Trilogie des Scheiterns - Egbert Scheunemann - E-Book

Trilogie des Scheiterns E-Book

Egbert Scheunemann

4,8

Beschreibung

Die Wege des Lebens sind oft so verschlungen, dass man sich nicht selten darin verheddert. Entscheidungen können ebenso zum Scheitern führen wie ihre Unterlassung oder Verzögerung. Ein Hilfeersuchen, dem zu spät entsprochen wird, eine Liebeserklärung, die man viel früher hätte aussprechen sollen, oder auch eine Geschäftsidee, die nicht unbedingt gut sein muss, nur weil sie besonders verrückt erscheint – alles kann in die Katastrophe führen, zum Fiasko geraten. Die Protagonisten der drei in diesem Band zusammengefassten Erzählungen beherrschen die Kunst des Scheiterns in ganz exaltierter Weise. Leiden Sie mit! Lachen Sie mit ...

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Seitenzahl: 130

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Inhalt

Prolog

Die Frage

Die Bitte

Luxus & Stoff

Prolog

Als ich die ersten Reaktionen und Kritiken zu meinem Roman „Die Entdeckung der Hölle“ las, war ich etwas verwundert. Viele Leserinnen und Leser bezogen sich – kritisch oder lobend – an erster Stelle nicht etwa auf die Story, den Inhalt, oder den Schreibstil, die Form, sondern ihr Interesse galt primär der Frage, wer sich hinter den im Roman spielenden Personen verbirgt. Das ging so weit, dass ich mich bemüßigt fühlte, ein erläuterndes Vorwort zur 2. Auflage meines Romans zumindest online zu stel1 len.

Nun, damit mir und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, so etwas nicht noch mal passiert, sei hier offenbart: Auch die beiden Kurzgeschichten „Die Frage“ und „Die Bitte“ beruhen in hohem Maße auf realen Erlebnissen und sie spielen in einem sozialen und städtischen Umfeld, in dem ich selbst lebe – ich schreibe nämlich gerne über Dinge, die mir nicht so ganz fremd sind. Ob diese Erlebnisse eigene Erlebnisse sind oder die von engen Freunden, die sie mir sehr detailliert erzählten – nun, das wissen nur meine engsten Freundinnen und Freunde und ich selbst. Und dabei soll es bleiben. Für immer.

Auch die Elemente, aus denen ich die Groteske „Luxus & Stoff“ konstruiert habe, entsprechen vollständig oder in hohem Maße der Realität. Freilich ist die Gesamtkonstruktion ein Gedankenexperiment, das bislang nur in literarischer Form realisiert wurde. Zum Glück.

Hamburg, im Juli 2015 Egbert Scheunemann

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1www.egbert-scheunemann.de/Vorwort-Die-Entdeckung-der-Hoelle-Roman-Scheunemann-Version-2.pdf

Die Frage

Als er aus dem Haus trat, stand die kalte Luft wie Blei in der Straße. Seit Tagen hielt der strenge Frost an. Die Sonne war schon vor einer guten Stunde aufgegangen, aber sie drang kaum durch den dichten Hochnebel. Ihr Licht war fahl, graublau. In der Luft schwebten Myriaden winziger Einkristalle, gefrorener Nebel. Die Stoppeln seines Fünftagebartes waren schnell davon umhüllt. Er atmete flach. Ein kräftiger Atemzug hatte in seiner Lunge wie tausend kleine Nadelstiche gewirkt. Drall eingepackt in mehrere Lagen Winterkleidung, eine dicke Wollmütze auf dem Kopf, stapfte er in festem Schuhwerk behäbig die Straße herunter. Sein Gang erschien ihm unförmig, wie der eines Roboters mit Gelenken ohne viel Spielraum. Der Raureif lag in den Vorgärten, auf dem Bürgersteig, der Straße, den geparkten Autos, den tief geneigten kahlen Ästen der Bäume. Er knirschte leise unter jedem seiner Schritte, deutlich zu hören in der Stille des frühen Sonntagmorgens, die über der Stadt lag. Die sich im Eisnebel verlierenden Straßen waren fast menschenleer, kaum ein Auto fuhr. Hier und da war das Krächzen eines Raben, der verlorene Schrei einer Möve, der knarzige Schnatterlaut einer Elster zu hören.

