Tore, Milo & Lars - Fledermäuse auf Burg Steinsberg - Marco Banholzer - E-Book

Tore, Milo & Lars - Fledermäuse auf Burg Steinsberg E-Book

Marco Banholzer

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Beschreibung

Die Burgschenke auf Burg Steinsberg steht vor dem Ruin. Schuld daran sollen harmlose Fledermäuse sein, die auf der Burg leben. Als ein Gast einen gefährlichen Biss einer Fledermaus erleidet, scheint es nur noch eine Lösung zu geben: Die Fledermäuse müssen verschwinden, um die Burgschenke zu retten. Doch irgendetwas scheint an der ganzen Sache nicht zu stimmen. Tore, Milo und Lars machen seltsame Beobachtungen, die nicht auf die Schuld der Fledermäuse schließen lassen. Stecken wirklich ungefährliche Fledermäuse hinter der ganzen Geschichte, oder doch gefährliche Verbrecher?

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www.tore-milo-lars.de

Inhaltsverzeichnis

Gefährliche Blutsauger

Nächtliche Verfolgung

Medical Dream

Dringender Notfall

Im Krankenhaus

Riskante Untersuchung

Fiese Überraschung

Ausgekocht

Gefährliche Blutsauger

„Mensch Milo, jetzt beeile dich ein bisschen“, meckerte Tore und stützte sich genervt auf seinen Minigolfschläger, „es wird schon langsam dunkel. Bevor du dieses blöde Loch triffst, müssen wir noch die Taschenlampen aus dem Auto holen.“

Tante Thea und Onkel Albert grinsten sich gegenseitig an. Lars, der diese Bahn mit nur zwei Schlägen längst geschafft hatte, bereitete sich innerlich bereits auf das nächste Loch vor. Milo hingegen schwitzte – nicht nur wegen des warmen Sommertages. Immer wieder ließ er seinen Schläger gegen den Ball schwingen und bremste ihn kurz davor ab. Vier Schläge hatte er bereits gebraucht und war damit schon wieder letzter. Das wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Er musste treffen, sonst würde der Vorsprung auf seinen Bruder und seinen Cousin zu groß werden. Wieder holte Milo Schwung. Tore hielt die Luft an. Er hoffte, dass Milo endlich den Ball treffen würde und die Gruppe zur nächsten Bahn wechseln könnte. Doch wieder bremste Milo den Schläger kurz vor dem Ball ab und schnaufte tief durch.

„Mensch Milo, das nervt jetzt“, schimpfte Tore erneut.

„Lass ihn“, beruhigte Onkel Albert, „Milo gibt sein Bestes. Immerhin ist er auch ein ganzes Jahr jünger als Lars und du.“

Tore rollte die Augen und stapfte zu Lars, der am Ende der Bahn wartete.

Milo holte tief Luft, presste dann die Lippen zusammen, nahm mit dem Schläger ein letztes Mal Maß und gab dem Ball endlich einen leichten Schlag. Langsam rollte der Ball die Bahn entlang. Milo fieberte mit und hoffte auf einen Treffer. Fünf Schläge waren zwar keine Meisterleistung, aber immerhin würde sich damit der Vorsprung auf seinen Bruder nicht vergrößern. Tore hatte nämlich ebenfalls fünf Versuche gebraucht. Inzwischen hatte der Ball die letzten Zentimeter vor dem Ziel erreicht. Seine Geschwindigkeit hatte sich zusehends verlangsamt und Milo trieb ihn mit aufgeregten Sprüngen an. Dass das nichts bringen würde, war ihm klar, doch ein Versuch war es allemal wert. Kurz vor dem Loch schien der Ball fast zum Stillstand gekommen zu sein. Milo konnte die Spannung kaum ertragen. Tore drehte sich gelangweilt zu seinem Bruder um und hoffte – auch wenn es ihm schwerfiel – dass der Ball das Loch erreichte. Dann würde es nämlich endlich weitergehen. Tante Thea und Onkel Albert fieberten mit Milo mit, Lars blieb von der Spannung unberührt. Sein Vorsprung sollte auf jeden Fall für den Sieg reichen.

