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»Die Pubs waren willig, doch das Bier war schwach.« London bleibt ein Abenteuer für jeden Fremden - nicht zuletzt des britischen Bieres wegen, das einen Pub-Besuch zur existenziellen Herausforderung macht: Kann es sein, dass man nichts von der englischen Seele begreifen kann, weil der kontinentale Gaumen bereits an der Verkostung einheimischer Ales scheitert? Ale ist mehr als ein Getränk, Ale ist englische Seele pur. Matthias Politycki hat sich ihrem Wesen pint für pint nähergetrunken und dabei eine ebenso schräge wie systematische Feldforschung wider den bierischen Ernst betrieben. Nun zieht der »eminente Humorist« (Die Zeit) Resümee und legt ein beherztes Trostbüchlein für den touristischen Trinker vor. Was als ausgesprochen lässige tour de pubs durchs angesagte Londoner East End beginnt, entpuppt sich als Stationendrama nach dem Muster des Passionswegs: ein heldenhaftes Urbesäufnis für den guten ethnologischen Zweck - Völkerverständigung in Versform und am Ende eine Reise hinter die Fassade einer Weltstadt in tiefster Provinz.
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Seitenzahl: 42
Eine Liebeserklärung an die Stadt. Und ein Dank an meine Mittrinker von Queen Mary (University of London), Herbst 2009: insbesondere an Sue, Margit, Jan und … Falco Pfalzgraf.
1. Auflage Copyright © 2011 by Hoffmann und Campe Verlag, Hamburgwww.hoca.de Illustrationen und Karte: Claas Janssen, www.janssen-illustration.de E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde ISBN 978-3-455-81032-5
»Britain’s cask beer is renowned the world over: it’s the jewel in London’s crown that everyone wants to experience.«
Mike Fitzgerald, Greene King Pub operations director for London & South East, anläßlich des Erstausschanks von Royal London als »new brew for the capital« am 21.8.2009
Inhalt
Erste Station
Zweite Station
Dritte Station
Vierte Station
Fünfte Station
Sechste Station
Siebte Station
Achte Station
Neunte Station
Zehnte Station
Elfte Station
Zwölfte Station
Dreizehnte Station
Vierzehnte Station
Anhang
Meine höchstpersönliche »Campaign for Real Ale«
Ich bin die Bierhure,
sagte mein Gastgeber, ich geh mit jedem
auf der Stelle eins trinken,
wann immer, wo immer, hab keine Angst.
Also hatte ich Durst.
Kam mit und trank mit ihm,
der sich hier schon seit ’n paar Jahren
tüchtig eingetrunken und, zumindest
auf seiner Hausstrecke, ’nen sagenhaften Ruf
als so ’ne Art Pfalzgraf des East End erworben hatte,
kam mit und trank mit ihm in dieser langen Londoner Nacht,
trank mich durch die Grand crus der Stadt:
Wir begannen natürlich
mit ’nem Royal London,
das offensiv malzig,
im Abgang nach altem Feudel schmeckte,
und ’nem London Pride
(»Whatever you do take pride«),
das erst recht malzig
und im Abgang nach …
ja, nach was denn schmeckte?
Nach verranztem Murmeltier?
’nem räudigen Kater?
Nach Ziegenbock?
Wir nahmen die Sache ernst und
machten uns ’nen Arsch voll Gedanken;
schließlich wollte’s der Pfalzgraf
mit ’nem Achselzucken abtun,
mußte dann allerdings zugeben,
daß er sich seit Jahr und Tag
um die einheimischen real ales herumgetrunken hatte,
die seien ihm von Anfang an suspekt gewesen,
die schmeckten bestenfalls very British,
wären nicht kompatibel mit ’ner Kontinentalkehle,
die löschten keinen Kennerdurst.
Aber bitte, schon gut,
er sei zu allem bereit.
Und werde den Abend, mir zuliebe,
komplett mit Britenbier bestreiten,
wär ja gelacht, wenn man nicht auch damit
am Ende auf der Zielgeraden landen würde,
aber hallo!