Er fror nicht direkt, eher fröstelte ihn. Die ganze Szenerie ließ ihn frösteln – und auch das, was er schemenhaft erahnte. Er wusste nicht, was auf ihn zukommen würde. Aber er hatte kein gutes Gefühl. Sarah hatte merkwürdig geheimnisvoll geklungen, als sie ihn zum Frühstück einlud. Sie hatten sich schon oft frühmorgens in seinem Viertel beim Portugiesen getroffen. Gleich nach Sarahs Nachtdienst. Ein gemeinsames Frühstück war Sarahs Feierabendritual, ihr Abendbrot gleichsam, bevor sie zu Bett ging, um zumindest bis Mittag ein paar Stunden Schlaf abzubekommen.

David freute sich jedes Mal auf ein solches Treffen mit Sarah. Er liebte sie und sie ihn, wie sie David in den vielen Jahren, seitdem sie sich kannten, nicht nur ein Mal authentisch beteuert hatte. Aber sie hatten nie zueinandergefunden. Entweder steckte sie noch in einer halben Beziehung oder er oder beide. Und wenn, was nicht selten vorkam, beide solo waren, wagte keiner, den ersten Schritt zu tun, vielleicht aus Angst, zurückgewiesen zu werden. Vielleicht aus Angst, die Unabhängigkeit, die beide sehr schätzten, zu verlieren. Warum auch immer.

Wahrscheinlich waren ihre Lebensentwürfe auch zu unterschiedlich. Alle seine Beziehungen waren letztlich gescheitert an der immer selben Ursache – seiner Arbeitswut, wie seine Partnerinnen und alle sagten, die ihn gut kannten. An seiner Lebenswut, wie er selbst sagte. Zeittotschlagen oder sinnloser Zeitvertreib nach Feierabend oder am Wochenende hatten nur selten Platz in seinem Leben. Eigentlich gab es keinen Feierabend und keine Wochenenden in seinem Leben. Nach dem Buch war vor dem Buch. Lesend, schreibend. Wie auch immer. Und wenn er Freizeitaktivitäten, aufgrund irgendwelcher sozialen oder familiären Verpflichtungen, gelegentlich doch absolvieren musste, litt er. Nur mit guten Freunden zusammenzusitzen, Bier zu trinken und zu diskutieren, bis der Kopf qualmte, oder Unsinn zu reden, bis das Zwerchfell vor Lachen vibrierte, das mochte er.

Und die Frühstücke mit Sarah mochte er. Die morgendlichen Treffen mit ihr waren David auch eine willkommene Gelegenheit, seinen völlig verkorksten Tagnachtrhythmus wieder ins Lot zu bringen, zumindest zeitweise. Ob er, wie üblich, nur vier, fünf Stunden schlafen würde oder vor einem Frühstück mit Sarah zwei, drei – darauf kam es nicht mehr an. Er war übernächtigt wie immer. Auch das ließ ihn frösteln.

*

David bog rechts in die Lippmannstraße ein und überquerte sie gleich. Ein paar Meter weiter stand ein Mann, rauchte eine Zigarette und hielt einen kleinen Hund an der Leine, irgendeine Art Terrier. Das Tier stand regungslos und wie festgefroren. Es fixierte irgendetwas auf der gegenüberliegenden Straßenseite. David konnte aber außer der Häuserfront, parkenden Autos und ein paar Straßenbäumen nichts entdecken, was den Hund so in seinen Bann zog. Er bellte nicht, er zitterte nicht, auch sein Schwanz wedelte nicht. Ein Hund wie eine Statue. David ging an den beiden vorbei und grüßte knapp. Der Mann grüßte kurz zurück. Der Hund stand starr und unerschütterlich und gab keinen Ton von sich. Nach drei, vier Metern hielt David inne, wandte sich um und fragte den Mann, ob denn irgendwo dort drüben gleich ein feister Knochen oder eine fulminante dicke, fette Wurst erscheine. Der Mann zog an seiner Zigarette, schmunzelte und räusperte sich. Nein, seine Frau erscheine gleich.

David hüstelte vernehmlich, drehte ab und ging seiner Wege.

*

In Gedanken versunken war David zu spät abgebogen. Er hätte gleich nach der Bahnbrücke links in die Eifflerstraße gehen müssen und wäre dann unten am Schulterblatt, wie die Hauptstraße seines Viertels hieß, direkt auf das portugiesische Café zugelaufen. Nun trottete er die nächste Parallelstraße, die Juliusstraße hinunter.

Unten an der Ecke zum Schulterblatt hielt er kurz inne. Er musste an eine Geschichte denken, die er genau hier im Sommer erlebt hatte. Auch jetzt, da er an sie dachte, berührte sie ihn wieder. David war spätabends als letzter Gast aus dem „Café unter den Linden“ gekommen. Eigentlich wollte er gleich nach Hause. Der direkte Weg wäre die Lippmannstraße hinunter gewesen. Aber er entschied sich doch für den kleinen Umweg über das Schulterblatt.

Viele soziale Kontakte hatte er an jenem sommerlichen Tag noch nicht gehabt. Das „Unter den Linden“ war schon fast leer, als er eine gute Stunde vor Mitternacht dort eingekehrt war. Und nach einer knappen halben Stunde war er sogar der einzige Gast. Nicht, dass er unbedingt mit jemandem reden wollte. Das reichte ihm zwei Mal die Woche – und wenn’s ging nur kurz. Aber zumindest ein paar Leute zu sehen, etwas stumme Geselligkeit, etwas Leben erleben, zumindest ein Mal am Tag, das brauchte er dann doch, alter Single, Heimarbeiter und eigenbrötlerischer Schreibtischtäter, der er war.

Als er auf seinem kleinen Umweg an der Ecke Juliusstraße-Schulterblatt vorbeikam, nahm er im Parterre des dort stehenden Hauses erstmals einen Pizza-Imbiss wahr, der dort am selben Tag eröffnet hatte. Der auf alt getrimmte Neubau an der Stelle, an der eine Fliegerbombe im Zweiten Weltkrieg die eine Hälfte eines alten vierstöckigen Hauses bis auf das Parterre zerstört hatte, war gerade fertiggestellt worden. Der Macher des Pizza-Imbisses hatte vor der Errichtung des Neubaus an dieser Stelle einen klassischen türkischen Imbiss betrieben. David war dort recht oft. Man kannte sich, vom Sehen zumindest, man grüßte sich. Aber das war es auch. Wie der immer freundliche Mann hinterm Tresen hieß, der David schon so oft bedient hatte über lange Jahre hinweg, das wusste er nicht.

Zur Eröffnung gab es im Imbiss ein Stück Pizza und ein Getränk zum Sonderpreis. David hatte aber keinen Hunger. Er stand nur an der Ecke und ließ das pulsierende Leben auf sich wirken. Der Laden war brechend voll. Auch davor, es war noch recht warm in dieser Sommernacht, stand ein großer Pulk meist junger Menschen. David wollte gerade weitergehen, als er den Macher des Imbisses durch eine zufällig freigewordene Sichtschneise heftig winken sah. In seine Richtung. David guckte erstaunt. Er wendete sich kurz, um zu sehen, ob er wirklich gemeint sei. Der freundliche Mann hinterm Tresen nickte mehrfach und winkte David umso heftiger hinein. David folgte. Er wurde von dem Mann mit herzlichem Handschlag begrüßt. Ob er ihn zu einem Stück Pizza und einem Bier einladen dürfe! David konnte unmöglich ablehnen. Er bekam sein Stück Pizza und sein Bier. David dankte freundlich und wünschte dem Mann alles Gute mit seinem neuen Imbiss. Der Mann dankte ebenso freundlich, drückte David noch mal die Hand und drehte ab. Neue Gäste warteten.

David lehnte sich draußen mit dem Rücken gegen einen Stromkasten und aß sein Stück Pizza. Sie schmeckte ausnehmend gut. Er trank sein Bier und beobachtete die vielen jungen Menschen, die in den Imbiss einkehrten oder aus ihm herauskamen.

David lebte seit fast fünfundzwanzig Jahren in diesem Viertel. Sein grundlegendes Lebensgefühl war schon immer, nirgendwo wirklich dazuzugehören. Es war im klar, woran das lag. An seiner schweren Kindheit und Jugend in einer sich selbst zerstörenden Familie – über Jahre durchs ganze Land gejagt infolge der Wirren der Nachkriegszeit. Aber auch an seinem überzeugten Kosmopolitismus, seiner tiefen Verachtung gegenüber allem Nationalen und Völkischen, allem Wir, dem immer ein Ihr gegenübersteht.

Die kleine freundliche Geste des eigentlich fremden Mannes hinterm Tresen hatte David eigentümlich berührt. Ihm wurde unverhofft warm ums Herz. Er stand draußen mit seinem Bier in der Hand und fühlte, seit seiner frühen Kindheit und den vergangenen Zeiten enger Jugendfreundschaften wohl das erste Mal in seinem Leben, so etwas wie Dazugehörigkeit. Das war sein Viertel. Hier wohnte er. Hier lebte er. Hier gehörte er hin.

*

Als David das portugiesische Café betrat, sah er, trotz seiner sofort beschlagenden Brille, Sarah gleich hinten links sitzen. Sie winkte ihm zu. David zwängte seinen mächtigen Körper durch die engen Gässchen der dicht beieinanderstehenden Tische und Stühle, über die viele Gäste ihre Wintergarderobe geworfen hatten, was das Durchkommen noch erschwerte. Das Café war fast bis auf den letzten Platz gefüllt mit Taxifahrern, die eine Pause machten, Nachtschwärmern oder Gastronomiebediensteten aus den umliegenden Kneipen und Clubs, die hier, wie Sarah nach ihrem Nachtdienst, ihren Feierabend verbrachten – frühmorgens am Sonntag.

David lehnte sich kurz zu Sarah herunter, gab ihr einen Kuss und fragte scheinheilig, noch bevor er auch nur ein Grußwort geäußert hätte, ob er ihr in diesem Winter schon gesagt habe, dass er die kalte Jahreszeit vor allem deswegen so hasse, weil man sich täglich mehrfach zeitaufwendig ein- und auspacken müsse und schon ganz verschwitzt sei, bevor man auch nur die Wohnungstür hinter sich zugezogen habe. Auf ein Durchschnittsleben hochgerechnet koste das Zeit in der Größenordnung mindestens zweier Semester Philosophie.

Ja, das habe er ihr gegenüber mindestens schon drei Mal gesagt in diesem Winter. Und das mit dem Schwitzen könne – Sarah warf einen gespielt beiläufigen Blick auf Davids mächtigen Bauch – auch andere Ursachen haben.

David bedankte sich für diesen neckischen Hinweis auf seine Leibesfülle, zog mühsam seinen dicken weinroten Mantel aus und die dunkelblaue Wollmütze vom Kopf. Sein dichtes schwarzes Haar fiel wellig auf seine Schultern. Er strich es sich mit einer für ihn typischen Handbewegung aus der Stirn und über den nach hinten geworfenen Kopf – als wolle er alles Unwichtige beiseiteschieben, um sich auf das nun anstehende Bedeutsame zu konzentrieren. Er setzte sich an den kleinen runden Marmortisch schräg neben Sarah, griff eine Serviette, putzte kurz seine dicke gelbe Hornbrille, setzte sie wieder auf, sah Sarah freudestrahlend an und umarmte sie, sein Herzblatt, wie er sie oft nannte, ein zweites Mal – nun mit allen nur erdenklichen Begrüßungsformeln und Artigkeitsfloskeln. Den Kasper konnte er sehr gut geben, wenn er wollte. Und bei Sarah wollte er oft. Er liebte es, wenn sie lachte – nicht nur über sein etwas farbenfrohes Outfit, das Sarah unter Hinweis darauf, dass er dringend eine Frau benötige, die ihn diesbezüglich berate, ja neu einkleide, schon so oft gallig mokiert hatte. Wenn Sarah lachte, war sie noch schöner als sonst.

