BI, SIS®, Expertenstandards & Qualitätsindikatoren - Jutta König - E-Book

BI, SIS®, Expertenstandards & Qualitätsindikatoren E-Book

Jutta König

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Beschreibung

Seit November 2019 laufen die neuen qualitätsindikatorengestützten Qualitätsprüfungen. Sie sind komplex und verlangen noch mehr Know-how. Dieses Buch zeigt, wie Sie das Begutachtungsinstrument (BI), die strukturierte Informationssammlung (SIS), die Expertenstandards und die Qualitätsindikatoren so miteinander verbinden, dass Sie eine hervorragende interne Qualität erreichen - und die externe Qualitätsprüfung gleich mit in den Blick nehmen. Denn in der stationären Altenpflege ist die umfangreiche Qualitätsprüfung endlich Wirklichkeit. Mit den Qualitätsindikatoren gibt es nun eine Vollerhebung über die Ergebnisse in unterschiedlichen pflegerischen Bereichen. Die Vernetzung der Instrumente ist eine Kunst, doch sie lässt sich lernen. Dabei ist dieses Buch ein hervorragender Begleiter: kompetent, leicht verständlich und immer praxisnah.

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Jutta König ist Wirtschaftsdiplom-Betriebswirtin Gesundheit (VWA) und Sachverständige bei verschiedenen Sozialgerichten im Bundesgebiet. Sie unterrichtet Pflegesachverständige und Pflegeberater, arbeitet als Unternehmensberaterin und Dozentin in den Bereichen SGB XI, SGB V, Heim- und Betreuungsrecht. Sie ist examinierte Altenpflegerin, Pflegedienst- und Heimleitung.

»Vernetzen ist so lange gut, bis man sich verheddert.«

JUTTA KÖNIG

pflegebrief

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8426-0854-2 (Print)ISBN 978-3-8426-9096-7 (PDF)ISBN 978-3-8426-9097-4 (EPUB)

© 2021 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hans-Böckler-Allee 7,30173 Hannover

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autoren und des Verlages. Für Änderungen und Fehler, die trotz der sorgfältigen Überprüfung aller Angaben nicht völlig auszuschließen sind, kann keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden.

Die im Folgenden verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen stehen immer gleichwertig für beide Geschlechter, auch wenn sie nur in einer Form benannt sind. Ein Markenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, ohne dass dieses besonders gekennzeichnet wurde.

Titelbild: s_l – stock.adobe.com

Covergestaltung und Reihenlayout: Lichten, Hamburg

Inhalt

Vorwort

1Zusammenhänge verstehen

2SIS® – Aufbau und Logik in der Handhabung

2.1Die letzten 40 Jahre der Pflegemodelle verstehen

2.2Dokumentationen nur für den MDK?

2.3Den Aufbau der SIS® verstehen

2.3.1Teil A Stammdaten verstehen

2.3.2Teil B Eingangsfrage verstehen

2.3.3Die Themenfelder verstehen

2.3.4Die Risikomatrix verstehen

2.3.5Die Evaluation verstehen

2.3.6Maßnahmenplan und Leistungsnachweise verstehen

2.4Den Pflegebericht verstehen

2.5Das Strukturmodell ist keine Musterdokumentation

3Das Begutachtungsinstrument (BI) – Aufbau und Logik

3.1Das BI – so wichtig wie nie zuvor

3.2Modul 1: Mobilität

3.3Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

3.4Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

3.5Modul 4: Selbstversorgung

3.5.1Beispielhafte Punktwerte bei Verrichtungen der Grundpflege

3.6Modul 5: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

3.7Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte

4Die Expertenstandards – Aufbau und Logik

4.1Einleitung

4.2Risikoeinschätzung im Strukturmodell und die Expertenstandards

4.3Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege

4.3.1Strukturqualität

4.3.2Prozessqualität

4.3.3Ergebnisqualität

4.3.4Vorgehensweise und Dokumentation

4.4Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege

4.4.1Strukturqualität

4.4.2Prozessqualität

4.4.3Ergebnisqualität

4.4.4Vorgehensweise und Dokumentation

4.5Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege

4.5.1Strukturqualität

4.5.2Prozessqualität

4.5.3Ergebnisqualität

4.5.4Vorgehensweise und Dokumentation

4.6Expertenstandard Förderung der Harnkontinenz in der Pflege

4.6.1Strukturqualität

4.6.2Prozessqualität

4.6.3Ergebnisqualität

4.6.4Vorgehensweise und Dokumentation

4.7Expertenstandard Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege

4.7.1Grundsätzliches vorweg

4.7.2Strukturqualität

4.7.3Prozessqualität

4.7.4Ergebnisqualität

4.7.5Vorgehensweise und Dokumentation

4.8Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden

4.8.1Strukturqualität

4.8.2Prozessqualität

4.8.3Ergebnisqualität

4.8.4Vorgehensweise und Dokumentation

4.9Expertenstandard Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz

4.9.1Grundsätzliches zur Demenzerkrankung

4.9.2Grundsätzliches zum Expertenstandard

4.9.3Strukturqualität

4.9.4Prozessqualität

4.9.5Ergebnisqualität

5Qualitätsindikatoren (QI) – Aufbau und Logik

5.1Seit 2019 wird Qualität anders ermittelt

5.1.1Entwicklung des Systems

5.1.2Die interne Erfassung zu den Qualitätsindikatoren – vorerst nur stationär

5.1.3Mit den 98 Fragen müssen Sie umgehen lernen

5.1.4Die QI – teilweise bekannte Kennzahlen

5.2Die Datenauswertungsstelle (DAS) und die Rückmeldung

5.2.1Die QI-Rückmeldung

6Die Qualitätsprüfung anhand der Qualitätsaspekte (QA) – Aufbau und Logik

6.1Die neuen Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR) für alle

6.1.1Aufgaben der Prüfer

6.1.2Das Fachgespräch

6.2Die neue Bewertungssystematik verstehen

6.2.1Einwirkungsmöglichkeit der Einrichtung auf das Ergebnis der Qualitätsaspekte

6.3Die Qualitätsprüfung stationär verstehen

6.3.1Auswahl der Bewohner stationär

6.3.2Die sechs Qualitätsbereiche stationär

6.3.3Die Bewertung der Qualitätsaspekte stationär

6.3.4Die Prüffragen stationär im Original

6.4Die Qualitätsprüfung in der Tagespflege verstehen

6.4.1Auswahl der Klienten in der Tagespflege

6.4.2Die sechs Bereiche der Qualitätsprüfung

6.4.3Prüffragen Tagespflege im Original mit Bewertung

6.5Die Qualitätsprüfung ambulant verstehen

6.5.1Auswahl der Klienten ambulant

6.6Die fünf Qualitätsbereiche ambulant

6.6.1Die Bewertung der Qualitätsaspekte ambulant

6.6.2Prüffragen ambulant im Original

7Sind unterschiedliche Modelle, Vorgehen und Handhabungen zu vernetzen?

7.1Passen Sie die Pflegedokumentation nicht an alle Anforderungen an

7.1.1Das BI gehört nicht in die Dokumentation

7.1.2Bringen Sie die QI nicht in die Dokumentation ein

7.1.3Bringen Sie die Qualitätsaspekte in die Dokumentation ein

7.2Nutzen Sie die Qualitätsaspekte als Pflegevisite

Literatur

Register

Vorwort

Seit November 2019 laufen die neuen qualitätsindikatorengestützten Qualitätsprüfungen. Diese vollkommen neue, am Ergebnis orientierte Prüfung der internen und externen Ergebnisse von stationären Pflegeeinrichtungen hat eine Veränderung der bisherigen Systematik zur Folge.

Die Einrichtungen der ambulanten Pflege sowie die Tagespflegen erhalten zwar auch den sogenannten »neuen Pflege-TÜV«, werden aber keine internen Ergebnisse erheben müssen – vorerst! Die stationäre Altenhilfe aber erhebt künftig alle sechs Monate interne Ergebnisse – neben der jährlichen MDK-Prüfung. Und diese neue Thematik behandelt dieses Buch.

Benötigt werden dazu das Begutachtungsinstrument (BI), die Expertenstandards, die Pflegedokumentation sowie ein neues Erhebungsinstrument.

Das Begutachtungsinstrument und das Strukturmodell (oft nur SIS® – Strukturierte Informationssammlung – genannt) sollen nach Expertenmeinung nicht miteinander verknüpft werden, zumindest muss die Dokumentation das BI nicht abbilden. Die Überschriften in Modulen und Themenfeldern ähneln sich aber und laden zur Verknüpfung geradezu ein.

Hinzu kommen die Qualitätsindikatoren (QI) und die Qualitätsaspekte (QA), die ebenfalls an einigen Stellen sehr viel Ähnlichkeit mit den Inhalten des BI und der SIS® haben. Und dann müssen Sie auch noch die Expertenstandards im Blick behalten. Dort wird nichts anderes gefordert als das Wissen zum Klienten, z. B. in Sachen Mobilität und Risiken – was in der Dokumentation bereits abgebildet wird.

So kann man an vielen Stellen eine Vernetzung erkennen. Diese können/ sollen Sie nutzen, um die Bürokratie weiter abzubauen, den korrekten Pflegegrad für die Betroffenen zu erreichen, die interne Qualität zu steigern sowie die geforderte externe Qualität nachzuweisen.

Uelversheim, im April 2021

Jutta König

1 Zusammenhänge verstehen

Im November 2019 begann eine neue Ära der Qualitätsbemessung in Deutschland. Jede stationäre Einrichtung muss seitdem zusätzlich zu den externen Prüfungen künftig auch intern die Qualität messbar ermitteln und diese an die Datenauswertungsstelle (DAS) übermitteln (Abb. 1).

Abb. 1: Der neue Kreislauf der Qualitätsprüfung in stationären Einrichtungen.

Die ambulante Pflege und die Tagespflege-Einrichtungen erleben zwar auch neue Qualitätsprüfungen, aber unter anderen Voraussetzungen. So werden intern zunächst in absehbarer Zeit keine Qualitätsindikatoren erhoben werden müssen. Es bleibt also beim bisherigen Kreislauf (Abb. 2).

Abb. 2: Der Kreislauf der Qualitätsprüfung in der ambulanten Pflege bzw. in der Tagespflege.

Wichtig Stationäre Pflege – aufgepasst!

Um die neuen Prozesse zu verstehen und anzuwenden, ist es unbedingt notwendig, die Dokumentation incl. der Expertenstandards sowie das Begutachtungsinstrument zu beherrschen. Diese fließen in die neuen qualitätsindikatorengestützten Qualitätsprüfungen mit ein.

2 SIS® – Aufbau und Logik in der Handhabung

Das Strukturmodell, von vielen vereinfacht SIS® (obwohl die Strukturierte Informationssammlung nur ein Teil davon ist) genannt, hat einen Paradigmenwechsel in der Pflege verlangt und zum ersten großen Umdenken geführt. Sie führt weg von der rein pflegerischen Einschätzung der Pflegeprobleme, wie wir sie aus den letzten 40 Jahren Altenpflege kennen. 1977 gab uns Sr. Liliane Juchli im deutschsprachigen Raum ein Modell zur Planung der Pflegeprobleme: die »Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL)«, erweitert bzw. abgelöst 1984 durch die »Aktivitäten und existenziellen Erfahrungen des Lebens (AEDL)« von Monika Krohwinkel.

Endlich gab es mit Monika Krohwinkel nach langen Jahren eine Deutsche, die ein Pflegemodell kreierte. Nicht verwunderlich also, dass man jahrzehntelang ihrem Vorgehen der AEDL (später »ABEDL«, wobei das »B« für »Beziehungen« steht) folgte. Der Nachteil all dieser Modelle war und ist: Sie basieren auf alten Erkenntnissen und wurden nicht wirklich weiterentwickelt.

2.1Die letzten 40 Jahre der Pflegemodelle verstehen

Vergleichen Sie die vier bekanntesten Pflegemodelle und versuchen Sie, wirkliche Unterschiede und Entwicklungen der letzten 40 Jahre zu erkennen (Tab. 1).

Tab. 1: Pflegemodelle im Vergleich (Reihenfolge geändert)

Fakt ist, dass in 40 Jahren in der Alten- und Krankenpflege keine wirkliche Entwicklung stattfand. Wir haben oftmals lediglich die verschiedenen Modelle abgeschrieben, wenn Pflegeplanungen erstellt wurden. Wir hatten in allen Modellen immer den verrichtungsbezogenen Pflegebegriff. Stets wollten wir den Menschen ganzheitlich abbilden, haben ihn aber nur in eine Schablone gepresst, statt ihn wirklich individuell zu behandeln. In vielen Einrichtungen waren die Pflegekräfte strikt darauf bedacht, stets alle AEDL, ATL etc. komplett auszufüllen. Kaum jemand traute sich, mal kein Problem zu finden. Stattdessen wurden Probleme erfunden, oder Informationen, die eigentlich grundsätzlich neutral zu werten sind, zum Problem gemacht. Doch wenn man Informationen wie

• übergewichtig,

• untergewichtig,

• Sehschwäche,

• inkontinent oder

• schon mal gestürzt

zum Problem macht, findet sich dafür natürlich keine Lösung. Allzu oft war es ein erfundenes Problem der Pflegekräfte, aber keines des Pflegebedürftigen.

FazitDem Papier trauten wir mehr als dem eigenen Augenschein

Wir haben Jahrzehnte lang Assessments ausgefüllt, die offenbar den Pflegebedürftigen besser kannten als wir selbst. Oder wie sonst kann man erklären, dass wir eher dem Assessment folgten, anstatt unserem normalen Menschenverstand bzw. unserer fachlichen Einschätzung?

Wichtig Bezug zur neuen Qualitätsprüfung

Auch in den seit 1. November 2019 stattfindenden Qualitätsprüfungen ist das Pflegemodell, nach dem Sie vorgehen, frei wählbar, also für das Ergebnis irrelevant. Es beeinflusst weder die internen Ergebnisse der Qualitätsindikatoren noch die Ergebnisse der externen Prüfung durch MDK- oder PKV-Prüfteam.

2.2Dokumentationen nur für den MDK?

Mit dem Pflegeplanungs- und Assessmentwahn ging auch eine Leistungsnachweisschlacht einher. Hier ein beispielhaftes Späßchen, in dem viel Wahrheit steckt:

BeispielEin Frühstück und seine Dokumentation im Wandel der Zeit

1985

Die Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert nichts, denn dazu ist sie nicht verpflichtet.

1990

Die Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat gut gegessen« (seit 1986 besteht Dokumentationspflicht).

1995

Die lernwillige Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat gut gegessen«. Der MDK-Mitarbeiter kritisiert, der Eintrag sei nichtssagend: »Was heißt »gut gegessen«? Stattdessen müsse es lauten »zwei Scheiben Brot«!« (1995 wurden Pflegeversicherung und Qualitätsprüfungen eingeführt).

2000

Die folgsame Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat zwei Scheiben Brot gegessen«. Der nächste MDK-Prüfer kritisiert, der Eintrag sei nicht individuell genug: »Wie war das Brot belegt? Mit Wurst oder Käse?«

2005

Die pflichtbewusste Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat zwei Scheiben Brot gegessen, 1 mit Wurst und 1 mit Käse«. Nun kommt ein weiterer MDK-Prüfer und kritisiert, der Eintrag sei noch immer nicht individuell genug. »Mit welcher Wurstsorte und welchem Käse war das Brot belegt? Streichwurst oder Salami? Weich- oder Hartkäse?«

2010

Die gut ausgebildete Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück zu. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat zwei Scheiben Brot gegessen, 1 mit Streichwurst und 1 mit Goudakäse«. Nun kommt der wichtige MDK-Prüfer und kritisiert: »Ich sehe nicht, wie viele Kalorien diese Brote haben und schließlich ist Streichwurst nicht gleich Streichwurst. Das alles ist zu ungenau!«

2015

Die immer noch tätige Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück zu. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat zwei Scheiben Brot gegessen, 1 mit Streichwurst Marke Teewurst von Gutfreund und 1 Brot mit Maigoudakäse der Firma Anja, insgesamt 597 Kcal.« Nun kommt der geschulte MDK-Prüfer und kritisiert, der Eintrag sei völlig unnötig, denn man sehe doch in der Planung oder SIS®, was der Pflegebedürftige gerne esse. »Tragen Sie doch bitte nichts mehr ein. Außer wenn der Betreffende nicht wie gewohnt isst.«

2020

Die mittlerweile älter gewordene, aber nichtsdestotrotz immer noch hochprofessionelle Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert nichts. Da kommt ein MDK-Prüfer und meint: »Sie können nicht wochenlang nichts dokumentieren, Sie müssen doch wenigstens…!«

Es war schon lange an der Zeit, eine grundlegende Änderung herbeizuführen. Auch um der häufig angstgetriebenen und deshalb überbordenden Dokumentation ein Ende zu setzen. »Je mehr desto besser«, schien die Devise all die Jahre zu sein und kaum jemand hat versucht zu entbürokratisieren. Als ich in Einrichtungen 2002 erstmals eine Verschlankung der Dokumentation auf fünf Bereiche1 vorschlug, war ich ein Außenseiter und viele schüttelten die Köpfe. Weg von den AEDL? In Deutschland zur Jahrtausendwende noch undenkbar! Ich war zu früh mit meinen Entbürokratisierungsgedanken, habe sie aber weiter hartnäckig verfolgt. Als der Gesetzgeber 2009 die Entbürokratisierung ins Gesetz schrieb (Pflegeweiterentwicklungsgesetz), konnte meine Fünf-Bereiche-Planung zum Erfolgsmodell werden. Nun war die Entbürokratisierung gesetzlich erwünscht. Und es ging weiter:

»In einer 2013 von Kitson et al. vorgestellten Synthese von Publikationen aus Pflege, Medizin und Gesundheitspolitik zu der Frage, welches die Kernelemente einer ›Person-Zentrierten Praxis‹ sind, identifizierten die Autorinnen drei Kernthemen:

(1) Partizipation der ›zu-Pflegenden‹;

(2) Beziehung zwischen ›zu-Pflegenden‹ und den professionell Tätigen sowie

(3) der Kontext, in dem Pflege angeboten wird.«2

Diese drei Kernelemente sollten die Grundlage darstellen für eine noch nie dagewesene Betrachtungsweise im Pflege- und Beziehungsprozess. Im Strukturmodell kommt erstmals der Pflegebedürftige als erster zu Wort. Erst nach seiner Schilderung schätzt der Pflegeprofi die Probleme und Ressourcen ein. Egal, was die Fachkraft einschätzt, ohne den Pflegebedürftigen geht es nicht und letztendlich muss ein Aushandlungsprozess her, sofern Profi und Hilfsbedürftiger nicht zusammenkommen.

Aber eines nach dem anderen. Schauen wir auf das Strukturmodell. Es besteht aus vier Kernbereichen und ist somit ein vierschrittiger Pflegeprozess.

1. SIS® (Strukturierte Informationssammlung),

2. Maßnahmenplanung (in welcher Art auch immer),

3. Bericht zur Dokumentation von Abweichungen und Besonderheiten,

4. Evaluation.

Das allein ist schon eine Entbürokratisierung im Vergleich zu dem seit Jahrzehnten angewandten Pflegeprozess nach Fiechter und Meier. Denn das Strukturmodell macht aus zwei Schritten (Anamnese/Informationssammlung sowie Problem-/Ressourcenplanung) nur einen Schritt. Der 5. Schritt, Leistungsnachweis, fällt ebenfalls weg.

FazitWeniger Papier dank Strukturmodell

Die SIS® beherbergt die Anamnese, Informationen, Wünsche, Bedürfnisse, Biografie, Probleme und Ressourcen und – nicht zu vergessen – die Risikomatrix. Somit ersetzt ein einziger Vordruck, die SIS®, gleich zwei bis drei alte Vordrucke und mindestens fünf Assessments. Das ist ein toller Nebeneffekt und das Grundprinzip der Entbürokratisierung.

Wichtig Bezug zur neuen Qualitätsprüfung

Die Dokumentation wird sowohl für die interne Erfassung der Ergebnisqualität über die Qualitätsindikatoren, für die halbjährlich 98 Fragen für jeden Bewohner beantwortet werden müssen (Kap. 5), als auch für die neue Art der Qualitätsprüfung benötigt. Lernen Sie also die wichtigste Frage zu stellen: »Wo steht das?«, bevor Sie die Bedürfnisse einzelner Prüfer bedienen.

2.3Den Aufbau der SIS® verstehen

Schaut man sich den Bogen an, so ist er in vier Teile gegliedert:

1. Stammdaten (A),

2. Eingangsfrage (B),

3. Themenfelder (C1),

4. Risikomatrix (C 2).

Alle vier Teile werden für die Qualitätsprüfung benötigt. Obwohl dem Fachgespräch im neuen Prüfsystem eine hohe Bedeutung beigemessen wird, geht es nicht ohne Dokumentation.

2.3.1Teil A Stammdaten verstehen

Ob SIS® für die Kurzzeit- oder Tagespflege, ob SIS® ambulant oder stationär – in den Stammdaten steht neben dem Namen des Klienten stets der Name der Pflegekraft, die den Pflegeprozess freigibt (Abb. 3).

Abb. 3: Stammdaten in der SIS®.

Doch die Pflegekraft, die oben auf der SIS® angegeben wird, muss nicht jene sein, die die SIS® ausgefüllt hat! Informationen sammeln kann zunächst jeder. Ggf. macht eine Betreuungskraft die Eingangsinterviews oder die Pflegedienstleitung selbst und die Fachkräfte erledigen den Rest. Wenn möglich sollten am Ende, wenn die SIS® steht, auch der Klient oder seine Bezugsperson unterschreiben. Davon halte ich allerdings nichts, denn ältere Herrschaften unterschreiben nicht gerne was, insbesondere dort wo sie sich nicht auskennen.

Beides ist vom EinSTEP-Büro genauso vorgesehen: »Die SIS® sollte von der pflegebedürftigen Person und/oder auch von der bevollmächtigten Person unterzeichnet werden. Hiermit kommt die beiderseitige Verbindlichkeit für den Verständigungsprozess zum Ausdruck. Die Pflegefachkraft zeichnet die SIS® immer ab und übernimmt damit die fachliche Verantwortung...«3 Obwohl zuvor zu lesen ist: »Die SIS® kann nur von einer hierin geschulten Pflegefachkraft angewandt werden. Die Pflegefachkraft beherrscht den Pflegeprozess, hat kommunikative Fähigkeiten und bringt Erfahrungen in der Risikoerfassung und Beurteilung kritischer Situationen mit.«4

FazitNur die Fachkraft unterschreibt

Die SIS® ausfüllen kann jeder, der es eben kann und geschult ist. Ich meine, dass jeder der am Pflegeprozess beteiligt ist, auch an der SIS® beteiligt ist. D.h. auch Betreuungskräfte schreiben z. B. im Themenfeld 5 und 6 oder Nichtfachkräfte da, wo sie beteiligt sind. Unterschreiben darf eine SIS® jedoch nur die Fachkraft, die mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass sie den Prozess geprüft hat und diesen mit der Unterschrift auch freigibt.

2.3.2Teil B Eingangsfrage verstehen

Das erste Interview mit dem Pflegebedürftigen/seiner Bezugsperson will geübt sein.

Abb. 4: Einstiegsfrage der SIS®.

Nicht jede Pflegefachkraft kann auch Pflege planen und nicht jede Pflegefachkraft ist für ein Gespräch mit dem Pflegebedürftigen geeignet. Klug ist, wer das weiß, und sich Unterstützung holt. Wer den Pflegebedürftigen ausfragt, erhält oft einsilbige Antworten. Wer geschlossene Fragen stellt, bekommt ein »ja« oder ein »nein« als Antwort. Insofern passt das Wort »Interview« nicht wirklich.

Richtiger wäre vielleicht »Erkundigung«: Die Pflegekraft erkundigt sich beim Klienten, was sie für ihn tun kann, was er erwartet, welche Wünsche er hat. Das ist einladend. Der Klient hat die Chance, frei zu erzählen. Wenn dann trotzdem die Informationen nicht wie gewünscht fließen, wird es Zeit, das Zepter in die Hand zu nehmen, denn für die Themenfelder benötigt die Pflegekraft wörtliche Aussagen.

Tipp

Schauen Sie den Klienten an! Sie werden mit Sicherheit Anknüpfungspunkte für ein Gespräch finden. Sprechen Sie über die Frisur, das Gangbild, Schmuck oder Kleidung. Fragen Sie nach einer Bezugsperson etc. Alles, was Sie wahrnehmen, kann helfen, um den Klienten ins Gespräch zu ziehen.

Stellen Sie wenige, ausgewählte Fragen. Lassen Sie dem Klienten Zeit, sich zu äußern. Sagen Sie etwa:

• »Sie haben die Haare aber schön frisiert.«

• »Was haben Sie für eine schöne Bluse!«

• »Ihr Schmuck ist aber schön.«

• »Sie kommen aber gut mit dem Rollator zurecht.«

• »Sie haben Ihre Kleidung geschmackvoll gewählt.«

Diese Fragen sind Türöffner. Bedenken Sie bitte, dass der Klient in einer für ihn gänzlich unbekannten Situation ist. Er weiß, dass sein bisheriges Leben vorbei ist, dass er in einer Gemeinschaft anders leben wird als in seiner eigenen Häuslichkeit. Selbst wenn Sie einen Gast in der Tagespflege aufnehmen, ist es für ihn ein neuer Lebensabschnitt, unbekannt und mitunter verwirrend.

Die Eingangsfrage lautet: »Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun?« In der Kurzzeit- sowie Tagespflege zudem: »Was bringt Sie zu uns?«

Vermeiden Sie zunächst so gut wie möglich das Abfragen. Beginnen Sie Ihre Fragen nicht mit »Warum«. Vielleicht können Sie mit dem Klienten in einen netten Dialog über »Gott und die Welt« eintreten. Dann erhalten Sie meist schon alle Angaben, um die Eingangsfrage und die Themenfelder auszufüllen.

Tipp

Die SIS® bietet Struktur und Stütze, falls Sie nicht alles auswendig wissen. Sie können die Aussagen des Klienten aber auch zunächst auf einem Zettel notieren. So lassen Sie den Klienten frei erzählen, machen sich lediglich Notizen und übertragen später das Gesagte in die entsprechenden Themenfelder.

Kann der Klient kein Gespräch führen, ist es vielleicht seine Bezugsperson, die für ihn spricht. Dann notieren Sie im Interviewfeld das, was die Bezugsperson sagt, als Originaltext und oben im Stammdatenfeld steht der Name dieser Bezugsperson. Sollten weder der Klient noch eine Bezugsperson sprechen können, bleibt das Feld leer.

2.3.3Die Themenfelder verstehen

Teil C der SIS® besteht aus sechs Themenfeldern (Abb. 5), wovon sich die ersten fünf in allen Bereichen der Anwendung (ambulant, stationär, Tagespflege und Kurzzeitpflege) nicht unterscheiden. Lediglich Themenfeld 6 differiert.

Abb. 5: Themenfelder der SIS®.

Es ist neu, dass der Klient als erster redet. Diese spannende, wirkliche neue Herangehensweise ist noch nicht alles. Es wurde zudem auf die »Aktivitäten des täglichen Lebens« (ATL), die bisherige Form aller Pflegemodelle (Tab. 1), verzichtet. Statt die Modelle in Schablonen abzuarbeiten, gab es 2014 mit der SIS® pflegerelevante Kontextkategorien. Man hat also bei Ein-STEP verstanden, dass keine komplexe und umfassende Darstellung erforderlich ist, sondern lediglich eine pflegerelevante. So haben wir im Strukturmodell in der SIS® die sechs Themenfelder

1. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

2. Mobilität und Beweglichkeit

3. Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

4. Selbstversorgung

5. Leben in sozialen Beziehungen

6. Haushaltsführung (ambulant)/ Wohnen und Häuslichkeit (stationär)

– Kurzzeitpflege: Wahrung der Individualität während des Aufenthaltes/Erste Einschätzung zur weiteren Versorgung nach der Kurzzeitpflege

– Tagespflege: Erhalt/Förderung von Alltagsfähigkeiten bzw. Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen

Es geht allerdings nicht mehr darum, die Themenfelder wie eine Pflegeplanung auszufüllen, sondern um eine veränderte Betrachtungsweise.

FazitDer Klient zuerst

Nicht Sie als Fachkraft schreiben auf, was Sie sehen und denken, sondern zunächst kommt der Klient zu Wort. Er soll seine Sicht auf die Dinge schildern. Er zieht sein rechtes Bein nach? Wie sieht er das? – Sie hat einen insulinpflichtigen Diabetes? Wie geht sie damit um?

In den aktuellen Schulungsunterlagen des EinSTEP Büros in Berlin5 heißt es: »6 Themenfelder [Perspektive pflegebedürftige Person, pflegerelevante biografische Merkmale, fachliche Einschätzung der Pflegefachkraft und Risikobewertung, Verständigungsprozess].«