Dienstplangestaltung - Jutta König - E-Book

Dienstplangestaltung E-Book

Jutta König

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Beschreibung

Ein guter Plan ist immer Maßarbeit Wenn die Arbeitsorganisation stimmt, funktioniert auch die Dienstplangestaltung.Trotzdem bleiben immer Fragen, z. B.: Wie reagiere ich auf die Wünsche meiner Kollegen? Was tue ich bei Ausfällen? Welche Arbeitszeitmodelle passen zu unserer Einrichtung? Diese (und viele weitere) Fragen beantworten die Autorinnen dieses Buches kompetent, verständlich und praxisnah. Sie bieten eine kompakte Übersicht über die arbeitsrechtlichen und organisatorischen Grundlagen der Dienstplangestaltung und zeigen alternative Arbeitsplatzmodelle. Ein Extra-Kapitel widmet sich dem Thema der digitalen Dienstplanprogramme. Kurzum: Wer Dienstpläne gestalten möchte, verfügt mit diesem Buch über einen Helfer in der Not

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Jutta König ist Wirtschaftsdiplom-Betriebswirtin Gesundheit (VWA) und Sachverständige bei verschiedenen Sozialgerichten im Bundesgebiet. Sie unterrichtet Pflegesachverständige und Pflegeberater, arbeitet als Unternehmensberaterin und Dozentin in den Bereichen SGB XI, SGB V, Heim- und Betreuungsrecht. Sie ist examinierte Altenpflegerin, Pflegedienst- und Heimleitung.

Manuela Raiß ist Altenpflegerin, Pflegewissenschaftlerin (MasterScN) und Pflegemanagerin (Dipl FH). Sie ist freiberuflich als Pflegesachverständige und Qualitätsbeauftragte, sowie Fachbuchautorin und Dozentin in den Bereichen SGB XI/SGB V/Heimgesetz/Betreuungsrecht, tätig. Sie wirkt mit beim Aufbau der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz (KdöR).

»Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.«

LUCIUS ANNAEUS SENECA

pflegebrief

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8426-0825-2 (Print)ISBN 978-3-8426-9039-4 (PDF)ISBN 978-3-8426-9040-0 (EPUB)

© 2020 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autoren und des Verlages. Für Änderungen und Fehler, die trotz der sorgfältigen Überprüfung aller Angaben nicht völlig auszuschließen sind, kann keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden.

Die im Folgenden verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen stehen immer gleichwertig für beide Geschlechter, auch wenn sie nur in einer Form benannt sind. Ein Markenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, ohne dass dieses besonders gekennzeichnet wurde.

Titelbild: Monkey Business - stock.adobe.comCovergestaltung und Reihenlayout: Lichten, Hamburg

Inhalt

Vorwort

1Die Basis: Arbeits- & Urlaubszeitregelungen

1.1Die Arbeitszeit: Definitionen

1.1.1Nachtarbeit

1.1.2Nacht- oder Tagdienst – Die Hürden des Wechsels

1.1.3Schichtarbeit

1.1.4Wechselschicht

1.2Wie lange darf man arbeiten?

1.3Arbeitsbereitschaft

1.4Bereitschaftsdienst

1.5Rufbereitschaft

1.6Ruhezeit

1.6.1Kann der Chef einfach Rufbereitschaft anordnen?

1.7Arbeitszeit

1.7.1Arbeitszeitgesetz

1.7.2Tarifvertrag

1.7.3Arbeitszeit – Was gehört dazu?

1.8Überstunden und Mehrarbeit

1.8.1Überstunden – so urteilten Gerichte

1.9Sonn- und Feiertage

1.9.1Mehr Geld für Feiertagsarbeit?

1.10Pausen

1.10.1Kann die Pause pauschal abgezogen werden?

1.10.2Zählt Rauchen zur Pause?

2Auszüge aus Mutterschutzgesetz

2.1Individuelles Beschäftigungsverbot

2.2Generelles Beschäftigungsverbot

2.3Beschäftigungsverbote nach der Entbindung

2.4Stillende Mütter und ihre Pausen

2.5Zusätzliches Frei für Untersuchungen aller Art

2.6Nachtarbeit

3Auszüge aus dem Jugendschutzgesetz

3.1Arbeitszeit

3.2Freistellung für die Berufsschule

3.3Freistellung vor und für Prüfungen

3.4Pausenregelung

3.5Garantierte 5-Tage-Woche

3.5.1Sonntagsarbeit

3.6Gefährliche Arbeiten

4Urlaub: Wissenswertes und Berechnung

4.1Erholungsurlaub

4.2Ein Urlaubsanspruch lässt sich vererben

4.3Die Urlaubsvergabe

4.3.1Wie viele müssen gleichzeitig in Urlaub sein?

4.3.2Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte

4.4Urlaubsanspruch

4.4.1Urlaubsanspruch bei unterschiedlicher Tage-Woche

4.4.2Auch am Sonntag muss Urlaub genommen werden

4.5Fragen rund um den Urlaub

4.5.1Wie viel Urlaub erhalten geringfügig Beschäftigte?

4.5.2Wie viel Urlaub erhält der Nachtdienst?

4.5.3Kann der Chef den Urlaub einteilen?

4.5.4Kann man halbe Tag Urlaub nehmen?

4.5.5Sonderrechte für Mütter

4.5.6Urlaub in der Elternzeit

4.5.7Sonderrechte für Jugendliche

4.5.8Bekommt man im Alter mehr Urlaub?

4.5.9Darf der Chef aus dem Urlaub zurückrufen?

4.5.10Wann verfällt der Urlaub vom Vorjahr?

4.5.11Kann man sich alten Urlaub auszahlen lassen?

4.5.12Was ist, wenn man im Urlaub erkrankt?

5Der Dienstplan – Spiegelbild der Organisationsstruktur

5.1Was Mitarbeiter erwarten

5.2Der Dienstplan

5.2.1Fixe und variable Rahmenbedingungen

5.2.2Der Rollplan

5.2.3Wozu braucht man Übergaben?

5.2.4Die Übergaben abschaffen

5.2.5Je strukturierter die Arbeit, desto sicherer der Dienstplan

5.2.6Veränderung der Dienste – Lage der Arbeitszeit

5.3Ein Dienstplan ist kein Wunschzettel

5.3.1Planen Sie die Arbeit oder die Freizeit Ihrer Mitarbeiter?

5.4Fehlzeiten vermeiden

5.4.1Löcher müssen gestopft werden – so gelingt’s

5.4.2Ausfälle planen

5.5Wie viele Planstellen stehen mir zu?

5.5.1Wie viel Arbeitszeit darf man verplanen?

5.6Fragen rund um den Dienstplan

5.6.1Dürfen geteilte Dienste angeordnet werden?

5.6.2Können Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein?

5.6.3Was tun, wenn die Arbeitszeit sich ändert?

5.6.4Plötzlich Wochenendarbeit?

5.6.5Ist eine Änderung des Dienstplans mitbestimmungspflichtig?

5.6.6Können Dienste getauscht werden?

5.6.7Länger bleiben, weil der Chef das will?

5.6.8Wie lange vorher muss der Dienstplan stehen?

5.6.9Kann der Chef zum Abbau von Überstunden freigeben?

5.6.10Gewohnheitsrecht bei Schichtzeiten?

5.6.11Kann man ins Minus geplant werden?

5.6.12Werden Feiertage von der Arbeitszeit abgezogen?

5.6.13Müssen Übergabezeiten geplant werden?

5.6.14Kann man den Dienstplan auch mit Excel erstellen?

6Alternative Arbeitszeitmodelle – Was sie können (und was nicht)

6.1Warum der Anteil der Zeitarbeiter steigt

6.2Lassen Sie die Mitarbeiter selbst planen

6.3Wie finden Sie Mitarbeiter?

6.3.1Was Mitarbeiter wünschen

6.4Arbeit muss Freude bereiten

6.5Sechs oder zehn Stunden pro Tag?

6.64- oder 6-Tage-Woche?

6.7Der 10-Stunden-Arbeitstag

6.8Das 2-Schichten-Modell

6.9Die 7/7-Arbeitszeit

6.10Das 10-Stunden-Arbeitszeit-Modell

6.11Turnusteilzeit

6.12Jahresarbeitszeitkonto

6.12.1Minusstunden im Arbeitszeitkonto

6.13Lebensarbeitszeitkonto oder Zeitwertkonto?

