Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Es ist nicht einfach, Menschen mit Demenz zu pflegen. Die 100 Fehler in diesem Buch machen es deutlich: Da dürfen Menschen mit Demenz nichts allein machen. Wenn sie weglaufen, wird nicht nach den Gründen gefragt. Vertrauliche Details aus der Biografie stehen – für alle sichtbar – in der Dokumentation. Es ist vielen Pflegenden wichtig, Menschen mit Demenz so zu pflegen, dass es ihnen gut geht und sie sich wohlfühlen. Doch das gelingt nur, wenn die eigene Haltung, die pflegerische Kompetenz und das fachliche Know-how immer wieder überprüft und verbessert werden. Genau dafür wurde dieser prägnante Ratgeber konzipiert. Die 4., aktualisierte Auflage enthält zahlreiche Ergänzungen, ist aber wie gewohnt kompakt und übersichtlich. Auf den Punkt gebracht: Der handliche Ratgeber für Pflegekräfte. Praktische Tipps für die tägliche Pflege von Menschen mit Demenz. Expertenrat für Pflegekräfte, die mehr wollen als „Sicher – Satt – Sauber“ Das bewährte Standardwerk – auch für pflegende Angehörige.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 152
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Jutta König ist Altenpflegerin, Pflegedienst- und Heimleitung, Wirtschaftsdiplombetriebswirtin Gesundheit (VWA), Sachverständige bei verschiedenen Sozialgerichten im Bundesgebiet sowie beim Landessozialgericht in Mainz, Unternehmensberaterin, Dozentin in den Bereichen SGB XI, SGB V, Heimgesetz und Betreuungsrecht. Tätig im gesamten Bundesgebiet für Auftraggeber der privaten Trägerschaft, Trägerschaften der Kirche, der Wohlfahrtsverbände und öffentliche Trägerschaften.
Dr. Claudia Zemlin ist klinische Psychologin, Fachpsychologin der Medizin, PBD-Gerontologin, PGD dementia studies, Gesprächspsychotherapeutin, Verhaltenstherapeutin, DCM-Trainerin und anerkannte Böhmlehrerin beim Europäischen Netzwerk für Psychobiographische Pflegeforschung nach Prof. Erwin Böhm. Sie ist zurzeit externe Lehrbeauftragte im Masterstudiengang Multiprofessionelle Versorgung von Menschen mit Demenz und chronischen Einschränkungen an der Universität Witten/Herdecke.
»Ihre persönliche Grundhaltung und Ihre Einstellung zum Menschen mit Demenz ist die Grundvoraussetzung für alles, was Sie in der Pflege und Betreuung tun.«
JUTTA KÖNIG & CLAUDIA ZEMLIN
pflegebrief
– die schnelle Information zwischendurchAnmeldung zum Newsletter unter www.pflegen-online.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.
ISBN 978-3-8426-0844-3 (Print)ISBN 978-3-8426-9078-3 (PDF)ISBN 978-3-8426-9079-0 (EPUB)
© 2020 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autoren und des Verlages. Für Änderungen und Fehler, die trotz der sorgfältigen Überprüfung aller Angaben nicht völlig auszuschließen sind, kann keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden.
Die im Folgenden verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen stehen immer gleichwertig für beide Geschlechter, auch wenn sie nur in einer Form benannt sind. Ein Markenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, ohne dass dieses besonders gekennzeichnet wurde.
Titelbild: Viacheslav Iakobchuk – stock.adobe.comCovergestaltung und Reihenlayout: Lichten, Hamburg
Vorwort
1Erläuterungen
1.1Definition der Demenz nach ICD-10
1.2Definition der Demenz im DSM-IV
2Die eigene Haltung
1. Fehler:Annahme, man könne für die betroffenen Menschen nichts mehr tun
2. Fehler:Annahme, Menschen mit Demenz benötigten eine feste Tagesstruktur
3. Fehler:Annahme, Menschen mit Demenz könnten keine Entscheidungen mehr treffen
4. Fehler:Annahme, alle Menschen mit Demenz seien krank und müssten deshalb ständig betreut werden
5. Fehler:Annahme, bei Menschen mit Demenz müsse man immer investieren, bekäme aber kaum etwas zurück
6. Fehler:Der Mensch mit Demenz soll lernen, dass er nicht der einzige Klient ist, der Hilfe benötigt
7. Fehler:Menschen mit Demenz sollen einsehen, dass sie unselbstständiger sind und deshalb Hilfe annehmen müssen
8. Fehler:Man muss nur konsequent genug sein, dann macht ein Mensch mit Demenz auch das, was richtig und notwendig ist
9. Fehler:Abläufe werden strikt koordiniert – Menschen mit Demenz fügen sich schon ein
10. Fehler:Annahme, manche Verhaltensweisen von Menschen mit Demenz seien anderen nicht zuzumuten
11. Fehler:Pflegende nutzen ihre Erfahrungen mit Menschen mit Demenz, um ihre Arbeit besonders effektiv zu gestalten
12. Fehler:Individuelle Bedürfnisse werden zu wenig berücksichtigt
13. Fehler:Ich pflege, wie ich selbst gepflegt werden möchte
14. Fehler:Bei Menschen mit Demenz wird zu kleinen Notlügen gegriffen
15. Fehler:Menschen mit Demenz dürfen nichts allein machen
16. Fehler:Menschen mit Demenz werden wie kleine Kinder behandelt
17. Fehler:Menschen mit Demenz werden eingeschüchtert
18. Fehler:Menschen mit Demenz werden etikettiert
19. Fehler:Annahme, in Pflegeoasen seien Menschen mit Demenz gut versorgt
20. Fehler:Menschen mit Demenz werden überfordert
21. Fehler:Entscheidungen werden abgenommen
22. Fehler:Pflegende reagieren enttäuscht, wenn der Mensch mit Demenz nicht wie erwartet reagiert
23. Fehler:Reaktionen oder Gefühlsäußerungen werden übergangen
24. Fehler:Es wird über den Kopf hinweg kommuniziert
25. Fehler:Soziale Kontakte werden ignoriert
26. Fehler:Störungen werden nicht erklärt
27. Fehler:Es wird über Menschen mit Demenz gelacht
28. Fehler:Gefährliche Gegenstände werden von Menschen mit Demenz ferngehalten
29. Fehler:Menschen mit Demenz werden weggeschickt
30. Fehler:Menschen mit Demenz werden wie Objekte behandelt
3Kommunikation
31. Fehler:Es wird nur selten Blickkontakt aufgenommen
32. Fehler:Sprache und Stimme werden nicht angepasst
33. Fehler:Zeichensprache/Gestik wird nur bei Gehörlosen eingesetzt
34. Fehler:Die Konsequenzen einer eingeschränkten Sprache werden nicht beachtet
35. Fehler:Pflegende reagieren mit eindeutig negativen Gesten
36. Fehler:Es werden zu viele akustische Reize eingesetzt
37. Fehler:Die Gelegenheit zum Handschlag wird nicht genutzt
38. Fehler:Berührungen werden nicht adäquat eingesetzt
39. Fehler:Kosenamen werden unreflektiert benutzt
40. Fehler:Auf Wiederholungen wird mit Ungeduld reagiert
41. Fehler:Aussagen werden korrigiert
42. Fehler:Schlüsselwörter werden zu wenig eingesetzt
43. Fehler:Es werden Entscheidungsfragen gestellt
44. Fehler:Auf Erzählungen wird nicht eingegangen
45. Fehler:Menschen mit Demenz werden zum Nachdenken aufgefordert
46. Fehler:Es werden Schuldfragen diskutiert
47. Fehler:Falsche Aussagen werden umgehend richtiggestellt
48. Fehler:Es wird sich strikt an der Realität orientiert
49. Fehler:Ungereimtheiten werden konsequent aufgeklärt
50. Fehler:Es wird ausschließlich hochdeutsch gesprochen
4Milieu
51. Fehler:Wer einnässt oder die Toilette nicht findet, bekommt Inkontinenzmaterial
52. Fehler:Die Ursachen der »Bettflucht« werden nicht hinterfragt
53. Fehler:Schlafen am Tisch wird nicht erlaubt
54. Fehler:Unterschiede werden nicht beachtet
55. Fehler:Gottesdienstbesuche werden sehr selten angeboten
