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Für Einrichtungen und Mitarbeiter ist die Umsetzung des Expertenstandards „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“ eine anspruchsvolle Aufgabe. Es geht nicht nur darum, das Agieren und die Problemlagen zu beschreiben. Vielmehr müssen Pflegekräfte das Wohlbefinden der Pflegebedürftigen sichern. Genau das ist angesichts des oft als herausfordernd empfundenen Verhaltens besonders schwierig. Doch der Expertenstandard bietet auch große Chancen. Jutta König zeigt die wesentlichen Inhalte und gibt konkrete Tipps, wie sich die einzelnen Qualitätsaspekte im Arbeitsalltag umsetzen lassen. Kompakt und strikt praxisorientiert wird so aus dem Expertenstandard eine Pflege, die Wohlbefinden fördert, Pflegekräfte motiviert und ein gutes Ergebnis bei der Qualitätsprüfung garantiert.
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Jutta König ist Altenpflegerin, Pflegedienst- und Heimleitung, Wirtschaftsdiplombetriebswirtin Gesundheit (VWA), Sachverständige bei verschiedenen Sozialgerichten im Bundesgebiet sowie beim Landessozialgericht in Mainz, Unternehmensberaterin, Dozentin in den Bereichen SGB XI, SGB V, Heimgesetz und Betreuungsrecht.
» Lernen Sie, Verhaltensweisen zu verstehen – statt die Menschen mit Demenz von scheinbar ›herausforderndem‹ Verhalten abzuhalten.«
JUTTA KÖNIG
pflegebrief
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.
ISBN 978-3-8426-0842-9 (Print)ISBN 978-3-8426-9073-8 (PDF)ISBN 978-3-8426-9074-5 (EPUB)
© 2020 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autoren und des Verlages. Für Änderungen und Fehler, die trotz der sorgfältigen Überprüfung aller Angaben nicht völlig auszuschließen sind, kann keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden.
Die im Folgenden verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen stehen immer gleichwertig für beide Geschlechter, auch wenn sie nur in einer Form benannt sind. Ein Markenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, ohne dass dieses besonders gekennzeichnet wurde.
Titelbild: Robert Kneschke – stock.adobe.comCovergestaltung und Reihenlayout: Lichten, Hamburg
Vorwort
1Allgemeines zu den Expertenstandards
1. Tipp:Setzen Sie die Expertenstandards um, und setzen Sie sie ein
2. Tipp:Nehmen Sie die Expertenstandards nicht als Handlungsanweisung
3. Tipp:Der Aufbau aller Expertenstandards ist identisch
2Expertenstandard »Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz«
4. Tipp:Es geht um Beziehungspflege
5. Tipp:Verschaffen Sie sich einen Überblick über den Expertenstandard
2.1Expertenstandard-Vorgaben in der Strukturqualität
6. Tipp:Handeln Sie person-zentriert
7. Tipp:Unterscheiden Sie die Arten von Demenz
8. Tipp:Lernen Sie die sieben Stufen einer Demenzerkrankung kennen
9. Tipp:Identifizieren Sie Menschen mit Demenz
10. Tipp:Überschätzen Sie eine Vergesslichkeit nicht
11. Tipp:Beachten Sie, dass sich im Alter die Wahrnehmung verändert
12. Tipp:Verwechseln Sie Depressionen nicht mit Demenz
13. Tipp:Fördern Sie eine person-zentrierte Haltung auch strukturell
14. Tipp:Vermeiden Sie Milieufehler
15. Tipp:Arbeiten Sie nicht wie vor 40 Jahren
16. Tipp:Alter Ramsch ist keine Biografie
17. Tipp:Stellen Sie das Leitbild auf den Prüfstand
18. Tipp:Schaffen Sie die Voraussetzungen für Koordination und Planung
19. Tipp:Leisten Sie konzeptionelle Vorarbeit
20. Tipp:Integrieren Sie beziehungsfördernde Angebote in den Alltag
21. Tipp:Binden Sie Angehörige ein
22. Tipp:Machen Sie Angehörige zu Experten
23. Tipp:Es gibt keine schwierigen Angehörigen
24. Tipp:Machen Sie Angebote für Menschen mit Demenz
25. Tipp:Angebote müssen sinnvoll erscheinen
26. Tipp:Es muss nicht immer ein Wochenplan sein
27. Tipp:Schaffen Sie die richtigen Rahmenbedingungen
28. Tipp:Evaluieren Sie die beziehungs- und gestaltungsfördernde Pflege
2.2Expertenstandard-Vorgaben in der Prozessqualität
29. Tipp:Erheben Sie zu Beginn der Pflege die Unterstützungsbedarfe
30. Tipp:Nutzen Sie die Verstehenshypothese als Schlüssel zum Menschen
31. Tipp:Definieren Sie Lebensqualität
32. Tipp:Verwechseln Sie die Biografie nicht mit dem Lebenslauf
33. Tipp:Biografie ist manchmal Versuch und Irrtum
34. Tipp:Person-zentrierte Arbeit bedeutet nicht automatisch, mehr Personal oder Zeit zu brauchen
35. Tipp:Mehr Zeit zu haben bedeutet nicht, diese auch zu nutzen
36. Tipp:»Vor den Beinen muss die Seele bewegt werden«
37. Tipp:Person-zentrierte Haltung geht nicht per Arbeitsanweisung
38. Tipp:Anleiten und Beraten ist Aufgabe der Pflegekraft
39. Tipp:Die Pflegefachkraft ist auch ein Koordinator
40. Tipp:Reflektieren Sie stets ihre Handlungen
3Tipps für den Alltag
41. Tipp:Jedes Verhalten hat eine Ursache
42. Tipp:Bedarfe ermitteln statt überversorgen
43. Tipp:Nutzen Sie DCM als Weg zum Wohlbefinden
44. Tipp:Zu viel Fremdbestimmung macht unzufrieden
45. Tipp:Erkennen Sie Ursachen und Zusammenhänge
46. Tipp:Vermeiden Sie typische Fehler
47. Tipp:Binden Sie den Expertenstandard in Ihr System ein
4MDK-Prüffragen zu diesem Thema
48. Tipp:Lernen Sie die MDK-Prüffragen stationär kennen
49. Tipp:Lernen Sie die MDK-Prüffragen teilstationär kennen
50. Tipp:Lernen Sie die MDK-Prüffragen ambulant kennen
Literatur
Register
Der Expertenstandard »Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz« wurde lange erhofft und sehnlichst erwartet. Nun liegt er vor. Und wie vermutlich alle Erstlingswerke kann man nicht rundum zufrieden sein. Der Expertenstandard gibt auf viele Dinge noch keine Antwort. Er lässt die wichtigen Betreuungskräfte im Pflegeprozess zu weit außen vor und legt diesen komplett in die Hand der Pflegefachkräfte.
Dennoch, er ist ein Meilenstein. Und wenn der Expertenstand, wie er jetzt vorliegt, bereits in den Einrichtungen umgesetzt wird, ist das eine der größten Revolutionen in der Geschichte der Pflege. Ein komplettes Umdenken in Haltung und im Handeln.
»Beziehungspflege vor Grundpflege«! Verhaltensweisen verstehen, anstatt die Menschen mit Demenz von als herausfordernd erlebtem Verhalten abzuhalten.
Der Expertenstandard macht Mut, Mut für unser aller Zukunft. Es wird sicher noch Jahre dauern, bis wir dort sind, wo der erste Expertenstandard seiner Art uns haben möchte. Bis dahin haben wir dann hoffentlich die Aktualisierung, die die kleinen Schwächen ausbügelt und uns neu beflügelt.
Wiesbaden, im Juli 2020
Jutta König
Die Umsetzung aller nationalen Expertenstandards ist für Einrichtungen verpflichtend. Dies geht aus dem § 113a SGB XI hervor.