Mit letzter Kraft erreichte Milos Ball die Kante des Lochs. Als würde er selbst noch einmal alles geben, hüpfte der Ball in das Loch. Milo schrie auf, Tore rollte ein weiteres Mal ungeduldig die Augen.

„Endlich“, seufzte Tore, „es kann weitergehen. Vielleicht schaffen wir die beiden letzten Bahnen noch, bevor es komplett dunkel ist.“

Milo freute sich unbändig und Tante Thea und Onkel Albert lobten ihn überschwänglich. Lars hatte inzwischen Milos Ergebnis notiert und sich für die vorletzte Bahn bereit gemacht. Gerade als er den Ball auf das kleine weiße Feld legen wollte, erklang ein lauter Schrei. Sofort schreckten alle auf und sahen sich auf dem Gelände um. Der Minigolfplatz lag unterhalb der Burg Steinsberg, etwas versteckt in einem kleinen Wäldchen. Die Burg selbst war nicht weit entfernt, schließlich war der Minigolfplatz Teil des Burggeländes. Onkel Albert und Tante Thea sahen sich ratlos an. Wieder schrie jemand. Tore, Milo und Lars konnten nicht erkennen, ob es ein Hilferuf war, oder ob jemand ganz besonders wütend war.

„Wir müssen nachsehen, was da los ist“, schlug Lars aufgeregt vor, „vielleicht ist etwas passiert und wir können helfen.“

„Das hat sich nicht so angehört, als sei jemand in Not“, erwiderte Onkel Albert, „aber ganz ausschließen kann ich das nicht.“

„Vielleicht sollten wir wirklich nachsehen“, meinte Tore.

„Und was ist mit dem Spiel?“, fragte Milo, „wir haben doch noch zwei Bahnen zu spielen.“

„Das Spiel muss warten“, schnaufte Tore und zog Lars am Ärmel, „komm, Lars! Wir sehen nach, was da los ist.“

Noch bevor Onkel Albert und Tante Thea etwas sagen konnten, waren Tore und Lars bereits verschwunden. Milo blieb überrascht zurück.

„Die haben nur Angst, dass sie jetzt noch verlieren“, schimpfte er.

Da es bereits duster geworden war, schlug Onkel Albert vor, das Spiel an dieser Stelle zu beenden und Lars und Tore zu folgen. Milos Begeisterung darüber hielt sich deutlich in Grenzen. Tante Thea klopfte ihm beruhigend auf die Schulter und schnappte sich seinen Minigolfschläger.

„Komm, Milo“, schlug Onkel Albert vor, „wir folgen den beiden.“

Tante Thea nahm auch den Schläger ihres Mannes und versprach zu folgen, sobald sie die Minigolfsachen abgegeben hatte. Tore und Lars hatten inzwischen den Eingang zur Burg erreicht. Auf ihrem Weg war ihnen jedoch niemand aufgefallen, der Hilfe gebraucht hätte. Dennoch waren sie sicher, dass sich der Gesuchte in unmittelbarer Nähe aufhalten musste, da sie das Schreien immer lauter hörten. Während die beiden Cousins überlegten, hatten Onkel Albert, Milo und Tante Thea sie erreicht.

„Habt ihr etwas herausgefunden?“, wollte Onkel Albert wissen.

„Leider nicht“, antwortete Lars, „aber in Gefahr scheint hier außerhalb der Burg niemand zu sein. Tore und ich haben uns sorgfältig umgesehen, aber niemanden entdeckt. Vielleicht finden wir im Innenhof jemanden.“

Die Gruppe marschierte gespannt durch das Burgtor und erreichte nach wenigen Schritten den Innenhof. Vor ihnen baute sich der riesige Bergfried auf, auf den sie direkt zuliefen. Links neben dem Eingang war ein tiefer Brunnen. Milo konnte sich nicht verkneifen, in den Brunnen zu sehen. Es hätte ja durchaus sein können, dass jemand dort hineingefallen war. Da der Schacht mit einem Gitter versehen war, konnte er diese Möglichkeit bald ausschließen.

Aus einem der Gebäude auf der rechten Seite hörten sie wieder ein Schreien. Diesmal war es deutlich genug zu hören. Tatsächlich schien niemand in Not zu sein. Es hörte sich eher an wie ein ziemlich wütender Mann.

„Das kommt aus dem Gebäude hier drüben“, wusste Lars und lief los.

Auf der rechten Seite neben dem Eingang konnten Tore, Milo und Lars eine Gaststätte erkennen. Je näher sie der Eingangstüre kamen, desto lauter war die Stimme eines ziemlich aufgebrachten Mannes zu hören. Schnell war sich die Gruppe einig, dass dieser Mann alles andere als in Not geraten war.

Gefolgt von Tante Thea und Onkel Albert marschierten Tore, Milo und Lars in die Gaststätte. Direkt in der Nähe der Theke stand ein Mann, der sich ein weißes Tuch an den Hals drückte und ziemlich aufgeregt war.

„Ich habe es immer gesagt“, brüllte er, „dass diese Mistviecher gefährlich sind.“

Die wenigen Leute, die an den Tischen saßen, starrten den Mann bewegungslos an. Onkel Albert zwängte sich an dem Mann vorbei, grinste ihn kurz an, als wolle er sich dafür entschuldigen, dass er vorbeiwolle. Tante Thea und die Kinder folgten ihm. An einem großen Tisch nahmen sie alle Platz. Wieder begann der Mann lautstark zu brüllen, so dass Milo im ersten Moment zusammenzuckte.

„Es ist nicht das erste Mal, dass diese Viecher zubeißen“, schimpfte der Mann lautstark, „hier muss endlich etwas geschehen, bevor es zu spät ist.“

Jetzt konnten Tore, Milo und Lars erkennen, dass der Mann nicht umsonst ein weißes Tuch an seinen Hals hielt. Meckernd nahm er das Tuch weg und eine stark blutende Wunde kam zum Vorschein. Die Kinder erschraken. Auch die übrigen Menschen waren überrascht.

„Entschuldigen Sie, wenn ich mich einmische“, sagte plötzlich Onkel Albert, „dürfte ich erfahren, was denn passiert ist?“

Der Mann sah Onkel Albert ernst an, zog das Taschentuch von seinem Hals und warf es in einen nahegelegenen Mülleimer. Anschließend zog er ein weiteres Taschentuch aus seiner Hosentasche und presste es auf die Wunde. Dann ging er einen Schritt auf Onkel Albert zu. Mit seinem finsteren Gesicht sah er sehr bedrohlich auf. Unmerklich rutschte Milo auf der Eckbank zu seiner Tante.

„Das will ich Ihnen gerne sagen, mein Herr“, brummte der Mann mit einer tiefen, rauen Stimme.

Milo bekam es mit der Angst zu tun. Tore und Lars war dieser Mann ebenfalls unheimlich.

„Auf dieser Burg hier hausen furchtbare Blutsauger“, erklärte der Mann.

Bei dem Wort »Blutsauger« zuckte Milo ein weiteres Mal zusammen.

„Wie meinen Sie das?“, traute sich Lars tatsächlich zu fragen.

„Das will ich dir erklären, mein Junge“, wandte sich der Mann in Lars‘ Richtung, „seit Jahren schon kämpfe ich dafür, dass diese elendigen Blutsauger von Burg Steinsberg verschwinden. Sie sind gefährlich und aggressiv.“

„Von was reden Sie?“, traute sich nun auch Tore zu fragen.

„Fledermäuse“, antwortete der Mann schnell und drehte sich dabei drohend zu Tore um, „aggressive, gefährliche und vor allem bissige Fledermäuse. Seht euch das hier an.“

Mit diesen Worten nahm er das Taschentuch von seinem Hals. Ganz deutlich konnte man zwei kleine Löcher in seinem Hals erkennen, die nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Aus ihnen schien noch immer Blut zu laufen. Milo erschrak furchtbar und bekam es mit der Angst zu tun. Hatten tatsächlich Fledermäuse den Mann derart zugerichtet? Milo wollte es nicht glauben. In der Schule hatte er gelernt, dass die Fledermäuse nicht gefährlich seien. Aber das war in Hamburg. Sollte das in Baden-Württemberg, wo Lars wohnte, anders sein?

„Ach du meine Güte“, reagierte Tante Thea aufgeregt, „das sieht ja schlimm aus. Wir müssen sofort einen Krankenwagen rufen.“

Schnell verdeckte der Mann wieder seine Wunde und versuchte Tante Thea zu beruhigen.

„Das wird nicht nötig sein, gnädige Frau“, wehrte der Mann ab.

„Aber meine Frau hat recht“, ergänzte Onkel Albert, „solche Bisse sind nicht ungefährlich. Vor allem können Krankheiten übertragen werden. Das sollten Sie nicht unterschätzen. Wir müssen einen Arzt rufen.“

Als Onkel Albert zu seinem Handy griff, hinderte ihn der Mann daran, das Telefon zu nutzen.

„Lassen Sie das“, brummte der Kerl, „wenn Krankheiten übertragen werden, ist es jetzt sowieso schon zu spät. Helfen Sie lieber mit, diese Biester von Burg Steinsberg zu vertreiben, ehe noch etwas Schlimmeres passiert.“

Da öffnete sich neben der Theke eine Tür und ein kleines Mädchen stürmte in den Gastraum.

„Glauben Sie dem Mann kein Wort“, rief das Mädchen zornig, „die Fledermäuse sind nicht gefährlich. Sie würden niemals einen Menschen beißen.“

Das Mädchen lief auf den Mann zu, wollte ihn an der Jacke packen. Dies verhinderte eine Frau, die dem Mädchen gefolgt war.

„Kim, lass das!“, forderte die Frau das Mädchen auf.

Anschließend entschuldigte sich die Frau bei dem Mann und zog das Mädchen von ihm weg.

„Mutter“, schrie das Mädchen, „der Mann lügt. Das weißt du ganz genau.“

„Kim“, sagte die Mutter in einem energischen Ton, „es reicht jetzt. Du sollst aufhören, unsere Gäste derart zu beschuldigen.“

„Aber Mutter“, schimpfte das Mädchen weiter, „die Fledermäuse sind nicht gefährlich. Du weißt ganz genau, dass Vater Recht hat. Fledermäuse beißen keine Menschen.“

„Was redest du da für einen Unsinn?“, reagierte der Mann am schnellsten und zeigte erneut seine Wunde, „und was ist das hier? Bilde ich mir das etwa ein?“

„Aber vielleicht sagt das Mädchen tatsächlich die Wahrheit“, mischte sich plötzlich Lars ein.

„Was sagst du da, Junge?“, erzürnte sich der Mann, „steckst du etwa mit dieser Wirtsfamilie unter einer Decke? Jeder Experte wird dir das Gegenteil beweisen. Fledermäuse sind gefährlich – auch für den Menschen. Diesen feinen Herrschaften geht es doch nur um das Geld. Wenn es sich herumspricht, dass die Fledermäuse gefährlich sind und damit die Wahrheit ans Licht kommt, wird sich doch niemand mehr in die Burgschenke verirren. Dann doch lieber die Wahrheit verschweigen, damit der Gewinn stimmt. Nein, mein Junge, glaube mir, ich habe überhaupt gar keinen Grund, hier die Wahrheit zu verschweigen.“

Lars war ziemlich geplättet von dieser Aussage und konnte zunächst nichts mehr sagen. Die Frau hatte das Mädchen inzwischen beruhigen können. Doch diese Beruhigung war nur von kurzer Dauer. Bald stand ein weiterer Gast auf und bestätigte die Aussage des Mannes. Auch er war der Meinung und festen Überzeugung, dass die Fledermäuse gefährlich seien. Er stand auf, verlangte nach der Rechnung und wollte so schnell wie möglich die Burgschenke verlassen. Angestiftet von diesem Gast, wollten auch die übrigen Gäste schnellstmöglich die Gaststätte verlassen. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und da – so weiß es schließlich jedes Kind – sind Fledermäuse besonders aktiv. Keiner der Gäste wollte mehr auf der Burg bleiben und sich dem möglichen Risiko aussetzen. Auch der Mann, der offensichtlich von einer Fledermaus gebissen worden war, verließ unter lautem Protest, die Blutsauger endlich von Burg Steinsberg zu vertreiben, den Gastraum.

Während ein Mitarbeiter die verlassenen Tische wieder in Ordnung brachte, sahen sich Tore, Milo und Lars und auch Onkel Albert und Tante Thea ratlos an. Kim und ihre Mutter konnten noch gar nicht richtig begreifen, was da gerade geschehen war. Sie standen nach wie vor wie angewurzelt da. Der Mitarbeiter, der offenbar der Koch war, brachte weiter die Tische wieder in Ordnung. Die Servietten warf er direkt in den Mülleimer in der Nähe der Tür, in den auch der seltsame Mann seine Taschentücher entsorgt hatte. Das Geschirr brachte der Koch zurück in die Küche. Die Frau und ihre Tochter hatten mittlerweile ihre Fassung wieder gefunden und Onkel Albert hatte sie gebeten, sich doch zu ihnen zu setzen. Die Frau nahm dieses Angebot sehr gerne an.

„Gestatten, Vogel“, stellte sich die Frau vor, „ich bin die Wirtin hier. Meinem Mann gehört die Burgschenke. Er ist aber zurzeit auf Geschäftsreise und kommt erst in ein paar Tagen wieder zurück. Das hier ist meine bezaubernde Tochter Kim. So aufbrausend wie Sie sie gerade erlebt haben, ist sie eigentlich selten. Um nicht zu sagen niemals. Ich verstehe selbst nicht, was in sie gefahren ist.“

Kim sah ihre Mutter vorwurfsvoll an und wurde knallrot im Gesicht.

„Du verstehst das nicht?“, prustete das Mädchen los, „du weißt ganz genau, dass dieser Mann lügt. Diese Fledermäuse sind total harmlos. Sie würden niemals einen Menschen beißen. Wenn Vater hier wäre, er hätte diesem Blödmann ordentlich die Meinung gegeigt.“

„Kim“, schimpfte Frau Vogel, „was erlaubst du dir? Jetzt ist aber einmal Schluss.“

Tore, Milo und Lars waren ziemlich beeindruckt von Kims Temperament. Immer wieder sahen sie sich erstaunt an und mussten sich ein Grinsen verkneifen. Lars hatte inzwischen sein Handy gezückt und war mit unauffälligen, aber dennoch heftigen Bewegungen dabei, Empfang zu bekommen.

„Das stimmt trotzdem nicht, was dieser Kerl behauptet“, fuhr Kim böse fort, „wenn weiterhin solche Lügen hier verbreitet werden, müssen wir bald von hier verschwinden. Und das will ich nicht.“

„Niemand muss von hier verschwinden“, tröstete Frau Vogel ihr aufgebrachtes Kind.

„Was genau meint ihre Tochter?“, wollte Onkel Albert wissen.

Frau Vogel sah ihn ernst an und zögerte. Tore, Milo und Lars waren neugierig geworden und starrten die Mutter an.

„Diese Fälle häufen sich in letzter Zeit“, begann die Mutter zu erzählen, „immer wieder behaupten Menschen, dass es hier auf Burg Steinsberg gefährliche Fledermäuse geben soll, die sogar Menschen angreifen.“

„Das kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen“, unterbrach Onkel Albert, „soweit mir bekannt ist, gibt es in Deutschland keine gefährlichen Arten. Aber ich bin kein Biologe, ich kann mich durchaus täuschen.“

„Siehst du, Mutter“, lenkte Kim ein, „dieser Mann weiß, wovon ich rede.“

„Kim, sei still und lass den Mann ausreden“, bremste Frau Vogel ihre Tochter.

Onkel Albert wehrte ab und signalisierte, dass die Mutter gerne weitererzählen solle.

„Durch diese Behauptungen sind die Menschen verunsichert“, fuhr Frau Vogel fort, „kaum einer traut sich noch auf die Burg. Schon gar nicht in der Dunkelheit. Sie müssen wissen, dass wir hier auch ein Open-Air-Kino, Ritterfeste und andere Feiern im Freien anbieten. Aber diese werden kaum noch angenommen, weil die Leute Angst haben.“

Onkel Albert und Tante Thea sahen sich überrascht an. Sie konnten gut verstehen, was Frau Vogel da erzählte. Immerhin hatten sie mit Schloss Neuburg auch immer wieder Feierlichkeiten, die glücklicherweise gut besucht waren. Doch wenn die Leute nicht mehr kommen würden, hätten auch sie bald ein riesiges Problem. Tore und Milo lauschten angestrengt dem Gespräch der Erwachsenen. Lars hingegen hatte sich in sein Handy vertieft. Die Verbindung ins Internet war nur schwach, so dass jede Information sehr lange brauchte, ehe sie auf dem Display zu lesen war.

„Das hört sich nicht gut an“, meinte Onkel Albert, „sie werden sicher auf die Einnahmen aus diesen Festen angewiesen sein.“

„Auf jeden Fall“, nickte Frau Vogel, „wenn das so weitergeht, werden wir bald unsere Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Dann werden wir…“

Frau Vogel schluckte. Kim sah sie ernst an.

„…dann werden wir leider hier aufgeben müssen“, sagte Frau Vogel leise.

„Und was bedeutet das?“, wollte Tore wissen.

„Das wird leider bedeuten, dass wir das Restaurant aufgeben und hier wegziehen müssen“, erklärte Frau Vogel.

„Ich möchte nicht hier weg“, schluchzte Kim, „ich möchte hier bleiben. Papa weiß doch, dass das alles nur gelogen ist mit den Fledermäusen.“

„Das ist richtig, mein Kind“, stimmte Frau Vogel zu, „aber das wird uns nichts nützen, solange die Menschen hier den falschen Leuten glauben.“

Frau Vogel strich ihrer Tochter liebevoll über den Kopf und wirkte sehr nachdenklich. Dann drehte sie sich zu Onkel Albert.

„Sie müssen wissen, dass mein Mann seit Jahren schon gegen diese – wie soll ich sagen – Vorwürfe kämpft. Er setzt sich immer wieder für die Fledermäuse ein, informiert die Bevölkerung darüber, dass die Tierchen völlig harmlos sind. Mein Mann kennt sich inzwischen sehr gut mit Fledermäusen aus. Aber wenn dann solche Situationen passieren wie heute Abend, dann ist er mit all seinen Informationen und Aufklärungen machtlos. Die Leute glauben schnell, was sie mit eigenen Augen gesehen haben. Leider denken sie nicht weit genug. Wenn es hier keine Bewirtung mehr gibt, wird auch bald die Burg aufgegeben werden. Nicht auszudenken, was dann mit dieser wunderschönen Burg passiert.“

Kim weinte weiterhin leise vor sich hin. Das aufbrausende Mädchen von vorhin war plötzlich ganz anders. Jetzt zeigte sich ihr weiches Herz und ihre Angst, Burg Steinsberg verlassen zu müssen.

„Das tut uns alles sehr Leid“, versicherte Onkel Albert, „wenn wir etwas für Sie tun können, würden wir gerne helfen. Wir gehören nicht zu den Menschen, die alles glauben. Und dass Fledermäuse derart gefährlich sind, das glauben wir schon gar nicht, nicht wahr?“

Tore und Milo nickten. Tante Thea nickte ebenfalls, während ihr Blick auf Lars fiel, der noch immer mit dem Handy zugange war.

„Dich scheint das ja offensichtlich überhaupt nicht zu interessieren, Lars“, schimpfte sie.

Lars erschrak, blickte auf, grinste und säuselte ein leises »Ja«. Tore und Milo mussten sich das Lachen verkneifen, da Lars völlig neben der Spur war. Selbst Kim fand durch diese Situation ihr Lächeln wieder.

Onkel Albert grinste Frau Vogel zu.

„Sehen Sie“, schmunzelte er, „so kennen wir unseren Sohn auch nicht. Es ist doch überall das Gleiche.“