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Unerschrockenheit im Angesicht des Jenseits – ein Plädoyer für die göttliche Phantasie
Unmittelbar vor seiner Hinrichtung im Staatsgefängnis von Athen unternahm Sokrates das „wunderbare Wagnis“, sich sein Leben nach dem Tod bildhaft vorzustellen. In ähnlicher Weise ist Dantes „Göttliche Komödie“ der klassische Versuch, das Jenseits mit den Mitteln der christlichen Glaubens-Phantasie vorwegzunehmen. Für Hans Conrad Zander bietet das moderne Weltbild mit seiner grenzenlosen Weite und Wucht eine viel bessere Vorlage für religiöse Jenseits-Vorstellungen als das eng geschlossene mittelalterliche Weltbild Dantes. Im Sinne von Sokrates und Dante wagt Zander es in diesem Buch, die fabelhaften Lebensmöglichkeiten zu erkunden, welche die göttliche Schöpfungsphantasie für uns im Jenseits bereithält.
Das Buch ist ein provozierendes Bekenntnis zur Unsterblichkeit jedes einzelnen Menschen.
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Seitenzahl: 260
Sein oder Nichtsein, das ist nicht die Frage. Es ist ja auch gar nicht die Frage, die Shakespeare bewegt hat. Wohl beginnt der dramatischste aller Monologe Hamlets mit eben diesen Worten: »to be or not to be«. Aber ist es ein Zufall, dass dieser etwas volltönende Spruch so oft, so leicht und so banal im Zitat verfremdet wird? Aus dem Zusammenhang gerissen erinnert er allzu sehr an den logischen Winkelzug, mit dem einst Epikur den Griechen die Angst vor dem »schauerlichsten Übel« ausreden wollte:
»Das schauerlichste Übel, der Tod, geht uns nichts an. Denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr da.«
Wenn das ein Trost ist, dann hat uns Epikur einen dünnen, zerebralen Trost beschert. Shakespeare dagegen ist von ungleich kräftigerem Kaliber. Nein, den Tod fürchtet Hamlet nicht. Für ihn ist er keineswegs »das schauerlichste Übel«. Im Gegenteil: den Tod erwartet seine Seele mit dem Vorgefühl der Erleichterung. Endet doch der Tod »das Weh des Herzens und die tausend Schläge, die des Lebens Erbteil sind«.
Warum also die »calamity of so long a life« ertragen? Warum nicht gern und freiwillig sterben? Warum nicht gar dem Tod selber nachhelfen?
»Denn wer ertrüg’ die Geissel und den Spott der Zeit,Den Übergriff der Mächtigen, den Hohn der Stolzen,Verschmähter Liebe Schmerz, verlornes Recht,Die Arroganz der Ämter und den FusstrittDes Gemeinen für den wortlosen Verdienst.«
Wer wollte das Leben durch alle Jahre ertragen, wo es doch, fragt Hamlet, »nur einer blanken Nadel« bedürfte, um hinüberzugehen in die Erlösung durch das blanke Nichts? Was ist es, das ihn selbst davor zurückhält, seinem Leben ein Ende zu setzen?
Nicht das Grausen vor dem Tod ist das, sondern jene viel tiefere Angst, die dir und mir und allen Menschen unergründlich in der Seele steckt: »It is the dread of something after death ...«
»Es ist die Angst vor etwas nach dem Tod,Vor jenem unentdeckten Land, aus demKein Wanderer wiederkehrt ...«
»Wanderer«, sagt Schlegel in seiner allzu romantischen Übersetzung. Wandern ist die schönste Sache der Welt. Aber Shakespeare hat nicht an »the wanderlust« gedacht. Nicht »wanderer«, nein, »traveller« heisst sein Wort. Das kommt von »travail«, von »Arbeit«, »Mühsal«, »Strapaze«. Mühselig und vor allen Dingen gefährlich war das Reisen zu Shakespeares Zeit. Wieviel mühseliger und gefährlicher noch musste die Reise sein in jenes »undiscover’d country« nach dem Tod, vor dem es Hamlet schaudert.
Wenig wissen wir über Shakespeares Leben und Person. Katholik sei Shakespeare gewesen, lautet eine neuere Erklärung, deshalb habe er sich lebenslang vor der Kirche von England im Untergrund ducken müssen. Kann das stimmen? Auf den ersten Blick wirkt nichts katholisch, gar nichts auch nur irgendwie christlich an Hamlets Angst vor der Unsterblichkeit. Christlich wäre doch das dreifache Alleluja zur Feier der Auferstehung in der Osternacht. Oder nicht?
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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