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Sehnsüchtig steht Rosie am Rand des Ballsaals und sucht Prinz Gerds Blick. Zu gern wäre sie an der Stelle der adligen Schönen, die in seinen Armen übers Parkett schwebt! Als ihr Traummann tatsächlich auf sie zukommt und sie zum Tanz auffordert, kann sie ihr Glück kaum fassen. Sofort knistert es heiß zwischen ihnen, wenig später lädt er sie zu einem romantischen Dinner ein. Und obwohl sie als Bürgerliche nie mehr als eine heimliche Affäre von ihm erwarten kann, lässt sie sich danach zu einer leidenschaftlichen Liebesnacht verführen. Mit ungeahnten Folgen …
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Seitenzahl: 197
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2009 by Robyn Donald Kingston Originaltitel: „The Virgin and His Majesty“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2525 12/2021 Übersetzung: Helga Meckes-Sayeban
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751509398
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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An Prunk und Glamour war dieser Galaball in Carathia kaum zu überbieten. Unauffällig ließ Rosie Matthews den Blick über die erlesene Gästeschar schweifen.
Überall strahlten Blumen in den schönsten Farben gegen den Hintergrund der weißgoldenen Palastwände an, Herren in förmlichen schwarzen Smokings und blütenweißen Abendhemden verströmten Macht und höfischen Rang, und schöne Frauen in kostspieligen Haute-Couture-Roben verliehen dem Saal den Glanz eines Paradelaufstegs der High-Society-Topdesigner.
Goldene Kristalllüster ließen die Diamanten kostbarer Diademe, Ohr- und Halsgeschmeide funkeln und blitzen. Und jede der Damen im Ballsaal erschien Rosie so groß, elegant und von unverkennbar hohem Adel wie Hani Crysander-Gillan, Herzogin von Vamilia und Schwägerin des Kronprinzen Großherzog Gerd, deren dunkles Haar erlesene feurige Diamanten ihres Heimatlandes Moraze krönten.
„Ich beneide dich“, gestand Rosie ihrer Vertrauten leise. „Dies dürfte die einzige Krönung bleiben, an der ich jemals teilnehme. Wenn ich Glück habe, kann ich sie von einem vergoldeten Stuhl verfolgen. So viele Diamanten habe ich noch nie auf einmal gesehen. Und die Roben … Wow!“ Überwältigt seufzte sie. „Hier wird mir so richtig bewusst, nur die arme Verwandte zu sein – und ich bin ja noch nicht einmal mit ihnen verwandt.“
Hani lachte. „Eine seltsame Geschichte. Aber glaube mir, Rosie, du siehst fantastisch aus. Der Honiggoldton deines Haares ist atemberaubend – genau passend zum Ballkleid.“
Unwillkürlich blickte Rosie an sich herab. „Ich hatte das Glück, das Designerteil in einer Secondhandboutique bei mir um die Ecke zu entdecken. Es ist kaum getragen, man sieht ihm nicht an, dass es zehn Jahre alt ist.“
„Ach was. Wen interessiert das? Es sieht toll aus … ein klassisches Modell … wirklich etwas Besonderes.“
Mit ihrer gertenschlanken, biegsamen Figur und den Killerheels, die Rosie fast die letzten Ersparnisse gekostet hatten, wirkte sie größer, als sie war.
Hani lächelte nachsichtig. „Minderwertigkeitskomplexe passen nicht zu dir, Rosie. Was ist mit dir los?“
Mit einer flippigen Handbewegung tat Rosie den Einwand ab. „Mit Selbstzweifeln hat das nichts zu tun. Mir ist nur klar geworden, dass allein der Schmuck hier im Krönungssaal mehr wert sein dürfte als das Bruttosozialprodukt vieler Länder.“
Was sicher glatt untertrieben war. Prinz Gerd Crysander-Gillan, Großherzog und Herrscher von Carathia, dessen Krönung gefeiert wurde, tanzte direkt vor ihren Augen mit der Frau vorbei, die er heiraten wollte. Prinzessin Serina, ein superschlankes atemberaubend schönes Geschöpf, trug das dunkle Haar zu einem kunstvollen Knoten gewunden, der die Diamanten ihres Familiendiadems unwiderstehlich funkeln ließ.
