Abenteuer in Kanada - Pit Vogt - E-Book

Abenteuer in Kanada E-Book

Pit Vogt

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Beschreibung

Der kleine Jim ist aus Kanada und ziemlich frech. Trotzdem lieben ihn alle. Und so ist er überall unterwegs. Er lebt ja in einer großen Stadt und kennt sich aus. So scheint es bald, dass die Abenteuer regelrecht auf der Suche nach ihm sind. Doch Jim wäre nicht Jim, wenn er all die vielen Abenteuer nicht bestehen würde. Er ist halt ein kleiner Kämpfer, der aber doch immer noch ein staunender Junge ist. Er entdeckt so viel - und dann ist da noch - aber das müsst Ihr schon selbst herausfinden. Denn Jim ist Dingen auf der Spur, die jeden Kleinen und Großen staunen lassen, den unglaublichsten Wundern.

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INHALT

Jims Wunder

Little Love

Jim in Not

Der Traum

Der Freund

Der Clown

Der Schauspieler

Das große Abenteuer

Auf der Suche

Die Reise ins All

Das Karussell

Masken

Ängste

Der Obdachlose

Die kranke Lehrerin

Das Wasser des Lebens

Abenteuer mit Ontario

In Vancouver

Jim und die Sterne

Piraten

Der Wunderbriefkasten

Jim im Netz

Jims Wunder

Der kleine Jim – das heißt, eigentlich war er ja gar nicht mehr so klein – er war ja schon sieben Jahre alt und fühlte sich ziemlich erwachsen – lebte in der wunderschönen Stadt Ottawa, wusste viel und kannte sich bestens aus.

Aber es könnte auch überall auf dieser großen weiten Welt sein, da, wo gute Menschen sind. Immer trottete er durch die vielen Straßen seiner schönen Stadt und suchte nach neuen Abenteuern. Natürlich fand er sie auch, doch manchmal wollte sich einfach keines einstellen.

Wie auch an diesem eigentlich so makellos herrlichen Sommertag. Jim kam gerade aus der Schule, wo er seiner Lehrerin Mrs. Bison wie immer einige freche Streiche gespielt hatte, wo er aber sonst immer sehr brav lernte. Nachdenklich lief er durch die Straßen und wollte noch gar nicht nach Hause gehen. Vielleicht entdeckte er ja irgendetwas, das er bis dahin noch nie entdeckt hatte? Viele Kinder liefen durch die Straßen und manche waren wie er ziemlich lustig und sangen oder pfiffen sich irgendein fröhliches Liedchen. Jim aber setzte sich auf eine Bank, die auf einer kleinen Wiese eines Vorgartens stand und träumte. Ach, wie schön wäre es, wenn er die vielen Sterne vom Himmel holen könnte, wäre das nicht unglaublich verrückt?

Ja, es schien wirklich verrückt, denn am Tag sah man die Sterne ja nicht, weil es viel zu hell war. Da schob sich eine milchig aussehende Scheibe übers azurblaue Himmelszelt.

„Der Mond“, rief Jim, und lange blinzelte er zu der geheimnisvollen gelblichen Scheibe, die an diesem märchenhaften Sommertag recht merkwürdig zu grinsen schien.

„Den Mond müsste man vom Himmel holen“, flüsterte er leise in sich hinein und wusste doch genau, dass das eigentlich gar nicht möglich war. Ein wenig traurig stand er auf und lief langsam nach Hause. Dort empfing ihn seine Mami, die schon einige Zeit auf ihn gewartet hatte.

„Wieso kommst du denn erst jetzt“, erkundigte sie sich bei ihm und verwies den ahnungslos wirkenden Jungen auf die Abmachung vom gestrigen Abend. Denn die Mami wollte einige wichtige Dinge erledigen, hatte deswegen stundenlang auf ihren kleinen Sohn gewartet. Natürlich wusste sie nicht, dass der mal wieder seinen sonderbaren Träumen nachhing. Und so war sie wenig erfreut, dass Jim irgendwie gar nichts mehr von der Abmachung wissen wollte.

Als sie abgefahren war, dachte Jim an früher, als sein Papa noch lebte. Da war die Familie noch zusammen und nach seinem Tod waren nur noch die Mami und er auf der Welt. Da hatten sie sich geschworen, immer füreinander da zu sein und alles miteinander abzusprechen. Es war das grenzenlose Vertrauen, welches die kleine Familie seither zusammenhielt. Und nun hatte er sich nicht an die Abmachung gehalten. Nein, das war wirklich nicht so gut.

Als es Abend wurde, die Sonne langsam und feuerrot am Horizont versank, stand der kleine Jim noch lange auf der Terrasse des kleinen, nicht mehr ganz so neuen Hauses und schaute gebannt in den düsteren Himmel.

Ganz langsam schwamm der Mond in die Mitte des Firmamentes und schien sich unter all den plötzlich aufblitzenden Sternen irgendwie ziemlich wohl zu fühlen. Jim fiel sein Traum vom Nachmittag ein – ach, wie gern würde er diesen großen goldenen Mond vom Himmel holen, um ihn seiner Mami zu schenken. Doch er wusste ja, dass das nicht ging und so schlich er sich ins Haus zurück. Von seinem Zimmer aus schaute er dann doch wieder und wieder hinauf zum Himmelszelt und merkte gar nicht, wie die Nacht über die Stadt hereinbrach. Still war es draußen geworden und nur ein leiser Windhauch bewegte die Äste der Bäume, die leise knisternd aneinanderstießen. Jim konnte einfach nicht schlafen und so schaute er eben aus dem Fenster.

Wie schön doch alles war, so in der Dunkelheit und so ganz allein. Plötzlich musste er weinen, denn er wollte seiner Mami doch eine Freude machen, weil er die Abmachung vergessen hatte. Immer wieder musste er sich die Tränen aus den Augen wischen, und auf einmal schien sein Traum vom Nachmittag den Mond am Himmel erreicht zu haben. Sein sonst immer gleichmäßig scheinendes grinsendes Gesicht wurde plötzlich recht ernst und seine Augen begannen sich zu bewegen. Nachdenklich schaute er zu dem kleinen traurigen Jungen auf der Erde und sprach dann leise zu ihm: „Na Jim, warum bist du denn so traurig?“ Jim, der bis dahin geglaubt hatte, allein aus dem Fenster zu schauen, erschrak ein wenig. Wer hatte da zu ihm gesprochen, es war doch gar keiner zu sehen?

Als er zum Mond am Himmel schaute, wollte er es anfangs nicht wahrhaben. Doch als der Mond schließlich erneut zu sprechen begann, glaubte er es dann doch.

„Warum bist du so traurig Jim, du hast doch alles, oder?“

Jim wischte sich die Tränen vom Kinn und schniefte laut. Dann holte er tief Luft und sagte: „Na weil ich meine Mami heute enttäuscht habe. Immer wollten wir füreinander da sein, und ich habe meiner Mami versprochen, dass ich ihr immer helfen werde. Außerdem sollte sie sich immer auf mich verlassen können und nun habe ich sie so sehr enttäuscht.“

Der Mond schloss seine Augen, und als er sie wieder öffnete, schaute er gar nicht mehr so traurig wie eben noch. Schließlich sagte er: „Aber Jim, du hast doch deine Mami nicht enttäuscht. Deine Mami weiß doch, dass du schon so viel für sie getan hast, dass du immer für sie da bist und sie liebt dich immer, auch, wenn du nichts für sie tust.“

Jim musste wieder weinen, und er verstand, was der Mond da zu ihm sagte. Dennoch ließ ihn das Gefühl nicht los, irgendetwas Gutes für seine Mami zu tun, etwas, worüber sie sich richtig freuen würde. Da sagte der Mond: „Ich hab da eine Idee. Weißt du was, ich mache mich ganz klein und komme zu dir. Dann steigst du auf mich drauf und wir fliegen zusammen zu deiner Mami. Wir holen sie einfach ab und sie wird sich sehr freuen, dass du an sie gedacht hast. Na, wär das was?“

Jim strahlte wieder und alle Traurigkeit schien vergessen.

„Na klar, das wär wirklich toll“, rief er vergnügt, und schon verkleinerte sich die große Scheibe des Mondes und ganz langsam driftete er zur Erde herab. Vor Jims Fenster blieb er stehen, formte sich zu einer Sichel, die aussah wie ein Schaukelstuhl und Jim kletterte auf ihn drauf. Er machte es sich so richtig bequem, und ehe er sich versah, ging es auch schon los. Der Mond stieg auf bis zum Himmelszelt und Jim staunte, denn von so weit oben hatte er seine Stadt noch niemals gesehen. Die vielen Lichter der Häuser, der Straßen und der Autos, es war schon faszinierend und beeindruckend zugleich. Schnell flogen sie zu Mimis Arbeitsstelle, einer kleinen Agentur in der Stadt und blieben vor dem Bürofenster der Mami stehen.

Vorsichtig beugte sich Jim ans Fenster und pochte laut dagegen. Als die Mami das Fenster öffnete und ihren kleinen Sohn auf der Sichel des Mondes sitzen sah, blieb ihr vor Erstaunen der Mund offenstehen. Wie konnte denn so etwas nur möglich sein, wie kam ihr kleiner Sohn auf den Mond, und wie kam letztlich dieser Mond bis hierher? Jim strahlte vor Freude, und dann bat er seine Mami, mit ihm und dem Mond nach Hause zu fliegen. Und weil die Mami ohnehin fertig war mit Arbeiten, war sie einverstanden. Sie kletterte aus dem Fenster und nahm neben ihrem Sohn auf dem Mond Platz.

Als sie es sich gemütlich gemacht hatte, erhob sich der Mond und flog mit den beiden Gästen über die Stadt. Aber was war das? Irgendetwas schien sich dort unten auf der Straße zu tun, irgendetwas Schlimmes! Auch der Mond war erschrocken, denn eigentlich glaubte auch er, dass er nur zu Jims Haus fliegen bräuchte. Doch als er sah, dass auf der Straße unter ihnen ein Unfall zu sehen war, landete er schnellstens neben dem verunglückten Fahrzeug. Es war wohl in Brand geraten und die Flammen loderten bedrohlich in die Dunkelheit hinein.

Laute Schreie drangen an die Ohren von Jim, seiner Mami und des Mondes. Die beiden Fluggäste sprangen auf die Straße und Jim versuchte, eine der Autotüren, die noch nicht vom Flammenmeer erreicht wurden, zu öffnen. Es gelang, und inmitten des starken Rauchs entdeckte er ein kleines Mädchen. Am Steuer saß eine Frau, die bewusstlos sein mochte, denn sie rührte sich nicht. Jims Mami überlegte nicht lange, zog die leblos wirkende Frau hinterm Steuer hervor und zerrte sie bis zur Wiese des an der Straße stehenden Hauses. Jim zog unterdessen das Mädchen aus dem Auto, und kaum hatten sie die beiden in Sicherheit gebracht, knallte es und das Auto flog in die Luft. Der Mond fächelte währenddessen den Qualm so, dass er nicht zu den Unfallopfern auf der Wiese gelangte. Und Jim Mami rief den Notdienst, der rasch eintraf. Die beiden Verunglückten konnten glücklicherweise gerettet werden, doch es war wohl in allerletzter Sekunde.

„Länger hätten die beiden nicht im Rauch und dem Feuer sitzen dürfen“, sagte der Notarzt und dankte den beiden Rettern von ganzem Herzen.

Jim war froh, dass er das Mädchen vor dem sicheren Flammentod bewahren konnte und seine Mami war erleichtert, dass auch dessen Mutter am Leben geblieben war.

Schließlich war der Einsatz zu Ende und die beiden mutigen Retter kletterten auf den Mond, der sich alsbald langsam in den dunklen Nachthimmel erhob. Unterwegs unterhielten sich die Drei noch über das soeben Erlebte. Und als der kleine Jim schließlich in seinem Bettchen lag, winkte er noch einmal dem Mond bevor er hundemüde einschlief.

Am nächsten Morgen gab es nur dieses eine Thema, die aufregenden Erlebnisse der letzten Nacht! Und dann brachte es fast jede Nachrichtensendung: „Kleiner Junge und seine Mami retteten ein kleines Mädchen und seiner Mutter aus der tödlichen Flammenhölle!“

Jim, der an diesem Morgen noch ziemlich müde war, fühlte sich gut. „Das hast du wirklich gut gemacht, ich hab dich sehr lieb mein Junge“, sagte die Mami dann leise und Jim freute sich, denn er hatte genau das erreicht was er wollte: seiner Mami eine Freude gemacht.

An diesem Morgen musste er nicht gleich zur Schule, und so wunderte er sich, dass es nach dem Frühstück heftig an der Tür klingelte. Als er öffnete staunte er, denn da standen zwei sympathische Männer, die ihn baten, mit ihnen zu fahren. Natürlich fuhr seine Mami mit, und irgendwie schien es so, als wenn sie wüsste, worum es ging. Die Fahrt ging durch alle möglichen Straßen, bis sie schließlich auf dem Sussex-Drive, dem berühmten Sussex-Drive, wo viele seiner geliebten Stars aus dem Fernsehen einen Stern hatten, eintrafen. Es waren wunderschöne Sterne, die in den Gehweg eingelassen waren und genau dort standen viele Leute. Jim und seine Mami stiegen aus dem Wagen und die Menschen gaben einen nicht enden wollenden Beifall. Jim verstand die Welt nicht mehr, galt all dieser Applaus wirklich ihnen? Es galt ihnen, denn was der kleine Junge nicht wusste, er sollte an diesem Morgen für seine Heldentat der vergangenen Nacht geehrt werden. Und seine Mami schien sogar von alledem zu wissen.

Als er so hilflos wirkend auf dem berühmten Bürgersteig stand, bat ihn der Bürgermeister, ein rotes Tuch vom Gehweg herunterzunehmen. Jim tat es, und was er dann sah, konnte er nicht glauben: es war ein wunderschöner, funkelnder Stern, der seinen Namen trug. Dicke Tränen liefen dem mutigen Jungen übers Gesicht und seine Mami streichelte ihm wie immer sanft übers Haar. Sie war so unendlich stolz auf ihren kleinen Sohn, der ein kleines Mädchen gerettet hatte.

Aber, bei all dem Ruhm für ihn, sollte da nicht auch seine Mami …? Die schien seine Gedanken lesen zu können und sagte leis: „Ich brauche keinen Stern, denn ich habe ja schon einen.“

Jim wusste nicht, was seine Mami da meinte. Er wollte ihr doch auch eine große Freude bereiten, und dass nur er einen solch wundervollen Stern erhalten hatte, machte ihn dann doch ein wenig trübsinnig. Doch die Mami tröstete ihn schnell und meinte dann: „Ach Jim, sei nicht traurig, ich hab doch auch eine Auszeichnung erhalten. Ein Dankeschön und einen Schatz, den auch dieser schöne Stern hier nicht ersetzen könnte. Denn das, was ich habe, das bist doch du mein Sohn. Du bist für mich der Stern, der Dank und das Liebste, was eine Mutter je haben kann. Mehr brauche ich nicht und du bringst mir immer so viel Freude, das glaubst du gar nicht.“

Jim schaute schweigend, aber glücklich zu seiner Mami und dann zu den vielen Leuten, die um ihn herumstanden. Es war, als wenn sie alle verstanden, was ihn gerade bewegte und dann klatschten sie wieder und riefen laut: „Es lebe unser kleiner, großer Held! Jim lebe hoch!“

Und es war ganz merkwürdig, denn der Mond, der kaum sichtbar am Himmelszelt schwamm, verzog ein wenig sein Gesicht. Aus seinen Augen schienen Tränen zu tropfen, die wie Sterntaler am Himmelszelt glitzerten und funkelten. Sie funkelten beinahe so geheimnisvoll wie dieser wunderschöne Stern, den Jim an diesem Tage bekommen hatte.

Little Love

Der siebenjährige Jim lebte mit seiner Mami in der traumhaften Stadt Ottawa und hatte gerade erst seinen ersten Stern auf dem neu angelegten Star-Fußweg, der sich Sussex-Drive nannte, bekommen. Dieses Wunder konnte Jim noch immer nicht fassen.

Doch als er das kleine Mädchen, welches er aus einem brennenden Auto gerettet hatte, im Krankenhaus besuchte, bemerkte er solch ein sonderbares Gefühl in seinem Herzen. Er kannte es nicht und er war ja auch erst sieben Jahre alt. Konnte er da solcherlei Gefühle wirklich schon haben? Er wusste nur, dass er dieses kleine Mädchen irgendwie sehr mochte. Wie sie in ihrem großen Bett im Krankenhaus lag und mit ihren noch viel größeren Augen zu ihm schaute, vergaß er einfach nicht. Sie hatte ihm einen feuerroten Feuerwehrmann als Dankeschön gebastelt. Dieser Feuerwehrmann war wohl das schönste, was er je bekommen hatte.

Doch als sie schließlich entlassen wurde, verlor sich ihre Spur. Sie hatte ihm nicht einmal geschrieben. Das ließ unseren kleinen Jim wirklich sehr traurig werden. Und immer wieder lief er zum Sussex-Drive und schaute sehnsüchtig auf seinen großen funkelnden Stern. Ja, Jim war ein Star, ein richtig großer sogar! Und alle Feuerwehmänner des Distrikts waren unglaublich stolz auf ihn. Jeff, einer der Feuerwehrmänner, hatte sogar ein Foto von ihm in seinem Spind. Aber was brachte das Jim, wenn er dies kleine Mädchen, welches er aus der lodernden Flammenhölle gerettet hatte, nicht mehr fand. Immer wieder sah er ihre großen Augen und ihr lustiges Gesicht, welches ihn unablässig anlächelte. Nein, er musste sie wiederfinden.

Und so trottete er den Boulevard hinunter und kam an dutzenden Kinos vorbei. Ach, wenn er sie doch wenigstens auf einem dieser riesigen Plakate entdecken könnte. Vielleicht spielte sie sogar in einem dieser großartigen Verfilmungen mit? Doch so sehr er sich die vielen bunten Aushänge auch betrachtete, das kleine Mädchen fand er darauf nicht. Wo sie nur sein mochte?

Als er die Cumberland Street entlanglief und sich zur Ablenkung mal wieder ein Liedchen pfiff, sah er etwas weiter vor sich ein kleines Mädchen. Die kleine lief schnurstracks hinter einem großen Hund her und sah von hinten irgendwie aus wie das Mädchen, welches er so dringend suchte. Schnell hatte er sie eingeholt und er konnte es nicht fassen, denn sie war es! Auch das Mädchen schien erstaunt und schaute lange und ein wenig ungläubig zu Jim. Doch dann verzog sie ihr Sommersprossengesicht zu einem Lachen und drückte Jim die Hundeleine in die Hand. Dann rannte sie los und rief laut: „Fang mich!“ Und Jim, der noch unschlüssig mit der Hundeleine auf dem Bürgersteig stand lief los. Den erstaunten Hund zerrte er einfach hinter sich her.

Doch als er an eine recht belebte Kreuzung kam, sah er das Mädchen nicht mehr. Der Hund hatte Jim längst eingeholt und zerrte nun seinerseits recht heftig an der Leine. Jim konnte den großen Hund einfach nicht mehr halten und stolperte auf die Fahrbahn. Ein Auto hupte und Jim ließ vor Schreck die Hundeleine los. Der Hund sprang noch rechtzeitig auf die andere Straßenseite. Nur Jim schaffte es nicht mehr. Er sah nur noch das kleine Mädchen lachend irgendwo vor ihm verschwinden, dann wurde es dunkel um ihn herum. Diese Dunkelheit hielt jedoch nicht sehr lange an.

Aus der Ferne sah er ein Licht auf sich zurasen und dieses wundersame warme Licht kam rasch näher. War das seine Stadt? War das sein Haus, die Mami vielleicht? Es war nichts dergleichen. Es war eine hell leuchtende Nebelwolke, in welche Jim hineintauchte. Ihm war irgendwie schwindelig und er hatte das seltsame Gefühl, immer tiefer zu fallen. Was konnte das nur sein? Er rief laut nach seiner Mami. Doch die war nirgends zu sehen. Und es war auch so still – wo war er nur? In der Nebelwolke jedenfalls sah es wunderschön aus. Überall sah er hohe mächtige Säulen aus weißem Nebel und alles veränderte sich andauernd. Nichts blieb so, wie es war. Erst formte sich eine Säule, dann ein Regenbogen, schließlich wieder ein großes weißes Haus – es war einfach wunderschön. Und er fühlte sich so federleicht. So hatte er sich noch nie in seinem Leben gefühlt. In der Ferne sah er die Sterne. Doch von hier sahen sie anders aus. Verblüffend glichen sie seinem großen Stern auf dem Sussex-Drive.

Ach, wie gern wäre er wieder zu Hause in Ottawa. Nur, wo war sein Zuhause? Er konnte außer dieser samtweichen Nebelwolke nichts Anderes entdecken. Da tauchte hinter einer der Säulen, die sich gerade erst gebildet hatte, zwischen all diesem weißen silbernen Nebel das kleine Mädchen auf. Es trug goldene Haare und ein weißes Kleidchen. Jim wollte gleich losrennen, um sie in die Arme zu nehmen. Doch er konnte sich nicht bewegen. Das Mädchen aber lächelte ihn an und hatte goldene Flügel auf dem Rücken. Kein Zweifel, Jim wusste, dass so etwas nur Engel hatten. Und als er ihr winken wollte, kam sie zu ihm geflogen und küsste ihn sanft auf die Wange. Da musste er weinen. Wie wunderbar doch alles war. Und er fühlte so viel in diesem Moment, viel mehr als daheim in der Stadt. Aber war da nicht auch dieser große Hund?

Und als würden seine Gedanken erhört, kam der plötzlich angerannt und sprang bellend um ihn herum. Dabei schaute er unseren Jim so unglaublich treuherzig an, dass der ihn so gern umarmt hätte. Nur versagten seine Arme und auch seine Beine. Er konnte sich nicht rühren. Trotzdem war alles so wunderbar, dass er ewig in dieser Wolke bleiben wollte. Das Mädchen streichelte Jim sanft übers Gesicht und sagte dann ganz leis: „Du musst nun wieder gehen. Aber es war so schön, Dich kennengelernt zu haben. Ich werde Dich nie vergessen!“

Jim liefen die Tränen über die Wangen und auch das kleine Mädchen mit seinen goldenen Haaren und den zarten Flügelchen weinte. Schließlich verschwand es hinter der Säule aus Nebel. Und der Hund schaute sich noch einmal kurz um, bis er sich ebenfalls in Luft auflöste. Jim war ganz traurig. Warum waren plötzlich alle fort? Und wo blieb eigentlich seine Mami? Und als ob auch dieser Wunsch erhört würde, kam sie plötzlich ganz langsam auf ihn zu. Sie schaute so besorgt wie noch nie zuvor und Jim machte sich bereits große Sorgen um sie. Besorgt fragte er sie: „Warum bist Du so traurig? Ich komme doch gleich wieder zurück. Wirst es sehen, gleich bin ich wieder bei Dir.“

Die Mami strich Jim übers Haar und nickte ihm zu. Dann verschwand auch sie und es wurde dunkel, wie schon einmal. Nichts war mehr zu sehen und Jim schien es als ob er wieder ins Bodenlose fiele. Er fühlte sich so einsam, so fern von allem, was er kannte. Wo war er nur? Wo war die Mami, wo das Mädchen, der Engel, der große Hund? Sie konnten ihn doch nicht einfach so im Stich lassen. Und wieder sah er in der Ferne ein Licht auf sich zukommen. Diesmal aber war es anders. Es war nicht mehr so intensiv und auch nicht so magisch. Rasch kam es näher und Jim hörte etwas pochen. Was war das nur? Wer pochte hier? Vorsichtig versuchte er, seine Augen zu öffnen. Gleißend helles Licht blendete ihn. Doch er war neugierig, wollte unbedingt wissen, wo er sich befand. Es strengte ihn zwar sehr an, doch als er die Augen ein klein wenig geöffnet hatte, sah er seine Mami vor sich. Und da wusste er, dass jenes Pochen nur sein eigener Herzschlag sein konnte. Mamis Tränen tropften auf sein Gesicht. Sie sagte irgendetwas und es hörte sich an wie: „Er kommt endlich wieder zu sich. Oh mein Gott, er lebt.“

Schließlich gelang es ihm, seine Augen ganz zu öffnen. Und da sah er das kleine Mädchen! Auch der große Hund stand neben ihr und etwas weiter hinten schaute ein Arzt im weißen Kittel besorgt zu ihm herüber. Aber wie kam dieses Mädchen nur hierher? Jim konnte es nicht fassen. „Wie bist Du aus der Wolke hierhergekommen“, fragte er das Mädchen.

Doch es kam keine Antwort, denn alle freuten sich, dass es Jim endlich wieder so gut ging. Schüchtern trat das Mädchen an Jims Bett und gab ihm ein Küsschen auf die Wange. Und Jim fühlte sich so gut, wie damals in der Nebelwolke. So sanft und liebevoll hatte ihn bisher nur seine Mami geküsst. Und er wusste, dass er sie mochte. Die beiden lachten und Jim erzählte ihr von seinem Erlebnis in der Nebelwolke. Er sagte, dass er sie dort gesehen habe. Da war sie allerdings ein Engel. Doch die Mami meinte plötzlich: „Von welchem Mädchen sprichst Du? Ich bin so froh, dass Du den Unfall überlebt hast. Mein kleiner Jim.“

Sie drückte ihren geliebten Sohn fest an ihr Herz und konnte ihn einfach nicht mehr loslassen. Es war ja auch wie ein Wunder und erschöpft schlief Jim schließlich ein.

Als er eine Woche später schließlich entlassen werden konnte, holte ihn seine Mami ab. Doch das kleine Mädchen mit dem großen Hund kam nicht. Ein wenig traurig fragte er die Mami, wo das Mädchen sei. Da antwortete die Mami: „Das Mädchen ist ganz sicher dort, wo es herkam. Denn Du weißt ja, sie ist ein Engel.“

Jim in Not

Es war ganz seltsam, aber seitdem das Weihnachtsfest hinter dem kleinen siebenjährigen Jim und seiner Mami lag, schien alle Traurigkeit vergessen. Zwar kam der Papa nicht mehr aus dem Himmel zurück, doch irgendwie musste es ja weitergehen. Und da es ein klein wenig geschneit hatte, wollte Jim mit seinen dicken Wintersachen bekleidet draußen spazieren gehen. Ihn zog es mal wieder zu einem ganz neuen Abenteuer.

So lief er neugierig die Straße entlang und suchte nach allem, was ihn eventuell interessieren könnte. Als er einen offenen Transporter sah, hatte er plötzlich eine verwegene Idee. Er wollte auf die Ladefläche, um sich dort unter einer Plane zu verstecken. Vielleicht entdeckte ihn der Fahrer ja nicht und Jim hatte eine erlebnisreiche Fahrt und konnte durch die hinteren Scheiben auf die Straße gucken. Das wäre ein Vergnügen. Und weil sich der Fahrer nicht sehen ließ, sprang Jim unbemerkt auf die Ladefläche. Dann lehnte er die Tür an, sodass der Fahrer annehmen musste, er habe sie nur vergessen zu schließen. Alles klappte wunderbar. Sogar eine große Plane gab es dort. Jim versteckte sich darunter und beobachtete alles durch eine Öse, die sich in der Plane befand.

Der Fahrer kehrte zurück und schaute noch einmal ungläubig auf die Ladefläche. Dann warf er die Tür zu. Es wurde sehr dunkel und Jim konnte kaum noch etwas sehen. Als er unter der Plane hervorgekrochen war, stand er an dem kleinen schmalen Fenster an der Tür und schaute nach draußen.

Das Auto fuhr los und Jim musste sich gut festhalten, damit er nicht umfiel. Ja, solch eine Albernheit hatte nur Jim auf Lager. Nur seine Mami, die durfte nichts davon erfahren. Was Jim total vergessen hatte war die große Frage, wie er wohl wieder zurück in die Stadt kommen sollte. Denn der Transporter fuhr bereits irgendwo weit draußen auf der endlosen Straße.

Als Jim das bewusstwurde, war es längst zu spät. Und er ärgerte sich, dass er sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatte. Von seiner Mami hatte er ein kleines Handy bekommen. Das war für eventuelle Notfälle. Doch Jim traute sich nicht, anzurufen, denn dann käme ja seine Dummheit raus und Mami würde mit ihm schimpfen. Also ertrug er es schweigend und starrte immerfort auf die Straße. Es musste wohl Stunden gedauert haben, als der Transporter endlich anhielt.

Längst hatte sich Jim auf die Plane gelegt und war ein wenig eingeschlafen. Als das Auto nicht mehr ruckelte, wachte er auf und versteckte sich wieder unter der Plane. Die Tür wurde geöffnet und eine Kiste hineingeschoben. Und wieder ließ der Fahrer die Tür offenstehen. Jim ergriff seine Chance und kletterte schnurstracks aus dem Wagen. Mit einem gewagten Satz sprang er auf die Straße. Glücklicherweise hatte ihn keiner bemerkt. So schnell er konnte rannte er bis zu einer großen Lagerhalle. Die war offen und Jim ging hinein. Bis an die Decke lagerten dort dutzende Kisten mit merkwürdigen Zeichen darauf. Und überall entdeckte er einen Totenkopf auf den Kisten. Das konnte nichts Gutes bedeuten, dachte sich Jim. Doch hinausrennen konnte er auch nicht mehr. Irgendjemand schob die Tür krachend zu.