überblick verschaffen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.« Er greift nach den Papieren vor sich, nickt Harry zu, als wolle er ihm bedeuten, fertig zu sein, und verlässt vor ihm den Raum.

Sofort beginnen die männlichen Kollegen eine wilde Diskussion, ob er auch bei uns Leute entlassen wird, und die Frauen tuscheln doch tatsächlich über seinen Hintern.

»Meine Güte ist der heiß. Von dem Tsunami würde ich mich auch gerne mal mitreißen lassen. Hast du diese Augen gesehen?«

»Marissa.« Lachend schüttle ich meinen Kopf. »Hast du auch noch was anderes im Kopf?«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass er den Blickkontakt zu mir länger aufrechterhalten hat als zu allen anderen. Das hat was zu bedeuten, wart’s ab.« Sie zwinkert mir grinsend zu, springt vom Stuhl auf und geht aus dem Raum.

Lächelnd folge ich ihr, gehe aber, bevor ich den Empfangstresen ansteuere, noch einmal zur Kaffeemaschine. Scheiße, wer hat hier Muffins hingestellt? Was soll das immer?

Genau heute hatte ich vor, eine Diät zu beginnen. Die sechste in diesem Monat, um genau zu sein. An diesem Tag hatte ich es im Gespür, es hat Klick gemacht. Obwohl … wenn ich morgen anfange, würde es vermutlich auch noch reichen. Ich meine, was ist schon ein Tag, oder?

Ich wähle einen Latte macchiato auf dem Bedienfeld der Kaffeemaschine aus und nehme mir einen Muffin mit Schokoladenüberzug. Wenn ich meine Diät beginne, trinke ich natürlich nur noch schwarzen Kaffee. Vielleicht mit einem kleinen Schuss Milch, weil er sonst einfach gar nicht schmeckt. Aber da ich ja beschlossen habe, erst morgen anzufangen, kann ich es heute auch noch mal krachen lassen.

Bei dem Geklacker von Pfennigabsätzen, die irgendwo hinter meinem Rücken über den Fliesenboden stöckeln, stellen sich mir auf unangenehme Weise die Nackenhaare auf.

»Habe ich gestern etwa vergessen, dich anzurufen?«

Und da ist sie schon. Ich nehme mein Glas Latte macchiato und drehe mich übertrieben lächelnd zu ihr um. »Lorena. Aber das macht doch nichts. Ich bin mir sicher, du hast es nicht mit Absicht vergessen.«

»Aber natürlich nicht. Und deine Hose … oder was auch immer das darstellen soll, wird bestimmt Eindruck bei Mr. McLean machen.« Süffisant hebt sie eine ihrer perfekt in Form gebrachten Augenbrauen und lächelt mich ebenso falsch an wie ich sie.

»Das hoffe ich doch. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst.« Damit gehe ich an ihr vorbei in Richtung Empfangstresen.

»Ach und Amber. Vielleicht solltest du das mit den Muffins langsam lassen. Du siehst bald selbst aus wie einer.«

Abrupt bleibe ich stehen und spüre das Brodeln in mir aufsteigen. Eben jene Eigenschaft von mir, die meine Eltern so mögen und viele nicht ausstehen können. Bewusst langsam atme ich durch den Mund aus und drehe mich mit einem breiten Grinsen zu ihr um. Inzwischen tut mir schon das ganze Gesicht weh.

»Du hast natürlich recht. Danke, dass du so ehrlich bist.« Dabei gehe ich auf sie zu und drücke ihr den Muffin mit seiner leckeren Schokoladenglasur direkt auf ihre rechte Brust. So, schön verreiben und noch mal fest andrücken.

Lorenas Gesichtsausdruck ist dermaßen schockiert, dass mein unnatürliches Lachen zu einem ehrlichen wird.

»Hubs.« Gespielt erschrocken halte ich mir die Hand vor den Mund, woraufhin der Muffin zu Boden fällt. »Deine gefleckte Bluse … oder was auch immer das darstellen soll, wird bestimmt Eindruck bei Mr. McLean machen.«

Lorenas braunen Augen funkeln vor Wut, bekommen aber innerhalb von Sekunden einen traurigen Ausdruck. Das ist nicht gut, das ist gar nicht gut.

Die Spiegelung der Deckenstrahler verschwindet von der Kaffeemaschine, irgendjemand steht sprichwörtlich in der Sonne.

»Harry, haben Sie das gesehen?«

Dieses Biest ist wirklich gut. Ihre Stimme hat sogar einen weinerlichen Ton angenommen.

»Amber!«

Schon zum zweiten Mal an diesem Morgen drehe ich mich schuldbewusst um. McLean steht neben ihm, und obwohl ich ihn gerne mal aus nächster Nähe betrachten würde, konzentriere ich mich auf Harry.

»Können Sie uns erklären, was da gerade passiert ist?«

»Ähm.« Mir das Hirn zermarternd nehme ich meinen Kaffee in Augenschein, so als würde ich darin eine passable Antwort finden. »Ich … bin gestolpert?«

Von Harry, der mir kein Wort glaubt, blicke ich zu dem Tsunami, der überheblich auf seine Armbanduhr sieht. Für solche Nebensächlichkeiten hat er sicher keine Zeit. Hoffentlich habe ich mich mit dem Auftritt nicht freiwillig auf die Liste seiner ersten Entlassungen gesetzt.

»Kommen Sie, Mr. McLean, ich zeige Ihnen noch die Büros der Immobilienmakler und dann können wir in die Buchhaltung gehen.« Ohne ein weiteres Wort in meine oder Lorenas Richtung, dreht Harry sich um und geht McLean vorweg.

Bravo Amber, das hast du wieder mal ganz toll hinbekommen.

»Danke Miststück, der Punkt geht dann wohl an mich«, flötet Lorena mir ins Ohr, bevor sie mit erhobenem Kinn an mir vorbei stöckelt.

Wie nicht anders zu erwarten, ziehen sich die folgenden Stunden wie Kaugummi, sodass ich den Computer schon fünf Minuten vor Feierabend herunterfahre und die Firma fluchtartig verlasse.

Mit wenigen Minuten Verspätung betrete ich das Peaches und kann Heather bereits an unserem Stammplatz sitzen sehen. Das Peaches ist eigentlich eine Cocktailbar. Aufgrund des Flairs kommen wir aber auch, oder besser gesagt ausschließlich, zum Kaffeetrinken her. Und natürlich wegen der Salzstangen und Erdnüsse auf den Tischen. Heute darf ich schließlich noch, ab morgen ist das ja vorbei.

»Und wie ist er?«

»Oh danke der Nachfrage, Heather, und wie war dein Tag?«

Sie verdreht die Augen. »Also Amber, wie war dein Tag?«

»Frag nicht.« Erschöpft lasse ich mich neben sie auf die Bank fallen, und lehne meinen Kopf mit geschlossenen Augen gegen die Rückenlehne. In der Mittagspause habe ich Heather vorsorglich eine Nachricht geschrieben, dass es heute Abend eventuell später werden könnte, da der Tsunami schon früher in die Firma gekommen ist.

»Der Betreuer ist der Tsunami und er wird mich rausschmeißen.«

»Was für ein Betreuer?«, fragt sie, wobei ihr eine Erdnuss wieder aus dem Mund fällt.

»Die Typen aus dem Central Park gestern.«

»Nein.« Sie sieht mich genauso dämlich an, wie ich vermutlich heute Morgen ausgesehen habe.

»Ich fürchte doch. Aber er scheint mich nicht erkannt zu haben.« Bevor keine mehr da sind, schütte ich mir welche von den Erdnüssen in die Handfläche.

»Bist du sicher? Und wie ist er als Tsunami? So wie du erwartet hast?«

Das ist eine ziemlich gute Frage, ist er so, wie ich es erwartet habe?

»Ja und nein. Er ist irgendwie … Ach keine Ahnung, ich habe ihn heute ja kaum gesehen. Nur heute Morgen, als er sich in der Firma vorgestellt hat, und dann einmal an der Kaffeemaschine … Apropos Kaffee. Danke, dass du schon bestellt hast.« In der Hoffnung, sie damit abzulenken, greife ich nach dem Latte macchiato, der vor mir auf dem Tisch steht.

»An der Kaffeemaschine? Und war da was Besonderes?«

Ich schürze die Lippen und sehe zur Decke, als würde ich nachdenken. Diese kleinen Lichter, die den Anschein erwecken, als wären sie Sterne, sind wirklich hübsch.

»Nein, da war nichts.«

Heather grinst mich an, greift sich noch eine Handvoll Erdnüsse und winkt Susan, der Bedienung, mit dem leeren Schälchen zu. »Okay, dann lassen wir das erst mal so stehen. Und wie sieht er aus?«

»Du hast ihn doch gestern gesehen.«

»Nein habe ich nicht. Ich hatte eine Panikattacke, weil ich Angst hatte, dass Rambo uns was auf die Nuss gibt.«

»Er sieht aus wie … ein fleischgewordener Feuchte-Höschen-Traum.«

Heathers Augen beginnen zu leuchten und sie saugt verträumt an ihrem Strohhalm. »Erzähl mir mehr!«

»Mehr gibt’s da leider nicht zu erzählen«, erwidere ich lachend.

»Mensch Amber, gib mir mal ein paar Details.«

»Was willst du denn hören? Er hat dunkle Haare, oben etwas länger als an den Seiten. Er ist ziemlich groß, und wenn ich seine Figur unter dem Anzug richtig gedeutet habe, treibt er noch mehr Sport als nur zu Joggen.« Verträumt blicke ich an Heather vorbei. »Und er hat dunkelblaue Augen, mit so einer Art … Pixelfehler.«

»Nein, erzähl mir mehr von seinem Körper. Wen interessieren seine Augen?«

Grinsend wende ich mich wieder ihrem Gesicht zu. »Das war es leider schon. Wie gesagt, ich habe ihn nur kurz gesehen. Und du weißt ja, von einem schönen Teller isst man nie allein.«

»Ehrlich jetzt? Fängst du wieder mit diesem Langweiler an?«

»Frag mal unsere damalige Nachbarin, die fand ihn gar nicht so öde.«

Besagter Langweiler heißt eigentlich Luca und ist mein Exfreund, mit dem ich drei Jahre zusammen gewesen bin. Zwei Jahre davon haben wir zusammengewohnt, bis ich ihn mit unserer Nachbarin in unserem gemeinsamen Bett erwischt habe. Ich habe heute noch sein »Es ist nicht so, wie es aussieht« im Ohr. Schlimmer geht’s doch wohl nicht, oder?!

Heute, zwei Jahre danach, kann ich darüber lachen, doch zu der Zeit hat es mich wahnsinnig verletzt. Mittlerweile weiß ich nicht, ob er wirklich die große Liebe für mich war, oder ob ich das vielleicht einfach nur glauben wollte. Fakt ist, sein Betrug hat nicht mein Herz gebrochen, dazu hatte er nicht die Macht. Aber er hat mein Vertrauen missbraucht und es hat mich tief enttäuscht, dass er offenbar so wenig Achtung vor mir hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---