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Maria Fernthaler

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Beschreibung

Der Hof ohne Erben - Das tragische Schicksal einer einsamen Bergbäuerin


Als nach zehn Jahren immer noch kein Hoferbe in der Wiege der Hoflechners liegt, gerät ihre Ehe in eine schwere Krise. Veith wird immer unleidlicher und gibt Gitta sogar die Schuld an ihrer Kinderlosigkeit.

In seinem Frust lässt Veith bei der jungen, drallen Magd seinen Charme spielen, und Irmgard ist einem Gspusi mit dem Hofbauern durchaus nicht abgeneigt. Insgeheim träumt sie nämlich längst davon, die neue Hofbäuerin zu werden.
Schon bald kündigt sich bei Irmgard Nachwuchs an. Veith ist vor Freude ganz aus dem Häuschen. Endlich wird er den ersehnten Hoferben bekommen, auf den er so lange vergebens gewartet hat. Was er seiner Frau antut, daran scheint er nicht zu denken ...

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Hof ohne Erben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6555-9

www.bastei-entertainment.de

Der Hof ohne Erben

Das tragische Schicksal einer einsamen Bergbäuerin

Maria Fernthaler

Als nach zehn Jahren immer noch kein Hoferbe in der Wiege der Hoflechners liegt, gerät ihre Ehe in eine schwere Krise. Veith wird immer unleidlicher und gibt Gitta sogar die Schuld an ihrer Kinderlosigkeit.

In seinem Frust lässt Veith bei der jungen, drallen Magd seinen Charme spielen, und Irmgard ist einem Gspusi mit dem Hofbauern durchaus nicht abgeneigt. Insgeheim träumt sie nämlich längst davon, die neue Hofbäuerin zu werden.

Schon bald kündigt sich bei Irmgard Nachwuchs an. Veith ist vor Freude ganz aus dem Häuschen. Endlich wird er den ersehnten Hoferben bekommen, auf den er so lange vergebens gewartet hat.

Was er seiner Frau antut, daran scheint er nicht zu denken …

Die Wiesen und Wälder rund um das kleine Dorf Saalfeld waren sonnendurchflutet. Es war schon Nachmittag, aber immer noch schien die Sonne heiß auf die junge Frau, die langsam den Wiesenrain zur kleinen Kapelle hinaufstieg.

Mädchenhaft zart war ihre Gestalt im bunten Sommerdirndl. Die kastanienbraunen Haare, die in der Sonne kupfern schimmerten, trug sie nach Landessitte in zwei dicken Zöpfen um den Kopf gebunden. Das Gesicht war schmal und fein geschnitten, die Augen groß und dunkel. Trotz des herrlichen Sonnenscheins lag Traurigkeit in ihnen. Um den roten Mund zuckte es hin und wieder schmerzlich.

Ihr Blick wanderte hinauf zur kleinen Kapelle. Wie oft war sie schon hier heraufgestiegen voller Hoffnung, dass ihre heißen Gebete eines Tages erhört werden würden!

Brigitte Hoflechner – jeder in der Umgebung kannte diesen Namen, denn jeder wusste, dass sie die schönste junge Bäuerin weit und breit war. Aber beneidet wurde sie von niemandem. Nicht um den schönsten Hof und nicht um den Hoflechner-Bauern, ihren Mann. Niemand wusste, wie reich er war, aber seinen Jähzorn kannten alle.

Brigitte, die alle nur Gitta riefen, war ein blutjunges Mädchen gewesen, als sie der bereits einmal verwitwete Hoflechner vor den Altar geführt hatte. Er war gute zwanzig Jahre älter als sie und ging jetzt auf die fünfzig zu, während seine junge Frau noch in der Blüte ihrer Jahre stand.

Sie hatte schon zu Lebzeiten seiner ersten Frau als Magd auf dem Hof gearbeitet, und schon immer hatte sie der Bauer mit besonderem Wohlgefallen betrachtet. Und es waren keine zwei Jahre seit dem Tod seiner ersten Frau vergangen, da hatte er sie zu sich geholt – als seine Bäuerin.

Gitta, die damals keine Eltern mehr gehabt hatte, hatte fast willenlos alles mit sich geschehen lassen. Es hatte gutgetan, jemanden zu haben, zu dem man gehörte. Sie wurde eine tüchtige Bäuerin, und nur manchmal noch dachte sie an den Hans, der ihre Jugendliebe gewesen war.

Sie waren zusammen aufgewachsen, drüben in Hinterglemm. Die Höfe ihrer Eltern hatten dicht beieinandergelegen. Aber dann war Hans fortgegangen. Es hatte Streit mit seinem Vater gegeben. Und über Nacht war der Junge verschwunden. Man hatte sich nicht viel Sorgen um ihn gemacht, denn Kinder gab es auf dem Gruberhof mehr als genug, und irgendwie würde der Hans schon durchkommen.

Nur Gitta war traurig gewesen und hatte jede Nacht ins Kissen geweint. Daran hatte auch der kleine Brief nichts geändert, den ihr Hans noch in der Nacht auf das Fensterbrett gelegt hatte. Sie solle nicht traurig sein, hatte er geschrieben, er würde bestimmt wiederkommen als reicher Mann und sie holen.

Sie hatte daran geglaubt mit der ganzen Gutgläubigkeit ihrer damals fünfzehn Jahre. Aber die Zeit war vergangen, und immer seltener hatte sie sich im Traum neben Hans im weißen Kleid vor dem Altar stehen sehen. Sicher hatte er sie in der Ferne längst vergessen.

Dann waren ihre Eltern gestorben. Sie hatte den Hof verkauft und das Geld bei einer Bank angelegt. Als der Hoflechner dann eine Magd gesucht hatte, war sie hinüber nach Saalfeld gegangen. Sie hatte verschwiegen, dass sie nicht so arm war, wie sie schien.

Jetzt war die junge Bäuerin oben auf dem Hügel bei der Kapelle angelangt. Gitta kniete nieder und faltete die Hände. Andächtig hing ihr Blick an der Mutter-Gottes-Figur. Wann würde die Himmelmutter ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen? Wann endlich durfte sie ein Kind in den Armen halten?

Der Anfang ihrer Ehe war gut gewesen. Sie hatte sich mit den Eltern ihres Mannes, die auch noch auf dem Hof lebten, gut vertragen. Der Bauer war stolz auf seine schöne junge Frau gewesen, um die ihn so mancher beneidet hatte.

Aber dann waren die Jahre vergangen, und heuer war es schon der zehnte Sommer, seit sie vor dem Altar gestanden hatte. Und noch immer gab es keinen Erben auf dem Hof. Im Dorf begann man schon zu tuscheln, und ihre Schwiegermutter begann sie immer feindlicher zu behandeln.

Die alten Leute hatten nicht mehr viele Jahre und wollten noch ihr Enkelkind auf den Knien schaukeln. Der Bauer hatte zuerst ihre Sorgen zerstreut, aber dann hatte auch er sich verändert. Bei der kleinsten Gelegenheit schrie er seine Frau an. Zuerst hatte ihm sein Jähzorn hinterher furchtbar leidgetan, aber seit einigen Monaten kam er auch nicht mehr wie früher, um sich zu entschuldigen.

Er war kein junger Mann mehr, und sein Wunsch nach einem Sohn war berechtigt. Gitta verstand ihn, aber wie sollte sie ihm helfen? So waren die Tage auf dem Hof beinahe zur Qual für sie geworden.

Gitta barg das Gesicht in den Händen, und wieder einmal dachte sie an den Jugendfreund. Hätte auch er sie so behandelt, wenn sie seine Frau geworden wäre? Sie sah sein Gesicht mit den blauen Augen und dem jungenhaften Lächeln vor sich, aber was nutzte es, wenn sie an ihn dachte?

***

»Wahrscheinlich rennt sie wieder durch den Wald«, lästerte die alte Hoflechner-Bäuerin missbilligend und warf ihrem Sohn einen lauernden Blick zu. Der saß neben ihr und rührte nachdenklich in seiner Kaffeetasse.

Er war kein schöner Mann, der Hoflechner-Veith, dazu war sein Gesicht zu grobflächig. Die Haare an den Schläfen waren grau, und auf der Stirne begannen sie sich zu lichten. Trotzdem wirkte er durchaus imposant, und das verdankte er seiner beachtlichen Größe und den maßgeschneiderten Trachtenanzügen, die er gern zu tragen pflegte.

»Lass sie doch, Mutter, sie ist jung und muss halt einmal allein sein mit sich«, nahm er seine Frau in Schutz.

»So, jung ist sie! Das möcht man halt manchmal vergessen, wenn man die leere Wiege oben auf dem Speicher sieht«, sagte die alte Frau bissig und wusste genau, dass sie mit ihren Worten seine wunde Stelle traf.

Sie hatte ja recht, die Mutter! Zehn Jahre Ehe und noch kein Kind!

Der Hoflechner-Veith schob die ganze Schuld auf seine junge Frau und dachte nicht daran, dass die Kinderlosigkeit auch an ihm liegen könnte. Immerhin hatte auch seine erste Frau kein Kind gehabt, und das hätte ihm zu denken geben müssen.

Während sich die alte Hoflechnerin am Herd zu schaffen machte, ging der Bauer vor die Tür, um nach Gitta Ausschau zu halten.

Über die Wiese sah er sie kommen. Sie hielt den Kopf gesenkt, und im Sonnenlicht glänzte ihr Haar wie Kupfer. Sein Herz schlug schneller. Was war sie doch für eine wunderschöne Frau! Wenn er sie so ansah, vergaß er manchmal, dass sie seinen innigsten Wunsch noch nicht erfüllt hatte. Und Stolz erfüllte ihn, Besitzerstolz.

Erschrocken blieb Gitta ein paar Meter vor ihrem Mann stehen. Hatte er sie etwa gesucht? Seine Augen blickten sie heute fast zärtlich an.

»Hast du einen Spaziergang gemacht, Gitta?« Er legte seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich.

Gitta atmete unwillkürlich auf. Sie hatte sich schon vor einem Donnerwetter gefürchtet.

»Ja, ich war oben auf dem Hügel«, antwortete sie leise und schmiegte sich an ihn.

Er nahm ihr Gesicht in beide Hände.

»Und warum sagst du mir das net? Ich wär gern mit dir gekommen.«

Die junge Bäuerin sah ihren Mann erstaunt an. So lieb und zärtlich hatte er schon lange nicht mehr mit ihr gesprochen.

»Ja, das hab ich net gewusst, ich …«

Er streichelte über ihr dichtes Haar.

»Ich weiß schon, ich hab viel zu wenig Zeit für dich. Aber heut Abend machst du dich recht fesch, und dann fahren wir irgendwohin, wo wir im Garten sitzen können, ja?«

»Da freu ich mich aber, Veith. Vielen Dank«, entgegnete sie dankbar.

Sie schlüpfte an ihm vorbei ins Haus. Er sah ihr zufrieden nach. Sie war ja noch so jung, seine Gitta. Noch keine dreißig Jahre. Warum drängte er da so nach einem Erben? Man musste ihr Zeit lassen.

***

Der Gasthof »Zum Hirschen« war zugleich auch das einzige Hotel im Dörfchen Saalfeld. Hotel nannte es der Besitzer, der Steirer-Wastl, aber wenn man das alte Haus sah, musste man beinahe lachen. Zwar waren die Zimmer sauber und nett eingerichtet, aber unter einem Hotel stellte man sich doch etwas anderes vor.

Das war dem Wastl aber egal. Er hatte sein Haus stets voll, und warum sollte er dann etwas für die äußere Fassade tun? So war er eben Hotelier und Gastwirt in einer Person, und das machte ihn zu einem der wichtigsten Männer im Ort. Ja, eigentlich kam er gleich nach dem Bürgermeister und dem Herrn Pfarrer.

Heute waren wieder etliche Sommergäste gekommen, und bis auf ein Zimmer war nun alles belegt. Er musste schauen, dass er noch ein Mädchen zur Aushilfe bekam. Am besten ging er einmal gleich hinüber in die Bürgermeisterei, vielleicht wusste man da etwas für ihn.

Er band die blaue Schürze ab und trat hinaus, als vor seinem Haus gerade ein großer Wagen anhielt.

Ein junger Mann in einem eleganten Anzug stieg aus. Sein Gesicht war tiefbraun und seine Haare fast weißblond. Er sah sich suchend um und lachte, als er den Wirt erblickte.

»Du kennst mich wohl nimmer, Wastl, was?« Der Fremde war auf ihn zugekommen.

Wastls kleine Augen wurden größer.

»Sie kennen? Net dass ich mich erinnern könnt.«

Der junge Mann schlug ihm lachend auf die Schulter.

»Ich bin es, der Gruber-Hans. Von Hinterglemm drüben.«

Wastl schluckte. Er hatte Hans gekannt, als er noch ein kleiner Bub gewesen war. Er war verschwunden damals über Nacht, und niemand hatte je wieder von ihm gehört. Und nun stand er leibhaftig vor ihm und war ein richtiges Mannsbild geworden.

Der Wirt schaute so verdattert drein, dass Hans ihm beruhigend auf den Rücken klopfte.

»Nun fang dich wieder, Wastl. Hast du ein Zimmer für meine Frau und mich?«

Wastl nickte. Hans trat auf den Wagen zu und half der jungen Frau beim Aussteigen.

»Das ist Tanja, meine Frau«, stellte er sie dem Wastl vor.

Der nahm die kleine weiße Hand, die ihm gereicht wurde, und sah die Frau erstaunt an. Noch nie hatte er in ein so schönes Gesicht gesehen. Zwei große Augen sahen ihn an. Die Nase war klein und fein gebogen. Am schönsten aber war der Mund, der einer halb erblühten Rose gleichsah. Tiefschwarzes Haar fiel auf die schmächtigen Schultern.

»Ich hab noch ein Zimmer. Zwar ist es net das schönste, aber es ist sauber«, sagte Wastl und machte ein bedauerndes Gesicht.

»Das macht nix, Wastl. Wir wollen nur ein oder zwei Tage bleiben. Ich möchte hier in Saalfeld Grund kaufen und ein Haus bauen. Bis das fertig ist, wohne ich mit meiner Frau in der Stadt.«

»Du willst hier nach Saalfeld kommen? Für immer?«, fragte Wastl erstaunt.

»Ja, meine Frau ist nicht ganz gesund und soll in der Landluft leben. Außerdem ist es nicht weit bis in die Stadt. Dort werde ich mir Arbeit suchen. Ich freue mich, dass ich wieder in der Heimat bin. Ich hab sie sehr vermisst.«

Aufatmend schaute er sich um. Ja, das war das Stückchen Land, das er in der Fremde so vermisst hatte!

»Wenn du mir jetzt das Zimmer zeigen würdest? Ich glaube, meine Frau ist müde.«

»Das wäre sehr freundlich«, sagte die junge Frau, und sie sprach mit Akzent. Wastl hatte gleich gewusst, dass sie eine Ausländerin sein musste.

Er führte die beiden nach oben die steile Stiege hinauf. Seufzend blieb Tanja Gruber nach einigen Stufen stehen und legte die Hand auf das pochende Herz. Ihr Gesicht war noch blasser und durchsichtiger geworden. Hans nahm die zarte Gestalt blitzschnell auf seine Arme.

»Tanja, Liebes«, flüsterte er in ihr schwarzes Haar.

Sie schlang beide Arme um seinen Hals.

»Es geht schon wieder, Hans. Es war nur die lange Reise.«

Oben ließ sie der Mann vorsichtig auf das Bett gleiten und setzte sich neben sie. Wastl zog sich taktvoll zurück.

Hans hielt die kalten Hände seiner jungen Frau.

»Das Leben hier wird dir guttun, Liebling. Du wirst sehen, schon in wenigen Tagen bist du ein ganz anderer Mensch.«

Er strich über ihre eingefallenen Wangen, und die Kehle schnürte sich ihm vor Mitleid zu. Was würde er alles geben, um seiner geliebten Frau die Gesundheit zurückzugeben!

»Ich hole dir einen Kaffee, Tanja. Schlaf jetzt ein bisschen, damit ich dir dann die Schönheit unserer Heimat zeigen kann.«

Sie sah ihm nach, wie er mit leisen Schritten das Zimmer verließ. Ihre dunklen Augen füllten sich mit Tränen.

»Warum nur bin ich so krank? Ich werde ihm nie eine richtige Frau sein. Und dabei habe ich ihn so lieb.«

***

Tanja lag in den Kissen und schien fest zu schlafen, als ihr Mann zurückkam. Hans stellte die heiße Kanne auf den kleinen Nachttisch. Er wollte Tanja nicht wecken. Der Schlaf tat ihr gut. Er deckte sie bis zum Hals mit der dünnen Decke zu und strich ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Auf Zehenspitzen ging er zum Fenster und zog die Vorhänge zu. Dann schrieb er ein paar zärtliche Worte auf ein Blatt Papier, stellte es neben die Kaffeekanne und stahl sich aus dem Zimmer.

In Saalfeld hatte sich in den letzten fünfzehn Jahren nicht viel verändert. Der Zwiebelturm der kleinen Dorfkirche hatte einen neuen Anstrich bekommen, und das Schulhaus hatte man vergrößert.

Er schlenderte weiter, zwischen Holundersträuchern hindurch, bis er auf die Wiesen kam. Sie standen voller Königskerzen. Und er erinnerte sich an die Zeit, wo er hier Hand in Hand mit einem kastanienbraunen Mädchen von der Schule heimgegangen war. Gitta hatte sie geheißen, und sie hatte die schönsten Zöpfe von allen Mädchen im Dorf gehabt.

Hier hatte er ihr schüchtern den ersten Strauß Frühlingsblumen in die kleinen braunen Hände gedrückt und einen flüchtigen scheuen Kuss dafür bekommen.

Was wohl aus der kleinen Gitta geworden war? Sicher eine hübsche Bäuerin. Oder vielleicht war sie auch in die Stadt gegangen.

Aber wieso dachte er jetzt an sie, wo er doch längst an eine andere Frau gebunden war?

Lange hatte er drüben in Australien und Argentinien an seine kleine Jugendfreundin gedacht, bis eines Tages Tanja vor ihm gestanden hatte, jung, braun gebrannt und bildhübsch, ein echtes Kind ihrer Heimat. Von da an hatte er nur noch sie im Sinn gehabt. Sie hatten einen Sommer voller Leidenschaft und Liebe verbracht.

Damals hatte er noch studiert und sich sein Studium durch Nebenjobs aller Art verdient. Es war eine harte Zeit gewesen für den jungen Deutschen, hart, aber auch wunderschön durch Tanja.

Und dann hatte er erfahren, dass sie todkrank war. Er hatte ihren Vater um ihre Hand gebeten. Doch der alte Mann hatte den Kopf geschüttelt. Tanja habe nicht mehr lange zu leben und solle in der Heimat sterben.

Für Hans war eine Welt zusammengebrochen. Er hatte Tag und Nacht gearbeitet, um zurück nach Deutschland gehen zu können. Das Leben im Gebirge könnte vielleicht Tanjas Leben retten, so meinten die Ärzte drüben. Ihre Eltern waren zu arm, um dort alles aufgeben zu können.

Schließlich war ihr Vater von seiner Liebe überzeugt gewesen und hatte sie gehen lassen. Schweren Herzens, aber doch mit einem Funken Hoffnung im Herzen.

Hans verkrampfte die Hände ineinander. Er durfte den alten Mann im fernen Land nicht enttäuschen. Er wollte Tanja gesund machen. Auch sein Glück hing von ihrem Leben ab.

Er bückte sich und pflückte einen Strauß weißer langstieliger Margeriten. Sie würde sich darüber freuen, denn sie liebte Blumen über alles.

»Tanja«, flüsterte er zärtlich und bekam Sehnsucht nach ihr, sodass er schnellstens den nächsten Weg zurück zum Gasthof suchte.

***

Gitta, die junge Hoflechner-Bäuerin, stand vor dem Spiegel. Sie hatte ein neues farbenfrohes Sommerkleid angezogen, das ihr wundervoll stand. Sie wollte schön sein für ihren Mann, der heute so zärtliche Worte für sie gefunden hatte. Zum ersten Mal seit langer Zeit war sie wieder voller Hoffnung.

Der Bauer saß inzwischen ebenfalls fertig angezogen in der Küche und wartete auf seine Frau. Vor ihm auf dem Tisch stand die Flasche mit dem selbst gebrannten Schnaps, und Veith hatte schon etliche Gläschen geleert.

Die alte Bäuerin sah ihn über ihren Strickstrumpf hinweg an.

»Bist aber fesch angezogen für die Nacht! Oder hast du gar noch etwas vor?«

Er lachte und schüttete sich das Glas bis an den Rand voll.

»Freilich, Mutter. Heut führ ich meine Bäuerin einmal aus. Die anderen sollen neidisch sein auf mich. Sie ist immer noch die Schönste weit und breit, gell?«

»Schön ist sie schon, aber was hast du davon? Die Schönste weit und breit, aber auch die Einzige weit und breit, die noch kein Kind hat«, entgegnete die Mutter verächtlich.