Piet Lührs hat sich Hals über Kopf in die bildhübsche Maike
Steenhuis verliebt, die seit einiger Zeit im SILBERNEN HERING
arbeitet. Aber das junge Mädchen lässt nichts anbrennen. Ganz zum
Leidwesen von Piet Lührs, der Maike lieber heute als morgen
heiraten würde …
Zu allem Überfluss verliebt sich Maike in Roluf Weyh aus
Emden, der angeblich der Erbe und neue Besitzer des SILBERNE
HERINGS ist.
Beide Männer begeben sich auf eine Tour ins Moor.
Nur einer kehrt zurück und ein schlimmer Verdacht kommt
auf!
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books,
Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press,
Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition,
Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints
von
Alfred Bekker
© Roman by Author
“Fred Wiards” ist ein Pseudonym von Alfred Bekker
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress,
Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich
lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und
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Alles rund um Belletristik!
1
Piet Lührs atmete tief durch und blickte hinter sich. Die
Gruppe von Touristen, mit der er den ganzen Tag im Berumerfehner
Moor unterwegs gewesen war, folgte ihm.
„Ich habe mächtig Durst nach diesem langen Gang!“, meinte ein
etwas dicklicher Geschäftsmann aus der Stadt, der mit seiner Frau
diese Tour mitgemacht hatte.
Der junge Moorführer Piet Lührs deutete mit ausgestreckter
Hand über die flache Landschaft Ostfrieslands mit den tiefhängenden
Wolken. Auf halben Weg zu dem kleinen Dorf, dessen Häuser sich um
um einen windschiefen Kirchturm scharten, war eine ansehnliche
Gaststätte zu sehen.
„Das ist die Gaststätte zum SILBERNEN HERING“, erklärte Piet.
„Soweit ich das beurteilen kann, gibt es dort das beste Bier und
den besten Korn im weiten Umkreis!“
„Ich bin im Moment nicht gerade wählerisch“, gestand der
Geschäftsmann. „In diesem Augenblick wäre mir wohl alles
recht!“
Und seine Frau ergänzte: „Eine ordentliche Zwischenmahlzeit,
das wäre jetzt richtig!“
Aus insgesamt zehn Personen bestand die Gruppe, mit der Piet
Lührs am Morgen losgezogen war.
Die Aussicht, in eine Gaststätte einziehen zu können,
beflügelte die Teilnehmer der Moortour. Die bleierne Müdigkeit, die
sich noch wenige Augenblicke zuvor über die Gruppe gelegt hatte,
war von den meisten auf einmal abgefallen.
Und so brauchten sie nicht besonders lange, bis sie endlich
den SILBERNEN HERING erreicht hatten.
Sie betraten gut gelaunt den Gastraum und setzten sich an die
rustikalen Holztische.
An den Wänden hingen Fischernetze und getrocknetes Getier aus
der Nordsee. Und wenn man durch das Fenster blickte, so konnte man
die flache Landschaft sehen, die sich als Ebene kilometerweit
erstreckte.
„Das war schon ein außergewöhnliches Erlebnis“, wandte sich
einer der Teilnehmer mit Dankbarkeit an den jungen
Moorführer.
„Schön, wenn es Ihnen gefallen hat“, erwiderte Piet Lührs
freundlich.
„Mit Ihnen würde ich jederzeit wieder auf Tour gehen, Herr
Lührs!“
„Ich hätte nichts dagegen“, meinte Piet.
Aber er hatte kaum ein Ohr für den Mann, der sich jetzt seine
Jacke auszog, sie an den Haken hängte und sich dann zu den anderen
an den Tisch setzte.
Die Augen von Piet hingen die ganze Zeit über an dem
wunderschönen, attraktiven Mädchen, das hier im SILBERNEN HERING
bediente.
Ein schickes Kleid trug sie, und das blonde Haar hatte sie zu
einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Ihr Gesicht war
feingeschnitten und das Blitzen in ihren Augen machte die gesamte
männliche Bevölkerung des Ortes ganz verrückt, auch wenn zumindest
der verheiratete Teil das niemals zugegeben hätte.
Es war Maike Steenhuis. Das hübsche Mädchen arbeitete seit
einiger Zeit hier im SILBERNEN HERING. Und seit Hauke van Lessen,
dem das Lokal gehörte, gesundheitlich so angeschlagen war, war sie
fast so etwas wie eine Geschäftsführerin.
Piet seufzte still, als er Maike so ansah.
Ich habe mich bis über beide Ohren in das Mädchen verliebt,
war dem jungen Mann klar.
Aber das junge Mädchen ließ nichts anbrennen. Ganz zum
Leidwesen von Piet Lührs, der Maike lieber heute als morgen
geheiratet hätte.
Die anderen Teilnehmer der Moortour forderten Piet lautstark
auf, sich zu ihnen zu setzen, aber der junge Mann hatte zunächst
anderes im Sinn.
Er wartete ab, bis Maike sich um sie gekümmert und ihre
Bestellungen aufgenommen hatte.
Als sie dann an ihm vorbeikam, sprach er sie an.
„Moin, Maike!“
„Moin, Piet! Alles gut gegangen auf deiner Moortour?“
„Sicher!“
Das Mädchen lachte, dabei blitzten die strahlend weißen Zähne.
Das Lächeln war bezaubernd.
„Die Leute, mit denen du aus den Mooren zurückkommst, sind
immer besonders hungrig!“, stellte sie dann fest. „Aber das ist nur
gut fürs Geschäft! Und ein stattliches Trinkgeld wird sicher auch
diesmal herausspringen. Da bin ich mir eigentlich ziemlich
sicher!“
Piet erwiderte ihr Lächeln.
„Da siehst du, wie ich zu dir bin, Maike! Ich bringe die
ganzen hungrigen Moorgänger zu dir!“
Maike lachte.
„Ein Kunststück ist das! Wo es doch nur eine einzige
Gaststätte in weitem Umkreis gibt – und das ist eben der SILBERNE
HERING!“
Jetzt wollte Maike weiter, aber Piet hielt sie am Arm. „Maike
…“, kam es in gedämpftem Tonfall über seine Lippen.
Er musste schlucken.
Und plötzlich wusste er auch gar nicht mehr, was er ihr
eigentlich hatte sagen wollen. Sein Kopf schien mit einem Mal
völlig leer.
Maike sah ihn auf eine Art und Weise an, die ihm nicht gefiel.
Etwas mitleidig eben.
„Was ist denn, Piet?“, fragte sie, während die Touristen am
Tisch schon zu gucken anfingen, was denn da vor sich ging.
„Ich dachte, du hättest es dir vielleicht noch einmal
überlegt. Ich wäre keine schlechte Partie, Maike! Du weißt, dass
ich einmal die Schreinerei meines Vaters übernehmen werde.“
„Sicher …“, unterbrach das Mädchen, das diese Unterhaltung
eigentlich nicht weiter fortsetzen wollte. Sie konnte sich nämlich
schon denken, was jetzt kam. „Du bist sicher ein netter, fleißiger
junger Mann, Piet. Und ich habe dich auch sehr gern. Aber ich will
einfach noch nicht soweit denken, in nächster Zeit zu
heiraten.“
„Ist das dein letztes Wort?“
„Im Moment schon, Piet. Und jetzt muss ich wirklich weiter.
Man schaut schon zu uns herüber.“
Piet ließ sie los. Er erkannte, dass er sich hier und jetzt
nur lächerlich machen würde.
Eigentlich hast doch nichts anderes erwarten können, ging es
ihm ärgerlich durch den Kopf. Die ganze Gegend ist schließlich in
das Mädchen verliebt! Warum sollte sie gerade mich nehmen?
Der junge Moorführer sah Maike nach, die inzwischen in der
Küche verschwand.
Dann setzte Piet Lührs sich zu den Touristen an den
Tisch.
Ein Glas Bier, das würde auch ihm guttun. Und dazu eine
kräftige Mahlzeit. Schließlich war die Moortour – so sehr er auch
daran gewöhnt war – auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen.