Mit dem Diadem dürfte sie mich und die meisten diamantgeschmückten Damen um Zentimeter überragen“, vermutete Rosie und lächelte Hani kleinlaut zu. „Und da ich weder Glitz noch Glam aufzuweisen habe, dürfte Gerd seine unscheinbare Cousine Rosie gar nicht bemerken.“
Schon gar nicht eine angeheiratete, die ihren Universitätsabschluss in der Tasche hatte und feststellen musste, dass der Arbeitsmarkt leergefegt ist …
Rosie reckte sich unauffällig und ließ den Blick über die tanzende Societywelt im Ballsaal fliegen. Und wie von einem Magnet angezogen, entdeckte sie unter den zahllosen Paaren erneut den fabelhaft aussehenden Herrscher des kleinen Königreiches, der zu seiner Krönung gebeten hatte und der Prinzessin in seinen Armen zulächelte. Nun bog er sich leicht zurück und ließ den Blick durch den Ballsaal schweifen.
Schnell senkte Rosie den Kopf. Natürlich hielt er nicht nach ihr Ausschau – warum auch? Er wollte sich nur vergewissern, dass alles glatt lief. Bei Gerd lief immer alles wie am Schnürchen – etwas anderes gab es für ihn nicht.
Sehnsüchtig beobachtete Rosie ihn aus der Ferne. Jahrelang hatte sie insgeheim gehofft, er würde sich von der glamourösen Prinzessin trennen – die so wunderbar zu ihm passte.
Und hier, in Carathia, sah Rosie ihren Traumprinzen nach all den Jahren zum ersten Mal wieder … und war so verliebt in ihn wie damals – in jenem verzauberten Sommer …
Ich darf mir nichts vormachen, ermahnte sie sich. Na gut, vor drei Jahren, auf der anderen Seite des Globus, war sie Gerd wieder über den Weg gelaufen, obwohl sie sich eigentlich schon immer kannten. In jenem langen, heißen Sommer war für sie alles anders geworden. Doch selbst mit achtzehn war sie scheu gewesen. Gerd war fast zwölf Jahre älter und ihr um Welten voraus. Außerdem hatte Rosie die traurigen Erfahrungen ihrer Mutter vor Augen. Und obwohl ihr jedes Mal die Knie weich wurden, sie buchstäblich fieberte, wenn Gerd sie auch nur anlächelte, hatte sie die Schüchternheit mit forschem Auftreten überspielt.
Und während sie gemeinsam segelten, schwammen und ritten, sich endlos über Gott und die Welt unterhielten, hatte ihre mädchenhafte Schwärmerei für Gerd sich in tiefe Gefühle verwandelt und Hoffnungen geweckt, die sie sich nicht eingestehen wollte. Bis zu der Nacht, ehe Gerd nach Carathia abreiste …
Als er sie geküsst hatte.
Da war sie hoffnungslos entflammt, hatte alle Schüchternheit abgeworfen und sich in einem magischen Strudel der Leidenschaft verloren. Gerd, ihr Märchenprinz, hatte ihren Namen geflüstert, sich von ihr lösen wollen, doch sie hatte sich wie von Zauberkräften beschwingt an ihn geklammert – und dann hatte er sie erneut geküsst, sie an sich gerissen und mit seinen glutvollen Küssen in ein unbekanntes, erregendes Gefühlsuniversum entführt.
