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Von einem Mann wie Zane - unglaublich sexy und atemberaubend verführerisch - ist die zurückhaltende Julia noch nie erobert worden. Und als er sie jetzt ungezügelt küsst und mit den Knöpfen ihrer Bluse spielt, wird sie von ihrem Verlangen überwältigt. Dabei hatte sie nach ihrer Scheidung keine Lust mehr auf ein Abenteuer. Ganz kurz fragt sie sich, ob sie es bereuen wird, sich diesem ruhelosen Einzelgänger hinzugeben. Zu verschieden sind ihre Welten: Julia, die behütete Tochter des Bürgermeisters von Plenty, fühlt sich wohl in der australischen Kleinstadt. Den rauen Automechaniker Zane dagegen hält es nie lange an einem Ort. Am nächsten Morgen wird ihr klar, dass sie einen Fehler gemacht hat: Zane ist fort! Die Nacht voller Zärtlichkeit hat ihm wohl gar nichts bedeutet. Wird Julia ihn je wieder sehen?
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Seitenzahl: 202
IMPRESSUM
Süßes, wildes Spiel erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2002 by Bronwyn Turner Originaltitel: „Zane: The Wild One“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1233 - 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: M.R. Heinze
Umschlagsmotive: Jameson/GettyImages.
Veröffentlicht im ePub Format in 04/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733746308
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Es lief nicht im Geringsten wie im Film ab.
Julias Wagen geriet nicht im Zeitlupentempo ins Schleudern. Während sie am Lenkrad kurbelte, hatte sie nicht das Gefühl, die Zeit würde stillstehen. Es gab auch keine blitzartigen Erkenntnisse, keine dramatische Musik und keine Spezialeffekte.
Julia Goodwin war zu ihrer Schwester auf dem Land unterwegs, als sie plötzlich auf der Straße drei Elstern entdeckte. Eben war sie noch wie üblich mit ganz normaler Geschwindigkeit gefahren. Im nächsten Moment schien sich alles zu drehen. Offenbar hatte sie im Bruchteil einer Sekunde gebremst und das Lenkrad verrissen, ohne vorher nachzudenken.
Als sie die Augen wieder öffnete, kam ein Känguru durch das trockene Gras neben der Schotterstraße angehüpft und hob schnuppernd den Kopf.
„Ja, wenn du mir über die Straße gelaufen wärst, dann hätte ich wirklich ausweichen müssen, Bursche“, murmelte Julia und schüttelte über sich selbst den Kopf, während das Känguru anmutig einen Zaun übersprang und verschwand.
In der Fahrschule hatte man ihr eingehämmert, nie einem Tier auszuweichen, sondern nur zu bremsen und zu hupen. Das Ausweichen blieb dem Tier überlassen. Julia wollte jedoch kein Tier verletzen, nicht einmal Vögel. Darum hatte sie die Augen geschlossen, hart gebremst und das Lenkrad herumgerissen. Und so steckte sie jetzt in der Patsche beziehungsweise im Straßengraben.
Weil sie den Ausblick vom Quilty’s Hill liebte, hatte sie diese Strecke gewählt, und jetzt bereute sie es, denn hier kam kaum jemand vorbei. Aber wenigstens hatte sie den Unfall heil überstanden. Sie rutschte vorsichtig auf dem Sitz hin und her, bewegte die Beine und drehte den Kopf von einer Seite zur anderen. Das klappte mühelos. Das war schon mal ein gutes Zeichen. Obwohl ihre Hände zitterten, schaffte sie es, die Sonnenbrille abzunehmen und den Sicherheitsgurt zu öffnen.
Mit der Türverriegelung hatte Julia schon größere Schwierigkeiten, und als sie ausstieg, knickten ihr die Beine weg. Auch gut. Warum sollte sie sich nicht im Sitzen über die Lage informieren? In dieser Position ließ sich sogar leichter feststellen, warum die Fahrt zu Ende war.
Der Kombi ihrer Mutter steckte mit dem Vorderteil im Graben. Hätte sie den Mercedes ihres Vaters gefahren, würde er jetzt einem gestrandeten Wal ähneln. Das Zischen unter der Motorhaube ließ einen Kühlerschaden erahnen, und bei näherem Hinsehen wirkte der eine Vorderreifen reichlich platt.
Es hätte schlimmer kommen können. Glücklicherweise war sie selbst unversehrt – bis jetzt zumindest. Der Himmel allein wusste, was ihr drohte, wenn sie nicht zum Abendessen bei Chantal auftauchte. Ihre Schwester hasste ungerade Gästezahlen, ganz zu schweigen davon, dass sie dieses Dinner nur wegen Julia veranstaltete.
Denn ihrer Meinung nach brauchte Julia endlich einen Ehemann. Julia zeigte sich aber nie an Orten, an denen man die richtigen Männer kennenlernte. Darum war Chantal jetzt auf einer Mission, die da lautete: „Julia muss verheiratet werden!“ Diese Mission hatte seit Neujahr absoluten Vorrang vor allem anderen. Wenn Chantal sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ sie sich von nichts und niemandem aufhalten.
Julia war Chantal für ihre Mühe dankbar. Ihre Schwester hätte alles getan, um sie glücklich zu machen, auch wenn sie dafür gegen ihre Überzeugung handeln musste. In Chantals Augen führte nämlich die Ehe unweigerlich zu einem gebrochenen Herzen. Berufliches Fortkommen bescherte einem dagegen Respekt und Zufriedenheit.
Julia war nicht dieser Ansicht. Sie war schon ein Mal verheiratet gewesen, und sie wäre es vermutlich noch, wäre sie Paul nicht wegen seines Berufs nach Sydney gefolgt, hätte sie nicht die Einsamkeit in der Großstadt unerträglich gefunden und hätte er sich nicht in eine andere Frau verliebt.
Trotz ihrer ehrgeizigen Eltern und ihrer erfolgreichen Schwester hatte Julia stets nur verheiratet sein wollen. Ein schönes Zuhause, ein hübscher Garten und vor allem Kinder hätten ihre innere Leere vertrieben.
Leider halfen ihr Kinder, die noch gar nicht auf der Welt waren, nicht aus dem Straßengraben. Mittlerweile hatte sie sich wieder so weit von ihrem Schreck erholt, dass sie aufstehen könnte, wenn sie sich die hochhackigen Schuhe auszog, die sie sich von Kree, ihrer Mitbewohnerin, geliehen hatte – und am besten auch gleich die Strümpfe und den Unterrock, der ihr wie Frischhaltefolie an den Beinen klebte.
Sobald sie sich von den störenden Kleidungsstücken befreit hatte, stellte sie sich mitten auf die Straße und sah sich um. Allerdings gab es nicht viel zu sehen. Neben der Straße standen so viele Eukalyptusbäume, dass Julia froh war, im Graben und nicht an einem der Stämme gelandet zu sein. Außerdem gab es einen uralten Zaun, der nicht einmal ein Fahrrad aufgehalten hätte. Hinter ihr erstreckten sich endlose Weiden mit grasendem Vieh. Vor ihr markierte dichtes Gestrüpp, dass dort die Tibbaroo Nature Reserve begann.
Mist! Eine einsamere Stelle als hier am Rand des Naturschutzgebietes hätte sie sich gar nicht aussuchen können. Bis zum nächsten Farmhaus waren es Kilometer, und jetzt schon schmerzten die scharfkantigen und von der Sonne erhitzten Steine unter ihren Sohlen.
Julia überlegte angestrengt, welche der folgenden möglichen Verhaltensweisen die dümmste war:
a) mehrere Kilometer barfuß gehen,
b) mehrere Kilometer in Schuhen mit hohen Absätzen gehen,
c) auf Hilfe warten.
Ein Summen riss sie aus ihren Gedanken. Sie schlug nach der dicken Fliege, die ihren Kopf umkreiste. Die Fliege verschwand, das Summen dagegen nicht. Julia stöhnte und entschied, dass Antwort d richtig war: Die dümmste Verhaltensweise bestand darin, das Autotelefon ihrer Mutter zu vergessen.
Sie setzte sich in den Wagen und griff nach dem Hörer.
„Julia, wo bleibst du nur?“ Chantal hörte sich an, als wäre sie bereits auf hundertachtzig. „Ich habe halb acht gesagt, aber du kommst sonst immer früher, und du musst mir bei dieser elenden Soße helfen! Ich habe mich an dein Rezept gehalten, aber es klappt nicht, und ich …“
„Ich hatte einen Unfall“, warf Julia ein.
„Bist du verletzt?“
„Nein, mir geht es gut, aber der Wagen …“
„Um Himmels willen! Du hast doch nicht Mutters Wagen zu Schrott gefahren?“
„Nein, er ist nicht beschädigt … jedenfalls nicht sehr.“ Julia schloss die Augen und kreuzte die Finger, obwohl sie eigentlich nicht gelogen hatte. „Er muss allerdings abgeschleppt werden“, gestand sie und fügte eine Ortsbeschreibung hinzu.
„Ich muss mich ums Essen kümmern und kann dich nicht holen. Aber ich schicke Dan zu dir, sobald er eintrifft.“
„Wer ist Dan?“
„Ein neuer Zahnarzt in Cliffton. Er macht einen sehr ruhigen Eindruck. Sieh zu, dass du ihn zum Reden bringst. Bestimmt entdeckst du viele Gemeinsamkeiten mit ihm, wenn du dich etwas bemühst.“
Er ist langweilig, und darum werdet ihr euch gut verstehen, übersetzte Julia die Worte ihrer Schwester.
„Bleib, wo du bist, und warte“, fuhr Chantal fort. „Ich werde auch einen Abschleppwagen bestellen.“
„Es ist Freitagabend. Stör Bill bitte nicht“, sagte Julia. Doch Chantal bekam es nicht mehr mit, weil sie bereits aufgelegt hatte.
Im Rückspiegel sah Julia den Abschleppwagen oben auf dem Quilty’s Hill auftauchen und die gewundene Straße herunterjagen.
„Wo brennt es denn?“, murmelte sie, setzte sich ruckartig auf und schob die Sonnenbrille hoch. Bill fuhr nie schnell. Der alte Besitzer der Werkstatt von Plenty hatte sich dem gemächlichen Tempo der Kleinstadt angepasst, in der Julia den Großteil ihres Lebens verbracht hatte. Er besaß den einzigen Abschleppwagen in der Stadt und fuhr ihn auch – es sei denn, Zane O’Sullivan war ausnahmsweise mal wieder hier.
Als der Wagen hielt und von der eigenen Staubwolke eingeholt wurde, hatte Julia bereits Herzklopfen und eine trockene Kehle. Die Tür schlug zu, trockenes Gras knirschte unter schweren Stiefeln – und dann war er auch schon bei ihr, stützte sich aufs Wagendach und beugte sich zum offenen Fenster herunter.
Zane O’Sullivan, wie er leibte und lebte.
„Kein sonderlich günstiger Parkplatz“, stellte er trocken fest.
Diese rau klingende Stimme war Julia schon immer unter die Haut gegangen, hatte sie bisher aber nie sprachlos gemacht. Allerdings hörte sie diese Stimme sonst immer nur am Telefon. Zum ersten Mal sprach Krees ruheloser Bruder von Angesicht zu Angesicht mit ihr.
Damals an der Highschool hatte sie sein gutes Aussehen und seine rebellische Haltung so einschüchternd gefunden, dass sie geradezu vor ihm geflohen war. Und jetzt, über ein Jahrzehnt später, stellte sie fest, dass sich offenbar nichts geändert hatte. Als Zane O’Sullivan vor ihr stand, brachte er sie noch immer aus dem Gleichgewicht.
Sie fing sich allmählich wieder und stellte fest, dass sich doch einiges verändert hatte. Das hautenge weiße T-Shirt zeigte deutlich, dass seine Brust breiter und muskulöser geworden war. Das honigblonde Haar mit dem warmen goldenen Glanz war nach wie vor länger als üblich, und er strich es wie früher achtlos mit den Fingern aus der breiten Stirn zurück. Das Gesicht wirkte schmaler, wodurch die Wangenknochen stärker betont wurden, und trotz der Fliegerbrille sah sie Fältchen in seinen Augenwinkeln.
„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte er. „Du wirkst benommen.“
Als er sich aufrichtete, um die Tür zu öffnen, wandte sie sich rasch ab, allerdings nicht rasch genug. Sie bekam noch einen guten Blick auf seine schmalen Hüften mit. Schlagartig fühlte sie sich mehr als nur benommen. Jetzt war ihr schwindelig, und sie hatte Schwierigkeiten zu atmen. Sicher nur die Hitze, sagte sie sich und schob sich schnell die Sonnenbrille auf die Nase.
