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In diesem Beitrag geht es um das Wissenschaftsverständnis von Erich Fromm. Er macht deutlich, dass auch für ihn die Biologie ganz wesentlich zur Konstitution des Menschen und seiner Psyche gehört. Deshalb seien Zuordnungen seines sozial-psychoanalytischen Ansatzes zu einem kulturalistischen oder rein gesellschaftlichen Verständnis des Menschen falsch. „Mein Ansatz war immer ein sozio-biologischer und in dieser Hinsicht von Freuds Ansatz nicht grundsätzlich abweichend.“ Allerdings überwindet Fromm die seit Descartes übliche Fokussierung auf das Individuum, das einer Gesellschaft gegenübersteht und sieht den Menschen auch biologisch schon immer als gesellschaftliches Wesen. In der meist kontroversen Diskussion zwischen einem psychologischen und einem neurobiologischen Verständnis des Menschen plädiert Fromm – durchaus aktuell – für einen Dialog.
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Seitenzahl: 22
(On My Psychoanalytic Approach)
Erich Fromm(1990d [1969])
Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer FunkAus dem Amerikanischen von Rainer Funk.
Als Manuskript mit dem Titel Cultural vs. Biological Orientation in Psychoanalysis im Nachlass von Erich Fromm gefunden. Entstehungszeit vermutlich 1969. Erstveröffentlichung in deutscher Sprache unter dem Titel Über meinen psychoanalytischen Ansatz 1990 in E. Fromm, Die Entdeckung des gesellschaftlichen Unbewussten. Zur Neubestimmung der Psychoanalyse (Band 3 der „Schriften aus dem Nachlass“) beim Beltz Verlag, Weinheim, S. 15-25. Überarbeitet fand der Beitrag 1999 Aufnahme in die Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag), Band XII, S. 13-18. – Die Erstpublikation in der englischen Originalsprache erfolgte 1992 unter dem Titel On My Psychoanalytic Approach in: E. Fromm, The Revision of Psychoanalysis bei Westview Press in Boulder/USA.
Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.
Die E-Book-Ausgabe orientiert sich an den von Rainer Funk herausgegebenen und kommentierten Textfassungen der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, Band XII, S. 13-18.
Copyright © 1990 by The Estate of Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2015 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2015 by Rainer Funk.]
Nicht nur in der wissenschaftlichen Literatur zur Psychoanalyse und zur Sozialpsychologie, sondern auch ganz allgemein in der Öffentlichkeit ist die Annahme weit verbreitet, dass es innerhalb der Psychoanalyse einen grundlegenden Widerspruch zwischen einer biologischen und einer gesellschaftlichen (oder kulturellen) Ausrichtung gibt.[1] Die Freudsche Richtung wird oft biologisch, die Theorien der sogenannten neofreudianischen „Schulen“, besonders jene von Harry Stack Sullivan, Karen Horney und mir, werden „kulturalistisch“ genannt, als ob diese im Widerspruch zu einer biologischen Ausrichtung stünden. Die Gegenüberstellung von biologischer und kultureller Betrachtungsweise ist nicht nur oberflächlich, sondern völlig irreführend. Dies gilt zumindest im Hinblick auf meine Schriften und meine theoretischen Auffassungen, die sich in grundsätzlichen Fragen von den Auffassungen von Sullivan und Horney unterscheiden, deren Positionen ihrerseits verschieden sind.
Die Einschätzung, meine Betrachtungsweise sei anti- oder nicht-biologisch, hat zwei Gründe: einmal meine Betonung der Bedeutung der gesellschaftlichen Faktoren bei der Bildung des Charakters, zum anderen meine kritische Haltung gegenüber Freuds Triebtheorie und der Libidotheorie.
Es stimmt zwar, dass die Libidotheorie wie jede Theorie, die sich auf den Lebensprozess des menschlichen Organismus bezieht, eine biologische ist, doch meine Kritik an der Libidotheorie beruht nicht auf ihrer biologischen Orientierung als solcher, sondern auf der speziellen Art von biologischer Ausrichtung: Ich kritisiere den mechanistischen Physiologismus, in dem Freuds Libidotheorie ihre Wurzeln hat.