Wie lange sie sich so geküsst hatten, hätte Rosie später nicht sagen können. Mit jeder Berührung, jedem Kuss hatte Gerd die Glut weiter entfacht, ihre jungfräulichen Hemmungen weggeküsst. Ekstatisch, schier unersättlich, hatte Rosie sich an seinen kraftvollen Körper gedrängt – bis Gerd sich unvermittelt von ihr losgerissen und rau und fast entsetzt gestöhnt hatte: „Ich muss verrückt geworden sein!“
Berauscht … und schmerzlich ernüchtert … hatte Rosie tief eingeatmet und kein Wort hervorgebracht, nur noch ein eisiges, bitteres Gefühl der Erniedrigung und Zurückweisung verspürt.
Gerd hatte sich gestrafft, war weiter zurückgewichen und hatte ihr erschreckend kühl erklärt: „Rosemary, das hätte ich nicht tun dürfen. Bitte entschuldige. Du musst erst noch erwachsen werden. Widme dich deinen Studien und brich nicht zu viele Herzen.“
Jetzt schaffte Rosie es, ironisch zu lächeln. Das einzige Herz, das gebrochen zurückblieb, war ihres. Zum ersten und einzigen Mal in ihrem Leben hatte sie erfahren, was es bedeutete, einen Mann verzweifelt zu begehren.
Warum war ihr das später nie mehr passiert? Sie hatte genug Männer kennengelernt, die so fabelhaft aussahen wie Gerd, Playboys, denen ihr Ruf als fantastischer Liebhaber vorauseilte, doch in keinen hatte sie sich so verliebt, dass sie ohne ihn nicht leben wollte.
Für sie hatte es immer nur Gerd gegeben …
Gespannt beobachtete Rosie, wie er seiner Partnerin etwas zuflüsterte. Die Prinzessin blickte ihm in die Augen und lächelte. Sie waren füreinander geschaffen, wurde Rosie schmerzlich bewusst. Und fühlte sich wieder so leer und verloren wie in jenem Sommer nach Gerds Abreise.
Er hatte sich nie mehr gemeldet. Was sie über ihn in Erfahrung gebracht hatte, wusste Rosie von seinem Bruder Kelt.
Was immer in jenen verzauberten Wochen geschehen war – das herrliche Miteinander, die unsägliche Nähe – Gerd hatten sie nichts bedeutet.
Ich darf mich nicht verrückt machen, ermahnte Rosie sich. Natürlich hatte Gerd sich nicht gemeldet. Nachdem er Neuseeland verlassen hatte, war sein Leben von diplomatischen Auftritten, königlichen Verpflichtungen und aufregenden Entwicklungen bestimmt gewesen.
Außerdem musste er aufständische Bergstämme befrieden, deren Revolten sich zu einem hässlichen Bürgerkrieg zu entwickeln drohten. Und gleich nach seiner Ankunft in Carathia hatte seine Großmutter, die Großherzogin, ihn zum Thronfolger erhoben.
Kaum hatte Gerd die Unruhen erfolgreich niedergeschlagen, als Prinzessin Ilona einer tödlichen Krankheit erlag, sodass Gerd sich gezwungen sah, früher als vorhergesehen die Regentschaft von Carathia anzutreten. Danach war ein Trauerjahr angeordnet worden.
So hatte Rosie drei Jahre lang von ihren Erinnerungen an den verklärten romantischen Sommer gezehrt.
Und obwohl sie im Laufe der Zeit interessante Männer kennenlernte, hatte sie Gerd nie vergessen können, lebte von den leidenschaftlichen Gefühlen, die er in ihr geweckt hatte.
Angespannt beobachtete Rosie die tanzenden Paare im Krönungssaal, doch immer wieder wanderte ihr Blick magisch zu Gerd und seiner glamourösen Partnerin.
Dann, unvermittelt, bog er den Kopf leicht zurück und blickte über Serinas Schulter direkt zu ihr herüber. Für einen kurzen Moment vermeinte sie in seinen goldtopazfarbenen Augen ein Aufflackern zu erkennen, dann sagte die Schöne in seinen Armen etwas, und er widmete sich wieder ihr.
