Adebar und Kunigunde - Joachim Nowotny - E-Book

Adebar und Kunigunde E-Book

Joachim Nowotny

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Beschreibung

Seit jeher soll es Menschen geben, die mit Tieren reden. Kunigunde, zum Beispiel, weiß nicht nur rätselvolle Sprüche, sie kann sich auch mit Mijnheer Adebar verständigen. Der Storch hat nämlich Sorgen. Er muss ein neues Nest bauen. Wohin aber? Doch nicht etwa auf den Leitungsmast! Da gibt es Konflikte mit den Menschen. Wir haben es jedoch nicht mit einer herkömmlichen Tiergeschichte zu tun. Neun Abende gibt es Nachrichten über Stürme und sanften Frühlingswind, über Alarm und Kurzschluss, über Feiern und Entscheidungen - und schließlich auch Auskunft über einige Hoffnungen für unsere Zeit. Das hochaktuelle Buch für Kinder ab 10 Jahre, die sich für den Schutz der Tiere und ihrer Umwelt interessieren, erschien erstmals 1990 in Der Kinderbuchverlag Berlin.

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Impressum

Joachim Nowotny

Adebar und Kunigunde

Eine Erzählung für neun Abende mit einer Nachricht, die den ersten ermöglicht, und einer Hoffnung, die über den zehnten hinausreicht

ISBN 978-3-86394-137-6 (E-Book)

Das Buch erschien erstmals 1990 in Der Kinderbuchverlag Berlin.

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2013 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Zuerst: Von Menschen und Tieren

Weil es leicht vergessen wird, soll es hier noch einmal gesagt sein: Immer wieder gibt es Menschen, die mit Tieren, die sonst keineswegs in ihrer Nähe leben, einen ungewöhnlich vertrauten Umgang pflegen. So hörte man erst kürzlich von einem sibirischen Bahnwärter, der in den dienstfreien Stunden für sein Leben gern Schach spielt, und zwar mit einem Bären aus der Taiga. Die Nachricht von dem Mädchen aus Sumatra, das den wilden Orang-Utans zeigt, wie man Klimmzüge und Überschläge nach der Regel turnt, ist auch noch nicht alt. In Australien sind es ausgerechnet die älteren Frauen, die sich in einigen Gegenden des Kontinents mit den Kängurus im Weitsprung messen, obwohl freilich immer die letzteren gewinnen. In der Nähe gewisser Häfen des Mittelmeeres finden an Abenden, in denen der Vollmond scheint, Pfeifkonzerte statt, die gemeinsam und abwechselnd von den Matrosen der Küstenschiffe sowie von den dort heimischen Delfinen bestritten werden. Im hohen Norden lieben es manche Kinder, vom Unterricht wegzugehen, um sich dem Wanderzug der Elche anzuschließen. Und in der Nähe des Südpols erschien jüngst eine Frau auf dem Standesamt, die einen Pinguin zu heiraten wünschte. Das Tier trug bereits den dafür erforderlichen Frack.

Besonders verbreitet ist der vertraute Umgang zwischen Mensch und Tier in Afrika. In den weiten Savannen verraten die jungen Frauen den Antilopen mithilfe spezieller Triller, wo sich der Löwe aufhält. Und die Jäger unter den Männern lassen sofort die Flinten sinken, wenn ihnen der im Dienste des Wildschutzes stehende Schakal begegnet. Ausgerechnet die kleinsten Menschen dieses Erdteils führen mit Vorliebe lange Dispute mit den Giraffen, wobei meist die zunehmende Heiserkeit den Streit beendet, denn selbst wenn sich die einen hinknien und die anderen auf die Zehenspitzen stellen, bleibt die Entfernung von Mund zu Ohr so groß, dass man sich nur schreiend verständigen kann.

Und nun: Von einem Menschen und einem Tier

Am Rande eines Flusstals weit unterhalb des Äquators lebt ein alter Mann, der sich am liebsten mit den Vögeln unterhält. Sie hält er für weit gereiste Geschöpfe, um so mehr, als er selbst das Tal kaum verlassen hat. Seine Frau ist seit Langem tot, seine Söhne und Töchter sind in die Stadt gezogen.

Am Tage arbeitet er vor seiner Hütte unter einem großen Affenbrotbaum als Mattenflechter. Am Abend aber drückt ihn die Einsamkeit. Da nennt er den Baum Bruder Baobab und versucht, ihn in eine Unterhaltung zu ziehen. Doch der zottige Riese antwortet nicht.

Der Alte geht hinunter zum Fluss und hofft dort auf ein kurzweiliges Gespräch. Trifft er freilich auf einen Vogel aus der Familie der grauen Schuhschnäbel, dann wartet er vergebens. Der stelzbeinige Griesgram starrt unbeweglich in den Schlamm und schweigt beharrlich vor sich hin. Anders die Flamingos. Sie schwatzen unentwegt. Doch sie meinen nur sich selbst und machen damit ihrem eleganten Auftreten keineswegs Ehre. Deshalb geht ihnen der Alte aus dem Wege und sucht nach anderer Gesellschaft.

Kürzlich hatte er mehr Glück. Es war in jenem Monat, in dem südlich vom Äquator die Regenzeit zu Ende geht und der kurze Frühling beginnt ...

Der erste Abend und eine aussichtsreiche Bekanntschaft

Endlich konnte der Mattenflechter wieder einmal trockenen Fußes das flache Ufer erreichen und Ausschau halten. Im Flachwasser stakte ein Vogel auf langen roten Beinen. Auch sein spitzer Schnabel war rot, während das Federkleid schwarz und weiß abgesetzt erschien. Offenbar hatte er sich eben gesättigt; nun zupfte er kurz das Brustgefieder und sah dem Alten gelassen entgegen. Der setzte sich in respektvoller Entfernung auf seine Hacken. Da man sich erzählte, dass Störche zwar über einigen Humor verfügen, andererseits aber sehr auf die Einhaltung gewisser Umgangsformen achten, benötigte der Alte ein paar tiefe Atemzüge, ehe er endlich das Gespräch begann: »Seid gegrüßt, Verehrtester«, sagte er, »ist das nicht ein schöner Abend?«

»Das will ich meinen«, antwortete der Storch, »doch mit wem habe ich die Ehre?«

»Ich heiße Gulamo«, erwiderte der Alte, »und meine Hütte steht oberhalb des Flusses unter einem alten Baobab.«

»Dann habe ich sie wohl überflogen, ehe ich hier niederging«, sagte der Storch. »Aber erlaubt mir, dass ich mich meinerseits vorstelle: Ich gehöre zur Familie der europäischen Weißstörche, man nennt mich auch Adebar.«

»Ade ... wie?«

»Nun«, sagte der Storch, »das war zu erwarten. Nicht nur Euch macht dieser Name Schwierigkeiten. Die Vögel benötigen ja dergleichen nicht, wir Störche erkennen uns am Klappern. Aber die Menschen, in deren Nähe wir leben, wollen nun einmal alles benennen. Nur was sie benannt haben, lässt sie ruhig schlafen. Deshalb will ich es gern noch einmal wiederholen: Dort, wo meine Brutheimat liegt, nennt man unsereins gern Adebar. Es spricht sich ganz leicht, wenn man es einmal fehlerlos gesagt hat.«

»Ade ...«, versuchte Gulamo.

»A - de - bar!«

»Badear?«

»So ähnlich. Noch einmal!«

»Aderab?«

»Schon besser!«

»Adebar.«

»Na also«, lobte der Storch, »jetzt habt Ihr’s. Wie ich schon sagte: Es ist ganz leicht, wenn man’s kann.«

Gulamo war anderer Meinung. Er stützte den Kopf mit den Händen und fand, dass das Mattenflechten auf jeden Fall leichter war als das Einüben fremder Wörter. Doch das behielt er vorerst für sich. Er wollte dem Gespräch eine andere Wendung geben.

»Demnach gehört Ihr zu den weit gereisten Herrschaften«, begann er. »Und da ich Euch hier noch nie gesehen habe, seid Ihr wohl erst vor Kurzem in Eurem Winterquartier angekommen. Wollt Ihr mir nicht erzählen, was Ihr unterwegs erlebt habt?«

»Nun«, antwortete der Storch, »das wäre ebenso leicht getan: Anfang September haben wir uns wie üblich auf der Wiese vor dem See versammelt. Dann sind wir losgeflogen, zunächst übers flache Land, dann über einige Gebirge und Meerengen. Zuletzt folgten wir den Windungen eines großen Flusses hinunter nach dem Süden. Als wir in diese Gegend kamen, zerstreuten wir uns, denn gesellig leben wir gewöhnlich nur auf dem Zug.«

»Das hieße: Ihr wollt fürs erste bleiben?«

»Wenn es das Nahrungsangebot erlaubt, bis zum nächsten Jahr. Dann beginnt in unserer Brutheimat der Frühling, und wir ziehen zurück.«

»Wohin? Wenn ich fragen darf?«

»Nach Europa.«

Gulamo kratzte sich den Kopf. Schon wieder ein schweres Wort. Aber musste er es lernen? Genügte ihm nicht schon sein geheimnisvoller Klang? »Es ist wohl ziemlich groß, dieses Eu ...?«, fragte er weiter.

»Nicht unbedingt«, antwortete der Storch. »Doch genau weiß ich es kaum zu sagen. Ich komme immer nur ungefähr bis zu seiner Mitte. Genauer gesagt: Etwas oberhalb davon. Dort gefällt es mir am besten.«

Gulamo zog eine Schulter hoch. Was sollte das nun wieder heißen! Die Mitte war die Mitte. Wenn er sie beim Mattenflechten etwas oberhalb davon suchen würde, was ergäbe das für Muster? »Es ist wohl ein seltsames Land, dieses Eu ...?«, fragte er.

Der Storch beugte den Kopf nach hinten, legte den Schnabel auf den Rücken, zeigte einen gebogenen Hals und sagte aus dieser unbequemen Lage heraus: »Seltsam? Das mögen andere entscheiden. Doch aufregend ist es schon.«

Da sprang Gulamo auf und lief dem Vogel entgegen. Der schlug mit den Flügeln und nahm Anlauf.

»Nicht doch, Verehrtester!«, rief Gulamo, »ich wollte Euch nicht zu nahe kommen! Aber ich höre nun mal für mein Leben gern aufregende Geschichten.«

Doch der Storch war schon in der Luft. »Kommt morgen Abend wieder zum Fluss. Dann will ich Euch mehr erzählen«, rief er von oben herab.

Die Nacht, der Tag. Beides in froher Erwartung

Gulamo schlief wie lange nicht. Er erwachte freilich noch vor Sonnenaufgang, doch das ärgerte ihn nicht. Vielmehr versuchte er, sich zu erinnern, wie das aufregende Land hieß, von dem er bald mehr erfahren sollte. Es fiel ihm nicht mehr ein. Da erhob er sich und begann, die Binsen unter den Affenbrotbaum zu tragen. Seine Finger fanden sich auch im Dunkeln zurecht.

Als es hell wurde, sah er, dass die Mitte des alten Musters, das er immer wieder in seine Matten flocht, ein bisschen nach oben verrutscht war. Sieh dir das an, sagte er zu Bruder Baobab. Doch der schwieg wie gewohnt. Dafür spotteten die Webervögel, die in seinen strähnigen Ästen turnten. Von ihnen ließ sich freilich Gulamo den Spaß an der Sache nicht verderben. Er arbeitete fleißig, bis sich in das Licht des Tages ein erster Schatten mischte.

Der zweite Abend. Und gleich mehr als eine Überraschung

Obwohl ihn die Neugier plagte, versuchte Gulamo mit langsamen Schritten zum Fluss zu gehen. Doch als er aus dem Buschwerk heraus ins sandige Tal trat, musste er seine Füße mit Bedacht daran hindern, in Trab zu fallen. Der Storch stakte schon im Uferschlamm und suchte sich so seine Mahlzeit zusammen. Da er nur für sich selber zu sorgen hatte, war er bald gesättigt. Er putzte kurz das Gefieder, verwandte aber viel Zeit darauf, sich mit der Zehenspitze eine gewisse Stelle am Kopf zu kratzen. Zuviel Zeit, gemessen an Gulamos Ungeduld.

Der Alte setzte sich in respektvoller Entfernung auf seine Hacken, wartete aber nicht länger auf den Beginn des Gesprächs. »Nehmen wir an, es ist Februar«, sagte er, »Ihr rüstet Euch zum großen Flug nach Norden, besser, Ihr seid schon unterwegs. Flussabwärts bis ans Meer. Von dort an einer engen Stelle über das Gebirge bis hin zur Mitte von diesem Euro ..., wie es auch immer heißen möge. Etwas oberhalb davon zerstreut Ihr Euch, der eine in dieses, der andere in jenes Dorf. Ihr habt Eure Brutheimat endlich erreicht. Wo beginnt nun die Aufregung?«

»In diesem Augenblick«, antwortete der Storch.

»Ach«, rief Gulamo, »so sprecht doch!«

»Nun«, sagte der Storch spöttisch, »Ihr lasst mich ja nicht zu Worte kommen. Zunächst schien alles so zu sein, wie es sich gehört. Die Sonne schien, ein leichter warmer Wind wehte, im Garten blühten die ersten Blumen, und über allem lag ein angenehmer frischer Duft. Ich zog ein paar Kreise und erfreute mich an der Gewissheit, endlich in meiner Brutheimat angelangt zu sein. Unter mir lagen Hof, Haus und Garten meiner menschlichen Nachbarn, denen ich seit Jahren die Treue hielt. Nur die Spatzen machten mehr Lärm als gewöhnlich. Offenbar wurden es von Jahr zu Jahr mehr, die unter meinem Nest im Blätterdach der großen Linde hausten.«

»Demnach ist die Linde ein Baum?«, fragte Gulamo.

»Das will ich meinen«, antwortete der Storch, »und zwar einer, den man nicht verachten sollte. Er muss schon vor sehr langer Zeit groß und stark gewesen sein, denn bereits meine Vorfahren fanden ihn so, wie auch ich ihn fand: mit abgesägter Krone und einem Wagenrad obenauf. Das ergab eine gute Grundlage für den Nestbau. Jahr für Jahr habe ich Äste und Zweigwerk herangetragen, um es höher und sicherer zu machen ...«

»Jahr für Jahr«, wiederholte Gulamo, »und: vor sehr langer Zeit ... Ich befürchte, wenn Ihr in diesem Stil weitererzählt, kommen wir nie zur Aufregung. Es muss doch etwas passiert sein ...«

Doch der Storch ließ sich nicht drängen. Er antwortete: »Wenn Ihr keine Geduld habt, werdet Ihr nichts begreifen und also auch keine Überraschung erleben können. Als ich nämlich meine Schwanzfedern gegen den Wind stellte und genau über meinem Nistplatz niederging, erlebte ich sie.«

»Endlich!«, rief Gulamo.

»Es ist aber keine angenehme«, warnte der Storch.

»Ich will sie dennoch hören.«

»Nun gut«, sagte der Storch. »Ich strecke also die Beine nach vorn und bereite mich auf die Landung vor. Wie viel tausend Mal habe ich es geübt! Man sollte meinen, dass ich’s selbst im Schlaf könnte. Doch auf einmal empfand ich unter mir eine seltsame Leere.«

»Wie das?«

»Da war kein Nest, kein Wagenrad, nur die blanke Luft.«

»Aber der Baum, diese große Linde?«

»Auch ihn gab es nicht mehr«, antwortete der Storch. »An seiner Stelle stand nur noch ein hässlich aufgespaltener Stumpf.«

»Was Ihr nicht sagt!«, rief Gulamo. Er war aufgesprungen, vermochte es aber im letzten Augenblick, den Abstand zu wahren. Gern hätte er dem Storch seine Anteilnahme noch anders als mit bloßen Worten gezeigt. Einmal war der Fluss über Nacht angeschwollen und in der grauen Frühe über die Ufer getreten. Bald ergoss sich das Wasser in reißendem Strom über das Land. Gulamo konnte sich mit knapper Not auf einen Hügel retten. Als die Flut vorüber und der Fluss in sein angestammtes Bett zurückgekehrt war, stand er vor den Trümmern seiner Hütte. Doch Bruder Baobab hatte dem Strom standgehalten. Gulamo dankte ihm, räumte den Schlamm von seinen Wurzeln und baute die Hütte an den alten Ort. Wohin aber sollte nun der Storch bauen?