6.14Sabbatical

6.15Fazit zu den Arbeitszeitmodellen

7Dienstplanprogramme

7.1Elektronische Dienstplanprogramme

7.1.1Stift oder Tastatur – Alles das Gleiche!?

7.2Ziele von Einrichtung, Leitung und Mitarbeiter

7.2.1Ziele der Geschäftsführung oder Heimleitung

7.2.2Ziele der Pflegedienstleitung

7.2.3Ziele der Mitarbeiter

7.3Spezifika von Branchensoftware

7.3.1Einbinden von Dienstplansoftware in ein Altenpflegeinformationssystem (ApIs)

7.4Spezifika bei der Auswahl von Branchensoftware

7.4.1»Was bietet denn Ihr Programm so alles?«

7.4.2Von der Relevanz eines Pflichtenheftes

7.5Spezifika bei der Einführung von Branchensoftware

7.5.1Projektierung

7.5.2Und wer bedient jetzt das Programm?

7.5.3Schnittstellenmanagement

7.6Geht es elektronisch wirklich schneller?

7.6.1Den Dienstplan von zu Hause aus einsehen

7.6.2Wann lohnt sich ein elektronischer Dienstplan?

7.7Fazit

Literatur

Register

Vorwort

Dieses, jetzt in der 2., aktualisierten Auflage vorliegende, Fachbuch soll Ihnen die Grundlagen der Dienstplangestaltung vermitteln und neue Perspektiven eröffnen. Wir möchten Ihnen die rechtlichen Voraussetzungen für die Erstellung eines Dienstplanes nennen und typische Probleme erläutern.

So präsentieren wir Ihnen zunächst die Basis der Arbeits- und Urlaubszeitregelung. Wer hier nicht Bescheid weiß, verschwendet viel Zeit und Geld. Im Mittelpunkt stehen bei uns die gesetzlichen Regelungen und der größte Tarifvertrag in der Pflege, der TVöD.

Anschließend erläutern wir Ihnen die Dienstplangestaltung mit allen typischen Fragen, bevor wir uns einigen gängigen und alternativen Arbeitszeitmodellen zuwenden. Vielleicht entdecken Sie spannende neue Wege?

Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit Dienstplanungs-Software. Lesen Sie, wie viel Klärungsbedarf es hier gibt und was Sie vor einer Einführung alles beachten müssen.

Mitarbeitermitbestimmung und Betriebsratsarbeit sind nicht Bestandteil unseres Buches, sondern wir haben nur punktuell darauf verwiesen. Es gibt weder mit der Mitarbeitervertretung noch mit dem Betriebsrat Ärger, wenn Sie die Gesetze einhalten und Mitarbeiter mit in Ihre Entscheidungen einbinden.

Wir wünschen Ihnen Freude beim Lesen, viele Anregungen und den Mut, den nächsten nötigen Schritt zu gehen.

Wiesbaden, im Frühjahr 2020

Jutta König und Manuela Raiß

1 Die Basis: Arbeits- & Urlaubszeitregelungen

Ohne Grundlagen kann man keinen rechtlich einwandfreien Dienstplan schreiben. Bevor Sie also in späteren Kapiteln nachschauen, wie Sie wen einteilen und warum, geben wir Ihnen das nötige Rüstzeug im Umgang mit den Grundlagen der Dienstplangestaltung, der Arbeitszeit und den wesentlichen Schutzgesetzen.

Viele Arbeitgeber lehnen sich an den Tarifvertrag TVöD (Tarifvertrag öffentlicher Dienst) mit dem Vergütungssystem AVR (Arbeitsvertragsrichtlinien) an, der in abgewandelter Form auch Grundlage für diverse kirchliche Träger und Wohlfahrtsverbände ist. Auch Arbeitsrichter greifen bisweilen darauf zurück, in Ermangelung anderer Regelungen. Man spricht dann von der sog. »Rechtspyramide«.

Abb. 1 Rechtspyramide

In Deutschland steht das Grundgesetz über allem. Es folgen das Bürgerliche Gesetzbuch und die Schutzgesetze für Arbeitnehmer. Darunter gibt es diverse Tarifverträge oder Rahmenverträge, die für mehrere Betriebe gelten. Dann folgen Betriebsvereinbarungen, die nur für einen bestimmten Betrieb gelten und als letztes die Arbeitsverträge. Übrigens: Eine darunterliegende Ebene kann einen Mitarbeiter nicht schlechter stellen als es eine darüber liegende Ebene bereits geregelt hat.

Es bleibt abzuwarten, ob die Bestrebungen einiger Bundesländer, Pflegekammern einzurichten, zur Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen in der Pflege führen.

1.1Die Arbeitszeit: Definitionen

Zuschläge für Überstunden, Mehrarbeitszeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, Schichtzulage, Rufbereitschaft, besondere Leistungen, Prämien oder Jahressonderzahlung (Urlaub, Weihnachten etc.) sind (außerhalb von Tarifverträgen) Sache des Arbeitgebers – eine freiwillige Leistung, auf die Sie keinen Rechtsanspruch haben.

1.1.1Nachtarbeit

Nicht jeder, der nachts arbeitet, ist ein Nachtarbeiter. § 2 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) definiert: Nachtarbeit ist die Zeit zwischen 23:00 und 6:00 Uhr. In der Pflege beginnt die Nachtarbeit in manchen Einrichtungen bereits ab 20:00 Uhr. Das regelt der jeweilige Tarif, die Betriebsvereinbarung oder der Arbeitsvertrag. Im TVöD-B für Pflege und Betreuung liegt die Nachtarbeit zwischen 21:00 und 6:00 Uhr (§ 7 Abs. 5).

Definition  

Ein Mitarbeiter ist Nachtarbeiter, wenn er regelhaft, mehr als 48 Tage in einem Kalenderjahr, in der Nacht arbeitet (§ 2 Abs. 4 ArbZG).

Für Nachtarbeitnehmer sieht das Gesetz einen etwas stärkeren Arbeitsschutz vor, etwa die Einhaltung einer regelmäßigen Arbeitszeit von acht Stunden. Regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen für Nachtarbeitnehmer sind gesetzlich vorgeschrieben (§ 6 Abs. 3 ArbZG).

Mit § 6 ArbZG hat Deutschland seine aus Artikel 8 der EU-Arbeitszeitrichtlinie folgenden Pflichten umgesetzt. Die 8-Stunden-Regelung wird allerdings nicht auf jede Nacharbeit angewendet. Es wird unterschieden, ob es sich um einen Nachtarbeiter (mehr als 48 Nächte/Kalenderjahr) handelt oder um einen Arbeitnehmer, der gelegentlich mal Nachtdienst leistet.

1.1.2Nacht- oder Tagdienst – Die Hürden des Wechsels

Wenn der Nachtdienstmitarbeiter nicht mehr ausschließlich in der Nacht arbeiten möchte, kann er wechseln. § 6 Abs. 4 ArbZG: »Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder

b)im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder

c)der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,

sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen.«

Was aber, wenn der Mitarbeiter gar nicht in den Tagdienst möchte? Zwei Gerichtsurteile geben hier – unterschiedliche – Auskunft:

1. Eine Pflegekraft im Pflegeheim, die fast zehn Jahre ausschließlich nachts gearbeitet hatte, klagte gegen ihren Arbeitgeber, der sie im Tagdienst einsetzen wollte. Das LAG Frankfurt gab der Klage statt. Ausschlaggebend waren die Tatsachen, dass die Krankenschwester sich in der Stellenausschreibung bereits auf den Dauernachtdienst beworben hatte, seit fast zehn Jahre nur nachts arbeitete sowie ihre familiäre Situation (fünf Kinder). Die Pflegekraft benötigte also weder einen Arbeitsvertrag, der explizit auf den Dauernachtdienst hinwies, noch eine andere schriftliche Regelung, um weiterhin Nachtdienst leisten zu dürfen.1

2. In Hessen entschied ein Arbeitsgericht anders: Selbst eine über Jahrzehnte gleichbleibende Einteilung in den Nachtdienst lasse keine betriebliche Übung hinsichtlich dieser Arbeitszeit entstehen. Der Arbeitnehmer wollte nicht in den Tagdienst versetzt werden. Seine Klage gegen den Arbeitgeber begründete er mit betrieblicher Übung rein im Nachtdienst. Dieser Auffassung folgte das Gericht nicht. Voraussetzung für das Entstehen einer betrieblichen Übung ist ein übereinstimmender Wille von Arbeitnehmer und -geber. Im vorliegenden Fall ließ der Arbeitgeber nicht erkennen, mit der generellen Übernahme einer bestimmten Schicht einverstanden gewesen zu sein.2

Info

Die Umsetzung eines Arbeitnehmers von der Tag- in die Nachtschicht ist keine zustimmungspflichtige Versetzung, wenn sich dadurch lediglich die Lage der Arbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers ändert (BAG, Beschluss vom 23. 11. 1993 – 1 ABR 38/93).

1.1.3Schichtarbeit

Schichtarbeit bedeutet, dass die Arbeit zu verschiedenen Zeiten vom Arbeitnehmer erbracht wird3, wie in der klassischen Alten- bzw. Gesundheitsund Krankenpflege üblich. Zwei, drei oder sogar bis zu sechs Schichten sind denkbar. Jede Schichtform hat ihre Vor- und Nachteile.

Gibt es nur zwei Schichten, wird also in 12-Stunden-Schichten gearbeitet, muss dies per Sondergenehmigung durch das Gewerbeaufsichtsamt und einvernehmlich mit der Mitarbeitervertretung geschehen. Dieses Zweischichtsystem ist in der Pflege relativ wenig verbreitet. Dabei hätte es durchaus Vorteile: Die Pflegebedürftigen hätten mehr von ihrer Bezugskraft, die Pflegekräfte mehr Freizeit am Stück. Die Schichten wären einfacher planbar. Der Dienstplan im 12-Stunden-Rhythmus ist wiederkehrend, der gesamte Dienstplan eines Jahres passte auf einen kleinen Zettel. Allerdings möchte nicht jeder 12 Stunden am Stück (mit Pausen) arbeiten.

In den Niederlanden arbeitet man in der Altenpflege, insbesondere bei der Arbeit mit Menschen mit Demenz, sogar möglichst nicht mehr als sechs Stunden pro Tag. So etwa in Hogewey, dem sog. »Demenzdorf«. Dort wird in 4- oder 6-Stunden-Schichten gearbeitet. Das hat den Vorteil, dass die Arbeit nicht so sehr belastet. Nachteil ist, dass die Mitarbeiter entweder keine Vollzeitstelle haben oder eine 6-Tage-Woche, damit sie auf ihre Stunden kommen. Auch eine 6-Tage-Woche ist nicht unumstritten (Kap. 6).

1.1.4Wechselschicht

DefinitionWechselschichtarbeit

»Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan/Dienstplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen die/der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird« (§ 7 Abs. 1 TVöD).

1.2Wie lange darf man arbeiten?

Auch in der Pflegebranche darf die regelmäßige tägliche Arbeitszeit acht Stunden bzw. zehn Stunden nicht überschreiten. »In der Regel« bedeutet: Es gibt Ausnahmen, etwa für Einrichtungen mit kontinuierlichem Betrieb. Dazu gehören Kranken- und Pflegeeinrichtungen im Allgemeinen. § 6 Abs. 4 TVöD-B: »In vollkontinuierlichen Schichtbetrieben kann an Sonn- und Feiertagen die tägliche Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden, wenn dadurch zusätzliche freie Schichten an Sonn- und Feiertagen erreicht werden.« Auch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarungen können andere Arbeitszeiten vorsehen, z. B. § 6 Abs. 7 TVöD-B: »Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann in der Zeit von 6 bis 20 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu zwölf Stunden eingeführt werden.«

An Werktagen sieht das Gesetz zunächst keine Ausnahmeregelung vor (außer bei Ärzten, TVöD-K). Mitarbeiter, auch im Nachtdienst, und Nachtarbeiter dürfen im Schnitt nur acht Stunden in 24 Stunden arbeiten.

Grundsätzlich beträgt somit die maximale Arbeitszeit pro Woche 48 Stunden. Mit Ausnahmen kann das aber deutlich gesteigert werden, wenn innerhalb von 24 Wochen ansonsten die acht Stunden werktäglicher Arbeitszeit nicht überschritten werden (gemäß § 3 ArbZG darf ausnahmsweise zehn Stunden pro Tag gearbeitet werden). Man darf in der Pflege jeden Tag der Woche arbeiten, also 6 × 10 Stunden, also 60 Stunden pro Woche, wenn innerhalb von sechs Monaten (24 Wochen) die Arbeitszeit an den Werktagen im Durchschnitt acht Stunden nicht überschreitet.

