Alle waren gegen sie - Toni Waidacher - E-Book

Alle waren gegen sie E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Vorsichtig rangierte Wenzel Ottinger die Zugmaschine über den Festplatz. Christel, seine Tochter, wartete in dem PKW, der den Wohnwagen zog, bis ihr Vater den Hänger, mit dem Karussell darauf, an die richtige Stelle gebracht hatte. Karsten Steiner hatte unterdessen das zweite Auto, das den anderen Wohnwagen zog, abgestellt und war ausgestiegen. Er eilte seinem Chef zur Hilfe und half Wenzel, die Räder des Hängers und der Zugmaschine zu blockieren, indem er schwere Bremsklötze darunter schob. Christel schaute sich um. den sollte, daß alles ordentlich aussah. Dreiundzwanzig Jahre war Christel Ottinger jetzt alt, und etwas anderes, als das Leben auf Jahrmärkten und Volksfesten kannte die hübsche junge Frau nicht. Aber sie liebte es, wenn das Kinderkarussell sich drehte, die Musik spielte und sie die glänzenden Augen der Buben und Madln sah, die vergnügt auf den kleinen Motorrädern, den Feuerwehr- und Polizeiautos oder auf den bunten Holzpferden ihre Runden drehten und vor Vergnügen jauchzten. Christel war das Kind einer Schaustellerfamilie, geboren auf einem Rummelplatz, und es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, etwas an diesem Leben ändern zu wollen. Karsten Steiner, der Gehilfe, den der Vater eingestellt hatte, weil es für ihn allein zu schwer geworden war, das Fahrgeschäft aufzubauen und zu transportieren, kam her-übergelaufen und hängte den Wohnwagen ab. »Hier steht er gut«, meinte er, mit einem Kopfnicken. »Den anderen schieben wir dort hinüber.« Er wies mit dem Kopf auf ein Stück Wiese, hinter der Zugmaschine. Christel nickte und packte mit an. »Wir müssen uns beeilen«, drängte er. »Um drei ist die Messe, und dann geht's los.« »Dann kümmer' ich mich gleich ums Essen«, sagte Christel und öffnete die Tür des Wohnwagens.

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Der Bergpfarrer – 367 –

Alle waren gegen sie

Schnell gerät man in Verdacht..

Toni Waidacher

Vorsichtig rangierte Wenzel Ottinger die Zugmaschine über den Festplatz. Christel, seine Tochter, wartete in dem PKW, der den Wohnwagen zog, bis ihr Vater den Hänger, mit dem Karussell darauf, an die richtige Stelle gebracht hatte. Karsten Steiner hatte unterdessen das zweite Auto, das den anderen Wohnwagen zog, abgestellt und war ausgestiegen. Er eilte seinem Chef zur Hilfe und half Wenzel, die Räder des Hängers und der Zugmaschine zu blockieren, indem er schwere Bremsklötze darunter schob.

Christel schaute sich um. Überall auf der Festwiese waren die Schausteller damit beschäftigt, ihre Fahrgeschäfte aufzubauen, es herrschte ein geschäftiges Treiben, das im Moment eher noch einem Chaos glich, und das junge Madl fragte sich, wie es bis zur Eröffnung der Kirchweih, am Nachmittag, geschafft wer-

den sollte, daß alles ordentlich aussah.

Dreiundzwanzig Jahre war Christel Ottinger jetzt alt, und etwas anderes, als das Leben auf Jahrmärkten und Volksfesten kannte die hübsche junge Frau nicht. Aber sie liebte es, wenn das Kinderkarussell sich drehte, die Musik spielte und sie die glänzenden Augen der Buben und Madln sah, die vergnügt auf den kleinen Motorrädern, den Feuerwehr- und Polizeiautos oder auf den bunten Holzpferden ihre Runden drehten und vor Vergnügen jauchzten.

Christel war das Kind einer Schaustellerfamilie, geboren auf einem Rummelplatz, und es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, etwas an diesem Leben ändern zu wollen.

Karsten Steiner, der Gehilfe, den der Vater eingestellt hatte, weil es für ihn allein zu schwer geworden war, das Fahrgeschäft aufzubauen und zu transportieren, kam her-übergelaufen und hängte den Wohnwagen ab.

»Hier steht er gut«, meinte er, mit einem Kopfnicken. »Den anderen schieben wir dort hinüber.«

Er wies mit dem Kopf auf ein Stück Wiese, hinter der Zugmaschine. Christel nickte und packte mit an. Ihr Vater kam hinzu

»Wir müssen uns beeilen«, drängte er. »Um drei ist die Messe, und dann geht’s los.«

»Dann kümmer’ ich mich gleich ums Essen«, sagte Christel und öffnete die Tür des Wohnwagens.

Seit Mutters Tod lebte sie alleine darin. Der Vater teilte sich den anderen, größeren Wagen mit dem Schaustellergehilfen. Hier drinnen war auch die Küche untergebracht, mit einem dreiflammigen Gaskocher, auf dem das Madl das Mittag-essen zubereitete.

Während Kartoffeln geschält wurden, und Gemüse geputzt, lauschte Christel der Musik aus dem kleinen Kofferradio, das auf einem Regal über der Spüle stand. Zwischendurch schaute sie aus dem Fenster, um zu sehen, wie weit die Männer mit dem Aufbau waren. Das Gerüst des Karussells stand bereits, und Karsten und ihr Vater waren dabei, die Autos, Pferde und Motorräder abzuladen und zu montieren.

Papa hat recht, dachte sie, als sie auf die Uhr schaute. Bis zur feierlichen Messe, die der Pfarrer unter freiem Himmel vollziehen würde, blieb nicht mehr viel Zeit. Außerdem mußte erst noch der Sachverständige vom Technischen Überwachungsverein das Fahrgeschäft auf seine Sicherheit überprüfen und für den Gebrauch freigeben. Christel schaltete die Flamme niedriger und ließ den Eintopf langsam vor sich hinkochen, dann eilte sie hinaus und legte letzte Hand mit an.

Wenzel Ottinger unterwarf das Karussell einer ersten eigenen Prüfung und befand alles sei in Ordnung. Der Sachverständige würde zufrieden sein. Jetzt schnell gegessen und sich umgezogen, und dann konnte der feierliche Teil der Kirchweih beginnen.

Christel hatte inzwischen Tisch und Stühle unter dem Dach des Vorzelts aufgestellt und das Essen aufgetragen.

»Hoffentlich hält’s Wetter«, meinte ihr Vater mit einem skeptischen Blick zum Himmel. »Wenn’s regnet, kommen die Leut’ net.«

Christel nickte. Lange genug war sie in diesem Geschäft, um zu wissen, daß Regen die Leute davon abhalten würde, auf die Kirchweih zu gehen. Es war ohnehin nicht mehr so lukrativ, wie früher, ein Kinderkarussell zu betreiben. Die Kleinen wollten auch in diesem Alter oft lieber in rasanten Fahrgeschäften den Kitzel im Bauch spüren, wenn sie aus hundert Metern Höhe zur Erde stürzten, oder in rasender Geschwindigkeit um die eigene Achse gewirbelt wurden. Da war mit einem altmodischen Kinderkarussell nicht mehr viel Geld zu verdienen. Abgesehen davon mußte Karsten Steiner seinen Lohn bekommen, Standgebühren und Versicherungen bezahlt werden.

Dennoch, Christel liebte dieses Leben in Freiheit, heute hier, morgen dort, es war immer wieder eine Freude, auf anderen Plätzen Freunde und Schaustellerkollegen zu treffen und am Abend, wenn die Besucher nach Hause gegangen waren, noch lange bei einem Plausch zusammenzusitzen.

»Lecker, die Suppe«, sagte Karsten Steiner und nahm sich noch eine Kelle voll.

Dabei zwinkerte er der jungen Frau zu. Christel erwiderte den Blick nicht. In den drei Jahren, seit der Bursche bei ihnen war, hatte er öfter versucht, ihr den Hof zu machen. Zugegeben, sie mochte den immer lustig aufgelegten Schau-stellergehilfen, und eigentlich konnte sie sich gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne ihn war, aber mehr empfand sie für Karsten nicht.

»Möchtest auch noch was?« fragte sie ihren Vater.

Der schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück.

Während er seine Pfeife hervorzog und bedächtig stopfte, glitt sein Blick über den Platz. Gerade kam eine Zugmaschine herangefahren. Wenzels Miene verfinsterte sich, als er erkannte, wer hinter dem Lenkrad saß.

»Na, die Bande hat uns gerad’ noch gefehlt«, raunzte er ungehalten.

Christel schaute zu den Ankömmlingen.

»Kümmer’ dich einfach net darum«, sagte sie.

Allerdings wußte sie auch, daß das leichter gesagt, als getan war. Wo immer die Familie Kaiser mit ihrem Losgeschäft und der Schießbude auftauchte, da war Ärger vorprogrammiert.

Schad’, dachte die hübsche junge Frau mit den dunklen Locken, eigentlich hatte ich gehofft, daß Anton Kaiser und seine Familie zur Kirchweih nach Unterstellingen fahren würden.

Aber offensichtlich hatten sie es sich anders überlegt. Jetzt hieß es, das Beste daraus zu machen.

Wie das allerdings gehen sollte, war Christel ein Rätsel, denn die Zugmaschine hielt genau auf den letzten freien Platz zu, direkt neben ihnen...

*

Im Pfarrhaus saß man um diese Zeit ebenfalls beim Mittagessen. Sophie Tappert hatte Fleischpflanzerl gebraten und reichte dazu geschmorten Wirsing und Kartoffeln. Max Trenker langte tüchtig zu. Fleischpflanzerl gehörten zu seinen Lieblingsgerichten, und wenn es dazu auch noch den mit Sahne und Speck geschmorten Kohl gab, dann konnte sich der junge Polizeibeamte kaum noch zurückhalten.

»Wie schaut’s auf dem Festplatz aus?« erkundigte sich sein Bruder.

»Sehr schön«, antwortete Max. »Fast alle sind dabei, die auch im letzten Jahr hier waren.«

Der Polizist war nicht nur für die Sicherheit und Ordnung in St. Johann zuständig, während der alljährlichen Kirchweih mußte Max auch dafür sorgen, daß es auf dem Festplatz nicht zu Ausschreitungen und Raufereien kam. Dabei wurde er von drei Kollegen aus der Kreisstadt unterstützt.

Sebastian Trenker schaute auf die Uhr.

»Zeit wird’s«, sagte der Seelsorger und stand auf.

Die Messe unter freiem Himmel war der erste Höhepunkt der Kirchweih. Die Schausteller freuten sich darauf, und natürlich kamen auch viele Einheimische hinzu, um dem feierlichen Gottesdienst beizuwohnen. Anschließend wurde das Festwochenende, das am Donnerstag begann und am Samstagabend endete, von Markus Bruckner, dem Bürgermeister von St. Johann, mit einem Faßanstich und Freibier für jedermann, im Festzelt eröffnet.

Alois Kammeier, der Mesner, hatte mit Hilfe einiger Schausteller, am Rande der Wiese einen Altar aufgebaut. Für die Älteren gab es ein paar Sitzgelegenheiten, die anderen standen, als Pfarrer Trenker und die Meßdiener vor die Gemeinde traten.

Wie es seine Art war, hielt Sebastian die Predigt in einer humorvollen Art, und so manches Schmunzeln glitt über die Gesichter der Gläubigen, aber sie waren auch berührt und ergriffen von den Worten.

Nach der Messe ging der gute Hirte von St. Johann unter die Leut, begrüßte sie und sprach mit jedem einzelnen von ihnen ein paar Sätze. Die meisten Schausteller kannte Sebastian von früheren Veranstaltungen her, und oft wurde es ein freudiges Wiedersehen. Der Geistliche war bei den Schaustellern nicht weniger beliebt, als bei seinen Schäfchen aus dem Wachnertal.

Dann strömten die Leute zum Festzelt, das wie immer von Sepp Reisinger betrieben wurde. Auch wenn der große Ansturm erst für den Samstag und Sonntag erwartet wurde, wenn die meisten frei und Zeit hatten, auf den Festplatz zu gehen, so herrschte doch auch jetzt schon reger Andrang. Die Aussicht, ein Freibier zu ergattern, hatte viele den Weg hierher finden lassen und jetzt drängten sie sich vor der Bühne, auf der die Blasmusik ihren Platz hatte. Den samstäglichen Tanz, der sonst auf dem Saal des Hotels stattfand, veranstaltete Sepp Reisinger während der Kirchweih natürlich hier im Zelt, und das gleich an drei Abenden.

Den ersten Schluck aus dem Maßkrug nahm der Bürgermeister selbst, dann hatte Markus Bruckner alle Hände voll zu tun, die Gläser zu füllen, die ihm gereicht wurden. Der Hotelier unterstützte ihn dabei, und insgeheim rieb sich Sepp schon die Hände über das gute Geschäft, das er wieder machen würde.

Sebastian Trenker hatte sich auf eine der Bänke gesetzt und sah dem Treiben schmunzelnd zu. Neben ihm hatte Christel Ottinger Platz genommen.

»Wie geht’s euch denn nun?« erkundigte sich der Bergpfarrer.

Vorhin, bei der Begrüßung nach der Messe, war natürlich keine Gelegenheit gewesen, ein ausführliches Gespräch zu führen.

»Danke schön, Hochwürden«, erwiderte das Madl. »Eigentlich gibt’s keinen Grund zum Klagen.«

Sebastian schaute Christel prüfend an.

»Eigentlich? Hör’ ich da ein ›Aber‹ heraus...?«

Die junge Frau hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.

»Na ja, ich weiß gar net, ob’s überhaupt wert ist, daß es erwähnt wird«, sagte sie schließlich. »Aber der Anton Kaiser und seine Familie sind auch da, und ich fürcht’, daß Vater wieder mit ihnen aneinander geraten könnt’. Es wär’ ja net das erste Mal.«

Der Seelsorger nickte. Er kannte, zumindest zum Teil, die Fehde, die die beiden alten Schausteller seit Jahren ausfochten. Auch wenn keiner mehr so recht wußte, worum es da eigentlich ging, so kamen sich die beiden doch immer wieder ins Gehege, wenn sie sich auf den Festplätzen begegneten.

»Ich werd’ ein Auge auf die beiden haben«, versprach der Geistliche. »Und wenn’s gar net anders geht, dann werden der Max und seine Kollegen schon eingreifen. Allerdings hoff’ ich, daß es auch ohne geht.«

In diesem Moment erscholl von draußen lautes Geschrei, das den Lärm im Festzelt sogar noch übertönte. Sebastian war ebenso aufgesprungen wie Christel. Sie liefen durch den seitlichen Ausgang und sahen auch schon, was sich da vor dem Zelt abspielte.

Wenzel Ottinger und Anton Kaiser kugelten über den Boden des Festplatzes. Keuchend, eng umschlungen, stöhnend und ächzend. Schon waren sie von einer Menge Schaulustiger umringt.

Der Geistliche, der sich mit der Christel einen Weg durch die Neugierigen gebahnt hatte, versuchte die beiden Kontrahenten auseinanderzubringen.

»Seid ihr narrisch geworden?« rief er. »Hört sofort auf!«

Christel beugte sich zu ihrem Vater und zog an ihm.

»Aufhören!«

Einer der Umstehenden hatte inzwischen die Polizei gerufen. Max Trenker und sein Kollege kamen herbeigelaufen. Der Bruder des Bergpfarrers fackelte nicht lange. Auf ein Zeichen von ihm packten er und der andere Beamte die Streithähne und schleiften sie kurzerhand über den Boden.

»Schluß jetzt!« rief Max. »Auf der Stelle! Sonst sperr’ ich euch für den Rest des Tages ein, und morgen verweise ich euch des Platzes. Dann findet die Kirchweih ohne euch statt!«

Diese Drohung wirkte. Mit gesenkten Häuptern rappelten sich die beiden Schausteller auf und wagten nicht den Blick zu erheben.

»Was ist denn bloß in euch gefahren?« wandte sich Pfarrer Trenker an die beiden.

Wenzel Ottinger schnaubte wütend.

»Der hat angefangen«, sagte er und deutete mit dem Kopf zu seinem Kollegen.

»Nix da, du Hirsch. Red’ net solch einen Unsinn«, herrschte der Beschuldigte ihn an.

Er drehte sich zu Max.

»Auf Ehr’ und Gewissen, der Kerl lügt, wenn er auch nur den Mund aufmacht.«

»Wie auch immer«, meinte der Polizist bestimmt, »wenn ich euch noch mal auseinander bringen muß, dann ist für euch das Fest vorbei.«

Anton Kaiser entfernte sich mit einem wütenden Blick auf Christels Vater. Die junge Frau nahm den Karussellbesitzer in den Arm.

»Vater, warum läßt dich denn immer wieder von ihm provozieren?« fragte sie kopfschüttelnd. »Du weißt doch, daß er nur auf Streit aus ist.«

Wenzel Ottinger blickte dem anderen hinterher.

»Eines Tages...«, zischte er, ohne weiter auszuführen, was da geschehen würde.

Sebastian Trenker nahm den Alten beiseite.

»Hör’ mal, Wenzel«, sagte er, »so kann’s wirklich net weitergehen. Wo soll denn das noch hinführen? Wenn du und der Anton so weitermacht, könnt ihr euch bald nirgendwo mehr sehen lassen.«

Der Schausteller zog ein grimmiges Gesicht.

»Der Teifi soll ihn holen!« stieß er aus und trollte sich.

Kopfschüttelnd sah der Bergpfarrer ihm hinterher. Christel, die neben ihm stand, hatte Tränen in den Augen. Tröstend legte Sebastian seinen Arm um sie.

»Paß auf deinen Vater auf«, sagte er. »Und wenn die beiden noch einmal aneinandergeraten, dann kommst’ ins Pfarrhaus. Dann werd’ ich mit den beiden ein ernsthaftes Wort reden, das sie net so schnell vergessen.«

Während er über den Festplatz zurück zur Kirche ging, war rings um den Geistlichen der Trubel im vollen Gange. Die Fahrgeschäfte hatten geöffnet, Lose wurden verkauft und Zuckerwatte. Musik ertönte aus dem Zelt, und die Menschen vergnügten sich.

Der gute Hirte von St. Johann blieb einen Moment stehen und schaute auf das Treiben. Es war ein schönes und friedliches Bild, das sich ihm bot.

Hoffentlich bleibt’s so, dachte er und ging weiter.

Dabei ahnte er allerdings nicht, daß vieles dafür sprach, daß sein Wunsch sich nicht erfüllte...

*

»Thomas, wann gehen wir denn endlich auf die Kirchweih?«

Lisa Hofstetter zupfte ihren Onkel am Arm. Der junge Bauernsohn lachte und griff nach ihr.

»Sei net so ungeduldig, kleine Maus«, sagte er. »Ich bin ja gleich soweit.«

Franz, sein Bruder, kam gerade aus der Haustür.

»Na, läßt sie dir keine Ruhe?«

Thomas zwinkerte ihm zu.

»Die Burschen werden alle neidisch schauen, wenn sie mich mit so einem feschen Madl sehen«, meinte er.

Die Sechsjährige drehte sich selbstbewußt um die eigene Achse. Lisa trug ein hübsches Kleid, die blonden Haare hatte ihre Mutter in einem langen Zopf gebändigt, der über die kleinen Schultern hing.

»Wenn ich mal groß bin, werd’ ich dich heiraten«, hatte sie einmal zu ihrem Onkel gesagt und ihn dabei treuherzig angeschaut.

»Oje«, meinte Thomas daraufhin, »dann bin ich ja schon ein alter Mann.«

»Das macht nix«, war Lisas Meinung, »so junge Burschen mag ich sowieso net.«

Dabei hatte sie Florian Drechsler im Sinn gehabt, den Sohn vom Nachbarhof, mit dem sie, just an diesem Morgen, Streit gehabt hatte.

»Weißt’ was?« hatte Thomas Hofstetter daraufhin vorgeschlagen. »Wir können zwar net heiraten, aber dafür gehn wir zusammen auf die Kirchweih.«

Das Gespräch hatte schon vor Monaten stattgefunden, und beinahe jeden Tag fragte Lisa, wann denn nun Kirchweih sei. Als ihr Onkel dann beim Mittagessen erzählte, daß heute der große Tag gekommen sei, da konnte sie es gar nicht mehr abwarten, endlich loszugehen.

Klara Hofstetter, Franz’ Frau kam, eine Strickjacke in der Hand, aus dem Haus.

»So, ihr zwei, dann kann’s ja losgeh’n.«

Sie zog Lisa die Jacke an und setzte sie auf den Kindersitz, den Thomas schon auf die Rückbank seines Autos gestellt hatte.