Bisher sind alle nationalen Expertenstandards durch das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) in Osnabrück veröffentlicht, und können dort auch erworben werden.1
Bereits vor mehr als 20 Jahren haben die Experten des DNQP in jahrelanger Arbeit Standards für bestimmte Risikobereiche oder zur Versorgung von Menschen mit bestimmten Risiken erarbeitet. Derzeit gibt es neun Standards in der Pflegelandschaft, ein 10., »Erhaltung und Förderung der Mobilität«, ist freiwillig und muss dementsprechend nicht eingeführt werden. Sieht man sich allerdings die neuen Qualitätsindikatoren (Selbsterhebung in Heimen) und Qualitätsaspekte (Prüfung durch MDK- und PKV-Prüfdiente) an, so wird deutlich: Die Förderung der Mobilität bringt positive Bewertungen und fließt durchaus in der Prüfung mit ein.
Somit haben wir aktuell folgende verabschiedete Standards aus Osnabrück:
1. Dekubitusprophylaxe, 2. Aktualisierung Juni 2017
2. Entlassungsmanagement, 2. Aktualisierung Juni 2019(nur für Einrichtungen, die dies betrifft, insbesondere Krankenhäuser)
3. Schmerzmanagement bei akuten Schmerzen,1. Aktualisierung Dezember 2011
4. Schmerzmanagement bei chronischen Schmerzen, Mai 2015
5. Sturzprophylaxe, 1. Aktualisierung Januar 2013
6. Förderung der Harnkontinenz, 1. Aktualisierung März 2014
7. Pflege von Menschen mit chronischen Wunden,1. Aktualisierung September 2015
8. Ernährungsmanagement, 1. Aktualisierung Januar 2017
9. Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz Mai 2019
Info
Da das DNQP auf Bundesebene arbeitet, und im § 113a SGB XI auf die Expertenstandards verwiesen wird, bedeutet dies, dass sich alle Einrichtungen mit diesen Expertenstandards befassen müssen. Sie müssen aufzeigen, wie sie diese – in manchen Punkten relativ abstrakten Darlegungen – in die pflegerische Praxis einbeziehen. Und, wenn ja, inwieweit die Umsetzung erfolgt ist.
Die Ziele der Expertenstandards und deren Aufbau sind annähernd vergleichbar. Bei der Zieldefinition wird immer deutlich: Die Standards sind wissenschaftlich fundierte Instrumente. Vorbei sind also die Zeiten, in denen in der Pflege rein nach dem Motto »Versuch und Irrtum« vorgegangen wurde, als Menschen mit Demenz reglementiert oder gar mit Sitzgurten an ihre Stühle fixiert wurden.
Expertenstandards sind somit eine Niveauregelung, die Probleme methodisch gestützt angehen und Rahmenbedingungen zum adäquaten Umgang damit vorstellen.
Es wird in diesem Zusammenhang gern von sogenannten »vorweggenommenen Sachverständigengutachten« gesprochen. Wenn die Experten bestimmte Behandlungsmethoden oder pflegerische Tätigkeiten als »kontraproduktiv« bezeichnen, so sollte die Pflege diese Tätigkeiten auch nicht mehr durchführen.
Fazit»Die Umsetzung eines Standards obliegt immer der Einrichtung selbst«
Dieser Satz macht deutlich, dass die Experten in den Standards keine Vorschriften machen. Sie zeigen lediglich Ergebnisse und Konsequenzen bestimmter Handlungen auf, die laut Forschung nicht oder weniger geeignet sind.
Wie weit also eine Einrichtung einen Expertenstandard anwendet und ihn umsetzt, ist allein Sache der Einrichtung selbst. Das zeigt sich auch am Expertenstandard »Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz«. Es gibt kein »richtig« oder »falsch« in dieser Angelegenheit. Es werden Untersuchungen dargelegt, Hinweise und Empfehlungen ausgesprochen. Aber es steht an keiner Stelle: »So müssen Sie es tun, dann wird alles gut.«
Diese Expertenstandards sind keine konkreten Pflege- oder Handlungsanleitungen. Man kann in keinem der Standards nachlesen, was man in welchen Situationen am besten tut. Es wird also keinesfalls dargestellt, was zu tun ist, wenn ein Mensch dieses oder jenes Risiko hat. Mag sein, dass sich einige Pflegekräfte genau einen solchen Standard wünschen, der Vorgaben macht und aufzeigt, was wann zu tun ist. Aber letztendlich kann ich nur sagen: Gut, dass es keine Vorgaben gibt. Denn ich möchte, wenn ich eine Demenz entwickle, nicht nach einem festen Standard versorgt werden. So nach dem Motto: »Erst machen wir dieses, dann jenes, dann wird der Mensch schon gefügig.«
Auch der Aufbau der Expertenstandards ist, ebenso wie die Herangehensweise, identisch:
1. Strukturqualität: Hier sind alle Rahmenbedingungen, die die Pflegeeinrichtung bieten soll, und die Fähigkeiten, über die eine Pflegefachkraft und weitere Personen verfügen müssen, festgehalten.
2. Prozessqualität: Hier sind Maßnahmen dokumentiert, die von der Einrichtung und von der Pflegefachkraft eingeleitet werden können.
3. Ergebnisqualität: Das gewünschte Ergebnis ist immer das Ergebnis von Struktur und Prozess. Ohne geeignete Strukturen und sinnvolle Prozesshaftigkeit wird das Ergebnis entweder nicht das Gewünschte sein oder es ist nicht reproduzierbar.
Diese drei Ebenen, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität, kennen die meisten Einrichtungen (ambulant, teil- oder vollstationär), aber sie setzen diese Schritte nicht immer nachvollziehbar um.
Als Beispiel für den Expertenstandard »Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz« dient die folgende Tabelle (Tab. 1).
Tab. 1: Die Ebenen der Expertenstandards
Struktur
Prozess
Ergebnis
Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen, um vernünftige Prozess in Gang zu setzen.
Anforderungen an die Fachkraft und weitere Personen. Umsetzung der Anforderungen.
Wenn die Struktur stimmt und die richtigen Prozesse in Gang sind, kommt das gewünschte Ergebnis heraus.
Beispiel
Person-zentrierte Haltung gegenüber Menschen mit Demenz
Verstehenshypothese, warum verhält sich ein Mensch so verhält, wie er sich verhält.
Wohlbefinden beim Menschen mit Demenz, trotz seiner Verhaltensweisen.
_________________
1https://www.dnqp.de/de/bestellung/
Dieser Expertenstandard befasst sich nicht mit Pflegerisiken im praktischen Pflegealltag, wie es die anderen Expertenstandards tun. Hier geht es um Beziehungspflege. Darum, wie Sie die Welt für Menschen mit einer Demenz besser machen können, wie Sie das Verhalten der betroffenen Klienten eher verstehen. Erst wenn Sie den Menschen und sein Handeln verstehen, beenden Sie Ihre Fehler im Umgang mit diesen Menschen.
Es geht nicht darum, Menschen mit Demenz von deren Handeln abzubringen, sie in die Regeln der Gemeinschaft einzufügen. Es geht um Lebensqualität für die Menschen mit Demenz.
Selbstbestimmung und Wertschätzung sind Ausdruck von Lebensqualität und kosten nichts, noch nicht einmal Zeit!
Wenn Sie Menschen mit Demenz als störend, nervend oder herausfordernd sehen, werden Sie ihnen keine Lebensqualität ermöglichen können. Der Expertenstandard befasst sich damit, wie wichtig es ist, die Anzeichen einer Demenz zu erkennen, auch wenn es (noch) keine Diagnose gibt.
Der Expertenstand macht auch klar, was biografische Daten im Alltag bedeuten und wie wichtig die Bedürfnisse eines Klienten sind, um ihn besser zu verstehen. »Daher bilden person-zentrierte, beziehungsgestaltende und -fördernde Maßnahmen eine notwendige Grundlage für die Einflussnahme auf die Entstehung von herausfordernd erlebtem Verhalten.«2
Da es um einen Menschen mit Demenz geht, darf die Diagnose Demenz nicht im Vordergrund stehen. Wenn man einem Menschen Insulin spritzt, stellt man bei der Beziehung zu diesem Menschen schließlich auch nicht seinen Diabetes in den Vordergrund.
Wichtig Achten Sie daher von Anfang an auf Ihren Sprachgebrauch
Sprechen Sie nicht von »dem Dementen« oder von einer »Demenzgruppe« oder »Demenzbereich«. Es ist die Beziehung zu einem Menschen, die Sie herstellen, nicht die zu einer Diagnose.
Um Menschen mit Demenz das zu geben, was sie benötigen, sie in den Mittelpunkt zu stellen, wahrzunehmen, wertzuschätzen und ihnen ihre Selbstbestimmung zu erhalten, bedarf es nicht zwingend einer Fachkompetenz. Es bedarf in erster Linie einer entsprechenden Haltung gegenüber den Menschen mit Demenz. Diese Haltung ist geprägt durch Wissen und kann beeinflusst werden. Das sehen wir auf allen Feldern unseres Lebens. Mit der Bildung wächst unser Wissen und ändert sich unsere Sicht auf die Dinge.
»Anwender dieses Expertenstandards sind Pflegefachkräfte ohne spezielle Weiterbildung im gerontopsychiatrischen Bereich. Im Expertenstandard wird dennoch deutlich, dass die person-zentrierte Beziehungsgestaltung mit Menschen mit Demenz ohne besondere Kompetenzen nicht bewältigt werden kann.«3
Das Expertenteam wendet sich leider im Aufbau ausschließlich an Pflegefachkräfte und stellt, wie in den anderen Expertenstandards auch, die Bedingungen nur an diese – und an die Einrichtung. Natürlich sind die Fachkräfte für die Umsetzung des Pflegeprozesses verantwortlich. Sie koordinieren die direkte und die indirekte Pflege. Aber oft genug sind keine Fachkräfte vor Ort beim Klienten, sondern Kollegen anderer Berufsgruppen. Und diese können und sollten aus meiner Sicht ebenso Adressaten dieses Expertenstandards sein. Zumal man im Text mitunter liest, was Pflegende (und das sind nicht immer Fachkräfte) für Aufgaben gegenüber Menschen mit Demenz haben. Aber alle formulierten Leitsätze in Struktur-, Prozess und Ergebnisqualität beginnen stets mit den Worten »die Pflegefachkraft«.
Tab. 2: Kriterien des Expertenstandards*
Zielsetzung:
Jeder pflegebedürftige Mensch mit Demenz erhält Angebote zur Beziehungsgestaltung, die das Gefühl, gehört, verstanden und angenommen zu werden sowie mit anderen Personen verbunden zu sein, erhalten oder fördern.
Begründung:
Beziehungen zählen zu den wesentlichen Faktoren, die aus Sicht von Menschen mit Demenz Lebensqualität konstituieren und beeinflussen. Durch person-zentrierte Interaktions- und Kommunikationsangebote kann die Beziehung zwischen Menschen mit Demenz und Pflegenden sowie anderen Menschen in ihrem sozialen Umfeld erhalten und gefördert werden.
Bevor ich in Kapitel 2.4 auf die Umsetzung und den praktischen Teil eingehe, müssen im Folgenden die Voraussetzungen anhand der Strukturqualität erläutert werden. Denn ohne Wissen, ohne Struktur, wird die Umsetzung ein »Versuch und Irrtum« sein und das Ergebnis damit höchst unterschiedlich.
Info
Die Strukturqualität beschreibt die Umsetzungsvoraussetzungen.
Die erste Anforderung aus dem Expertenstandard ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die erfolgreiche Arbeit mit Menschen mit Demenz. Erfolgreich in dem Sinne, dass der Mensch mit Demenz als selbstbestimmt wahrgenommen wird, Respekt und Anerkennung erfährt.
Strukturqualität S1a: