Wenn Wünsche töten könnten - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Wenn Wünsche töten könnten E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Während eines Aufenthalts auf einem Luxusdampfer begegnet der bekannte Künstler Heinz Wartegg Linda Rittberg. Der Witwer ist sofort von der jungen und hübschen Frau angetan. Tochter Roberta findet sie hingegen von Anfang an unsympathisch. Dennoch bleibt Heinz Wartegg mit der schönen Reisebekanntschaft in Kontakt und die beiden heiraten schließlich. Linda wähnt sich am Ziel ihrer Träume. Doch dann erfährt sie, dass ihr Ehemann gar nicht so vermögend ist, wie sie eigentlich dachte. Die junge Frau ist außer sich ...-

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Hedwig Courths-Mahler

Wenn Wünsche töten könnten

 

Saga

Wenn Wünsche töten könnten

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1925, 2022 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728472927

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

I

Roberta Wartegg schritt an dem Arm ihres Vaters über die Promenade des großen Luxusdampfers. Die Schiffskapelle spielte, und viele Passagiere waren auf Deck. Eine internationale Gesellschaft reiste auf dem mit allem Komfort versehenen Riesenschiff, das Leben an Bord glich einem einzigen Fest. Da das Wetter günstig war, konnte man die Seereise voll auskosten.

Heinz Wartegg war ein bekannter Maler. Sein Name hatte einen guten Klang bekommen, seit vor Jahren sein Bild »Die schöne Spanierin« preisgekrönt wurde. Man sah Abbildungen seines Gemäldes in allen Kunsthandlungen. Es war sein größter Erfolg, keines seiner späteren Bilder hatte nur annähernd soviel von sich reden gemacht. Er war sehr von Stimmungen abhängig und konnte nur arbeiten, wenn kein Muß hinter ihm stand. Es wäre ihm nicht möglich gewesen, von seinem Einkommen das luxuriöse Leben zu bestreiten, das er führte, aber er hatte eine Frau geheiratet, die ein Riesenvermögen in die Ehe gebracht hatte.

Bevor er sie kennenlernte, war er ein unbekannter Maler gewesen, von dem niemand sprach. Das wurde mit einem Schlag anders, als er seine schöne junge Frau heimführte. Sie stellte ihn überall vor, führte ein großes Haus, um ihn mit maßgeblichen Persönlichkeiten bekannt zu machen. Sie begeisterte ihn durch ihre Schönheit und Grazie und gab ihm so die Bedeutung, die er ohne sie nie erreicht hätte. Er malte sie als Spanierin, und dies Bild machte seinen Namen bekannt. »Die schöne Spanierin« war in aller Mund, aber vielleicht hatte das bezaubernde Modell mehr Verdienst am Gelingen dieses Werkes als der Meister selbst. Es lag eine Art suggestiver Kraft in der Liebe der schönen und klugen Frau zu ihrem Gatten.

Heinz Wartegg hatte Isabella Carena auf einem Blumenfest in Nizza kennengelernt. Den Besuch ermöglichte ihm sein Freund, der Bildhauer Walter Goebel, der durch den unerwartet günstigen Verkauf seiner letzten Schöpfung zu Geld gekommen war.

Auf dem Balkon eines Hotels hatte der junge Maler die schöne Südländerin zum ersten Mal erblickt und sich auf der Stelle in sie verliebt.

Isabella sah den schlanken, hochgewachsenen Deutschen überall in ihrer Nähe auftauchen, und seine bewundernden Blicke nahmen sie gefangen. Isabella Carena machte mit ihrer Mutter eine Reise durch Europa. Ihr Vater, ein Spanier, besaß große Plantagen in Brasilien, und dort hatte Isabella ihr bisheriges Leben verbracht. Mutter und Tochter liebten sich zärtlich. Kurz vor seinem Tod hatte Isabellas Vater den größten Teil seiner Ländereien gut verkauft und das Geld sicher angelegt. Nur seine schönste Hazienda hatte er behalten. Diese Hazienda blieb in Isabellas Besitz, und sie hatte die Absicht, nach der Reise durch Europa wieder dahin zurückzukehren. Aber es sollte anders kommen.

Heinz Wartegg, der Isabella lange Zeit nur aus der Ferne hatte bewundern können, fand eines Tages Gelegenheit, sich beiden Damen vorstellen zu lassen. Die Liebenden verlebten herrliche Zeiten miteinander. Walter Goebel, der die schöne Isabella auch bewunderte, aber neidlos dem Freund ihre Liebe gönnte, lenkte die Mutter ab. Aber der Aufenthalt der beiden Freunde näherte sich seinem Ende.

»Wir müssen heim, Heinz. Nun sieh zu, daß — du mit Isabella ins reine kommst.«

Aber obgleich Heinz der schönen Spanierin seine Liebe deutlich gezeigt hatte, wagte er nicht, um ihre Hand anzuhalten. Was war er schon, was hatte er dem schönen und reichen Mädchen zu bieten?