Als ob eine Sonnenbrille diesen verlockenden Anblick auslöschen konnte! Hundert Sonnenbrillen hätten nicht verhindert, dass sie gebannt gewesen wäre. Julia stellte sich vor, wie sie eine Brille nach der anderen aufsetzte und vergeblich versuchte, die verführerischen männlichen Reize auszulöschen. Das war so verrückt, dass sie laut auflachte. Das Lachen verstummte jedoch sofort wieder, als sie merkte, dass ihr Verhalten tatsächlich verrückt wirkte.
Zane hatte sich auf den Türrahmen gestützt und trommelte ungeduldig mit den Fingern aufs Wagendach, runzelte die Stirn und betrachtete sie, als wäre er liebend gern möglichst weit weg. Lieber Himmel! Seit seiner Ankunft hatte sie kein Wort gesagt.
„Mir geht es gut.“ Julia drehte den Kopf hin und her. „Siehst du? Keine Kopfverletzungen.“
Er wirkte allerdings nicht überzeugt, sondern betrachtete sie sogar sehr skeptisch, als sie ausstieg. Am besten sorgte sie sofort dafür, dass er den Wagen abschleppte, bevor er sie endgültig für irre hielt und die Flucht ergriff.
„Ich weiß nicht, wie groß der Schaden ist. Siehst du den Reifen? Der ist bestimmt kaputt. Und ich bin so hart im Graben gelandet, dass vielleicht die Lenksäule gebrochen ist. Ach ja, vorhin hat der Motor gedampft. Meinst du, der Kühler könnte beschädigt sein?“
„Schon möglich.“ Er hatte für den Wagen keinen einzigen Blick übrig. „Hast du dir den Kopf bestimmt nicht am Lenkrad gestoßen?“
„Mag sein, dass mir die Sonne nicht gut getan hat oder dass ich einen verzögerten Schock oder sonst etwas in der Art habe, aber ich bin total unversehrt.“
Er betrachtete sie trotzdem weiterhin so eingehend, dass sie schon überlegte, ob sich vielleicht auf ihrem Kopf eine Beule in der Größe eines Footballs gebildet hatte. Doch dann merkte sie, dass er nicht ihren Kopf, sondern ihren Körper betrachtete.
Sie hätte den Unterrock nicht ausziehen sollen. Eigentlich hätte sie sich gar nicht erst von Kree dazu überreden lassen sollen, dieses Kleid anzuziehen. An ihrer Freundin hatte es dezent gewirkt, doch Kree war mit ihren eins fünfundsechzig gut fünf Zentimeter kleiner als sie, und Kree hatte auch kaum Hüften oder andere Rundungen.
„Bist du zu einer Party unterwegs?“
„Ja, bei meiner Schwester“, erwiderte Julia betont fröhlich. „Erinnerst du dich an Claire Heaslip? Also, Chantal hat letztes Jahr den Besitz ihres Großvaters gepachtet.“
Sie redete zu viel und dachte vorher nicht nach. Als ob er jemals Claire Heaslip vergessen könnte, selbst wenn nicht alle Gerüchte stimmten.
„Läufst du immer barfuß herum?“, fragte er, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.
„Selten.“ Mit einem Lachen versuchte sie, ihr Unbehagen zu überspielen – Unbehagen wegen des Schnitzers mit Claire Heaslip und wegen seines intensiven Blicks auf ihre Schenkel, von denen dank des kurzen Kleides ziemlich viel zu sehen war. Und wegen ihrer heftigen Reaktion auf seinen Blick. „Chantal würde der Schlag treffen, wenn ich barfuß bei ihr auftauche. Ich habe die Schuhe ausgezogen, weil ich überlegt habe, ob ich zu Fuß gehen soll.“ Sie holte die Schuhe aus dem Wagen und zog sie an. „Nicht die ideale Fußbekleidung für einen langen Marsch.“
Er schwieg. Auf einen Mann, der Jeans, T-Shirt und Stiefel trug, wirkte sie in ihrem Cocktailkleid bestimmt overdressed. Leider hatte sie sich auf Krees Modegeschmack verlassen.
Zum Glück kümmerte Zane sich endlich um den Wagen und befestigte ein Abschleppseil daran. „Soll ich dich zu deiner Schwester bringen, bevor ich hier weitermache?“
„Nein, Chantal schickt mir jemanden.“
Nicht einfach irgendjemanden, sondern Dan, den Zahnarzt, den Chantal als potenziellen Ehekandidaten ausgewählt hatte. Julia sah ihn schon in Anzug und mit Krawatte vor sich, das braune Haar ordentlich gescheitelt und perfekt gekämmt. Der Abend wurde bestimmt schrecklich öde.
Dann betrachtete sie Zane O’Sullivan und dachte: Du bist das genaue Gegenteil von öde. Bevor ihr sämtliche Gründe einfielen, weshalb sie besser den Mund halten sollte, sagte sie: „Ich habe es mir andres überlegt. Könnte ich mit dir in die Stadt fahren? Macht dir das was aus?“
Wegen der Sonnenbrille war nicht zu erkennen, was bei ihrer Frage in ihm vor sich ging. „Spielt keine Rolle, ob es mir was ausmacht oder nicht. Allein lasse ich dich hier draußen auf keinen Fall zurück.“
Zehn Minuten später bereute Zane, dass er bei Julia den edlen Ritter spielte. Es war eine Sache, sich vorzustellen, was Julia unter diesem hauchdünnen Kleid trug. Es war eine andere Sache, sich vorzustellen, es ihr auszuziehen. Schließlich war sie die Tochter der Schulleiterin und Bürgermeisterin Goodwin.
Eine solche Frau stellte man sich nicht nackt vor, wenigstens nicht so, wie er das tat – Verlangen in ihren grünen Augen, das schimmernde dunkle Haar auf seinem Kopfkissen ausgebreitet, ihr perfekter Körper nackt unter ihm …
Ihm wurde heiß dieser Vorstellung. Er versuchte, sich auf die Straße zu konzentrieren, aber wie sollte er das, wenn er Julias Parfum roch, das ihn an einen Frühlingsmorgen erinnerte? Außerdem warf sie ihm hinter der Sonnenbrille immer wieder Blicke zu. Wenn das noch länger so weiterging, würde ihm der Schweiß ausbrechen. Oder er würde eine Dummheit begehen und sie auf einen Drink einladen. Oder er tat etwas total Irres, ließ den Drink weg und brachte Julia gleich auf sein Zimmer.
Beinahe hätte er laut gelacht. Julia Goodwins teure Dessous auf dem Fußboden seines billigen Hotelzimmers? Träum weiter, Kumpel!
„Tut mir leid, dass ich dich belästigt habe“, sagte sie nach einer Weile. „Bestimmt hast du an einem Freitagabend etwas Besseres vor.“
Das stimmte zwar, aber er verschwieg, dass er dabei an sein Zimmer und vor allem sein Bett dachte. „Ja, aber der ‚Lion‘ trocknet bestimmt nicht aus, bis ich zurück bin.“
„Du hast gerade etwas getrunken?“
„Ich wollte. Bill hatte schon einige Gläser intus, als die Nachricht von deiner Schwester kam.“
„Deshalb bist du gekommen.“ Jetzt sah sie ihn direkt an. „Danke.“
„Es ist mein Job“, wehrte er ab.
„Nein, es ist Bills Job. Ich weiß zwar, dass du ihm hilfst, wenn du hier bist, aber …“
Sie sprach nicht weiter und überließ es ihm zu erklären, warum er in der Stadt war. Weshalb sollte er es nicht sagen? Es war immer noch sicherer, mit ihr zu reden, als mit offenen Augen von ihr zu träumen. „Ich habe eine Woche Zeit. Darum helfe ich Bill und besuche Kree.“
„Sie hat nicht gesagt, dass du herkommst.“
„Es war eine spontane Entscheidung.“
„Aha. Hast du sie schon gesehen?“
„Ich bin erst am Nachmittag angekommen und dachte, dass sie bestimmt arbeitet. Außerdem gehe ich nie gern in einen Frisiersalon.“
„Lass Kree lieber nicht hören, dass du ihren Schönheitssalon als Frisiersalon bezeichnest“, warnte Julia lächelnd. „Es wäre aber besser gewesen, du wärst gleich zu ihr gegangen. Du hast sie nämlich verfehlt. Sie ist übers Wochenende mit ihrem Freund Tagg weggefahren. Er wohnt in Cliffton.“
„Dann sehe ich sie eben, wenn sie zurückkommt. Wie geht es ihr?“
„Du kennst sie ja. Sie ist immer beschäftigt, immer unter Volldampf und immer glücklich.“
„Also leicht irre.“
Julia lachte leise, und Zane wollte sie von nun an nur noch lachen sehen, denn wenn sie lachte, war sie nicht nur hübsch, sondern geradezu hinreißend, und er konnte den Blick nicht mehr von ihr abwenden. Wieso war ihm das nicht schon damals aufgefallen, als er noch in Plenty lebte? Wahrscheinlich lag es daran, dass er ihr nie nahe genug gekommen war.
Verdammt, er hatte nicht vergessen, dass sie sogar die Straßenseite gewechselt hatte, um ihm nicht zu begegnen. Hatte sie ihn doch mal angesehen, dann mit jenem neugierig staunenden Blick, der für gewöhnlich nur Außerirdischen gilt. Allerdings hatte er sich in dieser Stadt stets wie ein Außerirdischer gefühlt.
Im Moment betrachtete sie ihn ganz anders. Sie lachte nicht mehr, und wenn er sich nicht täuschte, sah sie auf seinen Mund. Prompt prickelten seine Lippen. Oh nein, auf keinen Fall! Sie war der Typ für Dinner im Restaurant und Besuche bei Daddy, nicht der Typ, der gleich im Bett landete. Und schon gar nicht der Typ für den Vordersitz eines Abschleppwagens.
Zane richtete den Blick wieder auf die Straße, gab Gas und suchte nach einem harmlosen Thema. „Wenn du schon für eine Party angezogen bist, warum fährst du jetzt doch wieder heim?“
„Ich wollte eigentlich gar nicht hingehen.“ Sie zuckte unbehaglich mit den Schultern. „Meinst du, der Unfall reicht als Entschuldigung für eine Absage? Ich meine, ich habe mir schließlich nichts getan.“
„Wozu brauchst du eine Entschuldigung? Wenn du nicht hingehen willst, hättest du einfach Nein sagen können.“
„Dieses Wort kennt Chantal nicht.“
„Vielleicht muss sie es öfter hören.“
„Während du das Abschleppseil am Wagen befestigt hast, habe ich Chantal angerufen und ihr erklärt, dass ich heimfahre. Sie war gar nicht erfreut. Wahrscheinlich schickt sie jemanden, der mich doch noch holen soll.“
„Wenn du nicht zu Hause bist, kann dich auch niemand holen.“
„Nicht zu Hause?“ Sie lachte ungläubig. „Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, aber an einem Freitagabend gibt es in Plenty nur wenige Verstecke.“
„Es gibt immer noch den ‚Lion‘. Du könntest etwas trinken und Poolbillard spielen“, schlug er lässig vor, rechnete aber nicht damit, dass sie darauf einging. Das wollte er auch gar nicht. Verlangen packte ihn, als sie ihn überrascht ansah und offenbar über die Einladung nachdachte. Doch dann schüttelte sie den Kopf.
„Danke, aber diesmal lieber nicht.“
Diesmal. Das klang gerade so, als würde er sie täglich einladen. Er fuhr langsamer, überquerte die Bahngleise und warf Julia einen Blick zu. „Dein Verlust.“
Julia blickte aus dem Fenster. Sie hatten den Stadtrand erreicht. Bald würde sie aussteigen, sich mit einem lässigen „Bis später“ von Zane verabschieden und dabei wissen, dass dieses „später“ wieder zwölf Jahre dauern konnte. Schon jetzt empfand sie eine tiefe Enttäuschung und etwas wie Verlust.
Andererseits konnte sie eine Jeans anziehen, in den ‚Lion‘ gehen und sagen: „Hey, Zane, willst du mit mir Billard spielen?“
Wenn sie das tat, würden die Leute in der Bar entweder in schallendes Geländer ausbrechen, einen Schock erleiden, oder die Männer in den weißen Kitteln rufen.
Julia Goodwin in einer Bar? Nein, niemals, dachte sie, als Zane in die Bower Street einbog und vor Nummer 14 hielt. „Du brauchst nicht auszusteigen“, sagte sie, als er die Fahrertür öffnen wollte, und hielt ihn zurück.
Er erstarrte und blickte auf ihre Hand an seinem Unterarm. Seine Haut fühlte sich warm – nein, heiß und von den Härchen rau an. Die Muskeln waren hart, und Julia wurde erst jetzt bewusst, wie lange es schon her war, dass sie die nackte Haut eines Mannes berührt hatte, und wie sehr sie die Wärme vermisste.
Langsam zog sie die Hand zurück und strich dabei mit den Fingerspitzen über seinen Arm. Sie konnte gar nicht anders. Prompt fühlte sie Hitze in sich aufsteigen, sie dankte Kree im Stillen. Ihre Freundin hatte sie überredet, das Haar offen zu tragen, wodurch Zane verborgen blieb, dass sich ihre Haut am Hals leicht gerötet hatte.
Julia mochte ihn nicht ansehen. „Ich möchte mich noch ein Mal bedanken. Tut mir leid, dass ich deinen Abend gestört habe. Hoffentlich triffst du Kree bald.“
„Ich rufe sie am Montag bei der Arbeit an.“
„Vormittags ist es meistens ruhig, vor allem montags. Vielleicht kann sie sich sogar einen halben Tag freinehmen. Dann bis später.“
„Was ist mit deinem Wagen?“
Ach so, der Wagen. Wieso hatte sie den vergessen? „Er gehört meiner Mutter. Im Moment habe ich keinen Wagen. Darum hat sie mir ihren geliehen, während sie verreist ist. Meine Eltern sind in der Toskana.“ Warum erzähle ich ihm das alles? „Was wolltest du wegen des Wagens wissen?“
„Soll Bill ihn reparieren oder nur einen Kostenvoranschlag machen?“
„Oh … ja.“
„Ja … was?“, fragte er und betrachtete sie wieder eingehend.
„Ja, bitte.“ Lieber Himmel, ging es noch eine Spur dümmer? „Ja, bitte, er soll den Wagen reparieren. Ein Kostenvoranschlag ist nicht nötig.“ Nachdem sie endlich einen ganzen Satz zustande gebracht hatte, stieg sie aus, drehte sich aber noch ein Mal um und lächelte. „Ich kann dir gar nicht genug dafür danken, dass du mich heimgebracht hast.“
„Du kriegst eine Rechnung.“
Julia schüttelte den Kopf. „Ich möchte mich bei dir persönlich bedanken.“
„Du kannst mich bei Gelegenheit auf einen Drink einladen.“
Wie wäre es jetzt, fragte sie sich. „Ich würde gern …“ Sie verstummte, weil er nicht mehr auf sie achtete, sondern in den Rückspiegel sah.
„Besuch für dich.“
Ein makellos sauberer weißer Volvo hielt hinter ihnen, und ein makellos sauberer Mann stieg aus. Solide, respektabel und öde.
Julia musste sich zurückhalten, um nicht in den Abschleppwagen zu hechten. Stattdessen beugte sie sich nur zum Fenster. „Ich lade dich gern bei Gelegenheit ein.“
Wegen der Sonnenbrille war es unmöglich festzustellen, was Zane jetzt dachte. Vielleicht galt seine Aufmerksamkeit Dan, dem Zahnarzt, oder er merkte, wie nervös sie war. Jedenfalls lächelte er trocken und schüttelte den Kopf. „Danke, aber das ist wahrscheinlich doch keine gute Idee.“
Natürlich hatte er recht. Sie wich einen Schritt zurück und sah dem Abschleppwagen düster nach. Ein Drink mit Zane O’Sullivan mochte keine gute Idee sein, aber ein Dinner mit Mr. Öde reizte sie überhaupt nicht.
Letztendlich nahm Julia doch nicht an Chantals Dinner teil. Stattdessen aß sie in wesentlich lässigerem Rahmen mit Dan an ihrem Küchentisch. Er war nett, und als er gestand, dass Chantal ihn förmlich zur Teilnahme an ihrem Abendessen gezwungen hatte, mochte Julia ihn sogar.
Ganz besonders gefiel ihr, dass sie sich auf die Unterhaltung konzentrieren konnte, anstatt auf seine Lippen zu starren. Und sie genoss es, dass sie bei ihm nicht unter Atemnot und geistigen Aussetzern litt. Sehr positiv fand sie es auch, dass sie in Dans Gesicht jede Gefühlsregung erkannte.
Dan kam ihr wie ein milder Herbsttag vor im Vergleich zu Zane O’Sullivans Sommerglut. Gut so. Der Sommer war nie ihre liebste Jahreszeit gewesen.
Nachdem sie sich von Dan verabschiedet hatte, dachte sie, dass sie sich einen Mann wünschte, der zu ihrer Wohnung passte. Auf Zane traf das nicht zu. Er passte nicht hierher, und er hätte sich von Chantal zu nichts zwingen lassen. Allerdings hätte Chantal ihn auch niemals eingeladen.