Rosie schlug das Herz bis zum Hals, bebend wandte sie sich Hani zu und schaffte es, halbwegs locker zu bemerken: „Ein schönes Paar, findest du nicht?“
Hani schwieg, dann bemerkte sie nachdenklich: „Ja … das könnte man wohl sagen.“
Am liebsten hätte Rosie sie gefragt, warum sie mit der Antwort gezögert hatte, doch die Musik brach ab, und Gerds jüngerer Bruder, Hanis Ehemann Kelt, betrat das Podest, und das Strahlen seiner Frau galt nur noch ihm.
Rosie unterdrückte ein Lächeln. Die beiden waren schon Jahre verheiratet und hatten einen süßen kleinen Sohn – und waren immer noch so verliebt wie einst. Als die Band ein neues Stück anstimmte, bewegten sie sich verträumt auf der Tanzfläche …
Auf einmal beneidete Rosie das Paar, das nach all den Jahren immer noch so verliebt und glücklich war …
Während sie von den Erinnerungen an einen Sommer voller Unschuld, leidenschaftlichen Küssen und unerfüllten Träumen lebte …
Genug! ermahnte Rosie sich streng. Schluss mit der Träumerei – hier und jetzt!! Höchste Zeit, sich nach einem netten Mann umsehen, herauszufinden, was es mit dem großspurigen Gehabe von Sex auf sich hatte – und die läppischen Träume in den Papierkorb zu verbannen.
„Rosemary.“
Der Boden unter ihr schien zu wanken, alles in ihr verkrampfte sich, als erwartete sie im nächsten Moment einen Boxschlag in den Magen. Sie atmete tief ein, drehte sich langsam um – und hatte Gerds markante aristokratische Züge vor sich.
Da war es wieder, das verrückte Ziehen in der Brust, das unsägliche Verlangen, das sie völlig aus der Bahn warf.
„Hallo, Gerd.“ Hoffentlich klang ihr Ton so unverfänglich wie seiner. „Irgendwie habe ich nie geschafft, meine Mutter und dich dazu zu bringen, mich Rosie zu nennen.“
Erwartungsvoll stand er vor ihr. „Keine Ahnung. Das lag doch wohl an dir.“
Sie lächelte nachsichtig. „Du kannst gerne versuchen, Eva meinen Kurznamen schmackhaft zu machen – mal sehen, ob du es schaffst. Auch dich hatte ich oft gebeten, mich Rosie zu nennen, aber du hast es nie getan.“
„Du hast nicht gebeten, sondern darauf bestanden“, erinnerte Gerd sie amüsiert. „Und ich ließ mir von einem zwölf Jahre jüngeren Mädchen nun mal nichts befehlen.“
Bloß nicht zugeben, wie hoffnungslos sie in ihn verliebt war!
Höchste Zeit, sich die dummen Mädchenfantasien aus dem Kopf zu schlagen! Gerd war ein Mann wie jeder andere – nicht der Held und Liebhaber ihrer Träume …
„Tanz mit mir.“
Ihr Entschluss schmolz dahin wie Schnee in der Sonne. Wieder in seinen Armen zu liegen …
Die Vorstellung war verführerisch, Rosie schaffte es, herausfordernd zu lächeln. „Und du hältst mir vor, andere herumzukommandieren?“
„Vielleicht sollte ich dich bitten“, erwiderte er heiter. „Rosie … möchtest du mit mir tanzen?“
„Das klingt schon besser“, erwiderte sie großzügig. „Ich möchte sehr gern mit dir tanzen.“
Nun lächelte Gerd höflich, und obwohl ihr Herz Purzelbäume schlug, folgte sie ihm wie in Trance zur Tanzfläche.
Erst als er sie an sich zog, drohte ihr Rhythmusgefühl sie im Stich zu lassen. Konzentriert überließ sie sich seiner Führung … was jetzt geschah, kam ihr wie ein Traum vor.
In jenem berauschenden Sommer hatten sie öfter miteinander getanzt. Und nie hatte sie vergessen, wie es war, an ihn geschmiegt dahinzuschweben und seinen muskulösen Körper zu spüren. Auch jetzt war sie ihm wieder so nah, dass sie ihm verzweifelt entgegenfieberte.
Ich liebe ihn nicht, versuchte Rosie sich einzureden. Damals war ich ein ahnungsloser Teenager, der sich in einen märchenhaft aussehenden Mann verknallt hatte …
Eine Explosion erwachender Hormone … übertriebene Heldenverehrung gehörte dazu, wenn man erwachsen wurde. Gerd hatte sie in seinen Bann geschlagen wie ein Gänserich, dem sie fasziniert wie ein richtungsloses Küken gefolgt war …
Bei der Vorstellung musste Rosie lächeln. „Ich gehöre doch nicht wirklich zur Familie“, erinnerte sie ihn.
Und endlich ließ er sich sogar auf eine Unterhaltung ein. „Wie lange ist es her, seit wir das letzte Mal miteinander getanzt haben, Rosie?“
„Das weiß ich nicht.“
Eine läppische Antwort. Kühn bog sie den Kopf zurück – und blickte ihm in die unergründlichen goldtopasfarbenen Augen. Die Augen eines Adlers.
Locker erwiderte Rosie: „Ach ja, natürlich. Wie konnte ich das vergessen? Es war auf meiner ersten Erwachsenenparty, weißt du noch? In dem Sommer warst du auf Urlaub in Neuseeland.“
„Ich habe ihn nicht vergessen.“ Gerd antwortete unverbindlich, aber amüsiert, seine dunklen Wimpern überschatteten die Augen.
„Damals bekam ich von dir die ersten echten Küsse“, setzte sie lachend hinzu. „Mit denen du hohe Erwartungen geweckt hast.“
Er ließ sich nicht aus der Reserve locken.
„Seitdem dürften viele deine Küsse getestet haben“, vermutete er.
Irritiert fragte Rosie: „Woher willst du das wissen?“
Gerd zuckte mit den Schultern. „In unserer Familie machen Nachrichten schnell die Runde.“
„Ich gehöre nicht richtig zur Familie“, forderte Rosie ihn heraus. „Wir sind nur ganz entfernt miteinander verwandt – über deine Cousine, die erste Frau meines Vaters. Ich segle also unter falscher Flagge. Alle halten mich für eine Crysander-Gillan, dabei bin ich nur eine gewöhnliche Matthews.“
„Unsinn.“ Gerd lächelte geheimnisvoll. „Nichts an dir ist gewöhnlich, Rosie. Außerdem ist dein Halbbruder mein Blutsverwandter und einer meine besten Freunde. Alex hätte mir die Hölle heißgemacht, wenn ich dich nicht eingeladen hätte.“
Natürlich war ihr bewusst, dass nur Gerds Pflichtgefühl ihn dazu bewogen hatte. Die Erkenntnis tat weh.
Rosie rief sich zur Ordnung und blickte sich nach ihrem Halbbruder um, den sie kaum kannte. Die Ehe ihrer Eltern war gescheitert, ehe sie alt genug war, sich bewusst zu machen, dass der Junge, der nur sporadisch in ihrem Leben auftauchte, mit ihr verwandt war.
Dann zog Gerd sie enger an sich, und Alex war vergessen. Gelöst passte Rosie sich seiner Führung an und schwebte in seinen Armen über die Tanzfläche, erschauerte erregt, als er sie bei einer Drehung herumschwenkte, sodass ihre Körper sich einen intimen Moment lang berührten. Ein Hauch seines männlichen Duftwassers hüllte sie ein, doch sie verbot sich Gedanken an etwas, das nie sein konnte.
Als Gerd sich von ihr löste, holte die Wirklichkeit sie ernüchternd ein.
Um den Bann zu brechen, bemerkte Rosie: „Eigentlich kennst du Alex besser als ich. Meine Mutter hatte ihn vor meiner Geburt in ein Internat verbannt, sodass wir uns kaum gesehen haben.“
„Es würde dir schwerfallen, einen Job zu finden, hat er mir berichtet.“
Betroffen blickte Rosie ihn an. „Obwohl du auf der anderen Seite der Welt lebst, bist du erstaunlich gut informiert.“ Sie zögerte. „Sicher, der Wirtschaftsabschwung hat zu einer Studentenschwemme geführt, aber ich finde schon etwas.“
„Könnte Alex dich nicht in seiner Organisation unterbringen?“, warf Gerd ein.
„Ich möchte allein weiterkommen“, betonte Rosie.
„Soll ich mich dann geschmeichelt fühlen, dass er dich mit der Einladung zu meiner Krönung gelockt hat?“
Tatsächlich war ihr Halbbruder an dem Tag, an dem Rosie die Einladung erhalten hatte, bei ihr aufgetaucht, nachdem sie ihm gestanden hatte, sich den exklusiven Ball nicht leisten zu können. „Betrachte die Einladung als dein Weihnachtsgeschenk“, hatte Alex ihr augenzwinkernd geraten.
Lachend hatte Rosie seinen Vorschlag abgetan, doch wenige Tage später hatte seine Sekretärin angerufen und sie zu Alex’ Privatmaschine an den Flughafen von Auckland bestellt. Auch ihre Mutter hatte Druck ausgeübt, vermutlich in der Hoffnung, ein Urlaub unter den Reichen und Schönen dieser Welt würde ihre Tochter davon abbringen, sich als Floristin in einem Blumengeschäft zu bewerben.
„Dann könntest du auch gleich Friseurin werden“, hatte Vera Matthews seufzend bemerkt. „Traurig genug, dass du mit einem Betriebswirtschaftsdiplom auf der Straße stehst. Aber Floristin …?“, hatte sie Rosie aufzurütteln versucht. „Warum um Himmels willen ausgerechnet so etwas? Alle behaupten, du seist hochbegabt und hättest eine große Karriere vor dir, wenn du am Ball bleibst – trotzdem unternimmst du nichts! Dein Vater ist wieder einmal enttäuscht von dir. Bedenke, was er zu deinem neuesten Hirngespinst sagen würde!“
Rosie zuckte die Schultern. Ihre Eltern hätten lieber einen Sohn gehabt, sie hatte ihnen bisher wenig Freude bereitet.
„Das ist etwas, das mir Spaß machen würde“, beharrte sie.
Die Jahre im kostspieligen Internat hatte sie nur ihrer Mutter zuliebe auf sich genommen, das Studium, um ihrem Vater einen Gefallen zu tun. Er hatte sich aufgeregt, als sie einen guten Abschluss in Wirtschaft hingelegt hatte, statt sich für etwas akademisch Anspruchsvolles zu entscheiden, wie es sich für die Tochter eines Archäologen gehörte.
Ihre Eltern hatten nicht verstehen wollen, dass sie davon träumte, mit Blumen zu arbeiten. Den akademischen Abschluss hatte sie nur als ersten Schritt ins Leben betrachtet, in den Semesterferien jobbte sie in einem exklusiven Blumengeschäft, wo sie ihre natürliche Begabung für schöpferisches Design entdeckt hatte.
Doch dann hatte das Blumengeschäft kurz vor ihrem Studienabschluss als Folge des Konjunktursturzes schließen müssen, in der Finanzwelt tobte Panik, ihr fehlte das erforderliche Kapital, sodass es ihr unmöglich gewesen wäre, etwas Eigenes aufzumachen.
Bei Gesprächen über ihr berufliches Dilemma hatte Kelt ihr dann geraten, sich erst einmal einen Job zu suchen, Geld zu sparen und zu warten, bis die Wirtschaftslage sich erholte.