Da kam ihm ein Zufall zu Hilfe. Isabella und ihre Mutter hatten einen Ausflug im Wagen gemacht. Heinz trieb die Sehnsucht, der Geliebten nachzugehen. Auf der am Meer entlangführenden Straße sah er den Wagen der Damen in rasendem Tempo daherkommen. Die Pferde waren scheu geworden und jagten einer gefährlichen Stelle zu.

Heinz Wartegg erkannte die Gefahr, sprang beherzt den durchgehenden Tieren entgegen und hängte sich mit seiner ganzen Kraft in die Zügel. In seiner liebenswürdig ritterlichen Art stellte er sich dann den Damen zur Verfügung, glückselig, daß die Geliebte unversehrt war.

Sie küßten sich, vom Augenblick bezwungen, und Isabellas Mutter reichte Heinz Wartegg die Hand. So war Heinz Wartegg Isabellas Verlobter geworden. In der Nacht wurde er in das Hotel gerufen, in dem die beiden Damen wohnten. Isabellas Mutter hatte Herzkrämpfe bekommen. Sie fühlte ihr Ende nahen. Sie bat Heinz, ihre Tochter nicht zu verlassen und sie glücklich zu machen. Señora Carena starb noch in dieser Nacht. Nach der Beisetzung folgte Isabella den beiden Freunden nach Deutschland, und in Düsseldorf wurde sie Heinz Warteggs Frau. Sie schenkte ihrem Gatten eine Tochter, die Roberta getauft und von ihren Eltern Berty genannt wurde. Als Berty fünfzehn Jahre alt war, erkrankte ihre Mutter an einer schweren Lungenentzündung und starb nach wenigen Tagen in den Armen ihres verzweifelten Gatten.

In der Düsseldorfer Villa Wartegg, die Isabella nach ihrer Verheiratung ganz nach dem Geschmack ihres Gatten hatte erbauen lassen, wurde es sehr still. Vater und Tochter schlossen sich noch inniger aneinander, Berty übertrug alle ihre Liebe nun auf den Vater und sah in ihm, wie die Verstorbene es sie gelehrt, das Höchste und Beste, die Verkörperung aller Tugenden.

Immer wieder suchte sie Trost und Beruhigung bei ihm, immer wieder zog sie ihn in die Zimmer der Mutter, wo das Bild hing, das seinen Namen bekanntgemacht hatte und von dem sie sich niemals trennen wollte.

Berty Wartegg war ihrer Mutter von Jahr zu Jahr ähnlicher geworden, und mit zwanzig Jahren war sie zur vollen Schönheit erblüht. Sie besaß alle Reize ihrer Mutter, nur nicht deren schwarzes Haar. Sie hatte das blonde Haar des Vaters geerbt.

Fünf Jahre waren seit dem Tod ihrer Mutter vergangen, und in dieser Zeit hatte ihr Vater sie sehr verwöhnt, wie sie selbst ja auch alles tat, ihm die Wünsche schon von den Augen abzulesen. Er war ihr Ideal und füllte ihr Herz vollständig aus. Sie hatte noch an keinem anderen Mann Interesse gezeigt. Niemand hielt den Vergleich mit dem Vater aus. Aber Heinz Warteggs Leben war nicht mehr ganz ausgefüllt. Wohl hatte er sie herzlich lieb, er hatte auch seine Frau ehrlich und tief betrauert. Aber als sie starb, war er ein Mann in der Mitte der Vierzig, er hatte noch nicht mit dem Leben abgeschlossen. Nachdem er den ersten Schmerz über den Verlust Isabellas verwunden hatte, wurden andere Wünsche in ihm wach.

Berty jedoch war überzeugt, daß der Vater der Mutter die Treue hielt über das Grab hinaus und daß nie wieder eine Frau eine Rolle in seinem Leben spielen würde. Heinz Wartegg hütete sich, seinem Kind diese Illusion zu rauben. Im Grunde war er weit davon entfernt, dem Ideal zu gleichen, das Berty aus ihm gemacht hatte. Er war wohl ein liebenswürdiger, aber doch ziemlich oberflächlicher Mensch, der das Glück hatte, immer überschätzt zu werden.

Er hatte außer der »Schönen Spanierin« noch einige gute Bilder gemalt, alle unter dem Einfluß seiner Frau. Sehr produktiv war er nie gewesen, nie frei von einer etwas glatten, weichlichen Manier, der das kraftvoll Gestaltende fehlte. Zu Lebzeiten Isabellas hatte ihre Seele auf sein Schaffen vertiefend und veredelnd gewirkt, wie auf seine ganze Persönlichkeit. Seit ihrem Tod aber war er mehr und mehr verflacht, und man ließ ihn höchstens noch als liebenswürdiges Talent gelten. Daß er wenige Bilder verkaufte, kümmerte ihn nicht, da er darauf nicht angewiesen war. Allerdings war Berty von ihrer Mutter zur Universalerbin eingesetzt worden, aber ihm stand bis zu seinem Tod der Zinsgenuß aus einer halben Million zu und das Recht, in Villa Wartegg ein bleibendes Domizil zu behalten. Damit hatte Isabella den Gatten keineswegs übergehen wollen. Sie hatte sich mit Einverständnis Warteggs lediglich das Testament ihres eigenen Vaters zum Muster genommen. Und es war ihr selbstverständlich erschienen, daß ihr Gatte mehr an Bertys Zukunft denken würde als an sich selbst. Außerdem hoffte sie ja damals auf eine lange Dauer ihrer Ehe.

Heinz Wartegg war das Testament nicht sehr wichtig erschienen. Er sah, daß für seine persönlichen Bedürfnisse gesorgt war, alles weitere kümmerte ihn in seiner leichtlebigen Art nicht.

Einige Monate nach der Mutter Tod war Berty in ein Genfer Pensionat gegangen. Der Vater hatte in ihrer Abwesenheit seine Junggesellengewohnheiten wieder aufgenommen und ein vergnügliches Leben geführt, während Berty ihm aus Genf noch immer rührende Trostbriefe schrieb. Als sie dann heimkehrte, spielte er ihr geschickt eine kleine Komödie vor, als habe er den Verlust seiner Gattin noch nicht verschmerzt. Wenn seine Tochter längst im tiefen Schlummer lag, saß er noch lustig im Kreise seiner Freunde und Freundinnen und amüsierte sich. »Ich kann doch meine Tage nicht als Klosterbruder beschließen«, sagte er zu sich selbst.

II

Roberta sollte in die Gesellschaft eingeführt werden. Aber sie sehnte sich nicht aus dem stillen Frieden ihres Hauses und fürchtete sich davor, daß eine Hausdame engagiert werden müsse, die störend zwischen sie und ihren Vater treten würde.

Heinz Wartegg eilte es erst recht nicht, seine erwachsene Tochter auszuführen. Er galt gern für jünger, als er war. Schließlich sagte er zu seiner Tochter, er wolle mit ihr nach Brasilien reisen, sie müsse ihre Hazienda kennenlernen. Man könne sich einige Monate drüben aufhalten und dann erst nach der Heimkehr Berty offiziell in die Gesellschaft einführen. Berty griff diesen Gedanken mit Eifer auf. Sie hatte schon lange den Wunsch gehabt, die Heimat ihrer Mutter kennenzulernen.

Vier Monate hatten Vater und Tochter auf der reizenden Hazienda verbracht. Das fremdartige Leben und Treiben hatte Berty lebhaft interessiert, und auch Heinz Wartegg hatte es eine Zeitlang »da drüben« ganz amüsant gefunden. Ab und zu hatte er einen kleinen Abstecher nach Rio gemacht, wenn es ihm langweilig wurde. Er gab dann vor, Geschäfte zu haben. Wenn er wiederkam, war er von neuem guter Laune und hielt es wieder einige Wochen aus.

Er malte auch ein neues Bild und gab Berty fleißig Unterricht. Es zeigte sich bei ihr ein bemerkenswertes Talent, sie war eine eifrige Schülerin ihres Vaters geworden. Heinz Wartegg hatte in diesen Monaten seine Tochter gemalt, in einer Hängematte unter Granatbäumen sitzend. Sie trug ein schlicht herabfallendes weißes Gewand, hatte das wundervolle Haar gelöst und blickte mit einem verträumten Lächeln ins Weite.

Dies Bild war ihrem Vater wieder einmal besser gelungen als alles, was er seit dem Tod seiner Frau geschaffen hatte. Als das Bild fertig war, kam für ihn die Langeweile. Er hatte vorläufig genug von Brasilien und von ländlicher Zurückgezogenheit.

Mit dem Vorwand, er müsse sein Bild selbst der Jury einreichen, begründete er vor Berty seinen Wunsch, nach Düsseldorf zurückzukehren.

Vater und Tochter hatten also die Hazienda verlassen. Aber in Rio de Janeiro hatte der Vater plötzlich geäußert, man könne doch noch einige Wochen hierbleiben. Sie wohnten in einem Hotel, und hier war der lebenslustige Maler in ein galantes Abenteuer mit einer glutäugigen Kreolin geraten. Fast hätte diese Episode durch den eifersüchtigen Gatten der Schönen ein ungemütliches Ende genommen, wenn sich Heinz Wartegg nicht schleunigst auf den nächsten Dampfer begeben hätte.