56. Fehler:Es werden zu wenig religiöse Rituale angeboten
57. Fehler:Das Mobiliar entspricht dem Geschmack der Pflegenden
58. Fehler:Funktionalität hat Vorrang vor Gemütlichkeit
59. Fehler:Zimmer werden wie Museen eingerichtet
60. Fehler:Zeitschriften werden nicht passgenau ausgewählt
61. Fehler:Kalender und Uhren sind nicht immer aktuell
62. Fehler:Eine Aromapflege wird unreflektiert eingesetzt
63. Fehler:Es werden »kinderleichte« Beschäftigungen angeboten
64. Fehler:Es werden immer Schnabelbecher zum Trinken eingesetzt
65. Fehler:Bei allen Tätigkeiten werden Handschuhe getragen
66. Fehler:Dienstkleidung ist Pflicht für alle Pflegenden
67. Fehler:Zigaretten werden stets eingeteilt
68. Fehler:Produkte aus der Kochgruppe werden nicht in Umlauf gebracht
69. Fehler:Übrig gebliebene Lebensmittel werden immer weggeworfen
70. Fehler:Per Hand gespültes Geschirr muss immer in die Spülmaschine
5Biografisches Arbeiten
71. Fehler:Annahme, Biografiearbeit ohne Hilfe der Angehörigen sei unmöglich
72. Fehler:Annahme, Menschen mit Demenz reimten sich ihre Biografie zusammen
73. Fehler:Es wird ausgefragt
74. Fehler:Vertrauliche Details werden in die Dokumentation eingetragen
6Körperpflege und Ernährung
75. Fehler:Jeder Pflegebedürftige wird täglich gewaschen
76. Fehler:Nahrungsverweigerung wird nicht respektiert
77. Fehler:Jeder Pflegebedürftige muss pro Tag 1,5 bis 2 Liter trinken
78. Fehler:Annahme, der BMI müsse im Normbereich sein
79. Fehler:Annahme, bei fortgeschrittenem Stadium der Demenz sei eine PEG angebracht
80. Fehler:Annahme, bei Schluckstörungen und PEG sollte nicht oral ernährt werden
81. Fehler:Annahme, demenziell Erkrankte hätten kein Sättigungsgefühl
82. Fehler:Wenn es mit dem Essen nicht klappt, wird ein Latz umgelegt
83. Fehler:Die Tabletteneinnahme findet immer zu den Mahlzeiten statt
7Herausforderndes Verhalten
84. Fehler:Wer sich mit seinen Ausscheidungen beschäftigt, muss einen Overall tragen
85. Fehler:Die Nacht ist (ausschließlich) zum Schlafen da
86. Fehler:Es wird nicht nach den Gründen des Weglaufens gefragt
87. Fehler:Annahme, demenziell Erkrankte benötigten wenig Körperkontakte, weil sie sich zurückziehen
88. Fehler:Annahme, demenziell Erkrankte riefen ohne Grund
89. Fehler:Annahme, alle Arztanordnungen seien durchzuführen
90. Fehler:Annahme, demenziell Erkrankte verstecken Sachen und beschuldigen andere
91. Fehler:Annahme, demenziell Erkrankte hätten kein Wärmeempfinden
92. Fehler:Annahme, eine genehmigte freiheitseinschränkende Maßnahme müsse immer durchgeführt werden
93. Fehler:Der Betreuer entscheidet alles
94. Fehler:Annahme, dass die Pflegekraft hafte, wenn sich der demenziell Erkrankte selbst schadet
95. Fehler:Annahme, man müsse demenziell Erkrankte 24 Stunden beaufsichtigen
96. Fehler:Annahme, demenziell Erkrankte brauchten immer Psychopharmaka
97. Fehler:Annahme, demenziell Erkrankte seien ständig unzufrieden und aggressiv
98. Fehler:Wer sich nicht äußert, hat auch keine Schmerzen
99. Fehler:Eine Facharztkonsultation unterbleibt
100. Fehler:Bei Gangunsicherheit wird die Protektorenhose angezogen
Literatur
Register
Demenziell Erkrankte bilden die wohl größte Gruppe von Pflegebedürftigen. Deshalb freuen wir uns, Ihnen dieses Buch zu präsentieren, denn all die strittigen Punkte und Diskussionen rund um das Thema Demenz, das Verhalten und die typischen Fehler im Umgang mit dieser Personengruppe, sind uns seit Langem ein Anliegen.
In vielen Seminaren und Beratungsterminen tauchen immer wieder die gleichen Fragen auf bzw. zeigen sich die immer gleichen Probleme im Umgang mit Menschen mit Demenz. Die hier aufgeführten Fehler und Beispiele entstanden aufgrund jahrelanger Erfahrungen bei Untersuchungen mit dem Dementia-Care-Mapping (DCM)-Verfahren und bei Beratungsterminen zur Qualitätssicherung bei Dutzenden verschiedener Unternehmen in Deutschland.