Da war guter Rat teuer gewesen …
Wehmütig blickte Rosie zu Kelt, der selbstvergessen mit Prinzessin Hani tanzte … ein Traumpaar – genau wie Gerd und Prinzessin Serina …
„Ein glücklich verheiratetes Paar …“, bemerkte Gerd.
Etwas in seinem Ton machte Rosie stutzig. „Ach ja … wer wäre das nicht – mit einem Ehemann wie Kelt?“
Er schrieb sie nicht als Leichtgewicht ab und traute ihr etwas zu. Einen liebenswerteren Bruder hätte eine Frau auf der Suche nach Lebensausrichtung sich nicht wünschen können. Seine Ehe mit Hani hatte ihre freundschaftlich-geschwisterliche Beziehung auf eine neue Ebene gehoben, ihrer einst unschuldigen Vertrautheit neue Facetten verliehen.
Doch damit hatte Rosie rechnen müssen. Das war gut so … dennoch fehlte ihr die innere Nähe zu ihrem einst so engen Vertrauten.
„Und was willst du jetzt anfangen?“, fragte Gerd.
„Ach, ich sehe mich ein bisschen um. Etwas finde ich schon“, setzte Rosie unbekümmert hinzu.
„Und du?“, versuchte sie, den Ball locker ins andere Lager zu spielen. „Dein Land hat die Trauerzeit hinter sich. Was für Veränderungen und Neuerungen planst du für Carathia?“
„Wenige. Und nur allmählich. Ich wusste nicht, dass du dich für mein Land interessierst, Rosie.“
Sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. „Aber natürlich. Mit dem Herrscher des Landes verwandt zu sein, hat mein Image enorm aufgewertet. Ich habe ständig damit geprahlt.“
Gerd hielt sie etwas von sich ab und versuchte in ihren Zügen zu lesen.
Kühl, fast herausfordernd hielt sie seinem Blick stand.
Er wurde ernst und lächelte dünn. „Das nehme ich dir nicht ab, Rosie. Wieso bist du Wirtschaftsprüferin geworden?“ Sollte sie ihm gestehen, dass ihre Liebe Blumen galt? „Es erschien mir einfach naheliegend. Wie du weißt, war mein Vater in Gelddingen hoffnungslos. Alles, was er besaß, versickerte in seinen Expeditionen. Und meine Mutter ist nicht besser. Da wollte ich wissen, wie die Finanzwelt funktioniert.“
Gerd lächelte ironisch. „Oder deine Eltern schockieren?“
Übermütig schüttelte Rosie den Kopf, sodass ihre blonden Ringellocken tanzten. „Ich wollte weg von der Universität und etwas Praktisches machen – Dinge umsetzen, die ich gelernt hatte.“
Etwas, das die Leute davon abhielt, sie nach ihrem Aussehen zu beurteilen und als oberflächlich und flatterhaft abzutun. Sachlich setzte sie hinzu: „Und das habe ich nicht bereut.“
Seltsamerweise wirkte Gerd nicht ganz überzeugt. Die Musik schwoll an, er zog sie enger an sich und schwenkte sie elegant um eine Ansammlung Tanzender herum. Das gefährliche Thema war umschifft. Rosie folgte seiner Führung und entspannte sich in seinen Armen.
„Du hast mich gefragt, was ich ändern möchte“, bemerkte Gerd unvermittelt. „In bestimmten Bevölkerungsgruppen Carathias nimmt man Veränderungen argwöhnisch auf, da muss ich behutsam vorgehen. Vor allem bei den Bergstämmen möchte ich Bildung und Erziehung vorantreiben.“
„Warum nur Bildung und Erziehung?“, wandte Rosie ein. „Und was ist mit dem Gesundheitswesen?“
Wieder zuckte Gerd die Schultern. „Das hat mein Großvater versucht. Das Gesundheitswesen ist gut vorangekommen, aber nicht für alle und nicht tiefgreifend genug. Vor allem die Menschen in den Bergen sind erschreckend abergläubisch. Viele verlassen sich lieber auf ihre Priester und Schamanen. Wenn Patienten endlich im Krankenhaus landen, sterben sie oft, weil jede Hilfe zu spät kommt.“
Rosie nickte. „Vermutlich wehren sie sich, dorthin gebracht zu werden.“
„So ist es leider oft.“
„Und du glaubst, sie aufzuklären, würde ihnen helfen? Aber wie?“
„Indem wir schon den Kindern die wissenschaftlichen Zusammenhänge erläutern und ihnen zeigen, wie die restliche Welt mit Medizin und Krankheiten umgeht. Auch heute führen Bergbewohner oft ein Inseldasein. Ihre Kinder müssen weite Strecken zurücklegen, um am Unterreicht teilnehmen zu können, sodass viele gar nichts lernen. Ich möchte Bildung und Folgeausbildung auf jedem Marktflecken möglich machen.“
Rosie wurde nachdenklich. „Klingt vernünftig. In welchem Alter gehen die Kinder von der Schule ab?“
„Mit dreizehn. Viel zu jung. Aber die Eltern brauchen sie zu Hause auf den Feldern. Deshalb müssen Umstellungen sehr behutsam eingeführt werden.“
Rosie nickte so heftig, sodass ihre Locken Gerds Hals streiften.
„Um Einstellungen zu ändern, muss man in der Schule bei den ganz Jungen beginnen, die geistig offen und empfänglich für Neues sind“, bemerkte Rosie. „Und wie willst du das Weiterbildungssystem in den Tälern einführen?“ Zum ersten Mal blickte sie ihn mit ihren großen klarblauen Augen voll an. „Und das dürfest du doch vorhaben?“
Eine offene Einladung. Doch er griff nicht zu. In Gedanken sah Gerd wieder vor sich, wie sie Kelt an jenem Morgen geküsst hatte. Den Mann, den sie begehrte und nicht haben konnte? Liebte sie seinen Bruder? Und hatte sie ihn und Hani hier auf dem Ball vorhin nicht seltsam traurig, fast wehmütig beobachtet …?
Kelt war stets für Rosie da gewesen, wenn ihr Vater irgendwo in der Weltgeschichte herumflog und alte Kulturen erforschte. Während ihre Mutter, eine bildschöne Frau, auf der Suche nach der großen Liebe ständig ihre Freunde wechselte. Und den Männern nach, die Rosie in der Studienzeit umschwärmt hatten, suchte die Tochter das Gleiche – Liebe und Beständigkeit, die sie nie kennengelernt hatte? Möglich war es. Außerdem war Rosie längst nicht mehr so unerfahren und naiv wie damals …
Nun lächelte sie ihn an. Wie zierlich und wunderschön sie in dem fließenden Ballkleid wirkte, dessen zart schimmernde Farben an die Strände auf dem Anwesen seines Bruders in Neuseeland erinnerten. Selbst im Saal voller kostspielig gekleideter Frauen fiel Rosie auf … Sie trug keinen Schmuck, nicht einmal einen Ring an den schlanken Fingern.
Eine Locke streifte seinen Aufschlag und erstrahlte in der Lichterpracht der Kristalllüster. Unvermittelt löste sie sich aus seinen Armen. „Entschuldige“, sagte sie, „ich wollte mich elegant herrichten, aber meine Locken machen sich gern selbstständig.“
„Verständlich.“ Seine Stimme klang trocken, ungewollt heiser. Gerd spürte ein Verlangen, das ihn überraschte.
Nun lachte Rosie amüsiert, ihre dunklen Wimpern umrahmten ihre blauen Augen. „Ich habe mein Haar einmal glätten lassen, aber da wurde es schlaff und glanzlos, also lasse ich den Locken jetzt einfach ihren Willen.“
Unwillkürlich sah Gerd sie vor sich – schlank und blond und lachend auf blütenweißen Laken …
Das erotische Bild ließ ihn nicht mehr los.