Froh, allen unangenehmen Folgen dieses Abenteuers, von dem seine Tochter natürlich keine Ahnung hatte, entgangen zu sein, sah er zu dem Land zurück, als das Schiff die Anker lichtete. Berty stand neben ihm an der Reling und schob ihre Hand unter seinen Arm. »Es war doch schön hier, Vater. In zwei oder drei Jahren fahren wir wieder herüber auf unsere Hazienda.«

Er sah sie lächelnd an. »Auf deine Hazienda, Berty.«

Sie drückte seinen Arm. »Was mein ist, das ist doch auch dein, lieber Vater.«

Er nickte lächelnd. »Nun gut, Berty, streiten wir nicht darüber. Vorläufig, das muß ich sagen, habe ich genug von Brasilien und freue mich auf unser deutsches Vaterland. Ich möchte nach all den brünetten Schönheiten einmal wieder blondes Haar und blaue Augen sehen.«

»Mit blondem Haar kann ich dienen, Herzensvater, und wenn du blaue Augen sehen willst, brauchst du nur in den Spiegel zu schauen.«

Mit einem Lächeln blickte er auf sie herab. Seine unschuldsvolle Tochter ahnte nicht, daß seine Sehnsucht blonden Frauen mit blauen Augen galt.

Unter den Passagieren befand sich eine junge Dame, die blond, blauäugig und sehr schön war. Daß ihre Augen zuweilen einen grünlichen Schimmer hatten und wie Nixenaugen blickten, entging ihm. Ihm jedenfalls sahen diese Augen stets mit strahlendem Leuchten entgegen, und schon nach wenigen Tagen stand sein flatterhaftes Herz für diese blonde Frau in hellen Flammen.

Sie hieß Linda Rittberg. Gleich in der ersten Stunde an Bord hatte sie Interesse für Heinz Wartegg und seine Tochter gezeigt. Es hatte hart und entschlossen in den Nixenaugen aufgeblitzt, als sie die beiden Menschen erblickte.

Noch an demselben Tag trat sie mit sanftem Lächeln an Roberta Wartegg heran, als diese eine Weile allein war, und sagte zu ihr: »Verzeihung, mein Fräulein, daß ich Sie so ohne weiteres anspreche. Aber ich bin ebenfalls Düsseldorferin und freue mich sehr, Landsleute hier auf dem Schiff zu treffen.«

Überrascht blickte Roberta zu ihr auf. Etwas in diesen lächelnden Augen stieß sie innerlich ab. Aber sie sagte ruhig und höflich: »Da Sie wissen, daß ich Düsseldorferin bin, scheinen Sie mich zu kennen. Ich aber kann mich nicht entsinnen, Ihnen jemals begegnet zu sein.«

Fräulein Rittberg bemerkte sehr wohl, daß in diesem Augenblick Heinz Wartegg herantrat. Sie gab sich aber den Anschein, ihn nicht zu sehen, und erwiderte lächelnd: »Mein Name ist Linda Rittberg. Ich habe Sie an der Seite Ihres Vaters gesehen, und wer sollte den berühmten Meister Heinz Wartegg nicht kennen?«

Wartegg fühlte sich durch ihre Worte geschmeichelt. Mit einem Erobererblick auf Fräulein Rittberg mischte er sich lächelnd ins Gespräch: »Dann brauche ich mich Ihnen nicht vorzustellen, gnädiges Fräulein«, sagte er.

Die junge Dame erschrak scheinbar und wandte sich ihm in anmutiger Verwirrung zu: »Ach, verzeihen Sie, Meister — ich — ich —«

Mit weltmännischer Gewandtheit half er ihr über ihre vermeintliche Verwirrung hinweg und sah bewundernd in ihr schönes Gesicht.

Kurzum, Fräulein Rittberg hatte mit Geschick die Bekanntschaft von Heinz Wartegg und seiner Tochter gemacht. Und noch im Verlauf dieses Tages gab sie mit trauriger, müder Stimme Auskunft über ihr Schicksal. Sie war darauf angewiesen, sich ihr Brot zu verdienen. Ihr Vater war gestorben, als sie noch zur Schule ging. Ihre Mutter hatte zum zweiten Mal geheiratet, war aber bald wieder verwitwet und hatte ein Asyl bei einer Schwester annehmen müssen, die nur ein bescheidenes Heim und ebenso bescheidene Einkünfte besaß. Darum ergab sich für Linda die Notwendigkeit, sich ihren Unterhalt zu verdienen. In ihrer ersten Stellung hatte sie in Wiesbaden die Bekanntschaft einer Brasilianerin gemacht, die mit ihrem aus Deutschland stammenden Gatten in ihre Heimat zurückkehren wollte. Als deren Gesellschafterin war sie nach Brasilien gegangen. Daß sie diese Stellung verloren hatte, weil sie mit dem Gatten ihrer Herrin kokettierte, verriet Linda natürlich nicht.

Wäre Fräulein Rittberg bei der Wahrheit geblieben, hätte ihr Bericht wohl ein wenig anders lauten müssen. Sie stellte sich als verfolgte Unschuld hin, und das genügte, auf Heinz Wartegg Eindruck zu machen. Er hätte das schöne Mädchen gern getröstet. Roberta hatte mit freundlicher Teilnahme Lindas Erzählung gelauscht, aber es erging ihr seltsam. Sie, die sonst so mitleidig und hilfsbereit war, fühlte ihr Herz immer kälter werden. Sie spürte instinktiv, daß Unwahres im Wesen der jungen Dame war.

Obwohl sie selbst reserviert blieb, war Linda Rittberg von nun an die unzertrennliche Begleiterin von Vater und Tochter. Sie war nicht die Person, die Chancen einer solchen Bekanntschaft ungenutzt zu lassen, seitdem sie wußte, daß Wartegg Witwer, sehr reich und Besitzer einer herrlichen Villa war. Im Lauf der Unterhaltung hörte sie gar noch, daß Vater und Tochter von ihrem Landgut in Brasilien kamen. Nur eines blieb ihr unbekannt: daß Roberta die Besitzerin all dieser Reichtümer war und nicht Wartegg.

Linda wußte, daß es für sie nur eine Möglichkeit gab, aus ihren armseligen Verhältnissen herauszukommen: durch eine reiche Heirat. Und sie wußte auch, daß es wenig reiche Männer gab, die ein armes Mädchen heirateten. Aber ältere Herren waren leichter einzufangen. Man mußte ihnen nur mit sanfter Liebenswürdigkeit entgegenkommen und ihrer Eitelkeit schmeicheln. So steuerte sie mit aller Energie auf das Ziel los, das sie sich gesteckt hatte.

Mit einem unheimlichen Gefühl merkte Berty, daß sich dieses fremde Wesen mehr und mehr zwischen sie und ihren Vater schob. Ihre Liebe zum Vater bekam etwas Angstvolles, Unsicheres. Bisher hatte er es meisterhaft verstanden, seiner Tochter glaubhaft zu machen, daß er seiner verstorbenen Frau unwandelbar treu geblieben war. Jetzt merkte Berty zum erstenmal, daß ein anderes weibliches Wesen Einfluß auf ihren Vater bekam. Ihr war, als müsse sie es verhindern, und sie sehnte das Ende der Reise herbei, das ja auch dem steten Zusammensein mit Fräulein Rittberg ein Ende machen mußte.

 

Schweigend hatten Vater und Tochter längere Zeit ihren Spaziergang fortgesetzt, als Heinz Wartegg endlich tief aufatmete und sich entschlossen aufrichtete. »Ich möchte einmal etwas mit dir besprechen, Berty. Wir haben doch vereinbart, daß du nach unserer Heimkehr offiziell in die Gesellschaft eingeführt wirst. Du bist zwanzig Jahre alt, und es ist höchste Zeit.«

»Ja, Vater, ich weiß es.«

»Nun gut. Wir müssen dann zunächst eine Begleitdame für dich engagieren.«

»Das wird leider nötig sein. Obgleich ich es recht überflüssig und lästig finde, habe ich mich schon mit dem Gedanken vertraut gemacht. Es wird aber schwerfallen, eine passende Dame für diesen Posten zu finden. Sie müßte uns doch vor allen Dingen sympathisch sein.«

»Unbedingt, da wir in enger häuslicher Gemeinschaft mit ihr leben müssen. Deshalb preise ich den Zufall, der uns gewissermaßen die geeignete Persönlichkeit in den Weg geführt hat.«

»Uns in den Weg geführt? Wen meinst du damit?«

Er suchte seine Verlegenheit zu verbergen. »Nun, wen sonst als Fräulein Rittberg? Sie wäre doch eine geeignete Begleiterin für dich.«

Berty hatte das Gefühl, als krampfe sich ihr das Herz zusammen. Sie wurde sehr blaß. Erst nach einer Weile sagte sie mit verhaltener Stimme: »Lieber Vater, Fräulein Rittberg ist nicht für diesen Posten geeignet.«

»Oh, ich finde, sie paßt sehr gut zu dir«, erwiderte er. Dabei verschwieg er, daß Linda Rittberg ihn zu dieser Meinung überredet und gesagt hatte, es werde sie sehr glücklich machen, in seinem Hause, in der Nähe des »hochverehrten Meisters« leben zu dürfen.

»Nein, liebster Vater, daran ist nicht zu denken. Die Dame ist ja auch viel zu jung für diesen Posten.«

Aber Heinz Warteggs Begehren, die schöne, schmeichlerische Blondine in seiner Nähe zu behalten, wurde unter diesem Widerstand noch heftiger. Ohne daß er es gemerkt, hatte Linda ihn schon in Fesseln gelegt. Wenn er auch noch nicht daran gedacht hatte, ihretwegen seine persönliche Freiheit aufzugeben und eine neue Ehe zu schließen, so war ihm doch der Gedanke, in Zukunft ohne sie zu leben, unerträglich. Berty ahnte nicht, wie weit sich ihr Vater bereits mit Linda Rittberg eingelassen hatte. Diese war in ihrer Gegenwart immer sehr zurückhaltend und ließ nur alle Künste der Koketterie los, wenn sie mit ihm allein war. Und dazu suchte sie stets Gelegenheit. So war Heinz Wartegg längst ihr Opfer geworden, ohne daß er es selbst ahnte.

Er erwiderte jetzt seiner Tochter nervös und unruhig: »Aber ich bitte dich, Berty, es ist doch nicht unbedingt nötig, daß wir eine alte Dame engagieren. Im Gegenteil, ich finde es für dich viel netter, wenn du eine jugendliche Gesellschafterin hast. Fräulein Rittberg ist eine charmante, formvollendete Dame.«

»Nein, Vater — bitte, sieh von diesem Gedanken ab! Ich muß dir gestehen, daß sie mir nicht sympathisch ist.«

Sein Gesicht zog sich unwillig zusammen. »Aber Berty! Fräulein Rittberg ist doch so liebenswürdig und hat dich sehr in ihr Herz geschlossen. Willst du das mit launenhafter Abwehr vergelten?«

Sie blickte ihn flehend an. »Es ist keine Laune, Vater. Ich fühle es seit dem ersten Moment unserer Bekanntschaft mit Fräulein Rittberg, daß sich in meinem Innern etwas gegen sie auflehnt. Bitte, laß diesen Plan fallen!«

Aber Heinz Wartegg war nicht der Mann, auf etwas Erstrebenswertes zu verzichten. Kein Zweifel — Berty war eifersüchtig auf Fräulein Rittberg. Nicht ohne Grund freilich. Aber er wollte dieser Eifersucht keine Wichtigkeit beimessen. Denn mit jedem Hindernis, das sich zwischen ihm und den aufflackernden Wünschen seines Herzens auftürmte, wurde sein Begehren nach Lindas Besitz noch gesteigert.

»Sei nicht töricht, Berty, und verrenne dich nicht in solche Vorurteile! Und damit du siehst, daß du dich fügen mußt, teile ich dir mit, daß ich Fräulein Rittberg bereits fest engagiert habe. Sie geht mit uns in unser Düsseldorfer Heim.«

Berty wurde leichenblaß. Sie fühlte mit Gewißheit, daß Linda Rittberg sich wie ein Keil zwischen sie und ihren Vater schieben würde.

Ein wenig unbehaglich sah Heinz Wartegg in das blasse Gesicht seiner Tochter. »Berty, kleines törichtes Ding, weshalb nimmst du diese Eröffnung so tragisch?«

Sie riß sich aus ihrer Erstarrung empor. »Kannst du das nicht mehr rückgängig machen, Vater? Ich flehe dich an, tue es! Ich — ich habe das Gefühl, als drohe uns ein Unheil, wenn Fräulein Rittberg mit uns geht.«

Nun wurde sein Ton schärfer. »Ich muß dich bitten, Berty, dich zusammenzunehmen. Der Aufenthalt in Brasilien scheint dich etwas nervös gemacht zu haben. Hätte ich gewußt, daß du so sehr dagegen bist, hätte ich Fräulein Rittberg nicht engagiert. Ich glaubte dir damit einen Gefallen zu tun — und nun nimmst du es so auf!«

Er sprach nicht die Wahrheit. Es war ihm keineswegs verborgen geblieben, daß Berty keine Sympathie für Linda hatte.

»Vater, ich weiß nicht, was mich gegen Fräulein Rittberg einnimmt. Ich mag ihr unrecht tun — aber trotzdem bitte ich dich nochmals, mache das Engagement rückgängig. Schilt mich nicht töricht, wenn ich dir gestehe, daß ich während unserer Fahrt schon einige Male von Mutter geträumt habe und sie mich immer wieder vor Fräulein Rittberg warnte — immer wieder.«

»So ein Unsinn, Berty!«

»Nein, Vater, es war so deutlich — hauptsächlich der letzte Traum. Da sah ich, wie Fräulein Rittberg auf mich zukam. Ich saß vor einem weißen Rosenstrauch, der ein altes Gemäuer umrankte und in Blüte stand. Fräulein Rittberg pflückte eine Menge von den weißen Rosen und bot sie mir mit lächelndem Gesicht. In dem Moment stand Mutter neben ihr, in dem langen weißen Kleid, das sie auf ihrem Sterbebett trug. Sie Schob angstvoll meine Hände zurück, als ich nach den Rosen fassen wollte, und sagte: Hüte dich — aus diesen Händen kommt dir Unheil! Und da züngelte eine grünliche Natter zwischen den Rosen hervor. Meine Mutter faßte sie und warf sie weit von sich, und plötzlich wuchsen aus Fräulein Rittbergs Haupt lauter solche Schlangen, wie aus einem Medusenhaupt. Ich schrie auf und erwachte.«

Heinz Wartegg lachte gezwungen. »Närrchen! Sei vernünftig, Kind! Wegen eines Traumes läßt man sich doch nicht verleiten, einem Menschen gram zu sein, der einem sonst nichts zuleide getan hat. Und bedenkst du auch, daß du die Ärmste wieder brotlos machen würdest — um einer Laune willen?«

Berty nagte unschlüssig an den Lippen. Aber ihre Abneigung gegen Fräulein Rittberg war doch zu stark. »Wir wollen ihr zu einer anderen guten Stelle verhelfen, und du kannst sie ja auch dafür entschädigen, daß du von dem Engagement zurücktrittst.«

»Du bringst mich da in eine überaus peinliche Situation, Berty.«

»So laß es mich mit Fräulein Rittberg besprechen. Ich will es rücksichtsvoll regeln, damit sie sich nicht gekränkt fühlen kann.«

Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, ich muß es schon selber tun. Ich will mir überlegen, ob sich nicht ein anderer Ausweg finden läßt.«

Berty nickte aufatmend und sah ihren Vater dankbar und zärtlich an. »Am liebsten wäre es mir, wir bräuchten keinen fremden Menschen im Hause. Du und ich, wir können doch niemand zwischen uns brauchen, so lieb wie wir uns haben.«

Unsicher sah er in ihr Gesicht, das sich im Eifer sanft gerötet hatte. »Ja, Berty, natürlich, wir lieben uns sehr. Aber wenn du nun eines Tages heiratest, dann kommt doch ein Dritter zwischen uns?«

Sie stutzte. »Ach, daran ist noch lange nicht zu denken.«

»Nun, man wird dich von allen Seiten bestürmen, und eines Tages wird unter deinen Verehrern einer sein, der dir gefällt. Was dann?«

Sie lachte froh und beruhigt. »Dann bekommst du eben noch einen Sohn zu deiner Tochter. Ich heirate nur einen Mann, der dir gefällt und der dich liebt, wie ich dich liebe.«

Er lächelte. »Kindskopf!«

Sie lachte und plauderte in ihrer alten Herzlichkeit mit dem geliebten Vater und war ganz beruhigt. Fräulein Rittberg würde nicht mit ihnen gehen, wenn sie in einigen Tagen das Schiff verließen.

 

Der Nachmittag verging wie üblich. Man trank Tee, lauschte dem Konzert, vergnügte sich mit Gesellschaftsspielen, flirtete und plauderte über allerlei Schiffsklatsch. Es fand sich keine Gelegenheit für Linda, allein mit Heinz Wartegg zu sprechen. Und sie war begierig, zu erfahren, wie Berty die Nachricht von ihrem Engagement aufgenommen habe.

Erst als die Passagiere das Deck verließen, um sich für die Abendtafel umzukleiden, und Berty einmal verschwand, sah Wartegg Linda an einer abgelegenen Stelle der Reling stehen. »So allein und in Gedanken versunken?«

Linda wandte sich langsam zu ihm um. »Es ist wohl schon Zeit zur Abendtafel?«

»Noch nicht. Ich hätte gern etwas mit Ihnen besprochen, ehe wir zu Tisch gehen.«

»Das kann immer nur ein Gewinn für mich sein, verehrter Meister«, sagte Linda mit schwärmerischem Augenaufschlag.

Unbehaglich sah er auf seine Hände herab und war nun ernstlich böse auf Berty, die diesem reizenden Mädchen ihre Sympathie versagte.

»Diesmal doch nicht so unbedingt. Ich — ich wollte Ihnen sagen, daß meine Tochter leider der Ansicht ist, Sie seien zu jung für den Posten, für den ich Sie engagierte. Im Grunde kann ich mich dieser Ansicht auch nicht verschließen.«

Ein haßerfülltes Sprühen war einen Moment in Lindas Blick aufgeglüht. Aber als sie dann zu ihm aufsah, strahlten ihre Augen schon wieder in sanfter Traurigkeit. »Ich hätte es mir denken können, ich werde stets vom Unglück verfolgt. Sie wissen nicht, was diese Stellung für mich bedeutete: Erlösung aus tausend Sorgen und Ängsten um das tägliche Brot — nein, noch viel, viel mehr —, ein großes, leuchtendes Glück — das Glück, in der Nähe eines Mannes leben zu dürfen, den ich verehre, anbete. Verzeihen Sie mir, ich habe mich hinreißen lassen, mehr zu sagen, als ich wollte. Bitte, vergessen Sie es. Ich muß mich ja bescheiden, muß einsam und verlassen bleiben.«

Er war tief bewegt. Keine Ahnung sagte ihm, daß sie ihm eine Komödie vorspielte, er war völlig ihrem Zauber verfallen, und Berty war vergessen — Berty und ihre Mutter, die ihm Bertys Traum in Erinnerung gebracht hatte. Er faßte ihre Hand. »Linda — liebe, liebe Linda, seien Sie nicht so traurig! Das kann ich nicht mit ansehen.«

»Achten Sie nicht auf mich, Meister, ich werde es tragen.«

»Ist es wirklich ein so großes Unglück für Sie, Linda?«

Mit gutgespielter Innigkeit sah sie ihn an. »Das fragen Sie? Wenn Sie mir ins Herz sehen könnten, würden Sie wissen, was mich am meisten quält. Ich darf es ja nicht sagen. Wir Frauen müssen leiden und dulden, wenn unser Herz auch verlangend spricht. Handeln darf nur der Mann.«

Er vergaß alles über ihrem Anblick. Seine verliebten Wünsche forderten ihr Recht. Erregt preßte er ihre Hand an die Lippen. »Linda — süße Linda, ist es wahr, spricht Ihr Herz für mich, den so viel älteren Mann?«

Sie riß ihre Hand aus der seinen. »Fragen Sie mich nicht — oh, fragen Sie nicht! In all meinem Elend will ich wenigstens meinen Stolz nicht auch noch verlieren.«

Unruhig sah er sich um, ob niemand in der Nähe war. Sie standen ganz allein. Er hatte alles vergessen, was er sich vorgenommen hatte. Dicht vor seinen Augen flimmerte das blonde Gelock im Licht der untergehenden Sonne, er sah, daß ihre Gestalt bebte. Hilfsbedürftig und trostlos war sie in sich zusammengesunken. Da legte er den Arm um sie. Seiner Leidenschaft und seiner geschmeichelten Eitelkeit folgend, zog er sie fest an sich. »Linda, verstehe ich Sie recht — lieben Sie mich wirklich, wie ich Sie liebe?«

Sie schmiegte sich an ihn wie in willenloser Ergebung. »Ich muß vergehen, wenn ich nicht mehr in Ihrer Nähe sein darf.«

Da preßte er seine Lippen auf die ihren. »Linda, ich will nicht, daß wir uns trennen. Sei mein!«

Sie lag an seinem Herzen und sah unter Tränen lächelnd zu ihm auf mit ihren unergründlichen Nixenaugen. »Geliebter, ich habe keinen Willen als den deinen. Und nun ist alles, alles gut. Als deine Gattin kann ich ja auch deine Tochter beschützen und beschirmen.«

Er erschrak ein wenig. So hatte er es eigentlich nicht gemeint, Linda um ihre Hand zu bitten. Aber nun war die Entscheidung gefallen, und er konnte anständigerweise nicht mehr zurück.

Zwischen uneingestandenem Unbehagen und verliebter Glückseligkeit hin und her schwankend, preßte er seine Lippen auf Lindas Mund, wieder und wieder. Dann sah er sie lächelnd an. »Linda, hoffentlich reut es dich nie, dich einem so viel älteren Mann zu eigen gegeben zu haben.« Er sagte es aus Eitelkeit, denn er war sich bewußt, daß er ihr ein volles Glück zu bieten hatte.

»Oh, Geliebter, sprich nicht solche Worte zu mir! Ich liebe dich unsagbar, und deine Liebe macht mich zur beneidenswertesten Frau auf der Welt.«

Er glaubte ihr ohne weiteres. Nur vor einem war ihm bange: Berty hatte das leidenschaftlich feurige Temperament ihrer Mutter geerbt, das oft hervorbrach. Wenn er ihr Mitteilung von seiner Verlobung machte, würde es wohl eine Szene geben. Aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Er bot Linda den Arm. »Nun ist es aber Zeit für die Abendtafel.«

»Wie werden unsere Reisegenossen staunen, geliebter Heinz, wenn du ihnen unsere Verlobung verkündest! Wirst du es gleich heute abend tun?« Sie fürchtete, daß er ihr noch entschlüpfen könne, denn sie hatte sehr wohl bemerkt, daß er nicht unbedingt Heiratsabsichten hegte.

Aber Heinz Wartegg dachte nicht mehr daran, sich aus den angenehmen Banden zu lösen. Er drückte ihren Arm an sich. »Laß es noch unser Geheimnis bleiben, Süße. Erst muß ich meine Tochter vorbereiten.«

»Fürchtest du, daß sie unserem Bund feindlich gegenübersteht?« fragte sie. Ihre Stimme klang seltsam hart und rauh, und in ihren Augen blitzte es auf wie glühender Haß.

Das entging ihm. Er hörte aus ihren Worten nur zitternde Angst heraus. »Sei unbesorgt! Vielleicht ist Berty ein wenig bestürzt, wenn ich ihr sage, was du mir bist. Sie hat ihre Mutter sehr geliebt, und seit deren Tod bin ich ihr alles. Du mußt verstehen, mein Liebling, daß sie sich erst an den Gedanken gewöhnen muß, in dir eine zweite Mutter zu sehen.«

»Ach Heinz, lieber Heinz — ich ertrüge es nicht, wenn sie sich zwischen dich und mich stellte! Lieber springe ich hier über Bord, als von dir zu lassen!«

Er streichelte ihre Hand. »Nur Ruhe, mein Liebling. Nichts und niemand kann uns trennen, auch Berty nicht. Und sie wird es auch nicht tun, wenn ich sie vor die vollendete Tatsache stelle.«

Er sah nicht das harte, kalte Glitzern in ihren Augen, die jetzt fast grün erschienen. Sie drückte wieder zärtlich seinen Arm. »Ich werde alles tun, was in meiner Kraft steht, um Berty für mich zu gewinnen. Du sollst keine Unannehmlichkeiten haben. Und — ich liebe Berty, weil sie deine Tochter ist.«