ÜberBlendung - Nicolaus Bornhorn - E-Book

ÜberBlendung E-Book

Nicolaus Bornhorn

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Beschreibung

Im Spiegel des andern, über ihn hinaus ist die Liebe aufs Unendliche gerichtet. So ist sie schmerzliche Liebe, so ist sie religiös. Sie will sich. Sie will sich vollkommen. Sie will sich vollkommen wissen.

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Inhaltsverzeichnis

ÜberBlendung: Sehstück

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

ÜberBlendung: (the making of)

Jenseits des Wassers: Sehstück

Im Hinterland: Dialog

Vorbemerkungen

Zu den Selbstzitaten

1. Satz

2. Satz

3. Satz

4. Satz

5. Satz

6. Satz

7. Satz

8. Satz

9. Satz

ÜberBlendung

Sehstück

I

Während, vor dem Hintergrund eines Tangos aus den zwanziger Jahren, der Vorspann abläuft, sieht man, als Bilderfluss, die Villen des Kurortes V. aus dem Innern eines Wagens heraus. Die Fahrt endet vor den Umrissen eines weißen Hotels, das jedoch undeutlich bleibt. Aus diesem undeutlichen Fond heraus gleitet das Gesicht des Pförtners auf uns zu; seine Hand, die die Wagentür öffnet.

Das Piano setzt sein nostalgisches Flechtwerk fort. Die Kamera tastet die nackten Mauern eines Hotelzimmers ab, eine horizontale Bewegung, unterbrochen nur von der Öffnung einer verglasten Balkontür. Im Innern dieses Rahmens steht BATAILLE, im Profil gesehen und mit dem Rücken ans Holz gelehnt. Er hält eine Zigarette zwischen den Fingern, ist ganz in Weiß gekleidet, sein Kopf ist leicht nach draußen gewandt. Aber die Kamera verharrt nicht auf ihm, sondern setzt ihre langsame, regelmäßige Bewegung fort und entdeckt einen laufenden Fernseher, der nur ein Testbild zeigt. Die Musik entstammt dieser Quelle.

In der Oberfläche eines still daliegenden Gebirgssees spiegeln sich die Spitzen eines zerklüfteten, aber nicht unharmonisch wirkenden Bergmassivs. Auf derselben Fläche erscheint der Titel:

ÜberBlendung

Im gelbroten Abendlicht geht Bataille auf einer Hochebene. Vor ihm, klar herausgearbeitet vor den fernen Bergen, schwebt das Geäst eines Baumes.

Ein Mädchen, halb Kind noch, sitzt in der leeren Eingangshalle des Hotels. Vor ihm auf dem Tisch steht ein halb mit Wasser gefülltes Glas, in dem der untere Teil seines Gesichts verzerrt und verkleinert erscheint.

Dasselbe Mädchen, von hinten gesehen, erblickt Bataille durch das Glas der Eingangstür hindurch. Dieser öffnet die Tür und betritt die Halle, betritt den künstlichen Lichthof.

Bataille kommt die mit weichem, tiefem Teppich ausgelegten Stufen einer Treppe herab, die in einen tagsüber gleichzeitig als Bar und als salon de thé dienenden Raum führt. Über der bis zu halber Höhe reichenden dicken Tapete verbreiten mehrere Wandleuchten ein sanftes Licht. Als er den Raum betritt, ist dort nur eine alte Frau, die den Boden aufwischt. Sie sieht Bataille an der Bar warten, murmelt mehrere Male, kaum verständlich, dass gleich jemand kommen werde, um ihn zu bedienen.

Eines ihrer Augen starrt die ganze Zeit schräg nach oben; vielleicht ist sie blind auf diesem Auge. Sie trägt das Haar wirr, aufgelöst, ihre Bewegungen sind fahrig. Sie geht in die durch eine Saloontür zu erreichende angrenzende Küche; dort hört man sie rumoren, zu sich selbst sprechen.

Wiederholt schaut Bataille auf die Uhr. Als immer noch niemand kommt, schenkt er sich hinter der Bar ein Glas Wasser ein.

Die Kamera tastet erneut, aber diesmal in umgekehrter Richtung, die nackten, schwach erhellten Wände des Hotelzimmers ab. Auf ihrem Weg entdeckt sie, außer den schon bekannten Objekten, ein weißes, in eine Schreibmaschine eingespanntes Blatt, einige zerknüllte Blätter am Boden, und endlich den auf dem Bett ausgestreckten Bataille. Vom Schlaf überrascht, hat er nicht die Zeit gefunden, sich seiner Kleidung zu entledigen.

Bilder vom See, in dem das Gebirge sich spiegelt, aufgenommen bei unterschiedlichem Lichteinfall, zu verschiedenen Zeiten des Tages. Ebenso: Bäume auf der Hochebene, gezeichnet vor den Bergen in der Ferne.

Diese Gemälde der Zeit werden von Sequenzen unterbrochen, die Bataille in abgewandelten Positionen zeigen: sitzend, stehend, unterwegs...

Bataille, am weißgedeckten Frühstückstisch auf der Hotelterrasse sitzend, schaut von der Lektüre des vor ihm aufgeschlagenen Buches auf, als ob er eine „Anwesenheit“ spüre. Ein Mann kommt die auf die Terrasse führende Treppe herauf. Es ist HERZOG. Bewegt schauen die beiden Männer sich an, überbrücken die sie trennende Entfernung und umarmen sich. Herzog wirkt übernächtigt, aber wach.

Herzog

Dein Verleger hat mir die Adresse gegeben... (Zeit; er sucht nach Atem) Ich bin die ganze Nacht hindurch gerollt und noch gar nicht ganz angekommen...

Er schaut sich langsam um, als ob er nach Anhaltspunkten suche. Bataille blickt ihn nur von Zeit zu Zeit an, besorgt, beim andern nicht den Eindruck eines Verlangens, eines Begehrens seinerseits zu erwecken. Langsam, aber sichtbar, erholt Herzog sich, „kommt an“.

Wenn man auf das Asphaltband vor sich schaut, gibt es eine Grenze, diesseits derer man keine Einzelheiten der Straßenoberfläche mehr wahrnehmen kann. Jenseits der Grenze ist es möglich, Flecken der Oberfläche für Bruchteile von Sekunden als stillstehend wahrzunehmen.

Wenn man lange auf dieser Grenze verweilt, wird man immer stärker wie von einem Sog angezogen.

Sie gehen hinauf aufs Zimmer, wo Herzog, froh, endlich ein wenig Ruhe zu finden, sich auf dem Bett ausstreckt. Bataille rückt den Stuhl herum, der vor dem Schreibtisch steht, setzt sich ihm zu gewandt. Lange sprechen sie nicht, sind sich aber der Anwesenheit des andern bewusst.

Die beiden Männer gehen in den Straßen von V. Bataille scheint immer mehr Schwierigkeiten zu haben, den Weg fortzusetzen. Das Licht wird grell, blendend, die Wagengeräusche unerträglich. Die erstarrten Gesichter der Menschen, mit blassem, kränklichem Teint schauen beim Gehen weder links noch rechts. Eine alte Frau, das Gesicht von Falten durchfurcht, stützt sich auf eine jüngere, deren Züge durch ein schreiendrotes Make-up verzerrt sind. In diesem nackten Licht springen die harten, die Objekte begrenzenden Kanten ins Auge. Jedes Detail scheint ein Eigenleben zu führen. Inzwischen sind die beiden Männer bis zum Eingang eines Parks vorgedrungen. Herzog führt den Freund zu einer Bank, damit er sich ausruhe. Bataille sucht nach Worten, beginnt Sätze, die er aber nicht ausführen kann.

Bataille

...das Licht...alles...dies Schweigen... ...die letzten Tage...

Vorm Licht geschützt, in einer Bar, deren Wände gänzlich aus Spiegeln bestehen, findet Bataille sich wieder. Er fixiert sein Spiegelbild, entspannt sich. Einen Augenblick lang tritt die Seeoberfläche an die Stelle des Ebenbilds, verlöscht dann. Erneut das Gesicht Batailles im Spiegel.

Das Bild erstarrt. Die Geräusche - die Kaffeemaschine, die Rufe der Kunden, die sanfte amerikanische Musik im Hintergrund, die leise geführten Gespräche - all diese täglichen Geräusche gewinnen an Bedeutung, sind verstärkt. Und...mit einem Schlag...ist alles wieder normal.

Jedes Ding ist an seinem Platz, und Bataille versucht ein Lächeln in Richtung Herzogs, der die ganze Zeit hindurch darauf gewartet hat, dass der Anfall zu Ende gehe.

Bataille

(tastend, als ob er erneut den Gebrauch der Worte lernen müsse)

...all die letzten Tage ist es mir nicht gelungen zu schreiben...dieses Manuskript über das Schweigen, erinnerst du dich? ...so habe ich mich von der Landschaft füllen lassen...die Gerüche haben mich zurückgeholt in Zustände von früher, aus der Kindheit... manchmal wurde die Leere so dicht, so unerträglich, dass nur ein Gespräch, eine Lektüre mir Identität geben konnten, den Schatten einer Identität

Herzog, den diese Gedanken nicht zu befremden scheinen, der sich vielmehr auf festem Grund befindet, knüpft - wie es scheint - an alte Gesprächsfäden an.