Info
Der Expertenstandard »Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz« findet in unseren Empfehlungen zum Umgang mit den Klienten selbstverständlich Eingang.
Wir nutzen in unserem Buch ausdrücklich nicht den Begriff »Patient« oder »Bewohner«. Wir nennen Menschen, die in einigen Bereichen des Lebens der Hilfe bedürfen, Klienten. Klient ist nach der Definition ein Mensch, der in Teilbereichen schutzbedürftig ist und hierbei eine Vertretung benötigt. Unsere Funktion als Pflegende und Begleitende sollte sich daher nur auf die Kompensation der Hilfsbedürftigkeit in jenen Bereichen beschränken, die der Klient nicht mehr selbst übernehmen kann. Keinesfalls dürfen wir anderen Menschen, nur weil sie in Teilbereichen hilfsbedürftig werden, alles wegnehmen und durch Neues ersetzen. Wenn wir Menschen aufgrund ihrer lediglich teilweisen Einschränkungen, als »Patient« oder »Bewohner »bezeichnen, nehmen wir ihnen oft die eigene Identität und Perspektive.
DefinitionKlient
Klient ist »synonym für Mandant und Mandantin, Auftraggeber.« Klient: »… jemand der Rat, Hilfe bei jemanden sucht, … Interessen wahrzunehmen.« Herkunft des Wortes Klient: »… jemand, der Anlehnung gefunden hat.«*
*www.duden.de
Wir verstehen unter einem Klienten jemanden, der lediglich eine Art »Prothese« benötigt, um sein Leben selbstständig weiterzuführen. Ein Klient ist also beispielsweise ein Mensch mit einer Beinamputation, der nur in diesem Zusammenhang eine Unterstützung (Prothese) benötigt, um selbst weiterlaufen zu können. Das gilt auch für einen Menschen mit Demenz. Er braucht keine überversorgende, entmündigende Pflege, sondern eine Umgebung und Begleitung, die auch ihm selbstständiges Handeln ermöglicht. Er benötigt nicht mehr und nicht weniger.
Dieses Büchlein allein kann Ihnen keinen Erfolg beim Umgang mit Menschen mit Demenz garantieren, aber es soll Ihnen zeigen, dass Ihre persönliche Grundhaltung und Einstellung die Grundvoraussetzung für jegliches Tun in der Pflege ist.
Hierfür erläutern wir Zusammenhänge zwischen Haltung, Milieu, Kommunikation, Biografie und herausforderndem Verhalten. Wir möchten Ihnen in anschaulicher Art und Weise die typischen Fehler im Umgang mit Menschen mit Demenz aufzeigen. Denn: Aus Fehlern lernt man.
Wiesbaden und Berlin, im Juni 2020
Jutta KönigDr. Claudia Zemlin
Wichtig
Verweise auf die Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR)
Bei dieser aktualisierten Auflage beziehen wir uns auf die aktuellen »Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes über die Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach § 114 SGB XI (Qualitätsprüfungs-Richtlinien – QPR)« vom Mai 2019, die im Internet https://www.mds-ev.de/richtlinien-publikationen/richtlinien-/-grundlagen-der-begutachtung/mdk-qualitaetsprue-fungen.html als PDF vorliegen bzw. als Broschüre bestellt werden können. Die Seitenangaben können daher von der Druckversion abweichen.
»Demenz (F00 bis F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt.«1
Für die Diagnose einer Demenz müssen die Symptome nach ICD über mindestens sechs Monate bestanden haben (vgl. Dilling et al. 2000). Die Sinne (Sinnesorgane, Wahrnehmung) funktionieren im für die Person üblichen Rahmen. Gewöhnlich begleiten Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation die kognitiven Beeinträchtigungen; gelegentlich treten diese Syndrome auch eher auf. Sie kommen bei Alzheimer-Krankheit, Gefäßerkrankungen des Gehirns und anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn und die Neuronen betreffen.
Die kognitiven Defizite verursachen eine signifikante Beeinträchtigung der sozialen und beruflichen Funktionen und stellen eine deutliche Verschlechterung gegenüber einem früheren Leistungsniveau dar. Sie treten nicht im Rahmen einer rasch einsetzenden Bewusstseinstrübung oder eines Delirs auf.
Zur Beeinträchtigung des Gedächtnisses muss noch mindestens eine der folgenden Störungen hinzukommen:
•Aphasie: Störung der Sprache,
•Apraxie: beeinträchtigte Fähigkeit, motorische Aktivitäten auszuführen,
•Agnosie: Unfähigkeit, Gegenstände zu identifizieren bzw. wiederzuerkennen,
•Störung der Exekutivfunktionen, d. h. Planen, Organisieren, Einhalten einer Reihenfolge2.
Liest man diese Definitionen, dann schiebt sich für viele, die Menschen mit Demenz begleiten und pflegen, die Frage in den Vordergrund: Wie kann man die Lebensqualität bei Menschen mit Demenz entwickeln und sichern?
In den letzten Jahren wurde dieses Thema in Fachkreisen fokussiert und diskutiert. Alte Pflegekultur, die vor allen Dingen somatische Aspekte berücksichtigt, und neue Pflegekultur, die die psychosozialen Aspekte des Betroffenen in den Pflegefokus setzen (Kitwood 1997, 2000), prallen aufeinander. Man macht sich Gedanken, wie man Lebensqualität erzeugen kann und welche Faktoren hierbei hinderlich sind. Ein wesentlicher Aspekt ist die Entwicklung einer Haltung gegenüber den betroffenen Menschen, einer Haltung, die psychische und physische Bedürfnisse erkennt und Lebendigsein zulässt – trotz Demenz:
•Wie entfalte ich Hoffnung als eine wichtige Einstellung, die die begleitende Umwelt annehmen muss?
•Wie schaffe ich gute Kontakte und fördernde Bedingungen, die eine Lebensqualität ermöglichen?
•Welche Fortbildung brauche ich, um Lebensqualität für die Pflegebedürftigen zu entwickeln?
Tracy Lintern identifizierte einige Haltungen, die es Pflegenden erschweren, einen optimalen Raum für ein Zusammenleben mit Menschen mit Demenz zu erzeugen. Die Beschäftigung mit der eigenen Einstellung hilft, den eigenen Standpunkt zu erkennen, den Bedarf an Wissen zu ermitteln und Prozesse in Bewegung zu bringen, die Lebensqualität möglich machen (vgl. Zemlin & Müller-Hergl 2008). Einige Einstellungen, die Lintern mit dem ADQ (»Approaches to Dementia Questionnaire: An attitude scale for use with dementia care staff«), einem Erhebungsbogen zur Ermittlung von Haltungen in der Pflege, erfragte, werden hier hervorgehoben, da sie nach unseren Beobachtungen weitverbreitet scheinen (vgl. Fehler 1 bis 12).
Damit bezeichnet man Verhaltensweisen, die von pflegenden und begleitenden Mitarbeitern ausgehen und die negativ auf den Menschen mit Demenz wirken. Jemandem die Macht zu nehmen, etwas zu tun oder entscheiden zu können, jemanden nicht wertzuschätzen oder wie ein Objekt zu behandeln – dies sind Verhaltensweisen, die das Personsein untergraben und besonders häufig Menschen treffen, die nicht mehr »der Norm« entsprechen. Kitwood (2000) sieht dieses Verhalten im Rahmen einer malignen (= bösartigen) Sozialpsychologie. Der Grund für diese Verhaltensweisen ist nicht böswillige Absicht, sondern eine alte Kultur, die sich in allen Bereichen, wo Menschen in soziale Kontakte und besonders in Abhängigkeiten kommen, nachweisen lässt. Diese Zeichen der alten Kultur aufzudecken und schließlich zu vermeiden, sollte Ziel von Pflegeprozessanalysen sein.
Das DCM-Verfahren, das auf dem personzentrierten Ansatz von Kitwood basiert, unterscheidet verschiedene Formen von personalen Detraktionen, die DCM-Anwender häufig beobachten. Durch die folgende Darstellung, insbesondere bei der Diskussion der Fehler 13 bis 30, die den pflegerischen Alltag betreffen, wollen wir Pflegende auch auf personale Detraktionen milderer Form aufmerksam machen (vgl. Kitwood 1997, 2000).
Biografisches Arbeiten ist eine Voraussetzung, um individuelle Pflege zu ermöglichen. Pflegerische Konzepte, die den Anspruch haben personzentriert zu sein, brauchen dringlichst eine klare Aussage darüber, wie Biografierarbeit verankert ist, um die Zielsetzung, Zugänge zu den Bedürfnissen, Wünsche und Interessen einer Person zu erkennen.
Die Biografie eines Menschen beleuchtet dessen Lebensgeschichte aus seiner eigenen Perspektive vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Prägung.
Jeder Mensch ist ein Kind seiner Zeit, was bedeutet, dass die persönliche Entwicklung eines Individuums sowohl durch zeitgeschichtliche Erlebnisse als auch durch die konkrete Lebenssituation in der Familie geprägt ist.
Biografie ist erzählte Erinnerung. Dabei sind die Ziele: Selbsterkenntnis, Selbsthilfe (Eigentherapie), Rechenschaftsbericht, Versuch der Selbstfindung und Entscheidungshilfe.
Biografie ist die Basis für das Verständnis dafür, was einen Menschen bewegt, antreibt, wie er Lebenssituationen bewältigt und seinem Leben Sinn gibt.
Nur wenn Pflegende bereit sind, sich Klienten mit einer angemessenen »Geschichtsfühligkeit« (Böhm 2013), mit einem Interesse an dem Leben des Klienten vor dem Pflegeheim zu nähern, kann Pflege wirklich individuell gestaltet und somit erfolgreich sein. Wenn Pflege auch Seelenpflege sein soll, dann bedarf es eines psychobiografischen Ansatzes, damit die Frage: »Was mache ich bei wem und warum?« sinnvoll beantwortet werden kann.
Dabei ist es wichtig, dass Pflegende wissen, dass ihre eigene Biografie ein bedeutender Aspekt in ihrem Handeln ist. Die eigene Biografie bestimmt oft die Art und Weise, wie jemand pflegt. Gerade in einer Dyade, wo der Klient mit Demenz in ständig zunehmende, auch emotionale Abhängigkeit vom Umfeld gerät, müssen sich Pflegende ihre selbstreflektorische Verantwortung bewusst machen. Nur unter dieser Bedingung kann gefühlsbiografisches Arbeiten dazu führen, dass sich eine »verstehende Pflege statt eine verständliche Pflege« (Böhm 2013) entwickeln kann (Zemlin & Radzey, 2014, S. 60–61).
Obwohl dies besonders bei den Fehlern 70 bis 74 thematisiert wird, muss man davon ausgehen, dass biografisches Wissen und Verständnis Basis für jedes pflegerische Handlung sein sollte.
_________________
1https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2018/block-f00-f09.htm, Zugriff am 11. 06. 2020
2 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Demenz#Definition_der_Demenz_nach_ICD_10, Zugriff am 11. 06. 2020
Das ist mit Sicherheit eine Annahme, die in einem viel umfassenderen Maße diskutiert werden muss. Sie hat dramatische Folgen in der täglichen Begleitung von Menschen mit Demenz. Diese Haltung, bei der Demenz mit Hoffnungslosigkeit gleichgesetzt wird, stammt, wie Kitwood (1997) es beschreibt, aus der alten Pflegekultur, die Demenz als eine das zentrale Nervensystem zerstörende und somit die Identität und Person vernichtende Erkrankung ansieht, der kein Mittel entgegenwirken kann.
Fakt: Diese Annahme raubt den Angehörigen und Pflegekräften jegliche Zuversicht. Sie halten ihr Tun nur für eine Begleitung, die den Zustand gerade so erträglich machen kann. Diese Hoffnungslosigkeit führt geradewegs zu einer Pflege, die wesentliche psychische Bedürfnisse eines Menschen mit Demenz nicht erfüllt, weil sie sie nicht als solche erkennt. Die Pflegebedürftigen verkümmern, weil sie kaum wertschätzende Kontakte und Einbindung in Lebensaktivitäten erleben. Das aber ist das Ergebnis der Pflege – nicht der Demenz.
FazitDemenz als eine Form der Behinderung
Kitwood (1997, 2000) betrachtet die Demenzerkrankung als eine Form der Behinderung, deren Bewältigung im überwiegenden Maße von der Qualität der Pflege abhängt. Es kommt also darauf an, dass Pflegende Kenntnisse entwickeln, um für den Menschen mit Demenz eine fördernde und ermutigende Umgebung zu schaffen, sodass er sein Leben von Tag zu Tag mit Optimismus meistern kann.
Bei dieser Fehler-Formulierung handelt es sich um eine Aussage, die, wenn sie allgemeingültig festgelegt wird, falsch ist. Individuelle Rituale sind davon unberührt. Wer glaubt, dass er Menschen mit Demenz nur durch einen starren Tagesablauf »lenken« kann, berücksichtigt keine individuellen Schwankungen, keine Launen, plötzlich auftretende Wünsche oder andere Bedürfnisse, die den Einzelnen ausmachen.
Fakt: