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Kurz nach Kriegsende erschießt sich ein russischer Offizier in Obrigheim. Er war für den Abtransport der Maschinen verantwortlich, die in einer unterirdischen Fabrik während des Krieges produziert wurden. Ob er vor seinem Tod wichtige Unterlagen im Stollen hinterlassen hat? Professor Nussbaum ist den Dokumenten auf der Spur. Doch als seine Tochter Lisa verschwindet, geraten auch Tore, Milo und Lars in große Gefahr.
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Seitenzahl: 92
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Eine wundersame Hütte
Prof. Niklas Nussbaum
Goldfisch und Brasse
Sonderbare Entdeckungen
Lisa ist verschwunden
Auf verbotenem Pfad
Unterirdischer Besuch
Letzte Hoffnung
„Im Schloss erwartet euch eine Überraschung“, sagte Philipp und lud Tores und Milos Koffer ins Auto.
„Hm“, lächelte Milo, „wir haben bisher in allen Ferien eine Überraschung erlebt. Das ist nichts Neues.“
„Wenn ich nur an den Geheimgang zwischen Schloss Neuburg und dem Tempelhaus denke“, schüttelte sich Milo, „wird mir heute noch übel.“
Philipp steuerte den Wagen über die Neckarbrücke, bog links ab und fuhr später den Berg hinauf zu Schloss Neuburg. Die Parkplätze am Schloss waren restlos belegt und Philipp hatte Mühe, einen freien Platz zu ergattern.
Kaum hatten Tore und Milo die Koffer ausgeladen, kam Lars auf sie zugerannt.
„Hey“, rief er, „alles klar? Mann, ich habe schon die ganze Zeit gewartet.“
„Hi Lars“, Milo stellte seinen Koffer ab und schüttelte seinem Cousin die Hand.
„Alles klar?“, sagte Tore und klopfte Lars auf die Schulter.
„Das Hotel ist restlos ausgebucht“, erklärte Lars.
„Und wo sollen wir schlafen?“, fragte Milo.
„Im Zelt!“, antwortete Lars kurz.
„Im Zelt?“, Milo wollte es nicht glauben, „ist das die Überraschung?“
Philipp nickte und schnappte sich das Gepäck der beiden Brüder. Tore war von dieser Idee begeistert, doch Milo fand die Tatsache, mitten auf einer Wiese am Waldrand die nächsten Nächte verbringen zu müssen, nicht sonderlich prickelnd.
Gemeinsam brachten sie alle Sachen zum Zelt. Zuerst verließen die drei Kinder durch den großen Torbogen das Schlossgelände und liefen über die kleine Brücke, dann führte ein schmaler Weg links den Hügel hinauf. Nach einem kurzen Anstieg ging der Weg wieder eben weiter und führte an saftig grünen Wiesen entlang. In der Ferne konnten die Kinder den Wald erkennen und Milo hoffte, dass das Zelt nicht allzu nah in dessen Nähe stehen würde. Lars führte seine Cousins und erzählte, dass er und Philipp, der Gärtner, bereits am Vormittag das Zelt aufgestellt, eingeräumt und sogar eine Feuerstelle angelegt hätten. Bevor der Weg in den Wald führte, bog Lars zu Milos Freude nach links ab und stapfte durch das mittelhohe Gras eine Wiese hinunter. Vor einem schmalen Gürtel aus Gebüschen, Sträuchern und Bäumen konnten Tore und Milo endlich das Zelt erkennen, dessen blaue Plane in der Nachmittagssonne funkelte.
„Wir sind da“, keuchte Lars und stellte das Gepäck auf den Boden.
Tore und Milo stellten ihre Rucksäcke ebenfalls ab und betrachteten das riesige Zelt. Die Vorderseite mit dem Einstieg war mit einem Reißverschluss versehen und hoch genug, dass sich keiner der drei Jungen hätte bücken müssen, um hinein zu kommen. Zu beiden Seiten waren vier Schnüre mit schweren Heringen im Boden verankert. Die Rückseite des Zeltes war abgerundet und ein kleines Fenster erhellte den Innenraum. Lars und Philipp hatten drinnen bereits Matten und Luftmatratzen zu gemütlichen Bettenlagern aufgebaut und eine große Kühlbox bereitgestellt, für die Lars in seinem Rucksack Kühlakkus hatte. Sorgfältig richteten die Kinder ihre Habseligkeiten in das Zelt und entfachten anschließend ein kleines Feuer. Misstrauisch schaute sich Milo um und konnte nur mit viel Glück das Schloss schemenhaft hinter zahlreichen Bäumen und hohen Sträuchern erkennen. Ihm war nicht wirklich wohl zumute, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Dennoch beunruhigte Milo jedes kleine Geräusch. Die Sonne ging langsam unter und bald war es dunkel. Nur das kleine Feuer spendete Licht und tauchte die Gesichter der Jungen in ein geheimnisvolles Flackern. Hin und wieder knisterte und knackte das trockene Holz, wenn es verbrannte und ab und zu hörte man eine Eule rufen. Überall auf der Wiese zirpten zahllose Grillen und die Luft roch nach frischem Gras. Tore, Milo und Lars saßen gemütlich um das Feuer und aßen selbst gegrillte Bratwürste. Plötzlich blitzte ein kurzer Lichtstrahl oben am Weg auf. Milo blieb der letzte Bissen im Hals stecken.
„Was war das?“, grunzte er.
„Keine Ahnung“, flüsterte Lars und kniff seine Augen zusammen, um etwas erkennen zu können.
Der Lichtstrahl verschwand wieder und die Kinder konnten leise das Klacken der Steine auf dem Weg vernehmen. Irgendjemand musste da oben entlanglaufen.
Wieder blitzte das Licht kurz auf. Den Kindern war klar, dass es direkt auf sie zukam. Für einen kurzen Moment erwischte ein heller Schein das Zelt und die Kinder und erlosch.
„Wer auch immer da kommt“, meinte Tore, „er will zu uns.“
„Wer kann das sein?“, fragte Lars, „meine Eltern sind heute Abend nicht da, sie können es unmöglich sein.“
„Das geht ja gut los“, schluchzte Milo, „ich habe Angst.“
„Du Pfeife“, schnaufte Tore ohne zuzugeben, dass auch ihm die Sache etwas unheimlich war.
Inzwischen wurde das Klacken der Steine auf dem Weg von einem leisen Schlurfen durch Gras abgelöst. So sehr sich die Kinder anstrengten, sie konnten niemanden erkennen. Keiner traute sich einen Mucks zu machen. Das Schlurfen im Gras verriet, dass die Person in wenigen Schritten die Feuerstelle erreichen würde. Milo blieb fast das Herz stehen. Tore und Lars saßen stocksteif da und trauten sich kaum zu atmen. Plötzlich konnten sie eine kräftige Gestalt im Flackern der Flammen erkennen. Sie hatte einen großen Korb auf den Armen, der das Gesicht verdeckte. Als die Person den Korb auf den Boden stellte, atmeten die Kinder erleichtert auf. Es war Philipp, der Gärtner des Schlosses.
„Philipp“, atmete Lars kräftig durch, „du hast uns jetzt aber erschreckt.“
„Wieso?“, wunderte sich Philipp.
„Wir konnten ja nicht ahnen, dass Sie uns hier besuchen würden“, erklärte Tore.
„Frau Lehmann schickt mich“, sagte Philipp, „sie hat Angst, ihr könntet vielleicht verhungern und lässt euch noch eine ganze Batterie Wurstbrötchen und Limonade bringen.“
„Meine Mutter hat immer Angst, dass wir verhungern“, lachte Lars.
„Wollen Sie nicht ein bisschen bei uns bleiben?“, fragte Milo.
„Wieso nicht?“, überlegte Philipp.
„Sie könnten uns ein paar Geschichten erzählen“, schlug Tore vor.
„Das ist eine klasse Idee!“, jubelte Lars.
Milo verhielt sich ganz ruhig. Nach diesem Schreck noch ein paar finstere Geschichten?
„Was für eine Geschichte wollt ihr hören?“, fragte Philipp.
„Zum Beispiel würde mich interessieren“, antwortete Tore, „wohin dieser Weg führt.“
„Der Weg hier oben?“, fragte Philipp, „zunächst führt er in den Wald und dort gabelt er sich nach wenigen Metern. Direkt an dieser Gabelung steht eine alte Hütte mitten im Wald. Über diese Hütte erzählt man sich schauerliche Geschichten. Sie soll ein Geheimnis wahren, sagt man. Aber was das für ein Geheimnis sein soll, kann ich euch leider nicht sagen.“
„Eine Hütte?“, hakte Tore nach, „mitten im Wald eine Hütte? Das klingt abenteuerlich.“
„Naja“, spielte Philipp die Sache herunter, „eigentlich ist das nichts weiter als ein Unterschlupf. Die Hütte hat nur zwei Wände, die beiden anderen Seiten sind offen.“
„Können wir uns diese Hütte einmal ansehen?“, überlegte Lars, was ihm einen bösen Blick von Milo einbrachte, „vielleicht finden wir das Geheimnis heraus.“
„Vielleicht gibt es dort ja auch einen Geheimgang wie im Schloss“, vermutete Tore.
„Das glaube ich kaum“, sagte Philipp, „obwohl, ganz in der Nähe ist der Karlsberg. Dort gibt es jede Menge unterirdische Gänge. Viele stammen noch aus dem Zweiten Weltkrieg. Heute wird dort Gips abgebaut. Ihr seht, nichts Besonderes.“
„Echt?“, staunte Lars, „wir sollten uns die Hütte trotzdem unbedingt ansehen.“
„Lars hat Recht“, sagte Tore, „das ist hochinteressant. Und gegen eine kleine Nachtwanderung hätte ich nichts einzuwenden. Wozu haben wir schließlich die Taschenlampen dabei?“
„Ihr seid verrückt“, schnaubte Milo, „was sollen wir mitten in der Nacht in dieser Hütte?“
„Du kannst ja hierbleiben und das Zelt bewachen, wenn du Angst hast“, entgegnete Tore.
„Stimmt“, lächelte Lars, „und wenn jemand kommt, kannst du ihn vertreiben.“
Milo schluckte und musste feststellen, dass es keine gute Idee war, alleine beim Zelt zu bleiben. Philipp fand die Idee einer Nachtwanderung sehr spannend. Er erklärte den Jungs, dass er früher gerne im Dunkeln unterwegs war. Der Wald zeigt sich dann von einer ganz anderen Seite. Tore und Lars stimmten ihm zu und schnappten schon ihre Taschenlampen aus den Rucksäcken.
Der Mond stand hell am Himmel und spendete genug Licht, so dass die Gruppe den Weg zum Wald ohne Taschenlampen finden konnte. Im Wald wurde der Gesang der Grillen leiser und verstummte bald. Er wurde abgelöst durch die seltsamsten Geräusche. Überall raschelte und klopfte es. Unter ihren Füßen klackten die Kieselsteine. Über ihnen rauschten leise die Blätter im leichten Nachtwind. Philipp führte die Kinder nicht sehr weit in den Wald hinein und blieb an einer unscheinbaren Wegegabelung stehen. Der Kieselweg führte nach rechts und Philipp erklärte, dass dieser wohl bald enden würde. Links hinunter führte ein kleiner Trampelpfad zu der Hütte, die im Schein der Taschenlampe kaum zu erkennen war. Zielstrebig folgte Philipp diesem Weg und mahnte die Kinder zur Vorsicht. Überall waren Gestrüpp, Äste und Wurzeln, über die man stolpern oder an denen man hängenbleiben konnte. Bald erreichten sie die Hütte, die im fahlen Mondlicht und im Schein der Taschenlampen gespenstisch aussah. Tatsächlich bestand sie nur aus zwei Wänden, die aus schweren Holzstämmen gebaut waren. Der Boden der Hütte war betoniert und an den beiden Wänden waren Sitzbänke eingebaut. Tore, Milo und Lars nahmen Platz und Philipp setzte sich gegenüber. Misstrauisch leuchtete Milo die gesamte Hütte ab, konnte aber nichts Geheimnisvolles entdecken. Auch für Tore und Lars war die Hütte eher langweilig.
„Du hast vorhin etwas von unterirdischen Stollen erzählt“, fragte Lars Philipp, „was sind das für Stollen?“
„Hier im Karlsberg wird seit jeher Gips abgebaut. Im Zweiten Weltkrieg hat man das Gelände und die Gipsstollen für strategisch interessant erachtet, um darin Flugzeugmotoren zu fertigen. Das Werk, in dem die Motoren zuvor gebaut worden sind, sind mehr und mehr unter Beschuss geraten und so hat man beschlossen, die Gipsstollen aus- und zu Produktionsflächen umzubauen und die Fertigung hier nach Obrigheim zu verlegen. Der Stollen hat den Tarnnamen Goldfisch erhalten und später hat man im benachbarten Stollen Brasse eine weitere Produktionsstätte eingerichtet. Zahllose KZ-Häftlinge mussten unter unmenschlichen Bedingungen die Stollen und Gänge graben. Sie waren in Neckarelz untergebracht und sind tagtäglich von Neckarelz nach Obrigheim über die damalige Eisenbahnbrücke marschiert. Am Karlsberg haben sie über eine kleine schmale Treppe tonnenweise Material rund 40 Höhenmeter nach oben schleppen müssen.“
Tore, Milo und Lars lauschten gespannt Philipps Erzählungen. Milo saß zwischen seinem Bruder und seinem Cousin und zitterte leicht vor Aufregung und Angst.
„Es war eine schlimme Zeit, tausende Häftlinge und Zwangsarbeiter mussten hier arbeiten und viele verloren ihr Leben. Noch heute erinnert ein Geschichtslehrpfad an die damaligen Ereignisse.“
„Kann man den Stollen heute noch besuchen?“, wollte Tore wissen.
„Nein“, antwortete Philipp, „da gibt es strenge Regeln und Auflagen. Ohne Genehmigung oder Berechtigung kommt keiner in den Stollen hinein. Niemand weiß, wie lange die Stollen noch halten und zu finden gibt es dort schon lange nichts mehr.“
„Gar nichts?“, fragte Lars.
„Naja“, erzählte Philipp weiter, „kurz nach dem Krieg wurden viele Aktenbestände aus dem Stollen den amerikanischen und britischen Besatzern übergeben. Diese sind für die Geschichtsforscher von unermesslichem Wert gewesen. Die wichtigsten dieser Dokumente werden heute im Imperial-War-Museum in London gelagert. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie wertvoll solche Unterlagen sind. Es wird vermutet, dass solche Aktenbestände auch von russischer Seite existieren. Diese wären sehr, sehr wertvoll. Kaum auszuden