Zudem darf der Arbeitstag für Nachtdienste auf zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Das ist insbesondere bei Arbeitnehmern der Fall, die in verschiedenen Schichten arbeiten. Man arbeitet z. B. in einem Monat fünf Nächte je zehn Stunden und dafür die restlichen Arbeitstage nur acht Stunden oder weniger.

Beim reinen Nachtarbeiter sind die zehn Stunden Nachtarbeit nur statthaft, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten (24 Wochen) im Durchschnitt die acht Arbeitsstunden werktäglich nicht überschritten werden.

Info

Dauernachtwachen, die in keiner anderen Schicht arbeiten, dürfen eigentlich nicht durchgehend mehr als acht Stunden pro Nacht arbeiten. Wie kommt man aus dem Dilemma? Die Nachtarbeiter (= Dauernachtdienst) müssen entweder auf acht Stunden Arbeit pro Nacht runter oder der Dauernachtdienst muss auch im Tagdienst arbeiten, der gewöhnlich acht Stunden und weniger umfasst.

Wer keinen Ärger mit der Gewerbeaufsicht – die für die Einhaltung der Schutzgesetze zuständig ist – haben möchte, muss sich an das ArbZG halten oder mit Tarif- oder Betriebsvereinbarungen einvernehmlich mit den Mitarbeitern zu einer anderen Lösung kommen. Das ArbZG weiß um die Nöte in der Pflege. Es lässt gemäß § 7 andere Regelungen zu: »In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden, 1. abweichend von § 3 a) die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt.«

Genau diesen Passus machten sich viele Kliniken jahrelang zu Nutze. So gibt es auch heute noch in Krankenhäusern 24-Stunden-Dienste, weil beispielsweise nur zehn Stunden als Dienst deklariert sind, der Rest als Rufbereitschaft.

Rufbereitschaft ist zwar auch Arbeit (Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2003), aber Ärzte können ja freiwillig länger arbeiten. Im Arbeitszeitgesetz und in der EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) steht zwar, die Arbeitszeit dürfe nicht mehr als 48 Stunden pro Woche betragen. Doch unter bestimmten Voraussetzungen darf auch nach EU-Recht länger gearbeitet werden, wenn die Arbeitnehmervertreter zustimmen.

Das bedeutet auch heute noch für viele Ärzte 24 Stunden Dienst. Wenn viel los ist, haben Ärzte in diesen 24 Stunden ggf. nicht ein Auge zugetan. Wer möchte sich von einem solchen Arzt noch behandeln, gar operieren lassen? Der Chef des Marburger Bundes, Frank-Ulrich Montgomery, sagte in einem Interview sinngemäß: Ein Arzt nach 24 Stunden im Dienst verhalte sich so, als hätte er 1,0 Promille Alkohol im Blut. Dann wird der Patient zum Feind.4

1.3Arbeitsbereitschaft

Die Arbeitsbereitschaft wird im ArbZG §§ 7 und 15 als eine Art »wache Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung« gesehen. Das bedeutet sinngemäß, dass ein Arbeitnehmer eine mindere Arbeitsleistung vor Ort am Arbeitsplatz bietet und zur Verrichtung der Dienstleistung bereit ist. Das ist heutzutage in Pflegebetrieben eher selten der Fall. Als früher in Altenheimen vorwiegend rüstige Senioren lebten, gab es eine Nachtwache, die nicht durchgehend Dienst hatte. Sie erledigte in der Nacht bestimmte Routinearbeiten. Wenn es ihre Zeit erlaubte, durfte sie aber schlafen oder sich die Zeit anderweitig vertreiben. Heute kennen wir das außerhalb der Altenpflege nur noch in Einsatzzentralen der Feuerwehr und in Krankenhäusern, z. B. bei Hebammen oder Ärzten.