Der Alte hockte sich wieder hin und suchte nach Worten, die das Schweigen beenden konnten. »Wie kann man bloß so dumm sein, einen Baum umzulegen, auf dem ein so kluger Vogel nistet«, sagte er endlich.

»Ha«, rief der Storch, »wenn es nur darum ginge! Die Menschen sind zu ganz anderen Dummheiten fähig. Doch in diesem Falle muss ich sie in Schutz nehmen. Es waren nicht sie, die den Baum brachen.«

»Wer dann?«

»Nun«, antwortete der Storch, »das müsstet Ihr Euch eigentlich denken können. Nicht alles, was die Welt verändert, stammt von Menschenhand. Bangt Ihr nicht auch manchmal um Euren Bruder Baobab?«

»Ja doch«, rief Gulamo, »vor allem, wenn ich nachts schlaflos liege und draußen der Sturm peitscht.«

»Da hätten wir ja den Übeltäter«, sagte der Storch. »Besser: Einen davon. Wie zu hören war, sollen sich drei um die zweifelhafte Ehre streiten, das Bubenstück vollbracht zu haben.«

»Drei Stürme auf einmal?« Das Land Europa erschien Gulamo plötzlich furchtbar.

Doch der Storch fuhr in ruhigem Tone fort: »Auf einmal wohl nicht. Sie taten es hintereinander. Einer im Herbst, ein anderer im Winter und der dritte kurz vor meiner Ankunft im März.«

»Woher wisst Ihr das, wenn Ihr nicht dabei wart?«, bohrte Gulamo.

»Nun«, sagte der Storch, »woher weiß man etwas? Man lässt es sich erzählen.«

»Ah«, rief Gulamo, »ich kann es mir schon denken. Auch bei uns sind die Spatzen bei allem dabei und äußerst schwatzhaft. Überall stecken sie ihren Schnabel hinein.«

»Ihr seid auf der falschen Fährte«, unterbrach ihn der Storch, »mit den Spatzen verkehrt unsereins nicht. Es war ein Mensch, der mich unterrichtete.«

»Ein Mensch!«, rief Gulamo begeistert. »Dann gibt es also auch in Eu ..., nein, es ist zu schwer!«

»Europa.«

»Oreupa.«

»Nicht ganz!«

»Aropeu.«

»Schon besser.«

»Europa.«

»Jetzt habt Ihr’s!«

»... dann gibt es also auch in diesem Europa Menschen, die mit Tieren reden können?«, fragte Gulamo mit seinem letzten Atem.

»Nicht so viele wie hier«, antwortete der Storch, »besser gesagt: Sehr wenige. Zu wenige. Es werden immer weniger.«

»Wie kommt das?«

»Was wollt Ihr hören?«, fragte der Storch. »Ich fürchte, wenn wir Hunderte Abende dafür verwenden, werden wir nicht alle Gründe nennen können.«

Gulamo befürchtete, dass der Vogel die Geduld verlieren und davonfliegen könnte, deshalb ließ er nicht locker. »Wenn es aber doch noch welche gibt, wer hat Euch dann die Geschichte von den drei Stürmen erzählt?«

»Ein Mädchen, es heißt Kunigunde.«

»Kuni ... wie?«

Der Storch verspürte wohl keine Lust mehr, noch einmal mit Gulamo zu üben. Er schlug mit den Flügeln und nahm Anlauf.

»Erzähl mir doch von dem Mädchen!«, bat der Alte.

»Vielleicht morgen«, rief der Storch im Abstreichen. »Kommt abends wieder zum Fluss.«

Die Nacht. Und viele Erinnerungen