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Der alte Schöngruber liegt nun schon seit Beginn des Winters zu Bett, und wenn der Dorfarzt recht behält, so wird er auch nicht wieder aufstehen. Das Herz ist zu schwach, auch schwere Medikamente können es auf die Dauer nicht stützen.
Abwechselnd sitzen seine beiden Töchter am Bett des Kranken und halten Wache. Doch während Bärbel, die jüngere, unentwegt betet, dass der Vater wieder gesund wird, spekuliert Hilda bereits mit ihrem Erbe.
Als sie wieder einmal gelangweilt in dem abgedunkelten Raum neben dem schlafenden Vater sitzt, fällt ihr Blick auf die Tischschublade, die ausnahmsweise nicht verschlossen ist. Hilda kann nicht widerstehen, öffnet sie und findet einen Umschlag, der mit Testament beschriftet ist. Mit wild klopfendem Herzen liest sie den letzten Willen des Vaters, dann verzerrt sich ihr Gesicht vor wildem Hass ...
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Die heimliche Hoferbin
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-5451-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Die heimliche Hoferbin
Bärbel wusste nichts von ihrem Reichtum
Von Maria Fernthaler
Der alte Schöngruber liegt nun schon seit Beginn des Winters zu Bett, und wenn der Dorfarzt recht behält, so wird er auch nicht wieder aufstehen. Das Herz ist zu schwach, auch schwere Medikamente können es auf die Dauer nicht stützen.
Abwechselnd sitzen seine beiden Töchter am Bett des Kranken und halten Wache. Doch während Bärbel, die jüngere, unentwegt betet, dass der Vater wieder gesund wird, spekuliert Hilda bereits mit ihrem Erbe.
Als sie wieder einmal gelangweilt in dem abgedunkelten Raum neben dem schlafenden Vater sitzt, fällt ihr Blick auf die Tischschublade, die ausnahmsweise nicht verschlossen ist. Hilda kann nicht widerstehen, öffnet sie und findet einen Umschlag, der mitTestamentbeschriftet ist. Mit wild klopfendem Herzen liest sie den letzten Willen des Vaters, dann verzerrt sich ihr Gesicht vor wildem Hass …
»Du brauchst das alles nimmer lang zu ertragen, Bärbele.« Eine zittrige Hand streichelte die bleichen Wangen des jungen Mädchens, das sich dicht an den alten Mann mit den grauen Haaren schmiegte.
»Wie meinst du denn das, Vater?« Zwei nachtdunkle Augen sahen ihn an, erschrocken und verständnislos.
»Meine Gesundheit ist net die beste, und der Doktor hat net mehr viel Hoffnung. Siebzig lange Jahre voller Arbeit und Sorgen lassen sich net verwischen. Aber es hat sich gelohnt, Madl, du wirst einmal das reichste Madl weit und breit sein.«
Tränen standen in Bärbels Augen.
»Ich will net, dass du so redest, Vater. Wenn du net alle Tage noch im Sägewerk arbeiten würdest, wäre deine Gesundheit net so angegriffen. Und ich will auch net, dass einmal mir alles gehören soll. Die Hilda ist deine älteste Tochter, ihr steht das Erbe zu, net mir.«
Immer wenn von seiner ältesten Tochter die Rede war, verdüsterte sich das Gesicht des alten Mannes.
»Warum musst du sie immer in Schutz nehmen, die Hilda? Die ist ein schlechter Mensch. Ich hab längst alle Hoffnung aufgegeben, dass sie sich ändern wird. Und wenn ich bald die Augen für immer schließe, dann weiß ich, dass du endlich deinen Frieden hast. Denn sie wird nimmer bleiben mögen, wenn du dein Erbe, das eigentlich ihr zusteht, angetreten hast.«
»Die Hilda rechnet aber damit, dass sie das Sägewerk erben wird, Vater. Du darfst net so hart sein! Ich will nix, nur meinen Frieden.«
Bärbels Gestalt straffte sich. Der Vater strich ihr über das seidige kurze Haar, das das feine Gesicht umrahmte.
»Nix wird sie kriegen, und das ist die größte Strafe für sie. Mein Testament liegt längst gut verwahrt im Schrank. Was ich mir erarbeitet hab, soll in gute Hände kommen. Und die hat die Hilda nie und nimmer!«
Bärbel seufzte und sah hinaus in die Dämmerung. Sie liebte diese beschaulichen Stunden, wenn der Vater heim von der Arbeit kam und sich zu ihr auf die Bank vor dem Haus setzte. Dann war die große Schwester meist unterwegs im Dorf, und Ruhe und Friede herrschten in dem kleinen Haus. Was man nicht sagen konnte, wenn die große Schwester daheim war. Hilda Schöngruber, die ältere Tochter des Sägewerkbesitzers Josef Schöngruber, wusste nur zu gut, dass sie ihrer Familie das Leben schwermachte.
Sie war der erklärte Liebling ihrer Mutter gewesen, die sie der stillen und scheuen Bärbel immer vorgezogen hatte. Seit zwei Jahren nun lag Anna Schöngruber draußen auf dem Dorffriedhof, und seitdem führte die Tochter zu Hause das Regiment. Sie schikanierte ihre junge Schwester und den alten Vater, wo immer sie nur konnte. Arbeit war ein Fremdwort für sie, viel lieber bereitete sie sich die Woche lang für den Samstag vor, an dem sie zum Tanz ging und sämtlichen Burschen im Dorf den Kopf verdrehte.
Dem alten Schöngruber fehlte es an Kraft, um sich gegen die Schikanen seiner Tochter zur Wehr zu setzen. Er wollte keinen Streit in seinem Haus und ertrug alle ihre Launen. Nur wenn Hilda es mit der Bärbel zu arg trieb, bat er sie manchmal, doch etwas sanfter mit der jungen Schwester umzugehen. Aber nur ein spöttisches Lächeln war dann ihre Antwort.
»Sei froh, wenn du noch lange lebst, später hat deine Bärbel nimmer viel zu lachen«, hatte sie einmal zu ihm gesagt, und das hatte ihm zu denken gegeben. Was würde sein, wenn er einst die Augen für immer schloss und Hilda, dem Gesetz nach, seine Erbin wurde? Keine glückliche Stunde würde die Bärbel dann mehr haben, und das ließ dem alten Mann keine Ruhe.
Ein Testament würde das alles ändern, hatte ihm sein Freund, der Bürgermeister, geraten. Er könnte der Bärbel das gesamte Sägewerk vermachen und der Hilda nur einen Pflichtteil geben. Dieser Gedanke hatte den alten Schöngruber nicht mehr losgelassen, bis schließlich das Testament wohlverwahrt in der Schublade lag.
Und wie immer, wenn die Bärbel so dicht bei ihm saß, freute er sich darüber, dass er es so gemacht hatte. Sie war die Einzige, die um dieses Testament wusste, aber es war ihr gar nicht recht.
»Die Hilda wird bald kommen«, sagte der alte Mann jetzt und legte seufzend den Arm um ihre Schultern. Er hatte seine Worte kaum ausgesprochen, als ein Auto laut hupend vorfuhr. Es war ein offener Sportwagen. Hilda saß mit wehenden Haaren und lachendem Gesicht neben einem jungen Mann, der sich jetzt sehr vertraut zu ihr beugte.
Wieder einmal fiel dem alten Schöngruber die Ähnlichkeit auf, die seine ältere Tochter mit der verstorbenen Mutter hatte. Die hellen, fast weißblonden Haare, dazu Augen – groß und dunkelblau wie der Sommerhimmel! In ein paar solche Augen hatte er sich mit zwanzig Jahren verliebt und die Anna geheiratet. Ob er glücklich geworden war, konnte er auch heute noch nicht sagen.
Anna hatte viel mit Hilda gemeinsam gehabt: Launisch war sie gewesen, dann aber wieder furchtbar lieb, was ihn all ihre Untugenden hatte vergessen lassen. Sie hatte ein schönes Leben bei ihm gehabt, besonders in den späten Jahren ihrer Ehe, als das Sägewerk viel Geld einbrachte. Er hatte ihr alle Wünsche erfüllen können, und das waren nicht wenige gewesen.
Dann waren die Töchter groß geworden, und auch die kosteten ihn eine Menge Geld. Beide waren sie in der nahen Stadt zur Schule gegangen und hatten als Einzige im Dorf eine höhere Schulbildung genossen. Darauf war er mächtig stolz gewesen, und er hätte es gern noch erlebt, dass sie beide den richtigen Mann gefunden hätten.
Hilda hatte schon früh angefangen, zum Tanz zu gehen und sich ausführen zu lassen. Ob es Burschen aus dem Dorf oder elegante junge Männer aus der Kreisstadt waren, es war ihr egal. Bärbel hingegen war mit ihren knapp siebzehn Jahren noch nie beim Tanz gewesen, kein Bursche war je an ihr Kammerfenster gekommen.
Sie ließ sich im Dorf nur selten sehen, hatte gar keine Zeit, beim Kramer ein Stündchen zu verplaudern. Die Arbeit, die ihr die Schwester jeden Morgen auftrug, musste getan sein bis zum Abend, sonst konnte die schöne Hilda sehr unangenehm werden.
Jetzt würdigte sie Vater und Schwester mit keinem Blick, sondern hatte nur Augen für ihren Begleiter, der sich anscheinend noch nicht von ihr trennen wollte. Ihr Lachen war laut und unnatürlich, und Bärbel zuckte zusammen. Er merkte es sogleich und sagte tröstend: »Keine Angst, Bärbele, ich bin ja da.«
Hilda war ausgestiegen und beugte sich nun noch einmal zu dem jungen Mann, der sie mit einem leichtsinnigen Lächeln auf den Lippen ansah.
»Soll ich dich morgen abholen kommen, Hilda?«, fragte er und ließ den Motor aufheulen.
Sie zuckte mit den Schultern und fuhr sich durch das blonde Haar.
»Wenn du rechtzeitig kommst, bin ich vielleicht noch da«, sagte sie, »bei uns laufen die Burschen nämlich net mit geschlossenen Augen umher.«
Der junge Mann lachte, würdigte die beiden auf der Bank vor dem Haus keines Blickes und brauste davon.
Jetzt erst schien das junge Mädchen Vater und Schwester zu sehen. Sie nickte ihnen gnädig zu.
»Ist das Essen fertig, Bärbel? Ich hab einen Riesenhunger!« Sie küsste den Vater flüchtig auf die Wange.
»Bist wohl gerade gekommen, weil du so müde aussiehst, was? Solltest lieber zu Hause bleiben und mich die Sägerei beaufsichtigen lassen. Oder hast du Angst, dass die Männer bei mir net arbeiten? Ich würde sie sowieso viel strenger anpacken als du. Der Fritzl, zum Beispiel, fehlt schon drei Tage. Ich hab ihm längst gekündigt.«
Sie setzte sich dem Vater gegenüber, während die Schwester in die Küche gegangen war, um das Essen zu holen.
»So geht es net, Hilda. Der Fritzl ist einer unserer besten Arbeiter. Seine Frau kriegt das vierte Kind, deswegen hab ich ihm Urlaub gegeben. Er muss ein paar Tage den Haushalt und die drei anderen versorgen.«
Spöttisch lächelnd verzog das Mädchen den Mund.
»Wenn du so denkst, tanzen sie dir bald auf der Nase herum, Vater. Der Fritzl soll sein Geld net umsonst bekommen. Ich würd ihn jeden Abend ein paar Stunden nacharbeiten lassen.«
»Noch bestimme ich, Madl, und der Fritzl bekommt sein Geld auch für die Tage, die er net arbeitet!«
Wenn der Vater so sprach, war es besser zu schweigen. Sich es mit ihm zu verderben, hatte nicht viel Sinn. So ließ sie ihre Laune an der Bärbel aus, die gerade mit einer dampfenden Schüssel kam.
»Schon wieder Kartoffelsuppe? Man könnt meinen, wir leben im Armenhaus«, sagte sie böse und schob ihren Teller beiseite. »Ich esse lieber mit dem Fred beim Wirt, er kommt mich gleich abholen.«
Ängstlich schaute Bärbel die Schwester an. »Gestern hast du noch gesagt, ich soll wieder einmal Kartoffelsuppe machen, und da hab ich gedacht, ich tu dir den Gefallen.«
»Was gestern war, ist heut vorbei«, sagte die Hilda und betrachtete ihre sorgfältig manikürten Fingernägel.
Der Vater ließ sich seinen Teller vollschöpfen und sah die Tochter dankbar an. Unter seinem Blick kehrte wieder Farbe in Bärbels bleiches Gesicht.
»Ich hab mir gedacht, du würdest einmal zu Hause bleiben und die Buchführung machen, Hilda. Der Bärbel wird das alles zu viel. Seit mehreren Abenden sitzt sie bis in die Nacht hinein über den Büchern«, meinte der alte Mann.
Flüchtig ging Hildas Blick über das schmale Gesicht der Schwester.
»Wenn sie sonst nix zu tun hat am Abend, kann sie es ruhig für mich machen. Wie schon gesagt, werd ich gleich abgeholt.«
Bärbel drückte die Hand des Vaters. »Lass nur, Vater, viel ist es eh nimmer. Ein oder zwei Abende noch, dann hab ich es fertig.«
»Ich helf dir, Bärbel, dann geht es schneller«, meinte er.
Doch dagegen protestierte das Mädchen. »Du sollst deine Augen schonen, Vater. Die kleinen Zahlen strengen dich doch nur an, und ich tu es wirklich gern!«
»Na also«, sagte Hilda und stand auf, »dann geh ich mich jetzt umziehen. Das Kleid hier ist fürs Dorf viel zu schade.«
Vater und Tochter draußen vor dem Haus sahen sich an.
»Sie wird sich nie mehr ändern«, sagte der Alte, und seine Augen wurden dunkel vor Kummer.
»Ich ertrag es schon, Vater, ich hab ja dich.« Bärbel lächelte tapfer und stellte das Geschirr zusammen.
***
Im Dorf wusste man es längst, dass die Schöngruber-Hilda nur Burschen bevorzugte, die über eine prall gefüllte Brieftasche verfügten. Mit einem, der nicht viel hatte, hätte sie sich nie an einen Tisch gesetzt.
Deswegen wunderte sich auch niemand, dass sie heute mit dem Ferdl zum Tanz kam. Der war nämlich des Bürgermeisters einziger Sohn und gerade im richtigen Alter, sich nach einer Frau umzusehen. Unterstützt wurde er von seinem Vater, der es nur allzu gern sah, wenn er und die Hilda zusammen waren. Wenn sein Bub in die Sägerei einheiraten könnte, das wäre schon ein großes Glück.
Aber Hilda legte sich nicht fest, und Ferdl war nicht der Einzige, dem sie ihre Gunst schenkte. Wie eine Königin saß sie am Tisch und lächelte huldvoll, wenn jemand kam, um sie zu begrüßen.
Unter der Tür stand ein Mann, groß und braun gebrannt. Er sah unentwegt zu ihr herüber, und Ferdl wurde leicht unruhig bei diesen Blicken. Hilda nahm sie nämlich nicht nur zur Kenntnis, sondern sie sah ebenfalls unablässig zu diesem Mann hin. Er war noch nicht lange im Dorf, zwei Monate vielleicht, und arbeitete in der Sägerei vom alten Schöngruber. Die Burschen in seinem Alter wussten nur, dass er Hannes Leitner hieß und aus der Stadt gekommen war.
Hilda hatte den gut aussehenden Mann natürlich sofort gesehen, als sie sich einmal bereit erklärt hatte, dem Vater eine Stunde behilflich zu sein. Damals hatte er einen bewundernden Pfiff ausgestoßen, als sie hochmütig an ihm vorübergegangen war. Und die ganze Stunde, die sie in der Sägerei verbracht hatte, hatten seine Blicke sie nicht losgelassen.
Am liebsten wäre sie wegen ihm am nächsten Tag wiedergekommen, aber das würde dem Vater aufgefallen sein. So großzügig er sonst auch war, dass sie eine Liebschaft mit einem seiner Arbeiter anfing, das würde er nie dulden.
Und jetzt stand er da, dieser Hannes, und er sah einfach unverschämt gut aus. Er nickte leicht, ohne dabei die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen.
Hilda fühlte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg. Wie unter einem Zwang stand sie auf. Er lächelte und deutete auf die Tanzfläche. Mit offenem Mund sah Ferdl seinem Mädchen nach. Würde die stolze Hilda wirklich mit dem Mann tanzen, der es nicht einmal für nötig gefunden hatte, an den Tisch zu kommen, um sie aufzufordern?
Ferdl kannte sich nicht mehr aus, denn sie tat es wirklich. Und der Fremde nahm Hilda so vertraut und fest in die Arme, dass es dem jungen Burschen ganz heiß wurde. Wenn er auch nie zu hoffen gewagt hatte, Hilda einmal heimführen zu können, so hatte er wenigstens geglaubt, dass sie ihm diesen Abend schenken würde. Er nahm einen tiefen Schluck und noch einen, und der Wirt sah ihn besorgt von der Theke aus an. Ferdl war ein Hitzkopf und Hilda entschieden zu weit gegangen. Wenn das nur keinen Ärger gab!
Die drei Musiker, die der Dorfwirt jeden Samstag zum Tanz aufspielen ließ, waren nicht erstklassig, dafür aber sehr billig. Für wenig Geld und ein gutes Essen holten sie alles aus ihren Instrumenten heraus. Es war ein langsamer Walzer, den sie jetzt spielten, gerade der richtige Tanz für Verliebte.
Hannes Leitner blickte in das schöne Gesicht seiner Partnerin und lächelte. Aus der Nähe betrachtet, war diese Hilda noch schöner. Ein Grund mehr, sich um sie zu bemühen. Es hätte ihm schon genügt, dass sie die Tochter des Chefs war, dazu hätte sie kein hübsches Gesicht gebraucht. Dass sie das obendrein noch hatte, machte die ganze Sache für ihn noch reizvoller.
In der Stadt war ihm der Boden zu heiß geworden. Er hatte bei einigen Firmen krumme Dinger gedreht, und man hatte ihm nahegelegt, zu verschwinden.
Das Leben hier in dem kleinen Gebirgsdorf war alles andere als erfreulich, und er wäre wohl kaum eine Woche geblieben, wenn er nicht am ersten Tag Hilda Schöngruber gesehen und erfahren hätte, wer sie war.
Man hatte ihm erzählt, dass es die Schöne nicht allzu genau mit der Liebe und Treue nahm, und deshalb wollte er es ihr nicht so leichtmachen. Ihr Interesse war geweckt, das wusste er, jetzt galt es, einen kühlen Kopf zu behalten und taktisch klug vorzugehen.
»Hoffentlich ist dein Begleiter mir net bös, dass ich dich geholt hab.« Er lächelte auf sie hinab, und bei diesem Lächeln wurde dem Mädchen ganz schwindelig.
»Ich hab mit dem Ferdl nix zu tun«, sagte sie.
Sein Arm umfasste sie enger, sie fühlte es mit Genugtuung.
»Dann soll es net der letzte Tanz sein heut Abend«, flüsterte er und streifte mit seinen Lippen ihr blondes Haar.
Die sonst so schlagfertige Hilda sagte nichts. Ihr fiel nichts ein, so sehr sie sich auch bemühte, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
Der Tanz war aus. Er verbeugte sich und war dann gleich in der Menge verschwunden. Blutübergossen stand sie da, alle sahen zu ihr hin und kicherten. Was fiel ihm ein, diesem Kerl, sie einfach stehen zu lassen? Wusste er nicht, dass man seine Partnerin an den Tisch zurückbrachte?
Da tauchte Ferdl neben ihr auf und nahm ihre Hand. »Wenn du gehen willst, Hilda …«
»Nein, ich möchte bleiben«, sagte sie und warf den Kopf zurück. Sie hatte Hannes gesehen, der sich allein an einen Tisch gesetzt hatte und ihr zutrank. Seine dunklen Augen blitzten, und in diesem Moment hatte sie schon vergessen, dass er sich schlecht benommen hatte.
Sie wartete darauf, dass er sie erneut aufforderte, aber er blieb sitzen. Wenn Ferdl sie aber in den Armen hielt, fühlte sie Hannes’ Blicke auf sich ruhen.
Es war heiß im Saal, die Musik spielte zu laut, und es hätte ihr nichts ausgemacht, zu gehen. Aber nicht Ferdl, sondern ein anderer sollte sie nach Hause bringen.
»Du denkst wohl gar net an mich«, sagte Ferdl plötzlich, und sein Gesicht war dem ihren nahe. Sie wich zurück, er hatte bestimmt an die zehn Bier getrunken und stand nicht mehr so ganz sicher auf den Beinen.