2
Es war schon nach Mitternacht, als die letzten Gäste den
SILBERNEN HERING verlassen hatten. Maike Steenhuis bewohnte ein
Zimmer im Dachgeschoss des Hauses. Ihre Eltern waren früh
verstorben, und so war das Mädchen ganz auf sich allein
gestellt.
Nachdem die letzten Gäste gegangen waren und Maike ihre
Abrechnung in Ordnung gebracht hatte, ging sie dann die Treppe
hinauf. Die Füße taten ihr weh, und sie war hundemüde.
Es war ein anstrengender Tag gewesen. Das Geschäft ging zwar
gut, und die Trinkgelder waren in Strömen geflossen, aber jetzt
fühlte Maike sich völlig zerschlagen. Sie gähnte in der Sicherheit,
von niemandem beobachtet zu werden.
„Maike“, wisperte eine Stimme, als sie den ersten
Treppenabsatz erreicht hatte.
Es war die alte Göntje, die Hauke van Lessen als seine
Pflegerin in den SILBERNEN HERING geholt hatte, seit es ihm so
schlecht ging und er krank im Bett lag.
Früher war Göntje Helferin in einer großen Fischerei in der
Umgebung gewesen. Mit van Lessen war sie sehr weitläufig
verwandt.
„Du hast mich erschreckt“, sagte Maike und atmete dann erst
einmal tief durch. „Was ist denn los? Du bist so spät noch
auf?“
Das Gesicht der alten Göntje war sehr ernst.
So ernst, dass Maike unwillkürlich zusammenzuckte.
Die junge Frau spürte, dass irgendetwas nicht in Ordnung
war.
„Etwas Furchtbares ist geschehen, Maike“, brachte die alte
Göntje dann stockend heraus.
Sie fasste Maike bei der Schulter.
„Was?“, flüsterte das Mädchen, obgleich sie es bereits
ahnte.
„Hauke!“
„Soll ich den Arzt rufen?“
Göntje schüttelte traurig den Kopf.
„Nein, das hat keinen Sinn mehr. Hauke ist tot, Maike.“
Maike fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. „Nein, das darf
doch nicht wahr sein“, kam es flüsternd über ihre Lippen. Sie hatte
sich van Lessen sehr verbunden gefühlt, denn schließlich hatte er
ihr hier eine Stelle gegeben, als sie dringend darauf angewiesen
war.
Ein gütiger Mensch mit einem freundlichen Gemüt, so war der
Wirt des SILBERNEN HERINGS immer gewesen. Und jetzt lebte er nicht
mehr!
Maike wollte es noch gar nicht so recht glauben.
„Wir müssen uns mit den Tatsachen abfinden“, hörte das Mädchen
indessen die alte Göntje sagen. „So schwer das auch fallen
mag.“
„Ach, Göntje!“
„Für dich wird sich erst mal nichts ändern Kind.“
Maike sah die alte Frau erstaunt an. „Heißt das auch, dass
…“
„Dass der SILBERNE HERING morgen wie an jedem anderen Tag
geöffnet haben wird, ja. Das war sein ausdrücklicher Wille.“
Maike zuckte die Schultern.
„Gut, wenn du es sagst!“ Nach kurzer Pause setzte Maike dann
noch hinzu: „Es muss trotzdem ein Arzt gerufen werden. Selbst, wenn
er nur noch den Tod feststellen kann!“
Der Blick der alten Göntje war auf einmal etwas
abweisend.
Ihre funkelnden Augen blickten das junge Mädchen ein paar
Augenblicke lang durchdringend an. Dann, nachdem die alte Frau eine
Zeitlang überlegt zu haben schien, nickte sie schließlich.
„Du hast vielleicht recht“, murmelte sie. „Ja, früher in den
alten Zeiten, ist das alles ein bisschen anders gewesen.“
3
Es war ein sonniger Tag, aber trotz allem hatte Piet Lührs
heute keine Touristengruppe, die er in die Moore führen musste. Und
so half er seinem Vater in der Schreinerei.
Bis zum Mittag war das laute Kreischen der Säge weithin zu
hören, mit dem Bretter zugeschnitten wurden. Dann kam die Frau des
Schreiners, um die beiden Männer zu einer Brotzeit zu rufen.
„Ich habe keinen Hunger“, brummte Piet.
„Was ist denn los mit dir? Was machst du so ein missmutiges
Gesicht?“ Frau Lührs runzelte die Stirn. So kannte sie ihren Sohn
gar nicht.
„Es ist nichts“, behauptete Piet. Aber das Gesicht, das er
machte, strafte ihn lügen.
„Komm schon“, sagte sein Vater. „Etwas essen musst du schon!
Schließlich kann man nicht mit leerem Magen schwere Arbeit
verrichten!“
Auch dem Schreiner war nicht entgangen, dass sein Sohn an
diesem Morgen ungewöhnlich wortkarg gewesen war. Irgendein Kummer
schien ihn zu bedrücken.
Aber Herr Lührs kannte seinen Sohn gut genug, um zu wissen,
dass er nicht versuchen durfte, weiter in ihn zu dringen. Sonst
würde er sich nur noch mehr verschließen.
„Er wird uns schon sagen, was los ist, wenn er meint, dass es
an der Zeit ist“, war Lührs überzeugt und blickte seine Frau
zuversichtlich an.
Die Frau des Schreiners wollte etwas erwidern, aber dann
ließen ein paar schnelle Schritte alle drei in Richtung des
Wohnhauses blicken, das von der Schreinerei nur ein paar Dutzend
Meter entfernt war.
Es war Wiebke, die Tochter des Bauern Drentwede, dessen Hof
ganz in der Nähe lag.
Ein hübsches Mädchen war Wiebke.
Das braune Haar fiel lang über die Schultern, und ihr
feingeschnittenes Gesicht strahlte viel Freundlichkeit und
Heiterkeit aus.
“Moin!”
Freundlich begrüßte Wiebke die Familie. Sie war gekommen, um
die Rechnung ihres Vaters zu bezahlen, für den Lührs etwas
gearbeitet hatte. Der Schreiner nahm das Geld, das Wiebke ihm
reichte und steckte es in die Tasche.
„Wenn nur alle so pünktlich ihre Rechnungen zahlen würden, wie
ihr das tut“, meinte Lührs.
Und dann hatte das Mädchen auch noch eine Neuigkeit zu
berichten.
„Habt ihr schon gehört, was passiert ist?“, fragte sie.
„Nein, nichts haben wir gehört“, erwiderte Frau Lührs, die
unwillkürlich etwas den Hals reckte.
„Hauke van Lessen ist tot!“
„Der Wirt vom SILBERNEN HERING?“, fragte Frau Lührs
überflüssigerweise, und ihrem Mann entfuhr ein unwillkürliches:
„Das musste ja so kommen.“
Wiebke seufzte indessen. „Er ist ja schon lange krank gewesen.
Und auf seinen Arzt hat er wohl auch nie gehört.“
„Und wie geht es jetzt mit der Gaststätte weiter?“, meldete
sich plötzlich Piet zu Wort. Denn seine Gedanken waren nicht nur
bei dem Toten, den er gut gekannt hatte. Er dachte auch an
Maike.
Wiebke, die insgeheim immer für Piet geschwärmt und ihre
Hoffnungen nie ganz aufgegeben hatte, wusste sofort, weshalb Piet
sich danach erkundigte. Ihre Stirn umwölkte sich.
„Das ist noch nicht raus“, sagte sie. Und dann setzte sie noch
mit einem etwas bitteren Unterton hinzu: „Aber du kannst ja Maike
fragen. Die wird sicher mehr wissen!“
„Das werde ich auch“, murmelte Piet und ging sogleich
davon.
