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Heimweh nach dem Wolfgangsee - Nirgendwo sonst auf der Welt kann sie so glücklich sein
Von Maria Fernthaler
Vor fünfundzwanzig Jahren hat Johannes Scheffler einen traumhaften Urlaub am Wolfgangsee verbracht. Doch es ist nicht allein die malerisch-schöne Landschaft, die ihm unvergesslich geblieben ist, noch immer denkt er an Maria und an die romantischen Stunden mit ihr. Damals waren sie beide zu jung, um ihre Liebe gegen den Willen von Marias Eltern durchzusetzen. Aber vielleicht haben sie heute eine Chance?
Voller Hoffnung und Sehnsucht kehrt Johannes an den Wolfgangsee zurück und muss zutiefst bestürzt erfahren, dass Maria tot ist. Aber sie hat eine erwachsene Tochter, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Johannes verliebt sich auf den ersten Blick in das Madel ...
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Heimweh nach dem Wolfgangsee
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Chiemseer Dirndl & Tracht
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 9-783-7325-8016-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Heimweh nach dem Wolfgangsee
Nirgendwo sonst auf der Welt kann sie so glücklich sein
Von Maria Fernthaler
Vor fünfundzwanzig Jahren hat Johannes Scheffler einen traumhaften Urlaub am Wolfgangsee verbracht. Doch es ist nicht allein die malerisch-schöne Landschaft, die ihm unvergesslich geblieben ist, noch immer denkt er an Maria und an die romantischen Stunden mit ihr. Damals waren sie beide zu jung, um ihre Liebe gegen den Willen von Marias Eltern durchzusetzen. Aber vielleicht haben sie heute eine Chance?
Voller Hoffnung und Sehnsucht kehrt Johannes an den Wolfgangsee zurück und muss zutiefst bestürzt erfahren, dass Maria tot ist. Aber sie hat eine erwachsene Tochter, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Johannes verliebt sich auf den ersten Blick in das Madel …
Die Sonne schien auf den ruhig daliegenden See und ließ sein Wasser silbrig glitzern. Drüben am anderen Ufer sah man die ersten Häuser und die Zwiebelturmkirche von St. Wolfgang auftauchen.
Es war noch früh am Morgen, gerade hatte es vom Ufer her siebenmal geschlagen. Deswegen befanden sich auf dem kleinen Schiff, das St. Wolfgang ansteuerte, auch recht wenige Passagiere. In zwei Stunden, bei der Rückfahrt, würde man auf dem Außendeck keinen Sitzplatz mehr bekommen.
Es war Juli, und die Dörfer rund um den See waren überfüllt mit Touristen. Jetzt stand auf dem Deck nur eine einsame Gestalt.
Ein hochgewachsener, breitschultriger Mann war es, der mit einem wehmütigen Blick auf den immer näher kommenden Ort schaute. Sein Gesicht war hager und doch sehr männlich, seine hellblauen Augen standen in einem merkwürdigen Kontrast zu dem schon ergrauten Haar. Er dürfte so an die fünfzig Jahre alt sein.
Seit das Schiff vom anderen Ufer abgelegt hatte, stand er auf derselben Stelle und schien tief in Gedanken versunken zu sein.
Als das Schiff angelegt hatte, nahm er seinen Koffer, der neben ihm auf dem Deck gestanden hatte, und ging von Bord.
Johannes Scheffler stand nun auf der Uferpromenade, sah vor sich das weltbekannte „Weiße Rössl“, und ihm war es, als wäre er nach langer Zeit heimgekommen.
Noch war es ruhig auf den Straßen, im Garten des „Weißen Rössl“ deckten zwei junge Kellnerinnen die Tische mit bunt karierten Tischtüchern.
Fast auf den Tag genau war es fünfundzwanzig Jahre her, dass Johannes hier entlanggegangen war, jung, lebenslustig, das ganze Leben noch vor sich. Er war nicht allein in das schöne Salzkammergut gekommen, fünf Freunde hatten ihn begleitet. Studenten wie er, abenteuerlustig und kaum Geld in der Tasche.
Sie hatten Glück gehabt und rasch eine Unterkunft gefunden. Draußen, etwas außerhalb des Dorfes, auf dem Hoflechnerhof, hatte ihnen der Bauer zwei Kammern zur Verfügung gestellt, und sie durften an seinem Tisch mitessen. Dafür hatten sie sich nützlich gemacht, bei der Heuernte geholfen und mit ihm die Tiere versorgt.
Herrliche Wochen waren es gewesen, für ihn schöner als für die anderen. Denn er hatte sich verliebt, auf den allerersten Blick, am ersten Tag ihrer Ankunft. Und dem Madl war es ebenso ergangen
Maria war die Tochter des Bauern gewesen, keine zwanzig Jahre alt, das hübscheste Mädchen rund um den Wolfgangsee. Und ihm, der aus der Großstadt gekommen war, war sie wie aus einem Märchen erschienen. Zwei dunkelblaue Augen, tief wie der See, und Haare, die in der Sonne kupfern schimmerten.
Die Hoftochter hatte sich gegen ihre Gefühle gewehrt, weil sie gewusst hatte, dass sie übers Jahr den Sohn vom Dorfarzt heiraten sollte. Seit zwei Monaten waren sie sich versprochen gewesen, und Maria hatte auch geglaubt, Rudolf zu lieben. Doch dann war der junge Student aus der Stadt gekommen, und erst da hatte sie gewusst, was wahre Liebe war.
Zwei Wochen dauerte es, bis Johannes sie überzeugt hatte, dass er es ehrlich meinte. Er hatte sie geliebt, und er wollte sie, wenn er mit seinem Studium fertig war, zu sich in die Stadt holen.
Sie mussten diese Liebe geheim halten, denn der Bauer durfte nichts davon erfahren.
Johannes’ Freunde hatten ihm sein Glück gegönnt und geschwiegen. Drei wundervolle Wochen hatte er mit Maria verlebt, in denen sie sich immer nur stundenweise sehen konnten. Sie hatten beide an ihre Liebe und eine gemeinsame Zukunft geglaubt.
Und dann eines Morgens war Maria fort gewesen. Irgendjemand musste dem Hoflechner von ihren Treffen erzählt haben, und er war außer sich vor Zorn gewesen. Noch am Abend hatte er seine Tochter zu einer entfernten Verwandten gebracht, und sein ganzer Zorn hatte sich dann auf Johannes entladen.
Er und seine Freunde mussten ihre Sachen packen und sofort verschwinden. Johannes hatte Maria überall gesucht, sie aber nicht gefunden.
Schließlich war er verzweifelt nach Deutschland zurückgekehrt, hatte Briefe geschrieben, mehr als zehn Stück, aber niemals eine Antwort erhalten. Er hatte einsehen müssen, dass das Mädchen seine Zeilen nie bekommen hatte.
***
Lange hatte es sehr wehgetan, aber schließlich hatte Johannes sich damit abgefunden. Es hatte andere Frauen gegeben, längere und kürzere Beziehungen, aber vergessen hatte er Maria nie.
Auch dann nicht, als er Anita Lehmann kennengelernt hatte, die junge Kinderärztin, und sich zum ersten Mal wieder so richtig verliebt hatte.
Aber von Heirat hatten sie in den beiden Jahren ihrer Beziehung niemals gesprochen. Jeder von ihnen hatte seinen Beruf, war stark engagiert, und sie verbrachten jede freie Stunde zusammen. Anita Lehmann, die kühle, gescheite Ärztin, liebte ihn, das wusste er.
Er wurde bald fünfzig, und es war längst Zeit, dass er an eine Ehe dachte.
„Dir spukt deine Maria immer noch im Kopf herum“, hatte Anita zu ihm gesagt. „Fahr doch hin nach St. Wolfgang. Vielleicht kommst du dann über diese Liebe hinweg. Wenn du sie siehst, glücklich verheiratet, mit einem Haufen Kinder und vielleicht nicht mehr so, wie du sie in Erinnerung hast.“
Ihre Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.
Ja, er wollte nach St. Wolfgang, wollte Maria wiedersehen und endlich mit der Vergangenheit abschließen. Und dann konnte er Anita fragen, ob sie für immer bei ihm bleiben wollte.
Johannes Scheffler hatte den Ort hinter sich gelassen und bog von der Landstraße ab in einen breiten Wiesenweg. Er führte zum Hoflechnerhof. Die alten Bauersleute lebten gewiss nicht mehr, und Geschwister hatte Maria keine gehabt. Wenn sie wirklich den Sohn des Dorfarztes geheiratet hatte, dann war der Hof bestimmt in fremde Hände übergegangen.
Dennoch wollte er den Hof wiedersehen, wo er einst die große Liebe seines Lebens gefunden hatte.
Er fühlte sein Herz schneller schlagen, als das Haus schließlich vor ihm auftauchte. Es hatte einen neuen Anstrich bekommen, vor den beiden Holzbalkonen hingen Geranienkästen. Freundlicher und einladender als damals sah es auf den ersten Blick aus.
Etwa dreißig Meter vom Hof entfernt blieb Johannes stehen. Der Stall, der direkt an das Haus anschloss, war neu gebaut worden, die alte Scheune in der der alte Hoflechner früher seine Geräte aufbewahrt hatte, fehlte.
Vor dem Haus spielten vier Kinder, eines kleiner als das andere, mit Kieselsteinen. Sollten es vielleicht Marias Kinder sein?
Er schüttelte den Kopf. Sicher hatte sie bald geheiratet und längst erwachsene Töchter und Söhne. Eine junge Frau trat aus der Tür, etwas rundlich, die braunen Haare zu einer Krone hochgesteckt. So hatte auch Maria ihr Haar oft getragen.
Die Frau sagte etwas zu den Kindern, und das älteste von ihnen wies auf den Mann, der noch immer regungslos dort stand und zu ihnen hinübersah.
Jetzt schaute die Frau neugierig zu ihm hin. Johannes Scheffler nahm seinen Koffer und ging auf sie zu.
„Ich bin doch hier richtig auf dem Hoflechnerhof?“, fragte er.
Die junge Frau schüttelte den Kopf und lachte.
„Der Hoflechnerhof ist es schon lange nimmer. Vor zehn Jahren hat ihn mein Mann vom alten Bauern gekauft. Der hatte ja keinen Erben, weil seine einzige Tochter den Dorfarzt geheiratet hat.“
Johannes schluckte. Also war es doch so gekommen, wie es sich der alte Hoflechner gewünscht hatte.
„Ich war vor vielen Jahren als Student einige Wochen auf dem Hof“, sagte er leise. „Da war Maria noch ein blutjunges Mädel.“
Mehr mochte er der fremden Frau nicht sagen. Was ging sie diese Liebe an, die nie eine Erfüllung gefunden hatte.
„Dann finde ich Maria also im Doktorhaus. Ich werde ihr Grüß Gott sagen“, meinte er leichthin.
Über das Gesicht der jungen Frau fiel ein Schatten.
„Maria ist vor zehn Jahren gestorben, kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Und seitdem ist unser Doktor Witwer. Er hat nimmer geheiratet.“
Was bei ihren Worten in dem fremden Mann vor ihr vorging, konnte sie nicht ahnen. Sie sah nur, dass seine hochgewachsene Gestalt schwankte.
„Um Gottes willen, ist Ihnen net gut? Trinken Sie doch ein Glaserl Schnaps bei mir“, sagte sie hilfsbereit.
„Das wäre sehr freundlich, die lange Fahrt und der Weg hier heraus, vielleicht war das ein wenig zu viel“, erwiderte Johannes gepresst.
Sie führte ihn ins Haus. Es hatte sich kaum was verändert. Niedrig waren die Decken, beim Kücheneingang musste er sich bücken.
„Wenn Sie mir ein Zimmer geben wollen, ich bliebe gern hier. Vielleicht für vier oder fünf Tage.“
„Aber es ist sehr einfach“, sagte sie.
„Das macht mir nichts aus. Ich bin eh viel draußen in der Natur.“
„Es hat sich sehr viel verändert in St. Wolfgang“, sagte sie nicht ohne Stolz. „Sie werden vieles nicht wiedererkennen.“
Nein, er würde vieles nicht wiedererkennen, und vor allen Dingen konnte er sich nicht so schnell damit abfinden, dass es Maria nicht mehr gab.
„Wenn Sie mir bitte das Zimmer zeigen würden“, bat er.
Die Stiege hinauf in den ersten Stock knarrte noch genauso wie vor fünfundzwanzig Jahren.
„Wenn Sie noch etwas brauchen, ich bin in der Küche“, sagte die junge Frau, als sie ihm die Kammer gezeigt hatte und verschwand.
„Vielen Dank!“
Johannes Scheffler trat hinaus auf den Balkon. Von einer Ecke aus sah man die Kirchturmspitze von St. Wolfgang. Um die Kirche herum lag der Dorffriedhof, dort würde er Marias Grab finden.
Plötzlich erschien es ihm unsinnig hierzubleiben. Was sollte er all die Wege gehen, die Plätze aufsuchen, an denen er mit ihr gewesen war? Maria gab es nicht mehr, und jeder Schritt würde die Vergangenheit wieder lebendig werden lassen. Nein, es war besser, wenn er schon morgen wieder abfuhr.
***
Dr. Rudolf Rettinger stand vom Mittagstisch auf. Seine Tochter Gitta wartete schon draußen in der Diele und zog sich vor dem Spiegel die Lippen nach.
Thomas, der Jüngste, saß noch am Tisch und stocherte lieblos in seinem Essen herum. Die Mehlspeise, die die Haushälterin Therese heute auf den Tisch gestellt hatte, schmeckte ihm nicht.
Dr. Rettinger war ein Mann Mitte vierzig. Seit fünfzehn Jahren war er nun schon Arzt in St. Wolfgang, nachdem er die Praxis von seinem Vater übernommen hatte.
Noch bevor er mit seinem Studium ganz fertig gewesen war, hatte er Maria, die Tochter des Hoflechnerbauern, geheiratet. Er hatte das schöne, stille blonde Mädchen von ganzem Herzen geliebt, und er hatte geglaubt, dass es ihr genauso ergangen war. Bis zu jenem Tag, an dem sie ihm gestanden hatte, dass es einen anderen gab, dem ihr Herz gehörte. Einen Studenten aus Deutschland, der versprochen hatte, sie zu sich zu holen.
Für ihn war damals eine Welt zusammengebrochen. Beinahe hätte er sein Medizinstudium aufgegeben und St. Wolfgang verlassen. Aber sein Vater hatte ihn gezwungen, dazubleiben und sich wie ein Mann zu verhalten.
Dann war Maria plötzlich verschwunden gewesen, ein halbes Jahr lang. Ihr Vater hatte sie zu einer Tante nach Niederösterreich gebracht. Auch der Student hatte das Dorf verlassen. Rudolf hatte gewartet, und als sie wiedergekommen war, hatten sie drei Monate später geheiratet.
Maria hatte sich nicht gegen diese Heirat gewehrt, aber er hatte gewusst, dass sie ihn nicht geliebt und immer noch an diesen Mann aus Deutschland gedacht hatte. Wie sehr hatte er damals an ihrem Hochzeitstag gehofft, dass sich ihre Gefühle zu seinen Gunsten ändern würden. Aber Maria hatte zu jenen Frauen gehört, die nur einmal im Leben aus ganzem Herzen lieben konnten.
Sie war ihm eine gute Frau geworden, und bestimmt hatte sie ihn auch gerngehabt. Doch die Worte, die er so gern aus ihrem Munde gehört hätte, auf sie hatte er vergeblich gewartet.
Ein Jahr nach der Hochzeit war Gitta auf die Welt gekommen, seine Tochter, die er abgöttisch liebte. Vielleicht deswegen, weil sie ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war.
Fast zehn Jahre später war Thomas auf die Welt gekommen. Es war eine schwere Geburt gewesen, von der sich Maria nie wieder erholt hatte. Das Baby war gerade sechs Wochen alt gewesen, als sie die Augen für immer geschlossen hatte.
Fünfunddreißig Jahre war sie erst gewesen, eine schöne Frau, um die ihn jeder Mann beneidet hatte. Aus dem lebensfrohen, immer heiteren Arzt war ein stiller, ja manchmal sogar mürrischer Mann geworden. Doch seine Patienten hatten immer treu zu ihm gehalten. Jeder hatte Verständnis für den Mann, der von einem Tag auf den anderen mit zwei Kindern allein dagestanden hatte. Ans Heiraten hatte Rudolf nie mehr gedacht, außer Maria hatte es nie eine andere Frau in seinem Leben gegeben.
Seit zehn Jahren nun wirtschaftete Therese im Haus, eine nicht mehr junge, aber sehr mütterliche Frau, die die beiden Kinder und ihren schwierigen Vater ins Herz geschlossen hatte. Gitta war nun zwanzig Jahre alt, ein Mädchen, nach dem sich jeder Bursche umdrehte. Blond und hochgewachsen, mit einem fein geschnittenen Gesicht.
Gitta arbeitete in einem kleinen Café an der Uferpromenade und bediente dort die Gäste. Viel verdiente sie nicht, aber das war ihr gleichgültig. Sie lernte Menschen kennen, hörte etwas von fremden Ländern, die sie alle einmal sehen wollte.
„Ich will nicht hier versauern“, hatte sie zu ihrem Vater gesagt, als er ihr verboten hatte, in diesem Café zu arbeiten. Ihm gefiel das nämlich überhaupt nicht. „Ich schaue zwar meiner Mutter ähnlich, aber ich bin nicht wie sie. Ich will hier raus, und zwar bald. Ich bin jung und will die Welt sehen und nicht immer nur die kranken Leute, die den ganzen Tag in deiner Praxis sitzen.“
„Ich habe mir gewünscht, du hättest mehr Interesse an meiner Arbeit“, hatte er ihr traurig geantwortet, „du weißt, dass ich eine gute Sprechstundenhilfe gebrauchen kann.“
Gitta war stur geblieben, und endlich hatte er dann doch seine Zustimmung gegeben.
„Du musst mir versprechen, dass es nur diesen Sommer ist“, hatte er gesagt, und sie hatte genickt.
Jetzt betrachtete er kopfschüttelnd ihr kniekurzes schwarzes Röckchen und die hohen Schuhe. Sie sah aus wie ein Mädchen aus der Großstadt.
„Ich kann mir net vorstellen, dass du dem Bastian in diesem Aufzug gefällst“, sagte er und erntete dafür einen vernichtenden Blick aus ihren blauen Augen.
„Nach dem Sebastian werd ich mich grad richten“, gab sie heftig zurück, „entweder ich gefalle ihm, wie ich bin, oder er sucht sich eine andere.“
„Das wird er auch tun“, sagte der Vater trocken, „ein Bursche wie er kann jedes Mädchen in St. Wolfgang haben.“
Er zuckte zusammen, als die Haustür zufiel. Gitta war ohne Gruß gegangen.
„Ich glaube, den Bastian mag sie gar net so“, sagte eine piepsige Stimme hinter ihm. Dr. Rettinger wandte sich um und sah seinen Sohn vor sich stehen.
Thomas konnte den eingebildeten Sohn des Apothekers nicht leiden. Der tat immer so, als wäre Gitta sein Eigentum, und wollte über sie bestimmen, obwohl sie sich doch gar nicht viel aus ihm machte. Das jedenfalls glaubte er, und sein Vater musste wohl oder übel lachen.
„Das kannst du Dreikäsehoch doch net beurteilen“, sagte er und strich ihm über den dunklen Haarschopf.
„Gitta soll mal einen heiraten, der einen großen Wagen fährt wie die Urlauber, die im ‚Hotel Excelsior’ wohnen“, meinte der Bub, „so ein Mann passt viel besser zu ihr als der Bastian.“
„Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Und ich bin sicher, du willst jetzt zum Schwimmen“, beendete der Vater die Unterhaltung. Die Zeit drängte, gleich musste er die Praxis für die Nachmittagssprechstunde öffnen.
Thomas strahlte über das ganze Gesicht und ließ sich von Therese noch eine tüchtige Brotzeit einpacken.
***
Gitta ging durch den Ort, es war nicht weit bis zu dem Café, wo sie arbeitete. Sie genoss die bewundernden Blicke, die ihrer schlanken Gestalt und dem bildhübschen Gesicht galten. Kurz bevor sie die Uferpromenade erreichte, bremste neben ihr ein Motorrad. Ein junger Bursche nahm seinen Helm vom Kopf, und zwei dunkle Augen strahlten sie an.
„Ich hab mich extra beeilt, um dich zu sehen. Du weißt ja, mein Vater sieht es net gern, wenn ich die Mittagspause so lange ausdehne. Aber wenn ich sag, ich treffe mich mit dir, dann drückt er schon ein Auge zu.“
Gitta blickte ihn abweisend an.
„Du weißt genau, dass meine Chefin viel auf Pünktlichkeit hält, Bastian. Deswegen muss ich auch gleich weitergehen.“
Er zog sie mit einem Arm an sich und schaute ihr in die Augen.
„Wollt doch nur mal wissen, ob es bei heute Abend bleibt? Im ‚Roten Adler’ spielt heute zum ersten Mal die neue Band. Die wolltest du doch so gern hören.“