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Zu diesem Buch Wer immer sich auf die Sinnsuche begibt, begegnet auch füher oder später Gott. Und damit dann all den modernen Konzepten um Erleuchtung und Offenbarung. Sich hier nicht vollkommen zu verlaufen, ist schon ein gutes Stück Sinnfindung. Die Protagonistin hatte zwischen all den selbsternannten Erleuchteten und Meistern zeitweise den Eindruck im Looping durch eine Geisterbahn zu rasen. Sie schildert hier in heiterer Art, was alles passieren kann, wenn man da mal kurz unterwegs beherzt das Licht anknipst …
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Seitenzahl: 186
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Einleitung
Fragen an die Kirche oder „Hol’s die Erbse!“
Fragen an die Erbsen-Bücher
Die Meister der Erbsen
Spontan entleuchtet
Metaphysik meets Erbse
Konsum-Zombie
Erleuchtungs-Übungen
Alles Erbse, äh: Gott!
Aus sich rausgehen
Intensität
Anstrengend!
Trolle
Energie-Vampyr
Mayday, it's Payday!
Ja, aber …!
Cave: Neid!
Voll auf die Ohren gekriegt
Schlappes Hängerchen
Das verzeihe ich Dir nie!
Die Psycho-Wippe
Festplatten-GAP
Zeit der Narzissen
Cooles Gürkchen
Seelische Abkehr
Die neue Einsamkeit
Like me!
Verschiebung der Realität
Die apokalyptischen Reiter des Zeitgeistes
Klostertourismus
Auf der Suche nach meiner Bestimmung
Falsches Pferd
Der psychologische Druckknopf
Sauber abgezogen
Ausstieg in Fahrtrichtung links …
Die Tolle Erbse
Weitere Werke der Autorin
Impressum
Das kennt Ihr ja sicherlich auch: man hat einen Höllenritt hingelegt, ist glücklich endlich leicht verschlissen irgendwo angekommen, und seufzt erleichtert bis genervt: „Da könnte ich jetzt echt ein Buch drüber schreiben …!“ Ich hab’s wirklich gemacht. Mein Höllenritt hatte ca. 40 Jahre lang gedauert, also habe ich tatsächlich auch ein bisschen was drüber zu erzählen. Immerhin habe ich unterwegs ja nicht geschlafen. Jedenfalls nicht die ganze Zeit.
Dies ist die Geschichte meiner Suche nach Sinn, nach Gott und nach mir. Nach vierzig Jahren, schreibt sich das jetzt so leicht hin. Was ich mal gesucht hatte, war ja nun nicht das, was ich dann gefunden habe! Ich war mal ausgezogen, um Sinn zu suchen und stützte mich dabei praktikabler Weise auf die Existenz einer sinnstiftenden Entität. Und da fiel mir eben nichts besseres ein, als Gott. Zumal diese ganze Geschichte, inklusive der Bibel und dem ganzen Getue der Kirche, doch großen Erklärungsbedarf aufwies. Selbst für einen so kleinen Wurm wie der, der ich damals war, als ich loszog um Gott zu finden.
Hier ist in ziemlich komischer und sehr selbstkritischer Art meine Suche und mein vielfacher Irrweg beschrieben. Weil jeder ja seinen eigenen Weg einschlägt, um Gott, Sinn oder was-auch-immer zu finden, fand ich die Idee amüsant es mal aufzuschreiben. Ähnlichkeiten und gleiche Denkfehler gibt es bestimmt zu Hauff – und wer weiß: vielleicht enthält die Schilderung ja die eine oder andere Abkürzung für manchen Mitreisenden …? Immerhin muss man ja nun nicht jeden Fehler zwingend selber machen!
Es klingt manchmal fast, als hätte ich mir morgens entschlossen meinen Heiligenschein aufgesetzt und wäre dann losgezogen, um mein Tageslimit von ca. ein bis zwei Erweckungen durchzuziehen. Nicht, dass ich nicht davon geträumt hätte! Aber ich gehörte wirklich nicht zu der Art von Leuten, denen man erzählte, dass die Waschmaschine schon wieder verrückt spiele und der dann als Antwort gab: „Eine Waschmaschine ist wie ein Mensch – von Gott gemacht … Apropos: Wann hast Du eigentlich das letzte Mal gebetet?!“ Nicht, dass ich nicht in Versuchung gewesen wäre, aber ich hatte mich im Griff. Meistens. Wie viele andere, die von Schüben der Spontanerleuchtung heimgesucht werden, hatte auch ich zeitweise einen natürlichen Hang zum Predigen. Der rührte allerdings auch daher, dass ich mich in meiner Erleuchtung auf wundersame Weise erhaben und gleichsam auch enthoben fühlte. Außerdem spürte auch ich die in diesem Geschäft weit verbreitete Verantwortung diesen selbst erlebten Segen rasch, und möglichst breit gestreut, unter den nach Erlösung Dürstenden zu verteilen. Eine wirklich ärgerliche Nebenwirkung der Erweckungsbranche.
Zumeist ging es mir aber eigentlich nur darum mit dem Rest von Gottes Kindern in einen vitalen, erinnernden Kontakt zu treten, wer wir eigentlich alle wirklich waren. Und dass das doch nun endlich mal eine echt gute Nachricht bedeutete! Zu meiner Überraschung, an der ich den Leser hier lebendig teilhaben lasse, gestaltete sich das aber ziemlich schwierig bis unmöglich. Wo ich mit meiner jeweiligen Erleuchtungs-Theorie dann immer landete ist hier ausführlich niedergelegt. Manchmal fühlte ich mich, Euch kann ich es ja ruhig anvertrauen, wie eine entfernte Nachkommin von Maria Magdalena. Wie Eine, die ebenfalls als „Undercover-Apostel“ arbeitete und die ungebrochen und standhaft wie ein kleiner Zinnsoldat ihr Nicci-Evangelium [Nic] unter die Ohren der schlafenden Welt zu bringen versuchte. Wohlgemerkt: versuchte.
Aber weil ich als Cineast aus Leidenschaft natürlich weiß, dass sich nur Geschichten mit Happy-End richtig gut verkaufen lassen, habe auch ich mir eines gegönnt. Aber das war hart erkämpft und verpasste mir das, was einige so zurückhaltend „Die Schule des Lebens“ nennen. Auf der Suche nach Gott, Sinn und dem ganzen Rest, machte ich nämlich ausversehen, und ohne bewusstes Einverständnis, eine Schulung in Tiefenpsychologie und angewandter Soziologie durch. Außerdem entschlüsselte ich ausversehen die Prozesse des heutigen Zeitgeists und die Mechanismen, nach denen Beziehungen, zumindest heute, (nicht mehr) funktionieren. Alles in allem: tendenziell frustrierend. Aber gut zu wissen.
Hier ist aufgeführt, wie ich feststellte, dass mein bisheriges Leben mich wohl irgendwann von links überholt haben musste, durchgekaut und an die Leitplanke gespuckt hatte. Auch das war eine Folge des Zeitgeistes, den ich in meiner Naivität brutal unterschätzt hatte in seinem Tempo und seiner massiven Umwälzungskraft. Wir haben heute eine völlig andere Welt vor uns, als sie es noch in der Jahrtausendwende war! Da muss ich dann wohl irgendwie ein Stückweit hängengeblieben sein. Etwas, das wie ich weiß, nicht nur mir in den letzten Jahren so gegangen ist, aber man spricht wohl nicht so gerne öffentlich drüber. Um so weniger, wenn man keine genaue Ahnung hat, warum das eigentlich alles jetzt so merkwürdig gekommen ist?! Da bleibt immer auch der Ruch an einem hängen, dass man natürlich selber irgendwie dran Schuld sein muss – weil irgendwas nicht mit einem nicht stimmt. Der Klassiker also.
Ich behandele hier, manchmal komisch, manchmal melancholisch, wie der moderne Zeitgeist es versteht sogar an Gott und dem Glauben zu nagen. Und ich hoffe damit Mut zu machen. Mut zu haben dran zu bleiben, wenn man wirklich sucht! Mut zu haben man selber zu bleiben, wenn man sich so mag, wie man eben geworden ist! Mut zu haben nicht auf den Zeitgeist aufzuspringen, wenn er einem in den Werten weh tut! Mut zu haben sich frei auszudrücken und nach Gefährten zu suchen! Mut zu haben etwas Neues zu wagen! Mut zu haben dennoch und gerade trotzdem unerbittlich zu glauben!
Seid fest umarmt, meine Lieben!
Beginn der Suche
Es kam irgendwann der Tag, da begann ich mich kindlichen metaphysischen Betrachtungen hinzugeben und mich zu fragen, wie eigentlich alles in der Welt zusammenhing, warum wir überhaupt hier waren, was das alles sollte - und was der Sinn von allem war. Wusste leider keiner. Also traf ich zwangsläufig auf unserem Dorf auf die aktive Kirche und ihre heilige Bibel. Und bis in die Kindergruppe des Gemeindehauses war es schon ein weiter Umweg gewesen - in einer Familie voller Atheisten, längst aus der Kirche ausgetretener Protestanten und bekennender Agnostiker. Als ich da trotzdem irgendwann angekommen war, griff die Verwirrung erst richtig durch!
Da war also dieser Gott! Der war irgendwo „da oben“, nichts genaues wusste keiner darüber. Hatte man auch nie persönlich gesehen, den Knecht. Der schaffte seiner Menschheit nur immer per göttlichem Dekret drohend – ganz nach Belieben – irgendwas an. Wenn man Glück hatte, traf man auf einen seiner Postboten: einen Engel. In meinem weiteren Bekanntenkreis war das aber noch nie vorgekommen.
Und dann war da diese Jungfrau! Das war so Eine, die zwar keinen Sex praktizierte, es aber trotzdem fertig gebracht hatte, von nix schwanger zu werden! Das allein widersprach ja mal wieder allem, was man mich in den letzten Jahren zu glauben gelehrt hatte! Den Storch, so hatte man mir versichert, gäbe es genauso wenig wie den Osterhasen und die Demokratie. Die ganze Chose habe ganz allein handfeste biologische Ursachen, basta. Na, toll – und wie hatte Maria das dann bitte geschafft - vollkommen ohne diese ganze zwingende Biologie?! Ich war geneigt an die eben erst kennengelernte Luftbestäubung zu glauben, wurde aber darüber illuminiert, dass Maria zwar eine Rose, aber dennoch keine Blume sei! Wie jetzt … „Na, es war ein Wunder eben!“, das war die einzige Antwort zu der sich dann noch mal jemand herabließ. Na, ganz prima, die hielten mich hier scheinbar alle für doof wie Erbse …?!
Und dann war da dieser Christus! Der hatte 29 Wunder gewirkt, hellsehen gehörte leider offenbar nicht dazu. Denn obwohl er beim letzten Dinner unkte, dass einer von seinen leutseligen Kumpels ihn demnächst übers Messer barbieren würde, nannte er weder Namen, noch sprach er ein deutliches „Lakkamukko, wir verstehen uns, Bruder!“ aus. Er trabte doof nach Jerusalem und ließ sich dann prompt auch noch in Golgota kreuzigen. Quelle surprise. Ich fand, Jesus sei ein ausgemachter Trottel gewesen, wenn er doch gewusst hatte, was ihm da blühen würde! Das durfte ich so aber nicht aussprechen, nicht mal denken, denn Jesus sei auch für mich gekreuzigt, gestorben und begraben worden! Und ich obstinatsche Blage solle dankbar dafür sein und hier nicht so renitent herum plärren! Jesus hatte auch meine Schuld, wie die der ganzen Welt, auf sich genommen - und mich mit allen Menschen damit für immer - von allen Sünden erlöst! Das sei ein Grund zum jubilieren und ganz sicher keiner um hier blöde Theorien über Jesus Geisteszustand aufzustellen!
Ich stieg aber dennoch temperamentvoll auf die Barrikaden, mir war das alles zu billig! Ich plärrte wütend, dass Jesus damals keine Ahnung gehabt haben konnte, dass 1967 Jahre später ausgerechnet ich hier erscheinen würde! Und was ich dann so genau auf dem Kerbholz haben würde! Ich versicherte feurig, dass ich mir keiner Sünden bewusst sei und dass, wenn es denn wirklich welche gäbe, ich die dann schon selber auszubaden gedächte! So, wie den aus dem Mund gefallenen knallblauen Dauerlutscher damals auf dem weißen Teppich! Da hatte mich schließlich auch keiner von erlöst und ich lag ganz allein im Seifenschaum, bis seine Patina verschwunden war! Ich ging sogar noch weiter, denn ich behauptete ärgerlich, der gute Jesus habe ganz offensichtlich einen Größenwahn gehabt sich einzubilden er könne überhaupt die Sünden der ganzen Welt – und dann noch für alle Zeiten - und von allen Menschen - mal kurz global ansaugen und auslöschen! Denn das wäre einfach schon rein technisch irgendwie gar nicht möglich gewesen, denn dazu hätte er ja alle Sünden von jedem Erdenbürger, der irgendwann mal hier wassern würde, einzeln kennen müssen! Und das ganz ohne Computer! Die Antwort darauf kam reichlich verbissen und keinen Hauch spirituell oder gar naturwissenschaftlich: „Es war eben einfach ein Wunder - und jetzt halt endlich den Rand!“ Ich schob beleidigt die Unterlippe vor und sparte mir an dieser Stelle die Frage, warum jemand, der die Sünden der ganzen Welt kannte, es eigentlich nötig gehabt haben sollte, mit solchen Kretins wie Judas herumzuhängen …?!
Meine Eltern wurden schließlich zitiert. Ich untergrübe mit meinen fürchterlichen Beiträgen die Moral der Truppe! Wenn nun jeder hier anfinge die Bibel in Frage zu stellen und um jeden Pups zu diskutieren, würde es im Religionsunterricht einfach sofort untragbar! Das fanden meine Eltern auch, obwohl sie meines Wissens nie über den Absatz „Und Gott schuf Himmel und Erde“ hinweg gekommen waren. Ich hörte mir den Vortrag zur religiösen Demoralisierung der vierten Grundschulklasse unseres Dorfes an und dachte genervt: „Jajaja, genau: Määähhh!“
Und weil keiner mir auch nur den Hauch einer brauchbaren Antwort liefern konnte oder wollte, wurde ich jetzt zickig und fand, dass die Kirche sich mit ihrer dünnen Geschichte komischerweise jedes mal mit einem „Wunder“ aus der Affaire zog, wenn keine echten Erklärungen für die durchgehend dünne Faktenlage zur Hand waren! Und ich wurde gleich noch ärgerlicher, als ich darüber nachdachte, dass der kleine Timmy im Birkenweg letztes Jahr mit nur vier Jahren an einem Tumor im Rücken jämmerlich gestorben war. Und das sein Tod überhaupt keinen Sinn ergeben habe und überhaupt nichts wunderbares ausgelöst hatte! Keine Antwort. Wahrscheinlich nur wieder ein weiteres Wunder.
Kontakt zur Erbse
Und da stand ich nun: jung und ahnungslos. Ich wollte mich allerdings trotz der ganzen verrückten und sinnfreien Geschichten aus der Bibel nicht von der Vorstellung trennen, dass es „da jemanden oder etwas gab“, der diesen ganzen Flohzirkus irgendwie beaufsichtigte und vielleicht auch mal etwas wohlwollend lenkte. Die evangelische Jugendbewegung im Dorf sollte Abhilfe dieser Wissendefizite leisten, nachdem die Kindergruppe ja nun so derbe gefloppt war. Aber wie sollte man an „ihn“ herankommen, wenn keiner wusste wo „er“ eigentlich war?! „Irgendwo hoch oben im Himmel!“, war die einhellige Meinung, nicht nur die der Kinder. Aber wie kriegte man „ihn“ zu fassen, wie kam man mit „ihm“ ins Gespräch, oder wenigstens mal in Kontakt …?? Die Antwort: „Über das Gebet!“
Ich fand das schon wieder alles sehr komisch und mal wieder viel zu wenig naturwissenschaftlich. Aber wenn das eben der Weg zu Gott war, dann wollte ich ihn natürlich keinesfalls unversucht lassen. Ich faltete also die Händchen, senkte den ungekämmten Kopf und rasselte meine für das Gebet genormten Sprüchlein herunter: „Lieber Herrgott im Himmel, gesegnet sei Dein Name, geheiligt werde … Vater, bla, Sohn, bla Geist …“ Ich wartete. Nix passierte. Möglicherweise hatte ich, rückblickend betrachtet, die Vorstellung, dass ein Gebet wie eine Art Telefonanruf bei Gott war. Die genormten Segnungen und Preisungen waren also quasi die Telefonnummer – damit „er“ auch wusste, dass „er“ gemeint war. Und dann ging „er“ eben dran, so von wegen: „Gott am Apparat, was kann ich für Dich tun? Barbie-Kleider, ein Pony oder lieber ‘ne Eins in Mathe?!“ War dann aber nicht.
Ich überlegte daher emsig und mit der Logik eines Sherlock Holmes: Millionen von Menschen, aber nur ein Gott??? Möglicherweise hing der dann natürlich permanent „an der Strippe“ und es war ständig besetzt, wenn ich dann mal mein Glück versuchte! Ich erhöhte daher konsequent die Intensität der Anrufungen. Dr. Watson schaltete sich auch mit ein: Was, wenn Gott gar nicht ans Gebete-Telefon drangehen musste, sondern quasi auf Freisprecher arbeitete?! Dann erschalle nämlich tagtäglich eine wahre Kakofonie an Gebets-Telefonaten im Himmel! Da drin dann ausgerechnet meine Stimme auszumachen, sei sicherlich unmöglich! Stimmt. Also, was tut ein Naturwissenschaftler in einer solchen Klemme? Richtig, er erhöht die Sendeleistung! Sherlock überlegte sogar noch weiter: Möglicherweise musste der Anruf auch noch, zusätzlich zu der ganzen Quasselei, erst Äonen durchqueren, bis er „da oben“ überhaupt mal irgendwo ankam! Also: Noch mehr Power! War dann aber auch nix.
Ich holte mir daher mal probeweise Verstärkung und bezog meinen lenkbaren, kleinen Bruder mit in das Abendgebet ein. Inbrünstig schloss ich mit einem tiefen „Ameeeen!!!“ und er schloss mit einem ebenso inbrünstigen „Erbseee!!!“ Wie jetzt: „Erbse“ …?! Er zuckte hilflos grinsend die Schultern. Dem fehlte also ganz eindeutig die sittliche Reife für einen brauchbaren Jünger! Ich schaffte ich ihn schnell wieder ab. Erbse! Ging‘s noch hier …?!
Aber auch die gänzlich erbsenlosen weiteren Gebete und Fürbitten verhallten im Orkas. Es stieg kein Engel hinab, es geschah kein Wunder, es erfüllten sich keine Wünsche und ich für meinen Teil hatte nicht mal das Gefühl, dass überhaupt irgendwo einer auch nur mal zuhörte. Ich beschloss frustriert, dass Gebete und Erbsen ganz offensichtlich nicht die Art von Kanal waren, mit denen ich hier gewinnbringend operieren konnte. Nur heiße Luft. Siehe Erbse.
Ich ritt also genervt die Konfirmationsriten ab und klebte mir fehlerfrei die fade Oblate mit dem dünnen Messwein an den Gaumen. In der kurzen Abschlussbesprechung, in der wohl erleuchtungsähnliche Zustände erwartet worden waren, floppte ich Erbsenhirn dann wieder derbe. Ich hatte keine Erleuchtung gehabt. Mir tat das Knie weh und ich fand, dass die Oblate den nachhaltig unangenehmen Eindruck hinterlassen hatte, eine riesige Briefmarke zu fressen. Betretenes Schweigen. Schon früh hatte ich einen Hang zur Qualitätsverbesserung und stellte gleich hier die Vermutung auf, dass wenn die Oblaten nach Cola schmeckten, und vielleicht sogar noch etwas lustig prickelten, und wenn man dann Fanta anstatt Wein zum anspülen nähme, sicherlich viel mehr Leute zum Abendmahl kämen! Möglicherweise zeigte dieser Beitrag aber auch nur, dass ich ja damals dummerweise den Veranstaltungsteil zur Erklärung der symbolischen Wucht des Abendmahls verpasst hatte. Denn komischerweise traf auch diese letzte wohldurchdachte Überlegung wieder nur das allergrößte Missfallen des diensthabenden Pastors. Durch seine ungepflegten, zusammengebissenen Hasenzähne knirschte er um Haltung bemüht: „Es ist der Leib Christi! Fleisch von seinem Fleisch! Blut von seinem Blut!“ Ich sagte unverfroren-genervt: „Ieh-gitt! Und wir sind hier jetzt alle Kannibalen, oder was?!“ Er drehte mir mit rotem Kopf brüsk den Rücken zu und es war klar: Ich war mal so was von raus hier.
Zuhause versuchte ich Anschluss an die mal wieder total verkorkste Geschichte zu finden. Ich fragte, warum Jesus ein so dermaßen trockener Typ sei - und warum wir ihn fressen mussten?! Sie wussten es nicht, war ja mal wieder klar. Stattdessen hagelte es Gegenfragen der Marke: „Und DU sag uns bitte mal, wozu wir Dich eigentlich zwei Jahre lang zum Konfirmationsunterricht geschleppt haben?! Ich wusste es nicht. Ich fragte, warum beim Abendmahl kein blutiges Steak gereicht wurde, wenn es wirklich Fleisch von seinem … Mein magenschwacher Vater verließ mit vor den Mund gehaltener Hand würgend den Tisch. Es wirkte spontan etwas überhastet auf mich. Oma stocherte mühsam in ihrem Gedächtnis und paraphrasierte etwas vom letzten Abendmahl. Ich fragte, ob Jesus sich das Abendmahl aus der Rippe geschnitten habe, oder wo sein Fleisch jetzt dann her gekommen sei?! Sie wusste nichts genaues mehr darüber, war sich aber sicher, dass es sich dabei alleinig um ein Symbol gehandelt habe, wie oft in der Bibel. Er habe das Brot und den Wein geteilt, als Symbol des neuen Bündnisses und als Symbol seines Aufgehens in diesem Bund. Verwirrend, wie üblich. Wenigstens hatte er keine Erbsen geteilt. So aus der Reihe: „Männer, heute machen wir mal beim Abendmahl eine spirituelle Erfahrung der ganz anderen Art. Dinner in the Dark – merken: Erbsen auf halb sechs!“ Also raffte ich gefrustet die Geschenke an mich und suchte eben alleine weiter nach den Antworten, derer ich bedurfte.
Sektiererei
Kurz darauf kam es am heimischen Couchtisch zu einem Tribunal. Angeklagt: MOI. Ein Indizienprozess, der Klassiker. Auf dem Tisch lag eine Broschüre der Rosenkreuzer, zweifelsfrei adressiert an meine Wenigkeit. Meine Erzieher: schockiert! Dass sie angeblich sprachlos über meine sichtbar vitalen spirituellen Ambitionen waren, blieb dann aber leider eine leere Drohung. Was mir einfiele?! Und das sei eine der schlimmsten Sekten überhaupt, schlimmer noch als die Telecom! Sie sahen mich ganz offensichtlich schon in rote Lappen gehüllt am Flughafen rumhängend. Mit der rechten Hand leutselig Sträußchen aus Erbsenblüten verteilend und mit der linken die Touristen beklauend. Ich fühlte mich keiner Schuld bewusst. Die Rosenkreuzer hatten mir in einer Broschüre glaubhaft versichert weder eine Religion, noch eine Organisation, kein Glaubensweg, und schon gar keine Sekte zu sein. Sie seien ein freigeistiger Orden, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte den Weg der Selbsterkenntnis, der auf persönlicher Forschung und dem aufrichtigen Wunsch besser zu werden basierte, zu begleiten. Ich hatte spontan sehr positiv darauf reagiert, denn das war ja genau das, was ich suchte und in der Kirche nicht gefunden hatte! Selbsterkenntnis ohne Doktrin. Reine Lehre ohne widersprüchliches Gewäsch. Echte Erkenntnis statt ständig auftretender „Wunder“, an denen ich persönlich dann aber leider ja keinen spürbaren Anteil hatte.
Als ich das dann so vom Stapel hatte, ging es erst richtig los. Wie doof ich eigentlich für meine dreizehn Jahre sei?! Andere kriegten immerhin schon Kinder in dem Alter! Wie ich so einen Müll glauben könne?! Das sei eine Sekte und die würden, sobald ich da irgendwas unterschrieben hätte, sofort ankommen und uns das Haus, mit allem was darinnen war, direkt über dem Hintern wegtragen!!! Alle zusammen, die ganze Mischpoke! Und so ging das weiter, ein Hexenprozess war eine Sandkastenparty dagegen. „Du kannst uns doch nun wirklich alles fragen!“, insistierte schließlich manipulativ der diensthabende Agnostiker der Familie. Ich legte los: „Wer ist Gott?“ Er wusste es nicht, quelle surprise. „Wo wohnt Gott?“ Er wusste es nicht. „Wie erreicht man Gott?“ Es wurde ihm jetzt zuviel. Er wischte sich verärgert über die Stirn, auf der bereits eine Ader pulsierte, und es entfuhr ihm spuckeregnend: „Gott ist quatsch! Vergiss das mal alles besser ganz schnell, das ist alles völlig unbewiesener Unfug! Verlass Dich auf Dich nur selber, dann ist schon für alles gesorgt! Gott ist was für Schwächlinge und leichtgläubige Trottel! Willst Du etwa so sein?!“ Und meine Mutter stimmte höhnisch säuselnd ein: „Kannst dann ja auch eigentlich gleich Betschwester als Ausbildungsberuf wählen!“ Endlich waren sie sich mal einig. Sie beschlossen gemeinsam den gefährlichen Brandbrief wieder fachmännisch zu versiegeln und mit dem Hinweis „Annahme verweigert!!!“ wieder in die gesegneten Hände der Bundespost zu legen. Damit waren dann ja auch nebenbei meine ganzen drängenden Frage zur Gänze geklärt. Wer brauchte da noch die Rosenkreuzer - oder die Telecom. Erbseee!!!
Es blieb dann noch lange erbsig in meiner spirituellen Erweckungsarbeit. Ich kam einfach nicht von Fleck in dem Gewerbe. Schwierig fand ich allein die Tatsache, dass Gott ein Mann war. Ich hatte zum Beispiel ja auch noch nie ein wirklich intimes Gespräch mit meinem Vater geführt … Oder gar mit einem meiner Opa’s, die ja wohl so in der Altersklasse von Gott rangierten. Mir fehlte also jede Fantasie mir ein echtes Gespräch mit einem hoch oben sitzenden, finster blickenden, riesigen, vollbärtigen alten Mann in einem weißen Walla-Walla-Lappen auf einem mächtigen Thron vorzustellen. Ich visualisierte die geballten rosa-gold-weißen Wolkenberge hinter denen die Sonnenstrahlen schmerzhaft hervorstachen und mich blendeten. Das Ganze dann auch noch von Scharen entweltlicht auf Gott glotzenden, auf der Mini-Harfe klampfenden Engeln umflattert. Brrrrr!!! Und da sollte ich unwürdiger Winzling dann munter von meinen Ängsten bezüglich meiner noch nicht eingetroffenen Menstruation berichten …?! Undenkbar!
Möglich, dass es Einbildung war, aber es schien seit einiger Zeit erstaunlich oft Erbsen zum Essen zu geben. Ich rührte resigniert in ihnen herum und sie schienen mich zu verspotten … Die wussten doch irgendwas! Sehr viel später stand ich dann einmal in München vor einem riesigen Bild im „Haus der Kunst“. Es war hochkant, fast nur weiß. In der unteren rechten Ecke befanden sich ein paar kleine grüne Kuller und ein roter Pfeil. Darüber fragte schwarze, krakelige Schrift: "Sind Erbsen wirklich nur harmlos ...?!"
Nein. Ganz bestimmt nicht! Sonst hätten sie so einen Müll garantiert nicht auch noch an die Wand gehängt!
Das war ein Zeichen … Nur: wofür?!
Also wandte ich mich irgendwann notgedrungen dem gedruckten Wort zu und als erstes erschlug mich mal die geballte Wucht. Damals ahnte ich es noch nicht: Beim Buch fängt es an, dann machst Du auch schon bald Deinen ersten Workshop, wo Du umgehend auf lauter selbst ernannte Meister triffst. Und in deren Bugwelle dann die ganzen verkappten Erleuchteten, die sich gegenseitig ununterbrochen mit ihren Offenbarungen voll faselten …
Ich erinnere mich genau, wie ich zum ersten Mal in einem esoterischen Buchladen stand und diskret gegen die Sandelholzschwaden hüstelte. Ein klimperndes Glockenspiel begleitete mein Eintreten und eine gebatikte Gestalt wehte in einer Wolke aus Wohlwollen auf mich zu. Das Angebot in diesem Laden machte mich schlagartig schwach. Und lange starrte ich unschlüssig auf einen plätschernden Zimmerbrunnen, auf dem eine große rosafarbene Steinkugel rotierte. Ich hielt sie probeweise an. Natürlich sah ich in diesem Moment erst das eigentlich unübersehbare Schild: „Bitte nicht anhalten!!“ Mist. Natürlich drehte sie sich nicht weiter. In dem Moment, als meine wissenschaftliche Neugier die Kugel schließlich abnahm, materialisierte sich die Gebatikte plötzlich geräuschlos neben mir. „Oh“, sagte sie mit leichtem Missfallen „Wir wollen doch wohl aber nicht das Pfengtschui zerstören ...!?“ Ich händigte ihr hastig die nasse Kugel und legte einem leicht überstürzten Abgang hin.
Diese Schlappe nagte an mir wie ein Wurm und grimmig entschlossen wagte ich einen erneuten Anlauf. Ich beobachtete dann unauffällig, wie ein Kunde mit routiniertem Griff ein bestimmtes Buch aus dem Regal zerrte und darin zu blättern begann. Als er es schließlich zurück schob, wanderte ich los und zog es reinzufällig wieder heraus. „Wege zur Erfüllung“. Klang doch schon mal gut! Auf dem Bild war ein Äskulapstab abgebildet, aus dem ein Schmetterling entstieg. Oh, tiefe Symbolik, ich war schon erleuchtet, denn ich verstand: Es ging hier um Verwandlung! Der Buchrücken kündete von absolut unumkehrbaren und einschneidenden