Herzog

Wir sind besessen von der Wahrnehmung...was wird geschehen, wenn wir eines Tages zu reiner Wahrnehmung geworden sind? Werden wir dann noch existieren? (Er lacht; eine nervöses Lachen) ...aber es gibt keinen anderen Weg; alles andere wäre ein Rückfall in ungenaues Sehen und Denken...(Zeit) Einmal haben wir während eines Gewitters gedreht, im Innern eines Hauses, die Kamera jedoch auf das Draußen gerichtet. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich schon so daran gewöhnt war, die Welt durchs Rechteck wahrzunehmen, dass ich hinauslief in das Gewitter, um sicher zu sein, es nicht als Film zu erleben. Ich kehrte erst ins Haus zurück, als ich durchnäßt und vom Wind durchfahren war.

Die beiden Männer rollen im Wagen dahin, Herzog am Steuer. Weiße Felsen tauchen auf zwischen blassgrünen Hügelflanken. Ein silbernes, von violetten Strahlen durchsetztes Licht vibriert auf diesen Flanken, oberhalb der Latschenkiefern und Heideflecken. Eine repetitive Musik schlägt eine andere Beziehung vor zur Zeit.

Die kurvenreiche Straße führt zu einem künstlichen, sechseckigen See. In der Mitte der blaugrünen, bewegungslos daliegenden Wasserfläche ein Turm aus Beton, mit dem Ufer durch einen ebenfalls betongrauen Zuführungsarm verbunden. Die Männer steigen aus, ohne zu sprechen. Es herrscht vollkommenes Schweigen.

Sie rollen erneut, immer noch auf der gewundenen Straße. Bauruinen erscheinen, aus grauen, grob gesetzten Steinen zusammengefügt; an den Mauern kleben, ohne Erdverbindung, die in einem Stück gegossenen Außentreppen. Herzog verlangsamt, stellt die Musik leiser, deren minimale Abwandlungen den Eindruck von Wiederholbarkeit steigern.

Herzog

Am Abend vor meiner Abfahrt habe ich einen dieser alten schwarzweißen Stummfilme gesehen, und wieder einmal überraschte mich die mimische Ausdruckskraft der Schauspieler. Die still auseinander hervorgleitenden, einander gebärenden Ereignisse machten eine Rückkehr leicht in die kindliche Welt der großen Gefühle... (Zeit) Manchmal möchte ich einen Film drehen, in dem die Schauspieler sich mit verbundenen Augen nur auf den Text und die Geräusche konzentrieren; dann nimmt man ihnen die Binden ab, und sie spielen, ohne dass sie das Recht hätten zu sprechen. Bei der Montage würde ich den Bildern die asynchronen Texte und Geräusche überlagern...

Sie halten an in einem Dorf, auf dem Platz vor der mairie. Die Kamera erkundet, ohne Hast, die rosenfarbene, an Stellen verfallene Fassade des ehemaligen, nun zum administrativen Gebäude umgewandelten Schlosses.

Mehrere Fenster sind erleuchtet, obwohl es noch Tag ist. Die langsame, regelmäßige Fahrt der Kamera gibt Bataille viel Zeit, den Innenraum zu verlassen.

Bataille

...warum ist es nicht mehr möglich, einfach zu sprechen?...wie die andern - oder bilde ich mir nur ein, dass es zwischen ihnen diese Wärme gibt, diesen Elan, den ich so selten nur kenne... (Zeit)

...aber die mit Stille geladenen Worte, das ist letztlich noch viel...eine Macht ist in ihnen verborgen, jener ähnlich, die am Ufer des Meeres -

oder anderswo - entsteht, wenn wir das andere Leben wiederzuerkennen glauben, jenes, das wir hätten führen können, das uns nur in „flashs“, in Bruchstücken gegeben wird...

(Die letzten Sätze sind mit großer Bestimmtheit gesagt, als ob er sie schon vorher gedacht habe, als ob er sich selbst zitiere.

Dagegen sind die Sätze, die er zu Anfang ihrer Begegnung sagt, direkter Ausdruck der Zustände, die er durchlebt.)

Als das Abtasten der Fassade, das so zum Wandgemälde wird, beendet ist, taucht der Blick in das der Fassade gegenüber liegende, sich im Dunst verlierende Tal ein. Der Abend kündigt sich an, und mit ihm versinken die Umrisse in einem nuancierten Grau.

Bataille

Manchmal glaube ich, nur für die Erinnerung zu leben...

...als ob die Gegenwart, die ich erlebe, nur existiert, um beschrieben zu werden, in einer anderen Gegenwart, die mir ebenso entgeht...

Herzog

(Seine Stimme ein Mahnen der Gegenwart) Wir drehen morgen...ich muss aufbrechen...

Der Wagen Herzogs verliert sich im Nebel, inmitten einer Platanenallee. Bataille, von hinten gesehen, dreht sich brüsk um, geht schnell davon. Gedämpfte Geräusche von Schritten.

II

Bemerkungen zur inneren Stimme Batailles (Notierung: Inn.Stimme.Bat.)

Diese Stimme spricht auf andere Art als Bataille, wenn er mit anderen spricht. Sie ist melodiöser, dem Unsagbaren näher. Ihr Erscheinen mag einher gehen mit einem (mehr oder minder deutlichen) Anhalten der Bilder.

Es handelt sich um eine Nachahmung des Schreibaktes, mit seinem Zögern, den Wiederholungen, den Neuanfängen. Stillstand der Bilder analog zum Ausblenden der äußeren Realität im Augenblick des Schaffens. Das Denken nimmt überhand.

Das erstarrende Bild zerbricht, vorübergehend, die Fiktion, bewerkstelligt eine Rückkehr zu den zwei Dimensionen der Oberfläche; die Tiefe, aufrechterhalten von der Bewegung im Innern des Bildrahmens, erlischt.

Vorübergehend, weil die Erzählung Batailles die verlorene Fiktion bald durch eine andere ersetzen wird. Seine Stimme wird jener gleichen, die beim Lesen eines Buches entsteht, und die nach Beendigung der Lektüre in uns weiterspricht.

Diese innere Stimme, diese andere Stimme, streift die Bilder nur, benutzt die Ereignisse in dem Maße, in dem sie sie in Fiktion umwandeln kann. Die Stimme des Dialogs dagegen, jene der andern und für die andern, ist viel bestimmter, fordert, erfleht die Anerkennung des andern.

* * *

Frauenfüße, die langsam, doch ohne zu zögern, eine marmorne Treppe ersteigen. Eine Frauenhand, die sich legt, die ruht auf nach oben führender Balustrade.

Bataille, auf der Terrasse, zwischen den Sommergästen, den Damen mit weiten Hüten und Kleidern in hellen Farben, dem ungezwungenen, die ziellos dahintreibenden Gespräche unterbrechenden Lachen, hebt die Augen von seiner Lektüre. In seinen Zügen ist Erstaunen zu lesen, das größer wird, je länger er schaut.

Dieselbe Frauenhand hält ein halbgefülltes Weinglas. Diese Hand, und daneben eine andere, diejenige eines Mannes. Sie hält ebenfalls ein Glas. Eingerahmt von dieser Symmetrie, der Blick Batailles in die Ferne. Fahrt zurück: YVONNE und THOMAS werden sichtbar, kehren uns den Rücken zu. Die Frau ist ganz in Weiß gekleidet.

Die Geräusche und Stimmen auf der Terrasse werden leiser, als würden sie von Batailles Blick geschwächt.

Thomas und Yvonne, von vorn gesehen, gegen die Balustrade gelehnt, sprechen, trinken...Die Stimmen mondäner Frauen, flüsternd

Ist das nicht die Schauspielerin Y...? Man sagt, sie werde hier einen Film drehen...

Yvonne scheint in das Gespräch mit Thomas vertieft, einem Mann mit fein herausgearbeiteten Zügen. Und doch hat sie die Beharrlichkeit bemerken müssen, mit der Bataille sie anschaut, denn sie beobachtet ihn, sobald er den Blick abwendet.

Ein leerer Strand, feiner, weißer Sand, von mächtigen Felsen begrenzt, deren glatte, glänzende Oberflächen und scharfe Kanten sich für ein Spiel mit Spiegelungen eignen. Unablässig brechen sich die Wellen des Atlantiks an diesen Ausläufern des Festlands, lassen Schaumstreifen zurück, in denen das Licht in winzige Regenbogen zerbirst.

Gewalt jedoch wird nicht spürbar, nur dieser unablässige Rhythmus der Wellen.

Bilder, die die gezähmten Wellen eines Sees zeigen, ersetzen jene des Meeres. In die Oberfläche des Sees, verformt von der Bewegung des Wassers, schreibt sich ein das Spiegelbild Batailles. Das Brechen der Wellen wird ersetzt durch ein Klirren: in einem nahen Segelhafen schlagen im leichten Wind die Kabel gegen die Masten.

Bataille entfernt sich vom Seeufer, geht zum Hotel zurück.

Die Kamera fährt langsam über die Wände des schwach erleuchteten Hotelzimmers hin. Auf ihrem Weg: der Tisch, ein mit einigen Sätzen bedecktes Blatt. Bataille, an den Rahmen der Balkontür gelehnt, schaut nach draußen.

Inn.Stimme.Bat.

Wir blieben, wie verloren, auf dem Quai des Bahnhofs zurück. Die Stimme, die die Ankunft verkündet hatte, war seit Langem verstummt, und der Zug, der uns hergebracht hatte, war auf dem Rückweg. Die hellblauen Läden des weiß getünchten Bahnhofsgebäudes schlugen im Wind. Der alte Bus schleppte sich vom Vorplatz, zog eine lange Schleife bis der Bahnhof außer Sichtweite geriet.

Hinter den verstaubten Busfenstern zogen mittelalterliche Ansichten vorbei: vom Alter angefressene Mauern, gebeugte Frauen ganz in Schwarz und, verstreut in der menschenleeren

Landschaft, unbehauene Steinblöcke aus einer anderen Epoche.

In der ruhigen Oberfläche eines Bassins spiegelt sich die Silhouette eines verliebten Paares. Von fern, davongetragen vom schwachen Wind, ein Klavierstück, ein Tango aus den dreißiger Jahren. In den Gängen eines französischen Gartens tauchen flüchtig Gestalten auf, als nähmen sie teil an einem Versteckspiel. Die Musik wird schwächer, Atemholen, Herzschlag erfüllen den Tonraum. Bataille verlangsamt seine Schritte, kommt aus dem Laufen heraus zum Stehen. Auf der Kreuzung zweier Alleen schaut er um sich, verloren. Am Ende der von hohen beschnittenen Hecken gebildeten Gänge tauchen erneut Gestalten auf, verschwinden wieder. Mädchengelächter. Die hohen Pflanzenmauern erlauben keine Gesamtsicht, nur der Himmel bleibt offen.

Drohend legt eine Hand sich auf die Schulter Batailles. Eine neutrale Stimme fragt

Suchen Sie jemand?

Heftige dreht Bataille sich um die eigene Achse. Ein Mann von erschreckender Größe mustert den Eindringling. Sein von Falten durchfurchtes Gesicht steht heraus vor der Fassade eines Schlosses. Bataille fängt sich wieder

Nein...ich habe nur Ihren Garten bewundert...

Das Dekor hinter Bataille hat sich geändert. Um ein friedliches Wasserbecken herum dehnen sich Rasenflächen, Hecken in ungezwungener Geometrie und, gut sichtbar: der Horizont.

Der Besitzer

Wenn es Ihnen so gut gefällt, warum schauen Sie sich dann nicht ein wenig um?

Das Seeufer im Frühnebel. Zum Liebestodlied Isoldes (Wagner) driftet eine Barke aufs Wasser hinaus. Die Umrisse des Mannes an Bord lösen sich auf in das dichte Grau. Eine Frau, die, verlassen, auf fester Erde zurückbleibt, singt ihr Leiden, reinigt sich. Das Losungswort löst die Szene auf:

Schnitt!

Während das Liebestodlied weiterläuft, formt der Mund Yvonnes nicht mehr die dazu gehörenden Worte. Eine Fahrt zurück legt einen Drehort frei; und auch der Nebel war künstlich erzeugt.

Bataille tritt in das Blickfeld: er war Zuschauer (wie wir). Er nähert sich jedoch nicht Yvonne, sondern wendet sich an einen Techniker.

Die weiße Zimmerdecke des Hotelzimmers, von unten gesehen. Stillstand des Bildes.

Inn.Stimme.Bat.

...noch wollte er sie nicht ansprechen. Irgendwo zwischen den Villen führte sie ein eigenes, von ihm unabhängiges Leben...es war jenes Fieber, das er früher gekannt hatte, als jede Begegnung mit der Geliebten noch „alles“ hatte bedeuten können: Fortführung oder abruptes Ende einer Geschichte... ...rastlos lief er im Zimmer auf und ab, griff Gegenstände auf, setzte sich an die Maschine; wollte zu ihr, und hatte doch Angst, den schönen Traum, das erste Verliebtsein zu zerstören...