Sarah sah auch heute blendend aus. Gerade ihre Übernächtigung stand ihr, wie David meinte und ihr auch schon mehrfach gesagt hatte, ungemein gut. Ihre fast schwarzen Augen wurden dann von leichten Rändern umspielt, kaum merklichen hingehauchten Schatten. Der zarte helle Teint ihres eher schmalen Gesichtes, eingerahmt von ihren glatten halblangen naturschwarzen Haaren, wirkte leicht anämisch, ihr Gesichtsausdruck nicht etwa müde, sondern eher entrückt. Und ungemein sinnlich.

David sah sich kurz an Sarah satt und fragte gleich zu Beginn, was es denn Besonderes gäbe. Sie habe etwas geheimnisvoll geklungen am Telefon. Er habe sich fast Sorgen gemacht.

Die Bedienung kam. David bestellte ein großes Frühstück für zwei Personen. Sarah unterließ es, darauf hinzuweisen, dass sie keinen großen Hunger hatte, denn sie wusste, dass David Hunger hatte. Er hatte immer Hunger.

David sah Sarah fragend an. Sie senkte kurz den Blick, fixierte David dann sehr ernst und nachdenklich, drehte sich kurz nach links und rechts, um zu sehen, ob denn jemand in Hörweite saß, und begann leise zu erzählen. Sie wolle es kurz machen. Und Sarah machte es kurz. Ein Mädchen in der Gruppe, die sie mit betreue, sei von Abschiebung bedroht. Die Beamten seien schon einmal im Heim und einmal in der Schule gewesen, um Adwoa, so heiße sie, abzuholen. Alle im Heim und in der Schule seien auf Adwoas Seite und würden sie verstecken oder verleugnen. Das würde aber irgendwann schiefgehen. Deswegen wollten alle Beteiligten so schnell wie möglich einen Mann finden, der Adwoa heirate. Dann könne sie bleiben. Sie sei zwar erst sechzehn Jahre alt, aber ihr Amtsvormund würde mitspielen. Und die Zustimmung zur Hochzeit von ihrem Stammesoberen, das sogenannte Affidavit, sei schon beantragt und auf dem Weg. Adwoa komme nämlich aus Ghana. Sie sei erst drei Jahre alt gewesen, als sie mit ihrer Mutter und ihrem Vater nach Deutschland kam. Ihr leiblicher Vater sei bald gestorben. Und mit dem Stiefvater, den Adwoas Mutter ein paar Jahre später geheiratet habe, sei es nicht gut gelaufen. Als Adwoa langsam eine junge Frau wurde, seien zu Hause schlimme Dinge passiert. Sie sei weggerannt, habe sich einer Lehrerin anvertraut und sei so schließlich in die Jugendgruppe gekommen. Jetzt falle sie dem Staat zur Last. Und der wolle sie jetzt loswerden.

Die Bedienung brachte das Frühstück. David hatte spontan keinen Hunger mehr. Er wusste nicht recht, warum konkret – aufgrund der schlimmen Geschichte, die er eben gehört hatte, oder weil er ahnte, welche Frage Sarah ihm gleich stellen würde.

Und Sarah stellte sie. Sie habe in den letzten Tagen allen unverheirateten Männern aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis die Frage gestellt, ob sie sich vorstellen könnten, Adwoa pro forma zu heiraten. Und nun stelle sie diese Frage auch ihm. Dabei fügte Sarah sofort hinzu, dass David natürlich nicht sofort antworten müsse. Eine solche Sache müsse wohldurchdacht werden, eine solche Entscheidung wohlbedacht sein.

David schob seine Tasse von sich. Ruckartig, sie war zum Glück leer. Ihm trat Schweiß auf die Stirn. Seine bis eben roten Wangen waren plötzlich ganz blass. Sarah legte ihre linke Hand auf seine rechte.