Ein großes Thema in der häuslichen Pflege ist die Rund-um-die-Uhr-Pflege, die ganz legale 24-Stundenpflege. Hier hat beispielsweise ein pflegebedürftiger Mensch den Bedarf einer ständigen Betreuung. Die eigentliche Arbeitszeit pro Tag wären aber ggf. nur fünf Stunden. Wenn der Arbeitgeber alles richtig machen möchte, kann er den Mitarbeiter ohne dessen Zustimmung nicht mehr 24 Stunden einsetzen und schon gar nicht wochenweise. Gerade Letzteres war aber bei einigen Mitarbeitern sehr beliebt. Sieben Tage vor Ort, sieben Tage Freizeit. Das war insbesondere für Mitarbeiter interessant, die weit entfernt eingesetzt waren, bei freier Kost und Logis. Das ist aber nicht so einfach, will man das ArbZG und die EU-Arbeitszeitrichtlinie einhalten.

Was soll ein Mitarbeiter, der aus Ueckermünde kommt und vor Ort keine Arbeit findet, die ihn ernährt, machen, wenn sein Job im Rhein-Main Gebiet kein wochenweises Frei mehr bietet? Wie soll es funktionieren, wenn der Mitarbeiter drei Tage arbeitet, anschließend zwei freie Tage hat und dann wieder arbeiten soll? Was hat der Mitarbeiter davon? Der Pflegebedürftige muss es hinnehmen, dass beim Betreuungspersonal ein ständiger Wechsel herrscht. Gerade bei demenziell Erkrankten sicher nicht immer ein Vorteil.

Tipp

Wer allerdings den Expertenstandard Beziehungsgestaltung mit Menschen mit Demenz beherzigt, weiß: Die Beziehungsgestaltung funktioniert auch bei wechselnder Arbeitszeit und Schichten.

1.4Bereitschaftsdienst

Bereitschaftsdienst leistet man ebenfalls außerhalb der regulären Arbeitszeit. Es handelt sich sozusagen um »Freizeit mit Arbeitsverpflichtung«. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um im Bedarfsfall, auf Abruf, die Arbeit aufzunehmen (§ 7Abs. 3TVöD). Der Arbeitnehmer muss hierfür, entgegen der Arbeitsbereitschaft, nicht am Arbeitsplatz bleiben. Der Arbeitgeber bestimmt den Bereitschaftsort.

Immer wieder müssen Gerichte definieren, wie sich Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft voneinander unterscheiden. So entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland Pfalz, dass es sich nicht mehr um Bereitschaftsdienst handelt, wenn der Arbeitgeber zwar nicht den Aufenthaltsort bestimmt, aber verlangt, dass der Arbeitnehmer binnen 15 bis 20 Minuten im Einsatz zu sein hat. In dem Urteil sollte ein Arzt im Krankenhaus innerhalb der genannten Frist auf der Geburtsstation zur Stelle sein. Die Klink sah dies als reine Rufbereitschaft (mit anderer Vergütung), die Richter urteilten anders. Sie meinten, durch den vorgegebenen Zeitfaktor sei dem Arzt die Möglichkeit genommen, seine an sich arbeitsfreie Zeit frei zu gestalten.5

Info

Übrigens: In der Bereitschaft wird der Mindestlohn gezahlt, wenn keine Verordnung etwas anderes definiert. So entschieden 2012 die Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG 5 AZR 1101/12).

Bei dem Fall handelte es sich um eine Pflegekraft im ambulanten Dienst. Sie leistete rund um die Uhr Betreuung und wohnte während dieser Zeit bei der Pflegebedürftigen. Die Pflegekraft musste nicht 24 Stunden arbeiten, ein Großteil der Zeit vor Ort war Bereitschaftsdienst. Diesen wollte die Pflegekraft bezahlt bekommen und klagte. Das Landgericht Stuttgart gab ihr Recht, der Arbeitgeber ging in Revision. Die obersten Richter gaben der Angestellten Recht. In ihrem Urteil vom 19. 11. 2014 begründeten sie, dass es keine anderslautende Vereinbarung über das Entgelt in Bereitschaftsdiensten gäbe. Wenn nichts anderes vereinbart ist, gilt der Mindestlohn, auch wenn es sich bei Bereitschaft um keine volle Arbeitsleistung handelt.

1.5Rufbereitschaft

Auch die Rufbereitschaft findet außerhalb der Arbeitsstelle und der regulären Arbeitszeit statt. Der Arbeitnehmer hat somit »Freizeit mit Arbeitsverpflichtung«. Er hält sich an einem weitgehend selbst bestimmten, dem Arbeitgeber anzuzeigenden Ort auf, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen.