Bergkristall - Folge 295 - Maria Fernthaler - E-Book

Bergkristall - Folge 295 E-Book

Maria Fernthaler

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Beschreibung

Nach mehr als dreißig Jahren kehrt der Hofer-Jakob zurück in sein kleines Heimatdorf. Damals, als junger Bursch, ist er voller Zorn im Herzen von fortgegangen, voller Zorn auf den Menschen, der ihm alles genommen hat. Sein Stiefbruder Hans hat ihn ausgestochen und nahm ihm nicht nur den Rauscherhof, sondern auch die Freundin.
Nun will Jackl endlich Frieden schließen und die Vergangenheit ruhen lassen. Doch niemand soll erfahren, wer er ist. Still und nur für sich will er leben.
Bald schon kommt ihn seine geliebte Tochter, seine Marita, besuchen. In den großen Ferien vom Internat will er seine Einzige nach Strich und Faden verwöhnen. Doch die Ferien nehmen eine schicksalhafte Wende, als sich Marita ausgerechnet in Bernd, den Sohn von seinem Stiefbruder Hans verliebt ...

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Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Fluch vom Rauscherhof

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag/Anne von Sarosdy

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5460-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Fluch vom Rauscherhof

Ein geheimnisvoller Bergroman

Von Maria Fernthaler

Nach mehr als dreißig Jahren kehrt der Hofer-Jakob zurück in sein kleines Heimatdorf. Damals, als junger Bursch, ist er voller Zorn im Herzen fortgegangen, voller Zorn auf den Menschen, der ihm alles genommen hat. Sein Stiefbruder Hans hat ihn ausgestochen und nahm ihm nicht nur den Rauscherhof, sondern auch die Freundin.

Nun will Jackl endlich Frieden schließen und die Vergangenheit ruhen lassen. Doch niemand soll erfahren, wer er ist. Still und nur für sich will er leben.

Bald schon kommt ihn seine geliebte Tochter, seine Marita, besuchen. In den großen Ferien vom Internat will er seine Einzige nach Strich und Faden verwöhnen. Doch die Ferien nehmen eine schicksalhafte Wende, als sich Marita ausgerechnet in Bernd, den Sohn von seinem Stiefbruder Hans verliebt …

Schon seit einer geraumen Weile stand der große und kräftige Mann oben bei der kleinen Kapelle und sah andächtig hinunter ins Tal. Dort unten lag das Dorf, das er seit mehr als dreißig Jahren nicht gesehen hatte.

Es hatte sich nicht viel verändert. Hier und da stand ein neuer Hof, und auch die Schule war neu gebaut worden. Der Fremde oben am Hang schmunzelte und dachte mit leiser Wehmut an die Jahre, wo er noch als kleiner Bub barfuß hinüber in die Schule zum Lehrer Krainer gelaufen war.

Es war so lange her, dass es ihm schon vorkam, als hätte er es gar nicht selbst erlebt. Zu lange war er in der Fremde gewesen. Und doch hatte er das kleine Dorf, wo einst seine Wiege gestanden hatte, nicht vergessen.

Die Sehnsucht war es, die ihn jetzt im Alter wieder zurückkommen ließ. Er war nicht gekommen, um Rache zu nehmen, wie er es sich damals geschworen hatte. Er war gekommen, um den Frieden zu finden, den er ein Leben lang gesucht hatte. Und um schließlich dort die letzte Ruhe zu finden, wo einst der Vater und die Mutter sie auch gefunden hatten.

Freilich, damals, vor vielen Jahren, da war er voller Zorn im Herzen von hier fortgegangen. Voller Zorn auf den Menschen, der ihm alles genommen hatte, was ihm gehörte. Und er hatte Rache geschworen. Aber draußen in der weiten Welt hatte er so viel erlebt und gesehen, dass sein Zorn immer schwächer wurde, und schließlich war es ihm gelungen, zu vergessen. Aber jetzt, wo er stumm dastand und zu dem Dorf hinunterblickte, da stand es wieder vor seinen Augen, was sich damals zugetragen hatte.

Ein junger schmucker Bursch war er damals gewesen, der Hofer-Jakob, den sie alle nur Jackl riefen, seit er auf der Welt war. Er war der älteste Sohn des Hoferbauern und somit der Erbe eines der schönsten Höfe weit und breit. Die Madeln waren hinter ihm her, aber sein Herz gehörte seit seinen Jugendjahren der Greta, der schönen Tochter des Bürgermeisters.

Schon nach der Schule hatten sie sich versprochen, für immer zusammen zu bleiben. Die Väter hatten nichts dagegen, nur mündig sollte die Greta sein, bevor sie zum Altar ging, das hatte sich der Bürgermeister ausgebeten.

Doch dann hatte das Schicksal es anders gewollt: Beim Holzfällen war der Jackl von einem Baum getroffen und so schwer verletzt worden, dass er ins Krankenhaus musste. Nicht nur Wochen, sondern fast ein Jahr lag er dort. Und er musste hilflos zusehen, wie ihm ein anderer das nahm, was ihm gehörte.

Die Mutter hatte einen Buben mit in die Ehe gebracht, den Hans. Sie war vor der Heirat mit seinem Vater verlobt gewesen, aber der Bräutigam war tödlich verunglückt, als das Kind unterwegs war. Trotzdem hatte der Hoferbauer die hübsche Maria geheiratet und auch ihren Buben bei sich aufgenommen.

Hans war ein stiller Bub, der nicht besonders auffiel und eigentlich immer hinter dem Jackl zurückstand. Er war schmächtig und nicht groß, und er sah eher aus wie einer aus der Stadt. Trotzdem machte er bereitwillig die Bauernarbeit und verstand sich mit seinem Stiefvater und Stiefbruder recht gut. Freilich war klar, dass es der Jackl war, der das alles einmal erben sollte, was sich der Hofer erarbeitet hatte. Schließlich war er sein leiblicher Sohn.

Hans sollte eine schöne Abfindung bekommen, womit er sich einen kleinen Hof kaufen konnte. Doch das war ihm zu wenig. Und als der Jackl im Krankenhaus lag, veränderte er sich schlagartig.

Er redete dem alten Bauern so lange zu, dass sein Sohn ja nicht mehr arbeitsfähig sei, wenn er aus dem Krankenhaus käme, und dass der Hof doch zwei tüchtige Arme brauche, bis der alte Hofer, völlig verwirrt, sich schließlich dazu überreden ließ, sein Testament zu ändern.

Hans sollte den Hof bekommen, aber der Jackl sollte dort leben können, so lange er wollte. Er sollte auch genügend Geld bekommen. Hans ging so gerissen vor, dass er alle täuschen konnte. Sogar die Mutter, die ihre zwei Söhne alle beide liebte.

Schließlich war man im ganzen Dorf davon überzeugt, dass es der Jackl besser hätte, wenn er nicht mehr so viel zu arbeiten bräuchte und der Hans den Hof übernehme. Nur eine war damit nicht einverstanden, und das war die Greta. Sie wollte Hoferbäuerin werden und nichts anderes. Und Hans gelang es schließlich, auch sie für sich zu gewinnen. Noch bevor Jackl aus dem Krankenhaus kam, heirateten die beiden.

Dieser Schicksalsschlag trug erheblich dazu bei, dass Jackl nur sehr langsam wieder gesund wurde. Er war zwar wieder auf dem Hof, aber noch so geschwächt, dass er nicht arbeiten konnte.

Er musste mit ansehen, wie Greta mit dem Hans zusammenlebte, seine Greta, die doch ihm versprochen war. So lange die Eltern lebten, entbehrte er nichts. Aber als dann der Vater und kurz darauf die Mutter starben, war es auf dem Hof nicht mehr auszuhalten. Hans war nun Bauer und quälte und schikanierte seinen Stiefbruder, wo er nur konnte. Er musste Knechtsarbeit verrichten, ohne dafür bezahlt zu werden. Auch die Greta kam ihm nicht zu Hilfe.

Und so verließ er dann eines Nachts mit dem Geld, das ihm der Vater hinterlassen hatte, den Hof. Niemand wusste, wohin er ging, man hatte nie wieder etwas von ihm gehört.

Jackl fuhr sich durch den dichten grauen Bart. Ja, es war eine schlimme Zeit damals gewesen, und er hätte es nicht geschafft, hätte er nicht eine Frau kennengelernt, mit der er fast dreißig Jahre lang glücklich gewesen war.

Er hatte sich durch die Städte und Dörfer geschlagen und Gelegenheitsarbeiten verrichtet. Jeden Cent hatte er zu dem vom Vater geerbten Geld gelegt, und bald war eine anständige Summe auf seinem Bankkonto.

Dann lernte er Else kennen, ein Waisenmädchen, das in einer Wäscherei arbeitete. Sie verliebten sich ineinander und waren nach wenigen Wochen verheiratet. Diese Frau folgte ihm nun durch die ganze Welt, und jede Stunde mit ihr bedeutete Glück. Erst als sie eine kleine Tochter bekamen, die sie Marita nannten, wurden sie sesshaft.

Sie kauften sich ein kleines Häuschen im Süden, und dort verlebten sie mit ihrem Kind eine unbeschwerte Zeit. Als Marita älter wurde, besuchte sie die besten Schulen und wurde dann in ein teures Internat geschickt.

Übergroß war ihre Freude, wenn sie in den Ferien heim zu ihren Eltern durfte. Es sollte nicht mehr allzu lange sein. Die Mutter bekam eine ansteckende Krankheit und verstarb innerhalb weniger Tage, noch bevor sie die Tochter ein letztes Mal gesehen hatte.

Todunglücklich standen Vater und Tochter an ihrem Grab. Für beide war es ein schrecklicher Verlust. Jackl wollte nicht mehr dort leben, wo er so lange glücklich gewesen war. Er wollte zurück in die Heimat und versprach seiner Tochter, sie bald nachzuholen.

Er wollte sein Leben in der Heimat beschließen. Er hatte genug Geld, um sich unten im Dorf ein Häuschen zu kaufen. Niemand sollte erfahren, wer er war. Still und nur für sich wollte er leben, ohne am Alltag der Bauern, zu denen er einmal gehört hatte, teilzunehmen. Und er war sich sicher, dass ihn niemand erkennen würde. Er hatte das Dorf als junger Bursch verlassen, jetzt war er ein alter, grauhaariger, vom Leben gezeichneter Mann.

Er nahm seinen Stock und machte sich auf den Weg hinunter ins Dorf.

***

Auf dem Rauscherhof saß man um diese Stunde am Küchentisch. Schweigend wurde die Suppe gelöffelt, und nur das Ticken der großen Wanduhr unterbrach die Stille.

Auf dem Gesicht des Bauern hatte sich eine steile Falte gebildet, und mit drohendem Blick sah er den jungen Burschen an, der ihm gegenübersaß.

„Und ich sag dir, die Kuh wird net verkauft, Bernd! Noch bin ich der Bauer, wenn auch alle meinen, dass ich es nimmer lang mach.“ Der letzte grimmige Blick hatte der Frau gegolten, die am Tischende saß, bleich im Gesicht.

„Aber Hans, das sagt doch niemand. Nur trinken sollst net gar so viel. Das hat der Arzt gesagt und net ich. Du bist net allzu kräftig, und die schwere Bauernarbeit und der Schnaps … das ist net gut für dich“, meinte sie.

Der Bauer schlug mit der Faust auf den Tisch.

„In Ruhe lassen sollt ihr mich, habt ihr verstanden? Ich trinke, so viel und so lang ich mag, da hat mir keiner was dreinzureden! Und wem es net passt, der kann gehen. Jederzeit und sofort.“ Er schob seinen Teller hastig beiseite, sodass die Suppe überschwappte. „Bei eurer Schimpferei ist mir der Hunger vergangen. Da halt ich mich lieber an meinen Schnaps.“ Und während er hinausging, holte er aus seiner Hosentasche die kleine Flasche mit Enzian.

Die Bäuerin sah ihren Sohn verzweifelt an.

„Es wird immer schlimmer mit ihm. Bald weiß ich gar nimmer aus und ein.“

Der junge Bursch legte seine große und kräftige Hand auf die ihre.

„Noch bin ich da, Mutter. Und ich sorg schon dafür, dass dir nix passiert. Wenn ich schon mit anschauen muss, wie er den Hof zugrunde richtet, dir darf er nix zuleide tun.“

Unter Tränen sah die Bäuerin ihren Einzigen an.

„Wenn ich dich net hätt, Bernd, ich wüsst oft net, was ich tun sollte. Jede Nacht, die ich schlaflos lieg, frag ich mich, warum alles so gekommen ist. Warum hat der Vater angefangen zu trinken? Bald ist unser Hof einer der kleinsten. Du hättest ihn sehen sollen, wie ich hierhergekommen bin! Wo man hingeschaut hat, sah man nur Wohlstand. Es tut mir leid um dich, Bub, wenn du das einmal erben sollst. Da wird nimmer viel zu retten sein.“

Der Bernd nickte düster und strich sich über sein kurzgeschnittenes blondes Haar, das so auffallend dem der Mutter glich. Auch die hellen Augen hatte er von ihr und das energische Kinn mit dem Grübchen darin.

„Vielleicht plagt ihn das Gewissen, Mutter. Der Vater hat mir früher erzählt, dass sein Stiefbruder eigentlich den Hof übernehmen sollte und dass du mit ihm verlobt warst. Er hat ihm praktisch alles genommen. Jetzt, wo er alt ist, denkt er manchmal daran, und wenn ihn das Gewissen zu sehr drückt, holt er seine Flasche heraus. Möglich ist so was schon.“

Die Rauscherbäuerin wischte die Tränen aus den Augenwinkeln.

„Ja, das mag schon sein, Bub. Auch ich weiß, dass er net recht gehandelt hat damals. Er net, und ich auch net. Aber mein Gott, ich war ein blutjunges Madel, und die Aussicht, auf so einem schönen Hof Bäuerin zu werden, hat mich halt gelockt. Da hab ich net lang gefragt, was Recht oder Unrecht ist.“

Bernd sah seine Mutter eindringlich an.

„Denkst du net manchmal an den Hofer zurück, Mutter? Schließlich hast du ihn doch gerngehabt? Würdest net gern wissen, wie es ihm ergangen ist oder ob er noch lebt?“

Die Rauscherbäuerin faltete die abgearbeiteten Hände und hatte ein wehmütiges Lächeln auf den Lippen.

„Oft genug denk ich an den Jackl. Aber gehört hab ich nie wieder was von ihm. Ist auch gut, dass er net wiedergekommen ist. Er würde es net verstehen können, was der Vater aus dem Hof gemacht hat.“

Der junge Bursch stand müde auf. Er wusste, so sehr er auch arbeitete, er konnte den Hof nicht mehr retten.

„Ich geh an die Arbeit, Mutter. Leg dich ein bisserl hin, du schaust net gut aus.“

Die Bäuerin wartete, bis er mit seinen schweren Stiefeln aus der Küche gegangen war. Dann stand sie auf und trat an den Spiegel unter dem Herrgottswinkel. Das Gesicht, das ihr entgegensah, kannte sie kaum wieder. Mit ihren achtundvierzig Jahren sah sie aus wie eine alte Frau. Die hellen Augen lagen tief in den Höhlen, um die einstmals vollen roten Lippen hatten sich zwei Falten gegraben. Das blonde Haar war grau geworden, was sie noch älter aussehen ließ.

Mit beiden Händen fuhr sie sich über die Wangen, auf denen noch die Tränenspuren zu sehen waren.

„Mein Gott“, entfuhr es ihr, „was ist aus mir geworden!“

Und sie sank im Herrgottswinkel in die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen.

Sie stand auf und band die Schürze ab. Das Geschirr würde sie heute stehen lassen. Sie war jetzt unfähig, noch länger in diesem Raum zu sein, wo sie schier zu ersticken drohte.

Sie trat vor die Haustür. Die Sonne schien heiß auf das Steinpflaster, und erst jetzt merkte sie, wie müde sie war. Kein Wunder, sie war seit dem frühen Morgen auf den Beinen. Sie half mit, so gut sie konnte, nur um dem Bernd zu helfen, der alles allein gar nicht mehr schaffen konnte. Und der Vater lag irgendwo im Gras und kam dann abends betrunken nach Hause.

Ja, wenn der Bernd nicht gewesen wäre und der Hof, an dem sie so hing, schon längst wäre sie den Weg gegangen, den ihr Herz ihr vorschrieb. Mit brennenden Augen sah sie hinüber zum Bichlhang, wo auf halber Höhe ein kleines windschiefes Holzhäuschen stand.

Dort drüben war der einzige Mensch außer ihrem Sohn, der es verstand, ihren Lebenswillen zu erhalten. Immer, wenn sie gar nicht mehr weiterwusste, ging die Rauscherbäuerin dort hinüber. Und heute war wieder einmal so ein Tag, wo sie dringend Trost brauchte.

Der Walser-Hubert saß an diesem schönen Sommernachmittag vor seiner Haustüre, die unvermeidliche Pfeife im Mund, und hatte auf seinen Knien eine kleine hölzerne Engelsfigur liegen. Hin und wieder hob er sie gegen die Sonne und betrachtete sie von allen Seiten sehr genau. Und dann ging ein zufriedenes Lachen um seinen schmalen Mund. Ja, mit diesem Werk konnte er zufrieden sein.

Es waren nun fast dreißig Jahre her, dass sich der Hubert hier im Tal niedergelassen hatte. Er kam aus der Stadt und hatte seinen ersten Urlaub hier in Wals verbracht. Das kleine Dorf hatte ihn so in seinen Bann gezogen, dass er immer wiederkam und schließlich für immer dablieb.

Von Beruf war er Holzschnitzer, und der einzige Raum, aus dem sein kleines Häuschen bestand, war voll von Figuren, die alle unter seinen Händen entstanden waren.

Er hatte keine Familie, der Walser-Hubert, und darum war er immer allein. Das war für seine Arbeit ein Vorteil, er konnte sich ganz und gar seinen Schnitzereien widmen. Er war nun an die sechzig, aber immer noch ein stattlicher Mann. Groß und breitschultrig, das Gesicht das ganze Jahr über tiefgebräunt.

Die Haare waren dunkelbraun, und noch immer zeigte sich kein grauer Streifen. Die hellen Augen standen in einem merkwürdigen Kontrast zu den dunklen Haaren, und schon manchem Madel hatten diese Augen im Laufe der Jahre es angetan.

Aber das Herz des Walser-Hubert gehörte nur einer. Vor mehr als zwanzig Jahren hatte er sich in sie verliebt, und es war ihm immer noch nicht gelungen, sie aus seinem Herzen zu reißen, obwohl sie einem anderen Mann gehörte.

Kein Mensch im Dorf wusste davon, denn der Hubert hatte kaum Kontakt mit den Bauern. Er kaufte zwar von ihnen, was er so zum Leben brauchte, aber sonst ließ er sich im Dorf nicht sehen. Man nannte ihn den Einsiedler, und nur wenige wussten, dass es eine unglückliche Liebe war, die den Hubert so hatte werden lassen.

Er umschloss das Holz auf seinen Knien mit beiden Händen und sah der Frauengestalt entgegen, die näher kam. Sie ging gebückt, und sein Herz war voller Liebe und Mitleid. Wenn sie zu ihm kam, dann wusste er, warum.

Mit ausgestreckten Armen ging er ihr entgegen, und kaum war sie bei ihm, da ließ sie sich in diese starken Arme fallen und barg den Kopf an seiner Brust. So standen sie, ohne sich zu regen, und einer konnte das Herz des anderen schlagen hören.

Dann hob der Hubert ihr Gesicht zu sich empor und sah in ihre Augen, in denen alles Leid und aller Kummer geschrieben stand.

„Ist es wieder so schlimm, Greta?“, fragte er.

Sie nickte nur, dann führte er sie ins Haus. Er drückte sie auf das weiche tiefe Sofa und setzte sich neben sie, wobei er ihre Hand nicht losließ.

„Warum willst du dem nicht endlich ein Ende machen, Greta? Noch ist es nicht zu spät. Noch könnten wir einige schöne Jahre zusammen verbringen. Siehst du noch immer nicht ein, dass wir sie uns verdient haben?“

Sie sah ihn an und sah seine ganze Liebe zu ihr in seinen Augen geschrieben. Sie wusste, dass es außer ihr keine Frau für ihn gab, keine andere je gegeben hatte. Nur eine einzige Nacht hatte sie ihm gehört, damals, vor vielen Jahren, und diese Nacht hatte ihn nicht mehr loskommen lassen von ihr.

Sie wusste, dass er sie von ganzem Herzen liebte, und doch musste sie sich ihm verwehren. Sie war die Frau eines anderen, obwohl ihr Herz nur für den Hubert schlug.

„Ich hab den Hans damals freiwillig genommen. Dem Jackl hab ich sehr weh damit getan. Vielleicht ist es das, was ich jetzt büßen muss. Ich kann nicht anders, Hubert, glaub mir. Wenn es irgendeinen Weg gäbe, dann käme ich zu dir. Aber da ist mein Bub, und …“

„Du vergisst, dass es auch der meine ist, Greta“, sagte der Mann leise und zog sie an sich.

Sie sah ihn erschrocken an.