Wo waren wir stehengeblieben?
Bei ’nem London Gold
(»In a field of its own«),
das verflucht malzig am Gaumen klebte
und im Abgang …?
Jetzt aber wirklich mal im Ernst!
Wir schmeckten
und schmeckten
und schmeckten,
kamen freilich nur immer wieder auf
alte Feudel.
Auf feuchte alte Feudel.
Feuchte alte Feudel, die man nachm Wischen
nie or’ntlich ausgewaschen hatte.
Während ’ne Rentnerband ihren Platz im Eck bezog
und nach Begrüßung etlicher grau-
und weißhaariger Herrschaften im Publikum
(die sich später, einer nachm andern,
als Sänger enttarnten und der Reihe nach
mit auf die Bühne durften, um dort ein,
zwei Lieder aus ihrem Repertoire zu geben;
der offizielle Sänger der Gruppe
fungierte als Conferencier) –,
während ’ne Rentnerband nach Begrüßung
auch der grau- und weißhaarigen Groupies
den altbekannten Daddeljazz anstimmte,
berieten wir uns übern Abbot Ale,
die Brauerei nannte’s »casked conditioned beer«,
(»When you’re ready you’ll find it«),
der erste Schluck hart wie ’ne persönliche Kränkung,
bis zum letzten Zug vermuteten wir
’ne Fichtennadelkomprette am Boden des Glases.
Dann lieber Arkell’s labbriges JRA1,
’ne Art Altbierbowle für Schnabeltassentrinker
und solche, die’s werden wollten,
lauter leere Schlucke,
’ne einzige Durststrecke,
wir lachten empört auf, und
weil wir uns darüber gar nicht beruhigen wollten,
schrieb ich Wort für Wort vom Zapfhahn ab,
was darauf an Vollmundigem zu finden.
Denn jetzt wollten wir’s wissen.
Mittlerweile hatte rund um uns
’n Geschunkel und Geschiebe und in dessen Zentrum
’n offensiv fröhliches Daddeldirty-Dancing angehoben;
der amtierende Sänger,
’n gutgelaunter Glatzkopf mit Pförtnerbrille,
imitierte John Travolta,
allerdings in Zeitlupe,
’n Rudel gut betankter Tanzbären im Publikum tat’s ihm –
nach Kräften mitbrüllend und
jeden, der nicht im Rhythmus wackelte,
von der Seite militant anfaunend –,
tat’s ihm nach.
Wir nuckelten noch ’n paar Takte
an unserm Sherlock Holmes Ale2 rum
(hatte’s überhaupt
nach irgendwas schmecken wollen?),
stellten die Gläser artig
aufm Tresendeckchen ab
und wechselten zum nächsten Pub.
Denn wir wollten’s wissen.
Vom Palm Tree wechselten wir zum Perseverance3,
vom Perseverance gleich weiter zum Royal Inn on the Park,
zum Carlton Arms, zur Railway Tavern,
eh wir so richtig drin waren,
schauten wir schon, daß wir weiterkamen,
selbst von einem Trinkfachgeschäft namens Lord Tredegar
und seinem bärbeißigen Mundschenk,
der uns mit Anekdoten und Witzen
den Weg nach draußen zu verstellen suchte,
selbst von seinem einzigen Stammgast,
der uns mit deutschen Wortbrocken
und Kenntnissen zur Ausrüstung der Wehrmacht
zum Stillstand bringen wollte,
ließen wir uns nicht aufhalten.
Als wären wir auf der Flucht gewesen.
Dabei waren wir auf der Suche
nach dem einen, dem erlösenden Schluck.
Nach der einen, der erlösenden Erkenntnis.
Vor lauter Verkostungseifer, ex und hopp,
vergaßen wir erst mal alles andre,
hatten keinen Blick für Schnörkel und Kringel
altehrwürdig englischer Kneipenkultur,
schließlich hatten wir ’ne Aufgabe,
hatten ’n Ziel. Doch was wir auf jeden Fall
und immer wieder mitbekamen
und in aller Deutlichkeit: