Alles wird gut - Matthias Politycki - E-Book
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Matthias Politycki

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Beschreibung

"Eine echte, Atem verschlagende literarische Erfahrung – da samma d'accord!" Denis Scheck, SWR lesenswert Matthias Politycki ist zurück, mit einem grandios erzählten Roman über die Macht der Liebe, die jede kulturelle Grenze überwindet, und über uralte Traditionen, an denen am Ende alles zerbricht. Äthiopien 2020, am Vorabend des Krieges: Josef Trattner, Ausgrabungsleiter im Norden des Landes, verschlägt es an die Grenze zum Südsudan. In der winzigen Siedlung Surma Kibish begegnet er Natu, einer Frau mit abgerissenem Ohrläppchen – und einer Aura von Schönheit, Stärke und Gefahr, die ihn sogleich in ihren Bann zieht. Aber dann wird er Zeuge, wie Natu öffentlich mit Stockhieben gezüchtigt wird. Als sie am nächsten Tag plötzlich in seinem Wagen sitzt, wähnt er sich bereits auf der Flucht, mit ihr zusammen, in ein neues Leben. Doch unerbittlich bahnt sich ihrer beider Verhängnis an – das alte Leben fordert seine Rechte und setzt alles daran, Natu zurückzubringen an den Ort ihrer Niederlage. "Hier erzählt einer, der das Land wirklich von innen heraus kennt. Politycki hat immer diesen eleganten, klugen, süffigen Erzählstil voller Witz und Tiefe, es ist einfach ein ganz großer Roman." Katrin Krämer, Radio Bremen "Matthias Politycki hat sich zum großen, geradezu klassischen Erzähler weiterentwickelt. Wie in den großen Romanen der Weltliteratur sind auch in Alles wird gut die vielen Geschichten des Romans so organisch ineinander verwoben, dass unbemerkt bleibt, wie planvoll das Buch gebaut ist. Nichts wirkt gekünstelt oder konstruiert." Harald Klauhs, Wiener Zeitung

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Matthias Politycki

Alles wird gut

Chronik eines vermeidbaren Todes

Roman

Hoffmann und Campe

Da war sie wieder! Auf ihrer Schulter die verknoteten Enden eines weißen Tuchs, es fiel ihr bis übers Knie, die andre Schulter nackt, die Arme nackt bis auf Dutzende dünner Messingreife, einer am andern, vom Handgelenk fast bis hoch zum Ellbogen. Überaus nackt und glänzend der glattrasierte Schädel, ein paar Kreise aus raspelkurz gestutztem Haar als Verzierung da und dort. Anstelle des Ohrläppchens ein großer, leerer Reif aus Haut und Knorpel. Wie gerahmt darin die Halssehne. Das alles von der späten Nachmittagssonne so überdeutlich ausgeleuchtet, daß er’s nie würde vergessen können, dessen war sich Trattner sogleich gewiß. Als sie ihm das Gesicht zuwandte, kam auch ihr andres Ohr zum Vorschein, und mit dieser Drehung des Kopfes verwandelte sie sich von der Fremden, die ein paar Meter entfernt vor einer der Baracken stand, verwandelte sich in die Frau, bei deren Anblick ihm heut schon mal das Herz ausgesetzt hatte.

Das andre Ohr war zur Hälfte abgerissen, sie war’s.

Unwillkürlich hatte er innegehalten, gebannt wie vor Stunden schon einmal, nur war jetzt kein Weraxa an seiner Seite, der ihn hätte anstoßen, auslachen, davonführen können. Und Kokordi war schon mit Bargudu weitergegangen, weil sie beide Durst hatten und Trattner eine weitere Kneipe zeigen wollten.

Da war sie wieder. Trattner hatte sie am Morgen gesehen, kurz nachdem die Männer das Blut aus dem Hals eines Rindes getrunken hatten. Erst hatten sich ein paar Jungen Gesicht und Hände mit Asche eingerieben, die eifrigsten mit Kuhfladen. Immer mal wieder stiegen sie auf die Rücken der Tiere, sahen sich um und um und um, als suchten sie das Dickicht nach Gefahren ab, sprangen wieder herunter. Der kleinste hatte die Aufgabe, die Wachhunde zu verscheuchen. Dann spülten sie ihre Plastikbehältnisse mit Rinderurin, um sie vor dem Melken zu reinigen, meist Mineralwasserflaschen, die sie knapp unterm Verschluß aufgeschnitten hatten. Um Trattner kümmerte sich keiner, er hatte Muße, die verschieden geschmückten Tiere zu betrachten. Manchen hatte man die Hörner zusammengebunden, damit die Spitzen nach innen wuchsen, alle hatten sie verschieden breite Kerben in den Ohren, Markierungen ihrer Besitzer. Bei einem der Rinder waren beide Ohren durchgehend gezackt, man hatte seinen Kopf mit farbigen Bändern geschmückt und mit den Hauern eines Warzenschweins: das Lieblingstier des Besitzers, Bargudus Augen hingen an ihm mit Wohlgefallen.

Nach dem Melken befreite man die Kälber aus ihrem Gehege und ließ sie in den Kral zu den Muttertieren. Laut schnalzten die Jungen mit den Zungen, erzeugten auf diese Weise verschiedne Töne, mit denen sie Rind um Rind herbeiriefen, beruhigten, wegschickten; so suchten sie eines aus, von dem sie heute trinken wollten. Milch gab’s auch für kleine Kinder, Frauen und Alte, Blut nur für Männer und Jungen – indem sie’s tranken, waren die Jungen fast schon Männer. Zu dritt hielten sie schließlich eine Kuh fest und banden ihr die Halsschlagader mit einem Seil ab. Einer packte die Kuh an Ohr und Unterkiefer, ein zweiter an Schwanzansatz und Hinterbein, der dritte am Rückenhöcker, mit der andern Hand bedeckte er das Auge des Tiers, das auf den Schützen gerichtet war. Dieser, ein Mann und gleichfalls nackt – um die Hüften lief ihm locker eine Schnur –, kniete sich etwa zwei Meter entfernt hin, schoß einen Pfeil gerade so fest ab, daß die Halsschlagader angeritzt wurde und das Blut hervorsprang. Der kleinste Junge fing den Strahl in einer Schale auf. Es hörte sich an wie das muntere Sprudeln eines Bächleins. Als die Schale randvoll war, wurde das Seil, mit dem die Ader des Rindes abgebunden war, kurz über die Wunde gelegt, es genügte, um sie zu verschließen. Ein Mann reichte Trattner die Schale, als Gast hätte er die Ehre gehabt, den ersten Schluck zu nehmen. Trattner übergab sie sofort an Weraxa, der an seiner Statt trank, erstaunlich lange. Danach wanderte die Schale von Mann zu Mann, von Junge zu Junge. Den letzten Rest bekamen die Hunde, nachdem einer seine Ferse in einen frischen Kuhfladen geschlagen hatte, um einen Napf für das Blut zu formen.

Die ganze Zeit war Bargudu am Eingang des Geheges gestanden und hatte alles mit kritischem Blick überwacht. Nun forderte er die Jungen auf, ein Lied zu singen. Sie taten’s und klatschten dazu den Rhythmus, es klang lustlos. Doch es mußte sein, als Dorfältester trug Bargudu dafür Sorge, daß Trattner all das zu sehen bekam, was Weraxa bei ihm bezahlt hatte. Trattner war einer der wenigen, die’s bis Surma Kibish geschafft hatten; die meisten scheuten den weiten Weg und beschränkten ihre Neugier auf Völker, die auf der andern Seite des Omo lebten, nach ein paar Stunden fuhren sie weiter. Dieser hier war offensichtlich kein gewöhnlicher Tourist, er war mit seinen zwei Begleitern auf eigne Faust gekommen. Einen Kilometer flußaufwärts hatten sie ihre Zelte aufgeschlagen, gleich hinter der Bananenplantage, direkt am Ufer des Kibish, und man tat bestimmt gut daran, sie im Auge zu behalten.

So jedenfalls versuchte sich Trattner, Bargudus Verhalten zu erklären und seine Gegenwart erträglicher zu machen. Er hatte ihn von Anfang an nicht gemocht. Aus seinen Worten wurde man nicht schlau und aus seinem starren Blick erst recht nicht. Am liebsten hätte Trattner auch noch dafür bezahlt, daß Bargudu einfach verschwand, aber im Gegenteil, er war auf seinen Schutz angewiesen und auf sein Wohlwollen.

Mittlerweile folgten sie dem Trampelpfad zu einem der drei Dörfer, die rund um Surma Kibish lagen, Kokordi vorneweg, Trattner, wie es seine Art war, als letzter. Im dichten Gebüsch war der Weg fast nicht zu erkennen, Trattner mußte aufpassen, seinen Vordermann nicht aus dem Blick zu verlieren. Surma Kibish selbst war nichts weiter als eine Ansammlung von ein paar Bretterbuden. Hier hatte sich niedergelassen, wer mit den Suri Geschäfte machen wollte; angesichts dessen, daß rundum nur Wildnis war, konnte es vielleicht als Handelsstation gelten. Am Rand der Siedlung war von der Regierung eine Schule errichtet worden, in die keine Schüler gingen, weil man die Kinder auf dem Feld oder bei der Herde brauchte; in ihrer Nähe eine kleine äthiopisch-orthodoxe Kirche, in der sich abends all die zum Singen trafen, die mit den Göttern der Suri gebrochen und die Traditionen verraten hatten. So jedenfalls hatte Weraxa das genannt. Wenige Kilometer entfernt verlief die Grenze zum Südsudan, aus dem die Flüchtlinge und die Schmuggler kamen. Sie brachten Waffen, die nach Beendigung des Bürgerkriegs nicht mehr gebraucht und hier umso dringlicher erwartet wurden, auf daß man nach alter Väter Sitte Rinder rauben, Dörfer plündern oder Blutrache ausüben konnte.

Bald hatte sich das Dickicht gelichtet und gab den Blick frei auf vereinzelte Baumkronen und einen blassen Himmel dazwischen. Der Pfad führte durch Gebüsch, vorbei an den ersten Rundhütten, davor wurde gerade gefrühstückt. Überall sprangen Kinder auf und liefen Trattner nach, bis sie von Weraxa oder Mulugeta verscheucht wurden. So abrupt das Dorf vor ihnen aufgetaucht war, so schnell lag’s auch wieder hinter ihnen, und der Kibish war zu durchschreiten. »Watch, watch, watch carefully!« warnte Kokordi, fragte dann aber gar nicht erst und trug Trattner huckepack durchs Wasser. Er versank bis zur Hüfte und schwankte kein bißchen. Am andern Ufer ging der Pfad durch mannshoch stehendes Gras sanft hügelan. Wenn sich Trattner umdrehte, blickte er weit über die Savanne, deren Büsche und Baumkronen sich aus dieser Perspektive zu einem grünen Teppich zusammenfanden, der alles andre darunter verbarg: das Suri-Land, geschützt vom Kranz der Berge wie die Rundhütten durch ihre Einfriedung aus Dornengestrüpp. Völlig unvermutet war das nächste Dorf erreicht. Gestern abend hatte Trattner schon einiges von Kokordi über die Suri erfahren und darüber, was er heute zu sehen bekommen würde. Dennoch erschrak er regelrecht, als sich plötzlich eine Art Dorfplatz vor ihm auftat. Er wurde erwartet.

In völliger Stille wurde er vieldutzendfach erwartet, ausschließlich von Frauen und Kindern. Fast alle hatten sich geschminkt und geschmückt. Auch Bargudus zweite Frau war darunter, vielleicht dreißig Jahre alt, sie hatte bereits rotgeäderte Augäpfel, wie man sie vom regelmäßigen Qat-Kauen bekam, und deutlich hellere Haut als alle andern. Ihr Lippenteller war unglaublich groß, die meiste Zeit hielt sie mit dem Zeigefinger von unten dagegen, als einzige der Frauen trug sie Sandalen. Ihren Mann überragte sie um Haupteslänge, neben ihr wirkte er in seinen roten Adidas-Shorts und dem olivgrünen Sakko samt Phantasieorden auf eine lächerliche Weise traurig, auf eine traurige Weise lächerlich. Sie hingegen, eine Art Second Lady von Surma Kibish, hatte sich einen dicken Kranz an Ketten um den Hals gelegt, Ketten aus grünen, orangen, weißen Plastikperlen, deren die andern Frauen allenfalls eine oder zwei trugen, nicht wenige nur eine bloße Schnur. Jeden der Gäste begrüßte sie mit Handschlag, Trattner erschrak, so fest drückte sie zu. Dann ließ sie nicht etwa los, sondern drückte ein weiteres Mal zu, ein drittes Mal. Feierlich schritt sie von Trattner zu Weraxa und von Weraxa zu Mulugeta, schwang dabei mit dem Kopf leicht nach links, nach rechts. Die Lippenplatte klatschte bei jedem Schritt auf den Brustansatz, das Antilopenkleid knarzte, der Klang des Reichtums.

Als nächste kam Bargudus Tochter an die Reihe. Sie war das einzige Kind aus seiner Ehe mit der Hauptfrau, und so trat sie auch auf. Immer wieder strich sie sich über Brüste, Beine, Hüften, zwischendurch bohrte sie zwischen den Zähnen, Bargudus Augen hingen an ihr mit Wohlgefallen. Unvermittelt bot sie Trattner an, ihm den Kopf zu lausen. Als er nicht auf sie reagierte, widmete sie sich Weraxa. Schon bald durfte der die verschiednen Ziernarben an ihrem Körper mit der Fingerspitze nachfahren.

Ein paar wenige Männer, gehüllt in blauschwarz gemusterte Decken, wie man sie allerorts in Surma Kibish sah, hielten sich abseits, als gehörten sie nicht dazu. Ohnehin würden sie nach verbrachter Nacht bei ihren Familien jetzt wieder in die Savanne und zu den andern gehen, um die Wasserstellen gegen die Herden der Feinde zu verteidigen. Einige hatten die Mündungen ihrer Kalaschnikows mit bunten Bändern geschmückt, jeder hielt seinen Kampfstock in der Hand, senkrecht neben dem Körper auf der Erde abgestellt oder geschultert wie eine Lanze.

Kaum einer interessierte sich für Weraxa oder Mulugeta, die aus dem Norden kamen wie die Händler und genauso aussahen, niemand für Kokordi. Aller Augen waren auf Trattner gerichtet. Bargudu sprach ein paar Worte zu den Dorfbewohnern, wahrscheinlich erinnerte er sie daran, seinen Gast nicht um Geld anzubetteln, wenn der sie fotografieren sollte, weil auch dafür schon bezahlt war. Er sprach erstaunlich leise. Als er aufgehört hatte, schwiegen alle auf dieselbe erwartungsvolle Weise weiter, in der sie Trattner entgegengeschwiegen hatten. Sie regten sich nicht, ein Tableau vivant, sie waren da.

*

Oh, sie waren da. Vor allem Kinder, unglaublich viele Kinder, die Gesichter – bei den meisten auch die Oberkörper – in Ocker, Weiß und einem blassen Braunrot so bemalt, daß sie aufgrund ihrer Streifen und Sprenkel an Hyänen gemahnten. Andre aufgrund ihrer Punkte an Leoparden. Obwohl es Kinder waren, ging etwas Bedrohliches von ihnen aus, sie hatten sich offenbar in Tiere verwandelt, in rätselhafte, gefährliche Tiere. Einige der größeren Jungen hingegen hatten auf Gliedern und Brustkorb die entsprechenden Knochen mit weißer Farbe aufgemalt, sie hatten sich in Tote verwandelt, in unheimliche, gewiß böse Tote. Wenn sie wenigstens gelärmt und gelacht hätten! Aber im Gegenteil, sie lauerten. Auf dem gesamten Dorfplatz herrschte eine angespannte Stille, selbst Mulugeta, der sonst immer eine unpassende Bemerkung beisteuerte oder wenigstens den Schrei einer Katze, den Schrei eines Raubvogels, nestelte verlegen am Kopftuch und zog an seinen Rasta-Zöpfchen.

Die ersten, die sich immerhin wieder bewegten, waren die alten Frauen. Mit Brüsten, die ihnen als bloße Hautzipfel bis zum Bauchnabel herabhingen, hockten, lagerten und lümmelten sie am Rand des Tableaus. Eine von ihnen begann, einem Baby den Kopf so penibel mit einer Rasierklinge zu scheren, bis er wie blankgescheuert blitzte, die Rasierklinge hielt sie dabei locker zwischen Daumen und Zeigefinger. Andre rauchten aus wasserpfeifenartig anmutenden Kalebassen oder schmierten ihre herabhängenden Unterlippenwülste mit Vaseline ein. Gelangweilt zogen sie die Lippenwülste in die Länge und immer weiter in die Länge, bis sie so straff gespannt waren, daß Trattner fest damit rechnete, sie würden im nächsten Moment zerreißen.

Erst jetzt bemerkte er die jungen Frauen, die sich hinter der Kinderschar gruppiert hatten, die Gesichter auf ähnliche Weise bemalt wie die der Kinder – schwarze Tupfen auf weißem oder gelbem Grund, weiße Tupfen auf brauner Haut. Die meisten trugen ihre Ohrteller und einige auch Lippenteller. Nur die jüngsten hatten ungeschlitzte Lippen, man sah, wie voll sie waren, wenn man sie nicht der Tradition opferte, vom selben Tiefdunkelbraun wie ihre Haut. Oh, auch die Frauen hatten sich auf beklemmende Weise in Tiere verwandelt, auch von ihnen ging etwas Bedrohliches aus. Gleichzeitig jedoch – und vielleicht ja nur deshalb, weil’s junge Frauen waren – ein Zauber, für den Trattner keine Worte hatte, etwas, das auf eine schreckliche Weise schön war und auf eine schöne Weise schrecklich.

Nun bewegten sich die jungen Frauen ebenfalls, einige schminkten sich mit Hilfe kleiner Taschenspiegel nach. Fast alle hatten sie Unterschenkel und Unterarme mit Aluminium- oder Messingringen bekleidet, ausnahmslos alle trugen sie ihre Schädel nackt bis auf verschiedene Ornamente aus Haarstoppeln, selbst die Augenbrauen waren abrasiert und die Wimpern ausgerissen. Eine hatte ein Blumengesteck auf dem Kopf; eine andre, die reichlich Ziernarben zwischen den Brüsten und auf dem Bauch präsentierte, einen Zweig mit kleinen Blättern und großen bananenartigen Früchten, deren eine ihr wie eine Tolle in die Stirn hing; die dritte einen Haufen blitzender Metallrollen, die wie eine Perücke aus Lockenwicklern und, zusammen mit ihrem riesigen hölzernen Lippenteller und dem weißen Umhang, dem völlig weiß geschminkten Gesicht, besonders unheimlich wirkten. Trattner glaubte zu beobachten, daß alle einen gewissen Abstand zu ihr hielten, vielleicht war sie eine Schamanin.

Am Rand der letzten Reihe stand eine Frau, die ihn unverwandt anblickte, das Gesicht weiß bemalt, mit schwarzen Tupfen darauf wie das der Frau daneben. Die Partien um die Augen hatte sie mit Ocker bestrichen, das wie ein Rahmen um ihre dunklen Augenhöhlen lag. Auf diese Weise wirkte zwar auch sie fremd und gefährlich, doch das tierhaft Bedrohliche war eher Dekoration und unterstrich die Gleichmäßigkeit ihrer Gesichtszüge, statt sie zu verzerren und zu verrätseln. Obwohl sie nicht mehr zu den ganz jungen Frauen gehörte – sie mochte Ende zwanzig sein –, hatte sie unversehrte Lippen, schon das machte sie zu etwas Besonderem. Als sie den Kopf kurz zu ihrer Nachbarin wandte, sah Trattner, daß der untere Teil ihres Ohrs abgerissen war. Dort, wo bei den andern Frauen ein Reif aus Haut und Knorpel den Ohrteller umfaßte, hing ihr vom hintersten Rand der Ohrmuschel ein dünner Rest des Ohrläppchens herab. Trattner konnte den Blick nicht von ihr wenden. Schließlich ließ ihm Bargudu durch Kokordi ausrichten, er solle sich endlich unter sie begeben, die sich seinetwegen so herausgeputzt hätten. Weil Trattner nicht verstand oder verstehen wollte, zog ihn Kokordi an der Hand zu den Kindern, die ihn gleich in ihre Mitte nahmen. Weraxa hob sein Handy, »Cheese, Joe«, doch da ließ Mulugeta sein dunkles Grollen hören, mit dem er in den Bergen schon riesige Blutbrustpaviane in die Flucht geschlagen hatte. Er sprang, anhaltend grollend, auf die Kinder zu, die kreischend auseinanderfuhren. Gleich kam freilich ein Junge zurück, mit weichen, gedehnten Bewegungen ging er geduckt auf Mulugeta zu wie ein kleines Raubtier, fauchte mutig gegen ihn an, und Mulugeta brach in sein großes Gelächter aus. Der Bann war gebrochen.

Da es nun ernst wurde mit dem Gruppenfoto, setzte sich Trattner die Sonnenbrille auf, so fiel’s ihm leichter. Sofort wollten ein paar Jungen die Brille haben, im Getümmel wäre er fast umgerissen worden. Einer der Jungen – er hatte sich Gesicht und Körper komplett weiß bestrichen – zerrte so zudringlich an ihm, bis ihm Trattner die Brille überließ. Sie war viel zu groß für sein Gesicht, eine weiße Sportbrille mit orangerot verspiegelten Gläsern, die schon oft für Aufsehen gesorgt und Trattner einigen Respekt eingebracht hatte. Der Junge drückte demonstrativ die Brust raus und erstarrte zum Motiv, Weraxa fotografierte, Mulugeta keckerte, irgend jemand aus der Versammlung keckerte zurück.

Schon hatte indes ein andrer Junge die Brille an sich gerissen und wollte damit fotografiert werden. Die Brille ging von Junge zu Junge, erst spät trauten sich auch die Mädchen, zupften Trattner vergleichsweise zart von hinten am Hemd. Kaum hatte sich ein Mädchen die Brille aufgesetzt, riß sie der Junge wieder an sich, der sie als erster für sich reklamiert hatte, es begann eine Balgerei, jeder gegen jeden. So schnell sie jedoch begonnen hatte, wurde sie von der Frau mit dem halben Ohr, ausgerechnet von ihr, auch schon beendet. Sie drängte sich an Trattner vorbei, packte den Jungen, der die Brille mit beiden Händen umklammerte und, an die Brust gepreßt, vor ihr und den andern schützte, packte ihn am Genick und drückte so fest zu, daß er sich vor Schmerz krümmte. Sie schimpfte nicht mit ihm, drückte nur zu, und der Junge, er schrie nicht auf, stöhnte nicht mal, bleckte nur die Zähne in seiner Pein und krümmte sich noch tiefer. Stumm wichen die andern Kinder zurück, das Spiel war beendet.

Wie kann sie eine solche Kraft haben, dachte Trattner, und sie auch an dem Kleinen auslassen? Sie drehte seinen Kopf in ihre Richtung und blickte ihn an. Der Kleine gab die Brille frei, die Frau – noch immer hielt sie ihn mit der Rechten fest im Griff – reichte sie an Trattner weiter. Der Anflug eines Lächelns huschte ihr übers Gesicht, eine wortlose Entschuldigung. Doch als das Lächeln verflogen war, sah sie ihn immer noch an. Und sein Herz blieb stehen.

*

Da war sie also wieder! Und mit diesem Blick, mit dem sie alles so unglaublich festhielt wie mit ihrer Hand. Einen Trattner allemal, der selbst in Aksum und in Addis nichts hatte anbrennen lassen, jedenfalls bis die Sache mit Lena passiert war. Da war sie wieder, die Frau mit dem Ohr, und nun, da sie die Farben des Morgens ab- und ein weißes Tuch umgelegt hatte, ging nichts Bedrohliches mehr von ihr aus, geblieben war ihr nur die Schönheit. Auch sie hatte ihn erblickt und lächelte ihm zu. Keineswegs flüchtig, ihr Gesicht strahlte. Als es nichts mehr zu lächeln gab, hielt sie den Blick weiter auf Trattner gerichtet, sah ihn so ernst und fest an wie vor wenigen Stunden schon mal, und jetzt – erst jetzt – stand ihm das Herz erneut still. Wie sie sich von der Bretterwand löste und tatsächlich, barfüßig leicht und in ihrem weiten Gewand fast zart, tatsächlich auf ihn zukam, begann sein Herz wieder zu schlagen, schnell und hart bis hinauf in den Hals und die Schläfen.

Je näher sie kam, desto kleiner erschien sie ihm und schließlich, wäre sie nicht so sehnig gewesen, fast zierlich. Schon stand sie vor ihm, ihre großen Zehen ragten leicht nach innen, wie bei allen Suri, aber nur leicht, es konnte als apart durchgehen. Nicht mal »Tscharli« sagte sie, was auf Suri »Willkommen« hieß, so viel war Trattner schon beigebracht worden, sie sah ihn nur an. Dann legte sie ihm, noch immer wortlos, den Arm um die Hüften, zog ihn mit festem Griff an ihre Seite und ging los.

Oh ja, sie ging los, ging den Weg einfach weiter, den er ihretwegen unterbrochen, ging mit ihm durch dieses späte Licht des Tages und schräg über den an die zwanzig, dreißig Meter breiten Erdstreifen, der als Hauptstraße von Surma Kibish gelten mochte – weiter oben, wo Markt abgehalten und Handykarten verkauft wurden, voller Menschen, hier bereits von Gras bewachsen, von Bäumen gesäumt, dann wieder von weiteren Hütten mit Wellblechdächern. Direkt dahinter die Savanne, hügelan, hügelab, irgendwo verborgen vielleicht ein weiteres Dorf, einen Tagesmarsch entfernt oder zwei und eingefaßt vom Panorama der Berge, überragt vom staubgrauen Himmel.

All das, was Trattner bis eben noch mit rastloser Aufmerksamkeit beäugt hatte, nahm er kaum mehr wahr. Berge, Büsche, Bäume, Baracken waren zur bloßen Kulisse zusammengeschnurrt; was ihm noch am Morgen so fremd und abweisend entgegengestanden, daß er’s immer wieder als bedrohlich empfand, floß ihm zu etwas Malerischem zusammen. Die Frau an seiner Seite ging mit ihm schräg über die Hauptstraße, zielstrebig führte sie ihn dorthin, wo sich Bargudu und Kokordi gerade anschickten, in einer etwas größeren Baracke zu verschwinden. Und immer hielt sie ihn dabei so entschieden im Arm, als wäre sie seit je seine Begleiterin, ja Gefährtin, sie ging mit ihm vorbei am Laden, vor dem sie gerade noch gestanden hatte, im Eingang ein Stapel bunter chinesischer Plastikschüsseln, ging vorbei an einem weiteren Laden, davor ein paar Säcke Reis und ein Haufen Macheten. Trattner wagte es nicht, seinerseits den Arm um sie zu legen, nicht mal um ihre Schulter, vielleicht stimmte ja irgendwas nicht mit ihr. Eine Frau kam ihnen entgegen, ihr Baby auf dem Rücken, sie zog eine ihrer Brüste hoch bis zur Schulter, so daß sie ihr Kind im Gehen stillen konnte. Ein alter Mann blieb stehen, starrte, auf einem Ast kauend, erst ungläubig den Fremden, anschließend dessen Begleiterin an. Im letzten Moment, da sie fast schon an ihm vorbeigehen wollten, streckte er Trattner die Hand entgegen, vielleicht um ihn willkommen zu heißen und dabei um ein paar Birr anzuschnorren. Aber wie hätte ihm Trattner die Hand reichen, wie hätte er stehenbleiben können? Ein weiterer Laden, diesmal auf der andern Straßenseite (Hemden, verschiedne Kekssorten, Plastiktütchen mit Gewürzen), und noch immer hielt sie ihn mit festem Griff an ihrer Seite, als wären sie ein Paar. Freilich eines, wie es sie allenfalls in Addis geben mochte und selbst dort nur rund um die Uni, noch nie hatte Trattner in diesem Land ein Paar gesehen, das Arm in Arm auf der Straße ging. Und bei den Suri, wo Frauen und Männer weitgehend getrennt lebten, schon gar nicht.

Auch Kokordi hatte ein solches Paar noch nicht gesehen. Als er sich vor der Kneipe nach Trattner umwandte, rief er der Frau gleich etwas zu, das nicht freundlich klang. Trattner spürte, wie ihr Griff nur noch entschlossener wurde. Schon rannte ihnen Kokordi entgegen, permanent schimpfend, Trattner nahm er gar nicht mehr wahr. Kaum daß er die Frau erreicht hatte, riß er sie von Trattner weg, stieß sie mit beiden Händen von ihm fort, so laut schimpfend, daß sich die Passanten umdrehten, einige blieben stehen. Schon wieder war Trattner wie gelähmt, er konnte nicht mal die Hand heben und machte keinen Mucks.

Die Frau sei betrunken gewesen, erklärte Kokordi, als er sie so weit weggeschubst hatte, etwa bis zur Mitte der Hauptstraße, daß sie keine Anstalten mehr machte, zu Trattner zurückzukommen. Bargudu dulde es nicht, daß seine Gäste belästigt würden.

Schon klar, dachte Trattner, schon klar. Kokordi tat nur seine Pflicht, er war ihm von Bargudu nicht bloß als Übersetzer, sondern auch als Beschützer zugewiesen worden und als Aufpasser. Aber, dachte Trattner, aber.

Widerstrebend folgte er ihm, alle paar Schritte blieb er stehen und sah sich um. Die Passanten waren weitergegangen, die Frau stand reglos in der Mitte der Straße und blickte ihm nach. Weraxa hatte ihm eingeschärft, daß ein Besuch bei den Suri nur möglich sei, wenn er sich an die Gesetze halte, und daß Gesetz immer das war, was Bargudu gerade bestimmte. Bevor er die Kneipe betrat, blickte er sich noch einmal um, sah, wie die Frau, barfüßig leicht und wiegenden Schrittes, auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter einem Dach verschwand, das zwei Baracken miteinander verband. Sie ging so zügig, als hätte sie die Sache schon vergessen und den Heimweg angetreten.

»Wahnsinn«, sagte Trattner halblaut vor sich hin, und als ihn Kokordi fragend anblickte, übersetzte er für ihn: »What’s her name?«

»Nasedi«, sagte Kokordi, noch immer voll Abscheu, »but here everybody calls her Natu.«

*

Die Kneipe sah von innen aus wie jene, die sie zuerst besucht hatten, und war genauso voll. Ein fensterloser Verschlag, der sich überraschend tief nach hinten ins Dämmerdunkle verlor, am Ende eine Türöffnung, die zurück ins Helle führte. Rund um einen Plastikeimer saßen die Gäste dichtgedrängt auf dem Boden, durch die Bretterritzen fiel noch genug Licht, um zu erkennen, daß sie schon alle betrunken waren. Entsprechend laut wurden sie, als sie Trattners gewahr wurden, streckten ihm ihre Hände entgegen, die er der Reihe nach schütteln mußte. Einer teilte ihm mit der Schöpfkelle einen tüchtigen Schluck Hirsebier aus dem Eimer zu, den er, wie jeder, direkt aus der Kelle nehmen mußte. Aufmerksam beobachteten sie, ob er den dickflüssig trüben Willkommenstrunk hinunterschluckte. Kokordi nahm ihn bei der Hand und zog ihn ans andre Ende der Kneipe, da gebe es eine Terrasse, da sei’s schöner. Jetzt war Trattner dankbar, daß ihm Kokordi den Weg vorgab, in der Tiefe des Raums nahm er nur schemenhaft die Gäste wahr, die sich auf dem Boden drängten, und fand kaum einen freien Fleck, um den nächsten Schritt zu setzen. Nicht einmal einen Tresen schien’s zu geben.

Die Terrasse war nichts weiter als ein ausgetrocknetes Stück Erde, von zahllosen feinen Rissen durchzogen, an den Seiten markiert mit grob behauenen und entrindeten Stämmen, die ein Wellblechdach trugen, eingefaßt rundum mit dünnen Holzstangen und darunter einer blauen Plastikplane, die eine Art Brüstung darstellten. Überall an Stämmen und Stangen lehnten Gewehre, büschelweise auch Kampfstöcke, jeder über zwei Meter lang und aus dem gleichen hellen Holz geschnitzt, gerade so dick, daß man ihn fest mit der Hand umfassen konnte. Der Zaun hatte eine Lücke, sie diente als Zugang vom Weg, der parallel zur Hauptstraße verlief. Hatte diese schon fast ausgestorben gewirkt, war’s hier noch überraschend belebt, Frauen schleppten pralle Beutel, Körbe, Säcke, dazu meist auch, im Tragetuch, einen Säugling auf dem Rücken. Sie hatten’s eilig und hielten den Blick fest geradeaus gerichtet.

Auf der andern Seite des Wegs begann der Busch, für einen wie Trattner eine undurchdringlich grüne Wand, vereinzelt von Baumkronen überragt. Die Gäste, ausschließlich Männer, saßen ebenso gedrängt wie im Innenraum, allerdings auf schmalen Brettern, die als Sitzbänke dienten, Tische gab’s keine. Einige der Gäste hielten ihren Stock selbst hier noch in der Hand oder hatten ihn schräg an ihre Schulter gelegt. Außerhalb der Einzäunung lagerten Frauen grüppchenweise auf der Erde. Sie waren keinen Deut weniger betrunken als die Männer.

Am Rand der Terrasse, vor der Sitzbank direkt am Weg, die aufgrund der umlaufenden Stangen als einzige eine Lehne hatte, wartete Bargudu. Als er Kokordi und Trattner kommen sah, befahl er den Männern auf der Bank mit einer Handbewegung, Platz zu machen. In dieser Kneipe gab’s nicht nur Mais- oder Hirsebier aus dem Trog, sondern auch Flaschenbier; mit der nächsten Handbewegung schickte er Kokordi zurück ins Dunkel des Schankraums, Flaschen beizubringen. Fast gleichzeitig griff er sich Trattner und zog ihn zu seinem Platz. Während er sich neben ihm niederließ, hielt er ihn hartnäckig fest.

Nun saßen sie, Hand in Hand, mit dem Rücken zum Weg, mit dem Blick auf alle, die sich hier eingefunden hatten. So farbenfroh sich Frauen und Kinder präsentiert hatten, so unspektakulär wirkten die Männer. Alle trugen sie kurze Hosen und über der rechten Schulter die übliche blaue Plastikdecke mit dem schwarzen Linienmuster, die linke Schulter nackt. Im Grunde unterschieden sie sich nur durch die Haarornamente, mit denen ihre ansonsten glattgeschornen Schädel geschmückt waren; ein einziger trug ein rundes Hütchen und golden blitzende Ohrringe. Unverhohlen bestaunten sie den Fremden. Weil jedoch Bargudu neben ihm saß, sprach ihn keiner an, Trattner konnte ihre Blicke ebenso unverhohlen erwidern. Je länger er’s tat, desto angenehmer, ja fast beruhigend wollte ihn das ganze Arrangement anmuten: Männer, in blaue Decken gehüllt, auf schmalen Sitzbänken nebeneinander aufgereiht, untermalt von gleichmäßigem Gemurmel. Dahinter, in der Türöffnung, jetzt wieder Kokordi, in seinem Muskelshirt mit den giftgelbgrünen Bündchen an Hals- und Armausschnitten fast selbst wie ein Fremder.

Er sei eingeladen, ließ Bargudu wissen. Trattner tat so, als wäre er darüber hocherfreut. Es war Bedele Beer und warm, auf dem Etikett schwarzweiß ein meerkatzenartiges Äffchen, es hockte auf einem grünen Ast, und auf dem Kronkorken saß noch eines. Kokordi ließ die Kronkorken einfach zu Boden fallen, Trattner hob schnell einen auf und steckte ihn ein.

Bevor sie alle drei mit den Bierflaschen anstießen, mußte er die Hand des Mannes schütteln, der ihm gegenüber saß und dann auch gleich einen Zug aus der Flasche wollte, es war der Bogenschütze von heut morgen. Anschließend war er es, der Trattners Hand festhielt. Über den Vorfall auf der Hauptstraße war Bargudu bereits im Bilde und ließ wissen, die Frau sei betrunken gewesen. Jeder kenne sie, leider sei sie viel zu oft betrunken, um nicht zu sagen, ständig.

So hat sie eigentlich nicht gewirkt, dachte Trattner, fragte aber lieber, ob alle, die er hier vor sich sehe, etwa nicht betrunken wären.

Das seien schließlich Männer, erklärte Bargudu, die Frauen parterre schienen nicht zu zählen. Und dann redete er so lange, daß Trattner gar nichts andres übrigblieb, als ihn zum wiederholten Mal zu mustern – das Wasserbein, das überm Knöchel angeschwollen war, den dicken kleinen Zeh, der ihm zwischen den orangefarbenen Plastikriemen seiner Sandale seitlich herausgerutscht war, wie hatte er das übersehen können? Eine Weile betrachtete er Bargudus Nägel, die Nagelbetten leuchteten auffallend hellrosa hindurch, die zahlreichen Narben auf seinem zerdellten Schädel, und immer wieder sah er ihm in die Augen, starr blickten sie geradeaus, die Augäpfel fast rot, so lange schon war er dem Qat verfallen.

Trattner wußte, daß Bargudu gar nicht der Dorfälteste war, als der er sich hatte vorstellen lassen, wahrscheinlich weil er’s gegenüber Besuchern als passend empfand. In Wirklichkeit war er der Regenmacher, also entschieden wichtiger als jeder Dorfälteste und weit über Surma Kibish hinaus eine große Nummer. Aus dem Gesang und dem Flug der Vögel konnte er die Zukunft lesen, wo andere Sandalen werfen oder die Eingeweide geschlachteter Tiere befragen mußten. Er konnte die Feldfrüchte vor Heuschrecken schützen und sein Volk vor Epidemien, er konnte die Feinde der Suri verfluchen und das Schicksal jedes einzelnen lenken, wie es ihm beliebte – er war Herr über Leben und Tod. Auch wenn Trattner nichts von alldem glaubte, er hatte sich zu hüten.

Dann kratzte sich Kokordi an seiner Schußwunde, die Narbe lief ihm schräg übern Unterarm, und übersetzte, hörte gar nicht mehr damit auf. Trattner hatte von Anfang an den Verdacht gehabt, daß Kokordi nur das von Bargudus Ausführungen vermittelte, was er für richtig hielt, und ansonsten dazugab, was er selber dachte. Vor allem wiederholte er die wichtigen Wörter, nicht selten ganze Sätze, Trattner hörte bald nicht mehr richtig zu und beobachtete stattdessen die Gäste. Die meisten saßen nur da und taten nichts, immer mal wieder stand einer auf, um sich seine aufgeschnittne Plastikflasche im Schankraum neu befüllen zu lassen, und Kokordi redete noch immer:

»… unser Leben ist gut und schlecht. Bevor solche wie du hierherkamen, hatten wir kein Geld. Geld ist gut, wenn der Magen leer ist, aber es ist auch schlecht. Mit Geld kaufen die Menschen Alkohol. Er ist gut, wenn deine Frauen, sagen wir, ein Fest machen wollen, sobald sie das Haus gebaut haben. Er ist schlecht, weil sie auch an allen andern Tagen trinken, und dann gehorchen sie nicht mehr und wollen mit fremden Männern schlafen … Unser Land ist gut, aber es ist auch schlecht, weil die Sonne immer heißer wird, weil unsre Frauen viel, viel, viel in ihre Felder hineinstecken und immer weniger, weniger, weniger herausziehen … und weil die Quellen versiegen und unsre Herden immer weiter, weiter, weiter wandern müssen. Einige unsrer Männer sind nach Maji gegangen oder nach Jinka oder in eure Städte, aus denen sie nicht mehr zurückkommen, das ist schlecht … Das ist wirklich schlecht … Das ist …«

Da war sie wieder.

Die Frau mit dem Ohr, die jeder Natu nannte. Sie stand in der Türöffnung, nach wie vor in ihrem weißen Tuch, über der Schulter geschürzt. Auf dem Kopf balancierte sie einen Krug. Genaugenommen eine Amphore, darin einige Getreideähren.

Allenfalls eine Sekunde stand sie dort, von den Türpfosten gerahmt. Es reichte, daß sich das Bild tief in Trattner einbrannte. Und dann kam sie, nein, schritt sie zwischen den Bänken hindurch, die Ähren im Krug wippten wie kostbare Pfauenfedern, schritt direkt auf ihn zu.

*

Bevor sie ihn erreichen konnte, sprang Kokordi auf und vertrat ihr den Weg. Weil er sie gleich wieder mit beiden Händen zu packen suchte, griff Natu schnell nach einem der Henkel und stemmte sich ihm, den Krug weiterhin auf dem Kopf, mit dem andern Arm entgegen. Als die beiden kurz voneinander abließen, stand Bargudu auf und richtete leise, sehr leise einige Worte an sie, es klang eher wie eine Bitte als ein Befehl. Da sie sich noch immer nicht zum Gehen entschließen wollte, wiederholte er seine Worte, nun eher als Befehl denn als Bitte. Erneut wollte Kokordi auf Natu losgehen, Bargudu hielt ihn zunächst davon ab, trat aber plötzlich selber an sie heran, die gerade zu einer Rechtfertigung anhob, jedenfalls klang’s für Trattner so, trat an sie heran, riß ihr den Krug vom Kopf und aus der Hand und warf ihn, mit bloßem Schlenkern des Handgelenks und ohne den Blick von Natu zu wenden, zur Seite. Der Krug flog knapp über die Brüstung, traf just zwischen zwei der Frauengruppen auf, die dort lagerten, und zerbrach.

Da war’s an Natu, die Stimme zu erheben. Während Bargudu zurück zu seinem Platz ging, während er Trattner bedeutete, die Sache sei erledigt, und Natu nicht mal mehr ansah, erhob sie öffentlich Anklage. Erst sprach sie zu den Frauen, dann zu den Männern. Immer weitere Scherben las sie dabei vom Boden, bis sie beide Hände voll hatte. Sie präsentierte sie in alle Richtungen, schließlich machte sie Anstalten, sie Bargudu zu übergeben. Zwei der Frauen, die bislang schweigend zugehört hatten, erhoben sich, um sie daran zu hindern. Doch da schnellte auch Kokordi wieder hoch und entriß Natu ihren Armen, drängte sie durch die Türöffnung zurück in den Schankraum und sicherlich durch den gesamten Schankraum und zur andern Tür hinaus.

Als er zurückkam, wollte er mit Trattner anstoßen und kein weiteres Wort darüber verlieren. Bargudu ließ wissen, daß sie jetzt Freunde seien und er deshalb eine weitere Runde ausgebe. Sowie sich Kokordi aufgemacht hatte, neue Flaschen zu holen, versuchte Bargudu mit Gesten und Grimassen, eine betrunkene Frau darzustellen, die vielleicht auch verrückt war.

»Sie ist verrückt«, sagte Kokordi, als er die neuen Flaschen verteilt hatte, »und, Joe, jeder hier nennt mich Koko.«

Sie ließen die Flaschen zusammenklirren, Trattner nahm einen tiefen Zug und gleich noch einen. Das vergißt du nie, dachte er, da würdest du gern mehr erfahren. Aber er fragte Kokordi lieber nur nach Weraxa und warum er noch immer nicht wieder aufgetaucht war. Schließlich hatte er nur kurz die morgige Weiterreise regeln und dabei den Polizisten von Surma Kibish in gute Laune versetzen wollen. Ohne gute Laune ging in Äthiopien nichts, das hatte Trattner in den vergangnen drei Jahren begriffen, die er in Aksum war; und in den vergangnen zwei Wochen erst recht, da sie durchs ganze Land gefahren waren, von einer Straßensperre zur nächsten. Der Dorfpolizist von Surma Kibish war auf willkürlich verhängte Strafen angewiesen, ersatzweise auf Bestechungsgelder, er würde in Weraxas Papieren jede Menge zu bemängeln wissen, was nur aufgrund von Zuwendungen zu übersehen war. Oder was sonst konnte Weraxa so lange abgehalten haben, er hatte doch gleich nachkommen wollen?

Das wisse er nicht, sagte Kokordi, und Bargudu wußte es ebensowenig. Aber daß Natu verrückt war, wußten sie beide und versicherten es Trattner, indem sie die Augen verdrehten. Wenn sie dann lachten, lachte auch der Bogenschütze, der beharrlich sitzengeblieben war. Alle andern lachten nicht und guckten umso genauer zu.

Wenn wenigstens Mulugeta gekommen wäre! Er konnte zwar kein Suri und also nicht wirklich weiterhelfen. Aber als einen, der ihn verstanden hätte, seinen wachsenden Widerwillen gegen Bargudu und Kokordi, hätte ihn Trattner gern an seiner Seite gehabt. Bereits kurz nach dem ersten Zusammentreffen mit Natu auf dem Dorfplatz hatte er Trattner in seiner unnachahmlich direkten Weise darauf angesprochen, »Alles gut, Joe?«, auf Deutsch. Keine Frage, er hatte die Szene genau verfolgt. Nachdem er sich auf Kosten Trattners ausgelacht hatte, rutschte ihm noch das Geständnis heraus, Natu sei auch ihm ins Auge gestochen. Trattner rechnete damit, daß Mulugeta mindestens das Gebrüll eines brünftigen Löwen hinterherschicken würde, aber, seltsam, er grinste nur – und Weraxa sowieso.

Mulugeta liebte es, Fragen und Antworten in Form von Geräuschen oder Tierstimmen zu formulieren, über die er in ungezählter Zahl verfügte: Schmatzen, Grunzen, Rascheln, Kreischen, dies alles, je nach Stimmung, in verschiednen Tonhöhen und wechselnden Rhythmen. Damit war er, jedenfalls in Afrika, kein Einzelfall, schon öfters hatte Trattner jemandem zuhören können, der die Laute gewisser Tiere äußerst treffend nachahmte. Mulugeta jedoch stellte sie alle in den Schatten. Oft saugte er einfach nur die Luft zwischen den gespitzten Lippen ein und stieß sie wieder aus, als ob ein Hamster aufgeregt nach Luft schnappte. Abgesehen von seinen diversen Affenschreien, den Vogelstimmen und dem Gefauche der Raubtiere, klangen seine Laute meist so, als würden sie von kleinen nervösen, verängstigten, empörten, hungrigen, betrunknen, zudringlichen, schläfrigen Tieren erzeugt – vielleicht von einer Maus, einer Zwergantilope, einem Erdhörnchen, dann wieder von einem Kaninchen oder Stachelschwein, sofern er eine Spur energischer wurde. Mulugeta sagte wenig, umso mehr redete er in Geräuschen. Trattner hatte ihn im Verlauf der letzten Jahre leidlich zu verstehen gelernt; jetzt sehnte er sich danach, sein dunkles Grollen zu hören, das Bargudu und Kokordi zum Schweigen gebracht hätte.

Doch auch Mulugeta ließ sich nicht blicken, Trattner war in dieser überfüllten Kneipe vollkommen allein. Jetzt fing auch noch jemand direkt hinter seinem Rücken zu lamentieren an. Bargudu versuchte, es zu ignorieren, Trattner brauchte ein paar Sekunden, um’s zu begreifen.

Oh ja, sie war wieder da. Hatte man sie am Haupteingang hinausgeworfen, war sie jetzt zum Hintereingang zurückgekehrt. Sie hielt noch immer einige der Scherben in Händen.

*

Das Gemurmel der Gäste erstarb, alle wollten hören, was Natu erneut vorzubringen hatte, ihre Stimme nicht mehr so fest und so klar, es lag ein feines Zittern darin. Weil Kokordi sich weigerte zu übersetzen, hörte Trattner dem Klang ihrer Sätze ab, welchen Inhalt sie haben mochten – Was habe ich denn getan? Ist es verboten, mit einem Fremden zu sprechen? Mit einem Krug auf dem Kopf eine Kneipe zu betreten? Warum darf Bargudu so was tun? Und wieso behauptet ihr, ich sei betrunken? Ihr seid betrunken!

Immer wieder präsentierte sie die Scherben, und wenn ihr die Worte versagten, stand sie mit halb erhobnen Händen da und bebte, ihre Wut verwandelte sich zusehends in Verzweiflung, ihre Anklage in Klage. Man hat sie ungerecht behandelt, dachte Trattner, das ist sie vielleicht sogar gewohnt. Aber diesmal hat man auch ihr Eigentum zerstört, dafür will sie Entschädigung. Wie gern hätte er den zerbrochnen Krug durch einen neuen ersetzt! Sollte er Bargudu um Erlaubnis bitten? Sollte er kurzerhand einen neuen Krug besorgen? Aber wo gab’s überhaupt welche? Getöpfert wurde hier von den Frauen selbst, in den Läden konnte man keine Krüge kaufen. Vor allem: Mußte er der Frau nicht beistehen, zumindest dadurch, daß er unbeirrt zusah und sie nicht Bargudus Willkür überließ? Er war schließlich nicht irgendwer, ohne ihn wäre die ganze Situation ja gar nicht entstanden.

Und sie, die da so beharrlich ihr Recht einklagte, war erst recht nicht irgendwer! Sondern nach wie vor die Frau, die ihren Arm um ihn gelegt hatte, die mit ihm über die Hauptstraße spaziert war. Wenn sie in die Knie ging, um die Erde zu berühren – und die Fingerspitzen anschließend kurz in den Mund zu führen –, schwor sie gewiß bei all den Göttern, die den Suri heilig waren, und flehte sie um Gerechtigkeit an.

Doch die Götter wollten sie nicht erhören, und Bargudu wollte’s sowieso nicht. Nicht einmal die Frauen, die ihr Trinkgelage neben der Terrasse abhielten, schienen ihr noch mit voller Aufmerksamkeit zuzuhören, nicht einmal die Frauen, die mit Körben und Kindern des Wegs kamen und an ihr vorbeigingen, ohne innezuhalten. Als Natu Anstalten machte, auf die Terrasse zu kommen, erhob sich einer der Kneipengäste – Trattner hatte nicht mitbekommen, daß ihn Bargudu etwa dazu aufgefordert hätte –, verstellte ihr den Zutritt und forderte sie auf zu verschwinden. Er trug abgeschnittne Jeans, weiße Plastikschlappen und Kopfhörer in beiden Ohren, die Kabel baumelten ihm, zusammen mit einem silbernen Kreuz, vor der nackten Brust. Als Natu sich an ihm vorbeizudrücken suchte, hielt er sie mit einer Hand ab, zog sich mit der andern das Handy aus der Hose und die Kopfhörer aus den Ohren. Nachdem er alles ohne Hast abgelegt hatte, packte er Natu und schubste sie so stark auf den Weg zurück, daß sie stürzte. Im Nu stand sie wieder, dabei fielen ihr die Scherben bis auf eine zu Boden, die schlug er ihr aus der Hand. Dann führte er sie regelrecht ab, den Weg entlang, und als sie sich fast freigerangelt hatte, stieß er sie erneut zu Boden und schleifte sie an einem Arm weiter, bis er mit ihr verschwunden war. Noch während Natus Schreie zu hören waren, spendierte Bargudu die nächste Runde Bier.

Aber natürlich kam sie zurück. Bargudu tat so, als ob er sie gar nicht mehr hörte, Kokordi redete auf Trattner ein, und der wußte nun ganz deutlich, daß er Kokordi genausowenig ausstehen konnte wie Bargudu. Trotz aller Ermahnungen war er drauf und dran einzuschreiten. Aber warum tat er’s nicht? Stattdessen nahm er die Bierflasche, die ihm sein Freund Bargudu spendiert hatte, stumm entgegen und reichte sie gleich an den weiter, der heut morgen das Blut aus dem Rinderhals geschossen hatte. Inzwischen wußte Trattner, daß er Badiso hieß und nicht nur ein großer Bogenschütze war, sondern auch ein großer Stockkämpfer und stolz auf seine vielen Narben. Jetzt erfuhr er noch, daß er fast taub war und vielleicht gerade deshalb wunderschön singen konnte; wenn er’s tat, hörten angeblich sogar die Giraffen in der Ferne zu fressen auf und lauschten …

Kokordi hatte längst gemerkt, daß der Abend nicht ganz so verlief wie geplant, und weil sich Bargudu in ein dunkles Brüten zurückgezogen hatte, glaubte er sich nicht mehr als Übersetzer gefordert, sondern als der einzige, der die Aufmerksamkeit des fremden Gastes von Natu ablenken konnte. Also Badiso! Drei Männer habe er bereits getötet, allesamt Nyangatom, die den Suri als Todfeinde galten. Leider lebten sie fast direkt an der Grenze und konnten sich die besten Gewehre aussuchen, die die Schmuggler brachten. Nur so war’s zu erklären, daß sie den Suri sogar den heiligen Berg abgekämpft hatten, auf dem die Ahnen bestattet waren, eine Schande. Wenn alle so wären wie Badiso, die Suri hätten den Berg längst zurückerobert … und vor allem, wenn sie endlich Gewehre hätten, die genauso weit schießen konnten wie die der Nyangatom und genauso schnell …

Kokordi gab nicht auf. Doch auch Natu gab nicht auf. Nun war’s Trattner, der sie mit seinem Blick festhielt. So aufrecht wie möglich stellte er sich an die Brüstung und sah sie unverwandt an, auf diese Weise konnte er wenigstens vor aller Augen zeigen, daß er zu ihr hielt. Da sprang Bargudu auf, eilte zum Ausgang der Terrasse, ergriff einen der Stöcke, die dort am Pfosten lehnten, und trat mit einem Ausfallschritt auf Natu zu, schon sauste sein Schlag auf sie herab. Sie aber, schneller als ein Gedanke, drehte sich zur Seite und, geduckt gleich noch auf ihn zuspringend, entriß ihm den Stock. Und ging zum Angriff über.

*

Der Kampf dauerte nur ein paar Sekunden, Bargudu sah sehr schlecht dabei aus. Überraschend flink wich er zurück, Natu setzte nach, den Stock mit beiden Händen gepackt. Bevor sie ihm aber einen Schlag versetzen konnte, war Badiso zur Stelle, der Bogenschütze, einen Moment später auch der Mann, der Natu schon einmal aus dem Blickfeld geräumt hatte, beide mit ihren Stöcken. Und nun sah Trattner, wie brutal ein Stockkampf sein konnte.

Schon heute nachmittag hatte man ihm eine kleine Vorführung geboten. Der Stockkampf der Suri, die Donga, den ganze Dörfer oder Clans über Tage miteinander austrugen, war bis Addis berühmt und von der Regierung längst verboten. Trattner war enttäuscht gewesen, daß er bei seinem Besuch keine Donga sehen konnte, weil das Fest erst wieder nach der Ernte stattfinden sollte. Bargudu, der in seiner Jugend angeblich ein großer Stockkämpfer gewesen war, Dellen und Narben auf seinem Kopf würden’s ja bezeugen, hatte immerhin acht Krieger organisiert, die dem Fremden eine Kostprobe ihrer Kunst zeigen wollten. Schon nach der Mittagspause im Camp, wo er sich mit ihnen am Lagerfeuer gehalten hatte, war er betrunken gewesen. Kichernd scheuchte er seine Krieger auf eine Wiese, weit genug von Surma Kibish entfernt, so daß ihre Darbietung nicht von zufällig Vorbeikommenden beobachtet werden konnte.

Auch die Krieger waren betrunken. Im Camp hatten sie sich mit Asche eingerieben, nun ließen sie ihre Decken fallen und zogen sich unter Gekicher auch noch das aus, was vielleicht eine Unterhose oder ein Lendenschurz sein wollte, und warfen sich – nurmehr mit der gleichen Schnur um die Hüften geschmückt wie am Morgen Badiso – in zweikämpferische Ausgangsposition. Auf ein Zeichen von Bargudu hopsten sie in allerhand putzigen Figuren paarweis um Trattner herum, ließen ihre Stöcke laut aneinanderkrachen, ohne einander Schaden zuzufügen, und sich selbst bei jeder Gelegenheit ins Gras fallen, um einen Treffer zu markieren. Schienbein- und Ellbogenschoner hatten sie gar nicht erst übergestreift, ebensowenig den Kopf mit Kalbshaut umwickelt, um ihn vor Schlägen zu schützen. Natürlich benutzten sie auch nicht ihre besten und schwersten Stöcke, wie Kokordi eingeräumt hatte, sondern grob geglättete Stecken, die kaum eingewachst waren. Schon nach wenigen Minuten lagen sie allesamt lachend im Gras. Als sie sich halbwegs wieder aufgerappelt hatten, fragten sie bei Kokordi an, warum Trattner kein einziges Foto geschossen habe.

Trattner ließ ihnen ausrichten, daß er seine Fotos im Kopf mache, selbst darüber kicherten sie. Vielleicht verlachten sie ihn, weil sie selber genau wußten, daß sie sich nicht gerade wie Krieger verhalten hatten.

Nun aber Badiso. Mit unglaublicher Wucht sausten seine Hiebe auf Natu nieder, immer wieder, die jedoch wendig war und sich wegduckte, zur Seite sprang, mit ihrem Stock parierte. Aber dann rutschte sie bei einer Drehung aus, saß unvermittelt auf dem Boden, konnte gerade noch den Stock schützend über ihren Kopf hochreißen. Badiso schlug ihr den Stock entzwei und mit solcher Kraft auf den Schädel, daß sie umkippte.

Jetzt war auch der andre Mann mit seinem Stock zur Stelle, der Mann in der abgeschnittnen Jeans. Natu, die sich erheben wollte, wurde von Badiso gepackt und erneut zu Boden geworfen, der andre Mann führte den nächsten Schlag gegen sie aus, er traf sie zwischen den Schulterblättern. Und schon schlugen sie, Badiso und er, in schnellem Wechsel. Natu auf allen vieren zwischen ihnen, das weiße Tuch färbte sich rot. Trattner kniff kurz die Augen zusammen. Er hörte das Herabsausen, das Aufklatschen der Stöcke, hörte keinen Laut aus den Reihen der Zuschauer, kein Wimmern von Natu, und erst als er die Augen wieder öffnete, hatte er begriffen, daß ihr Kampf zu Ende war und daß sie bestraft wurde. Das weiße Tuch, das ihren Körper bedeckte, war ein rotes Tuch, die Hiebe fielen abwechselnd im Sekundentakt. Und jetzt erst – erst jetzt – löste sich Trattner aus der Erstarrung, er durfte, er konnte sich nicht länger heraushalten.

Ja, Trattner ging los, ging, als wäre er schlagartig wieder der alte Trattner, der kein Abenteuer gescheut hatte, selbst die eine oder andre Prügelei, jedenfalls bis die Sache in Abuna Yemata passiert war. Er ging, entschloßnen Schrittes, ging von der Terrasse auf den Weg und – diesen einen Schritt immerhin war er wieder der Trattner, der er früher gewesen. Doch schon wurde er von hinten am Oberarm gepackt und zurückgezogen. Dies sei nicht sein Dorf, wies ihn Kokordi zurecht, dies sei nicht sein Volk, nicht mal er, Kokordi, habe sich hier einzumischen. Dabei hielt er Trattner nach wie vor am Oberarm umklammert, so fest, daß es schmerzte. Auf Trattners andrer Seite, sieh an, stand Bargudu und überwachte alles mit starrem Blick.

Bargudu, der sich als Respektsperson vorgestellt und gerade vor aller Augen blamiert hatte – Trattner sah, daß er nach Luft rang. Plötzlich riß er eines der Gewehre an sich, das an der Brüstung lehnte, machte ein paar schnelle Schritte auf Natu zu, die, ergeben in ihr Schicksal, auf allen vieren des nächsten Schlages harrte, die beiden Männer hörten sofort auf, sie zu züchtigen. Bargudu riß das Gewehr am gestreckten Arm in die Höhe, trat noch einen Schritt näher, so daß er direkt neben Natu aufragte, den Gewehrkolben hoch über ihr – eine Sekunde, zwei Sekunden … Dann führte er ihn zeitlupenlangsam herab, zeigte allen, wie er ihre Bestrafung jederzeit als Hinrichtung beenden konnte. Auf halbem Weg hielt er inne, der Gewehrkolben schwebte über Natus Nacken. Eine weitere Sekunde später drehte er sich von ihr ab, die Sache war beendet.

Auch Badiso und der Mann in der abgeschnittnen Jeans ließen Natu einfach liegen. Keiner sagte etwas, auch keine der Frauen. Trattner biß sich auf die Zunge, Trattner bebte vor Scham. Um wenigstens wortlos Protest einzulegen, blieb er weiter stehen und blickte unverwandt auf Natu, die inzwischen auf dem Weg kniete. Die Hände hatte sie zum Kopf geführt, barg ihr Gesicht darin.

Und tatsächlich, sie stand ein letztes Mal auf.

*

Diesmal aber als gebrochne Frau. Eine der Scherben fand sie noch auf dem Weg, ergriff sie und hielt sie eine Weile stumm in die Höhe. Dann zog sie sich das blutbesudelte Tuch von der Schulter und legte es als Schlinge um den Hals, verknotete es sorgfältig im Nacken. Jetzt war sie nur noch mit einem kurzen karierten Tuch bekleidet, um ihre Hüften als eine Art Unterrock geschlungen, es war an einigen Stellen zerrissen. So schlank sie bislang gewirkt hatte, so dünn war sie jetzt, kaum mehr als Haut und Sehnen. So kraftvoll sie bislang für ihre Rechte gekämpft hatte, so schwach erschien sie jetzt.

Und noch immer kam Weraxa nicht, mit ihm hätte man Natu vielleicht helfen können. Wer kam, war der Dorfpolizist. Vielleicht war ihm die Sache zugetragen worden, vielleicht drehte er seine Abendrunde, grinsend kam er und stellte sich einige Meter von Natu entfernt breitbeinig auf, beide Daumen in die Koppel eingehängt. Ein Amhare aus dem Norden, mit hellbrauner Haut und in pompös ausstaffierter Uniform. Nachdem er Natu ziemlich schamlos taxiert hatte, ging er zu Bargudu und ließ sich in wenigen Worten bestätigen, was er längst gesehen hatte. Bargudu machte eine abfällige Geste in Natus Richtung, der Polizist nickte und wiederholte die Geste, man verstand sich. Dann hängte er wieder beide Daumen in der Koppel ein und genoß das Spektakel.

Wieder erwog Trattner, trotz allem zu Natu zu gehen und ihr demonstrativ beizustehen. Wagte er’s nicht, weil ihn Kokordi noch immer, wenngleich mit gelockertem Griff, am Arm festhielt? War er vielleicht nicht Manns genug, gegen diese himmelschreiende Ungerechtigkeit zu protestieren?

Natu hatte es getan. Und Trattner gezeigt, was es hier hieß, gegen die Regeln zu verstoßen. Wie sie ihre Scherbe vor der Terrasse niederlegte und abdrehte, sah er, daß ihr Rücken von Striemen gezeichnet war, nicht wenige davon waren aufgeplatzt, handspannenlange Wunden, aus denen das Blut rann. Die Rinnsale glänzten fast schwarz. Dort, wo sie in den Rock einsickerten, wuchsen dunkle Flecken. Jetzt erst lockerte Kokordi seinen Griff. Natu ging auf einen Baum am gegenüberliegenden Wegrand zu, das blutig weiße Tuch als dicke Krause um den Hals geschlungen. Der Stamm war ein wenig schräg gewachsen, im Nu war sie oben, stand freihändig auf einem Ast, knüpfte die Enden des Tuchs um die Astgabel, zog daran, um den Knoten festzuzurren. Indem sie sich Bargudu zudrehte und, merklich leiser, noch einmal zu reden anhob, brach ihr die Stimme. Nun weinte sie.

Immer wieder sagte sie ein paar Worte, stockte, riß Blätter vom Baum, um sich die Tränen abzuwischen. Eine ältere Frau, die unten vorbeiging, blieb stehen und rief ihr etwas zu. Dann ging sie weiter. Der Mann in der abgeschnittnen Jeans stellte sich unter den Baum und drückte Natu das Ende seines Stocks zwischen die Brüste, desselben Stocks, mit dem er sie eben blutig geschlagen hatte. Er konnte sie damit gerade noch erreichen – als ob er sie so hätte festhalten, vom Sprung abhalten können. Gleichwohl verharrte er in dieser Position, Minute um Minute. Einige weitere Frauen, die vorbeikamen, erkundigten sich kurz bei denen, die am Rand der Terrasse lagerten, was vorgefallen sei, und gingen weiter. Der Polizist schüttelte belustigt den Kopf und blickte zu Bargudu, um ihm zu zeigen, daß er auf seiner Seite stand – immer das gleiche, schien er ihm zu versichern, man sollte den Frauen das Trinken verbieten. Trattner kniff kurz die Augen zusammen. Er hörte das leise Lachen des Polizisten, das leise Murmeln der Kneipengäste, er hörte kein Wort mehr von Natu, nicht einmal ein Seufzen, und erst als er die Augen wieder öffnete, hatte er begriffen, daß sie wirklich ernst machen und niemand sie daran hindern würde.

Da tauchte Weraxa auf.

*

Sofort redete Kokordi auf ihn ein, sofort aber auch Trattner, beschwor ihn, kein Wort von dem zu glauben, was Kokordi erzählte. Gleichzeitig bestürmten sie Weraxa, der eine auf Oromo, der andre auf Englisch. Weraxa verstand sofort. Es war nicht das erste Mal, daß er bei den Suri war.

Er ging direkt zu dem, der Natu mit seinem Stock zwischen den Brüsten fixiert hatte, schob sanft den Stock beiseite und auch gleich, indem er ihm den Arm um die Schulter legte, den Mann selbst. Dann wandte er sich an Natu, die auf ihrem Ast in der Baumkrone stand und stumm zuhörte. Er redete, wer weiß, in wieviel verschiedenen Sprachen, versetzt mit ein paar Brocken Suri an den entscheidenden Stellen, redete so leise, daß man auf der Terrasse kein Wort verstehen konnte. Dabei zeigte er auf – Bargudu? Oder auf Trattner? Oder warum deutete er immer wieder in Richtung der Terrasse? Jetzt war’s Kokordi, der sich bei Trattner erkundigte, was hier eigentlich vorgehe. Trattner behauptete, er wisse es nicht. So ging’s eine Weile hin und her zwischen ihnen; als er den Kopf wieder wandte, war Natu schon vom Baum herunter und ging, Arm in Arm, mit Weraxa davon.

Nach einer Weile kam der allein zurück und redete mit Bargudu. Anschließend mit Trattner. Es stellte sich heraus, daß Natu den Krug nur schnell von ihrer Freundin ausgeliehen hatte, nun konnte sie ihn nicht mehr zurückgeben. Nichts wünschte sie mehr, als auf der Stelle irgendwem in ihrem Dorf einen Krug abkaufen zu können, als Ersatz für den zerbrochnen. Trattner gab Weraxa hundert Birr, das sollte locker reichen, und dann das Geld für eine weitere Runde Bier, auf die er allerdings auch Natu einladen wolle.

Überraschenderweise machte Bargudu keinerlei Anstalten, das zu verhindern. Nachdem sie mit den Flaschen angestoßen hatten, erfuhr Trattner den Betrag, den Bargudu forderte. Wofür? Dafür! Letztendlich hatte sich Trattner ja doch noch eingemischt, die Angelegenheit mußte in aller Form bereinigt und aus der Welt geschafft werden. Nachdem man sich auf eine Summe geeinigt hatte, wurde Natu von Weraxa geholt und dann auch gleich den einen entscheidenden Schritt auf die Terrasse geleitet. Die einzige Frau auf der Terrasse, Arm in Arm obendrein mit einem, der aus dem Norden kam wie all die andern, die hierherzogen und den Suri das Land wegnehmen wollten oder die Gewehre und jetzt auch noch die Frauen: ein unerhörtes Ereignis, doch kaum einer schien davon Notiz zu nehmen. Bargudu saß längst wieder und blickte geradeaus, durch alles hindurch. Wieder wollte Badiso einen Schluck aus Trattners Flasche, aber Trattner tat so, als bemerkte er’s nicht. Immerhin das hatte er hier schon gelernt.

»Steht sie vielleicht unter Schock?« fragte er Weraxa. »Müssen wir nicht was tun?«

Weraxa war damit beschäftigt, Natus Umarmungen zu genießen: »Was tun? Wir haben doch was getan.«

»Na, ihre Wunden verbinden«, setzte Trattner nach. »Oder wir holen zumindest die Wundsalbe aus dem Auto.«

»Willst du sie auch noch lächerlich machen?« wehrte Weraxa ab. »Die halten hier schon was aus.«

»Aber der Schlag auf den Kopf!« Sie habe ja vielleicht eine Gehirnerschütterung.

Weraxa lachte ihn offen aus: »Nun übertreibst du aber, Joe. So stark war der Schlag auch wieder nicht.«

Nein, Natu beschwerte sich nicht, weder bei Badiso, der sie fast totgeschlagen hatte, noch bei Bargudu, der ihr um ein Haar das Genick gebrochen hätte. Der Mann in der abgeschnittnen Jeans war ohnehin verschwunden. Als ob die Sache tatsächlich mit ein paar Geldscheinen geregelt und fast schon vergessen wäre. Als ob das Tuch, das sie wieder über ihrer Schulter geknüpft hatte, all die Wunden ungeschehen machte, nur weil man sie nicht mehr sah.

Dann stand sie direkt vor Trattner. Nichtsdestoweniger umarmte sie weiterhin Weraxa, offenbar empfand sie ihn als ihren Retter. Gewiß hatte er ihr weisgemacht, er habe die Situation mit seinem eignen Geld bereinigt.

Ob denn bei den Suri auch die Frauen mit dem Stock kämpfen könnten?

Natu verstand die Frage nicht und lachte Weraxa an.

Das könnten sie, versicherte Kokordi, und Natu allemal. Ihr Bruder sei schon in jungen Jahren ein großer Krieger gewesen, der habe ihr viel beigebracht.

Kokordi deutete auf Badiso, zeigte der Reihe nach auf seine vielen Narben, »Strong man«, und Trattner mußte schon wieder die Augen zusammenkneifen, um zu begreifen, was er gerade gehört und vorhin gesehen hatte. Natu war von ihrem eignen Bruder besiegt und dann gezüchtigt worden.

Sie schien die Schläge, zumindest im Moment, gar nicht mehr zu spüren. Nicht von Weraxas Seite wollte sie weichen, keinen einzigen Schluck aus der Bierflasche nehmen, die er ihr in die Hand gedrückt hatte. Umso bereitwilliger beantwortete sie seine Fragen, schließlich konnte er Trattner berichten, daß sie auf dem großen Festival der Kulturen in Addis, wo sie in einer Gruppe der Suri mitgesungen und -getanzt habe, zum ersten Mal in Berührung mit Weißen gekommen sei. Sie möge Weiße, und vorhin – da habe sie Trattner einfach eine Freude machen und ihn durchs Dorf führen wollen, von einem Kokordi müsse sie sich das nicht verbieten lassen. Das sei alles, und deshalb sei sie auch zurückgekommen. Zwischendurch schüttelte Weraxa immer wieder den Kopf, gegen Bargudu hätte sie sich nicht auflehnen dürfen, ob ihr Unrecht widerfahren, spiele keine Rolle. Und da ging sie.

Ja, sie ging. Ohne sich von Trattner verabschiedet zu haben, wer weiß, ob sie schon vergessen hatte, wie sie auf ihn zugekommen war, strahlend, wie sie mit ihm immerhin ein kleines Stück Wegs gemeinsam durch diesen Nachmittag gegangen war.

Sie ging, die Frau mit den Tupfen im Gesicht, die Frau mit dem halben Ohr, die Frau mit dem Krug, die Frau mit dem blutig geschlagenen Rücken.

Ging hinein ins Dunkel, das über Surma Kibish gefallen war, nach ein, zwei Schritten schon war sie verschwunden. Da erst bemerkte Trattner, daß in den vergangenen Minuten die Nacht angebrochen war, schnell und hart, ohne jede Dämmerung, wie immer in diesem Land.

*

Nein, in der folgenden Nacht schlief Trattner nicht. Wie laut die Frösche quakten, wie laut die Zikaden zirpten! Und wie leise die Männer sangen, die ihm Bargudu als Bewacher zugeteilt hatte, wie leise sie am Lagerfeuer ihre Männerlieder sangen, ein Stück entfernt von den Zelten und dem Nissan Patrol, in dem Mulugeta auch heute nacht schlief – und schon geschlafen hatte, als sie im Lager angekommen waren. Irgendwann hatte ihm das Warten offensichtlich zu lang gedauert, und er war einfach losgefahren, typisch Mulu. Weraxa und Trattner hatten den Weg zum Camp zu Fuß zurücklegen müssen, an der Kirche vorbei, in der gerade gesungen wurde, und eine Abkürzung durch die Bananenplantage, in der’s von allen Seiten knisterte und knasterte. Immer wieder hatte Trattner die Taschenlampe am Handy anschalten müssen, wenn die Geräusche allzu nah kamen, und weil sich dann plötzlich die Schatten so ungeheuerlich unter seinen Schritten auftaten, tiefschwarze Schatten in grauer Nacht, mußte er immer wieder stehenbleiben, bis sich die Abgründe vor seinen Füßen geschlossen hatten.

»No Mulu no cry«, hatte Weraxa nur gesagt, als sie das Camp endlich erreichten. Dann erst erzählte er, warum er in Surma Kibish so lange verschwunden gewesen war. Auf der Polizeistation habe er erfahren, daß bereits tags zuvor ein Fahrer vorgesprochen habe. Ein Glücksfall, mit dem man hier unten wahrlich nicht habe rechnen können! Auch dieser Fahrer wollte die Route über Maji und durchs Omo-Tal nehmen, die nur für Konvois freigegeben wurde, und selbst das hing sehr vom Wetter ab und von der Laune des Dorfpolizisten. Es habe eine Weile gedauert, bis sie sich auf einen Betrag geeinigt hätten; und danach habe der Polizist erst noch seinen Kollegen in Maji anrufen und überzeugen müssen, anschließend er, Weraxa, den andern Fahrer, auf daß der Zweidrittel der Kosten übernehme, im Glauben, man mache halbe-halbe. »Big, big business!« Durch die Abkürzung könnten sie zwei Tage Fahrzeit sparen, vorausgesetzt, es werde nicht regnen. Dann gebe es nämlich schnell mal einen Erdrutsch, und die Straße hinter Maji sei unpassierbar. In den letzten Monaten, so der Polizist, hätten’s nur zwei Konvois riskiert, beide seien umgekehrt.