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Nach dem Tod ihres Bruders klaut Anna lieber in Kaufhäusern, statt zur Schule zu gehen. Bis Niko in ihre Klasse kommt, dürr, schlaksig, grausame Frisur, wie ein Streber gekleidet, sieht er ihrem Bruder gar nicht ähnlich und erinnert sie trotzdem an ihn. Hartnäckig bringt Niko sie aus der Fassung, bis sie sich auch für seine Geschichte interessiert. Schafft Niko es, bis zu Annas Herz durchzudringen?
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Veröffentlichungsjahr: 2020
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Über den Autor
Florian Tietgen schreibt seit seiner Kindheit. Seit 2001 veröffentlicht er Kurzgeschichten und Romane zu Gesellschafts- und Jugendthemen in verschiedenen Verlagen und als unabhängiger Autor. Er ist Mitbegründer des Autorennetzwerks Qindie.
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1
Was fällt diesem Jungen ein, einfach dazustehen und mir wehzutun?
Ich höre das Getuschel in meinem Rücken, die beißenden Kommentare über seine schmächtige Figur. Dieser Junge wäre bestimmt keine Verstärkung für unsere Klassenmannschaft. Er kann ganz sicher nicht Fußball spielen, wahrscheinlich trifft er nicht einmal einen Ball.
Er steht nur da und tut mir weh.
»Was haben sie uns denn da für einen aufgehalst?«, flüstert jemand hinter mir, »ist das ein Junge oder ein Mädchen?«
Er ist ein Junge, das ist deutlich zu sehen. Aber wenn es nicht zu sehen wäre, ließe der Schmerz in meiner Brust es mich spüren.
Alles an ihm, seine viel zu weite Kakihose, die um die viel zu dünnen Beine schlackert, sein viel zu kleines T-Shirt, welches an seinem Bauch den Blick auf ein geripptes Unterhemd freigibt, wie es Söhnen nur von ihren Müttern aufgezwungen wird, seine hagere Gestalt und seine müden, doch zugleich lebhaften Augen, erinnert mich an Matti.
»Ich finde es schön, wie erfreut ihr euren neuen Mitschüler begrüßt«, stellt Herr Petzold fest, »aber darf ich euch jetzt wieder um Ruhe bitten?«
Die Ruhe kehrt nicht ein, schon gar nicht in mir, auch wenn meine Unruhe sich nicht am Lärm der Klasse beteiligt. Sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, den Kloß im Hals zu schlucken, der sich bildet, als Niko der Aufforderung des Lehrers folgt und ausgerechnet neben mir Platz nimmt.
»Ein Streber ist er auch noch«, schallt es irgendwo aus der Klasse, »der setzt sich gleich in die erste Reihe.«
Ich höre es, und ich höre das Lachen, das darauf folgt, doch ich nehme es nicht wirklich wahr. Ich nehme auch nicht wahr, ob er es hört, ich nehme nur den Druck wahr, der mich betäubt, als er sich neben mich setzt und mir altmodisch die Hand zu Begrüßung hinhält.
Es ist Mattis Hand, die ich mechanisch ergreife, um sie gleich wieder loszulassen. Der Junge hat einen genauso schwachen Händedruck wie er.
»Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich mich zu dir setze?«
»Nein«, versuche ich zu antworten, doch muss ich mich erst räuspern, so belegt ist meine Stimme.
»Schön«, sagt er und grinst mich an, schlägt wie selbstverständlich mein Mathebuch auf und legt es zwischen uns auf den Tisch: »Bin ich ein Geist?«
»Entschuldige bitte.«
Ich kann mich aus meiner Versenkung lösen. Wenn ich es schaffe, ihn nicht anzuglotzen, kann ich mich lösen, doch kein zufälliger Blick darf ein Stück von ihm erhaschen, denn wenn ich ihn anschaue, dann ist er ein Geist.
Doch das kann er nicht wissen, er kann es nicht einmal ahnen. Er muss meine Blicke missverstehen, er muss sie so auffassen, dass sie zu den Sprüchen der Klasse passen, die sich mit Hohn und Spott über ihn ergießen, denn natürlich ist er ein Streber. Er sieht aus wie ein Streber, und er sieht aus, als wäre er erst fünfzehn.
»Ich habe meine Bücher noch nicht, kann ich so lange bei dir mit reinschauen?«
»Ja.« Die Zusage klappt wieder erst im zweiten Versuch, denn längst hat ein neuer Kloß meine Stimmbänder belegt. Ich kann es nicht lassen, den Jungen anzustarren. »Wenn du willst, gehe ich mit dir in der nächsten Pause in die Schulbibliothek und wir besorgen dir, was du brauchst.«