Frau Lührs seufzte. „Ob das was mit Maike zu tun hat, dass
unser Junge so schlechte Laune hat?“
„Mir gefällt es nicht, dass Piet dem Mädchen noch immer
hinterherläuft, obwohl sie doch ganz offensichtlich nichts
Ernsthaftes mit ihm anfangen wollte.“ Der Schreiner zuckte die
breiten Schultern. „Düwel nochmal, ich habe gedacht, dass diese
Sache längst vorbei wäre! Aber da habe ich mich wohl getäuscht!“
Dann wandte sich die Frau des Schreiners an Wiebke Drentwede. „Wir
wollten gerade einen Imbiss nehmen! Hast du nicht auch ein bisschen
Hunger?“
Aber das Mädchen, das auf einmal ziemlich traurig wirkte,
schüttelte den Kopf.
„Nein, vielen Dank, aber ich muss gleich wieder zurück. Ich
habe noch viel zu tun.“
Als sie davonging, sahen der alte Lührs und seine Frau ihr
nach und der Schreiner raunte: „Ich versteh den Jungen nicht! Läuft
dieser Maike nach, anstatt einmal die Augen aufzumachen! Wiebke
wäre schon eher eine Schwiegertochter nach meinem Geschmack!“
„Der Junge wird schon noch zur Besinnung kommen“, war indessen
Frau Lührs zuversichtlich.
4
Im SILBERNEN HERING war um diese Zeit kein Mensch. Nur Maike
stand am Fenster und sah nachdenklich hinaus. Sie drehte sich um,
als sie hinter sich jemanden durch die Tür kommen hörte.
„Moin, Piet!“, stieß sie hervor.
„Moin, Maike!“
Das Mädchen hob die Schultern. „Heute ist nicht gerade viel
Betrieb im SILBERNEN HERING“, meinte sie.
Piet trat auf sie zu und sah sie an. Aber der Blick ihrer
hellblauen Augen wich dem seinen aus.
„Ich habe gehört, was mit dem Wirt passiert ist“, brachte er
dann heraus. „Und ich wollte dir eigentlich nur nochmal sagen, dass
mein Angebot immer noch gilt! Du kannst zu uns in die Schreinerei
kommen.“
„… und dich heiraten!“, vollendete Maike und schüttelte dann
energisch den Kopf.
Nein, das kam für sie nicht in Frage! Schon gar nicht mit
einem Mann, den sie zwar ganz nett fand, für den sie aber keine
Liebe oder gar Leidenschaft empfinden konnte.
Piet schluckte.
„Du Töffel, es ist doch das Beste!“
„Ach komm, Piet! Wann wirst es endlich begreifen? Ich habe es
dir doch schon so oft erklärt.“
„Wer wird denn hier alles erben?“
Maike zuckte die Achseln. Das Unbehagen stand ihr ins Gesicht
geschrieben.
„Das ist noch nicht heraus“, meinte sie, froh, das Gespräch
vielleicht auf ein anderes Gebiet lenken zu können. „Göntje hofft,
dass der Wirt sie bedacht hat. Schließlich stand sie ihm in der
letzten Zeit am nächsten und hat ihn gepflegt. Außerdem meint sie,
van Lessen habe weiter keine Verwandtschaft mehr gehabt.“
„Und wie sieht es mit deiner Zukunft aus?“
„Göntje meint, es solle erst einmal alles so weiterlaufen wie
bisher“, berichtete das bildhübsche Mädchen wahrheitsgemäß. „Es
wird schon alles gut werden“, setzte es dann noch hinzu.
„Das sagt sich so einfach!“
„Hör mal, Piet! Mach du dir mal um mich keine Sorgen! Ich
werde schon zurechtkommen!“
Piet nickte etwas niedergeschlagen. Aber er fühlte sich
einfach so sehr zu Maike hingezogen, dass er nicht anders konnte,
als sie immer und immer wieder zu fragen. Auch wenn er die Antwort
längst im Vorhinein gewusst hatte.
„Vielleicht überlegst du es dir noch einmal“, meinte er
dann.
„Nee, Piet!“
„Bitte, Maike!“
5
Die Tage gingen einer wie der andere ins Land. Der Wirt vom
SILBERNEN HERING wurde zu Grabe getragen und der ganze Ort trauerte
um Hauke van Lessen, der Zeit seines Lebens immer viele Freunde in
der Gegend gehabt hatte.