Am See begegnete er der Liebe... - Toni Waidacher - E-Book

Am See begegnete er der Liebe... E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Pfarrer Trenker stand vor dem Brandschutt, den sein Bruder mit einem Rechen aus dem Geräteschuppen geholt und vor diesem verteilt hatte. Die Blechwände des kleinen Schuppens waren innen völlig verrußt, außen war von der Hitze die grüne Farbe aufgeplatzt und teilweise abgeblättert. Max Trenker und Georg Meyerling, der Hausmeister von Schloss Hubertusbrunn, befanden sich bei Sebastian. Lange Zeit starrte der Bergpfarrer auf die verkohlten oder – soweit sie aus Kunststoff bestanden hatten –, zur Unförmigkeit zerschmolzenen Rechen, Schaufeln, Hacken und Spaten. Es waren keine wertvollen Dinge, die verbrannt waren. Dennoch war Sebastian zutiefst betroffen. Es handelte sich um Brandstiftung. Darüber gab es nicht den geringsten Zweifel. Der Verwalter und Max hatten das Benzin noch riechen können, das als Brandbeschleuniger benutzt worden war. Und es war eine Warnung. Dessen war sich der Bergpfarrer sicher. »Ich hab' bereits die Kripo in Garmisch informiert«, berichtete Max. »Die Brandspezialisten müssten jeden Moment aufkreuzen. Gibt es jemand, der aus irgendeinem Grund zornig auf dich ist, Bruder? Meiner Meinung nach handelt es sich bei dieser Brandstiftung um einen Racheakt. Alles andere ergibt keinen Sinn.« Sebastian wandte sich seinem Bruder zu. »Es war eine Warnung«, verlieh er seinem Verdacht Ausdruck.

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Der Bergpfarrer – 332 –

Am See begegnete er der Liebe...

Doch der Fischer vom Achsteinsee gibt seine Tochter nicht frei

Toni Waidacher

Pfarrer Trenker stand vor dem Brandschutt, den sein Bruder mit einem Rechen aus dem Geräteschuppen geholt und vor diesem verteilt hatte. Die Blechwände des kleinen Schuppens waren innen völlig verrußt, außen war von der Hitze die grüne Farbe aufgeplatzt und teilweise abgeblättert.

Max Trenker und Georg Meyerling, der Hausmeister von Schloss Hubertusbrunn, befanden sich bei Sebastian. Lange Zeit starrte der Bergpfarrer auf die verkohlten oder – soweit sie aus Kunststoff bestanden hatten –, zur Unförmigkeit zerschmolzenen Rechen, Schaufeln, Hacken und Spaten. Es waren keine wertvollen Dinge, die verbrannt waren. Dennoch war Sebastian zutiefst betroffen.

Es handelte sich um Brandstiftung. Darüber gab es nicht den geringsten Zweifel. Der Verwalter und Max hatten das Benzin noch riechen können, das als Brandbeschleuniger benutzt worden war. Und es war eine Warnung. Dessen war sich der Bergpfarrer sicher.

»Ich hab’ bereits die Kripo in Garmisch informiert«, berichtete Max. »Die Brandspezialisten müssten jeden Moment aufkreuzen. Gibt es jemand, der aus irgendeinem Grund zornig auf dich ist, Bruder? Meiner Meinung nach handelt es sich bei dieser Brandstiftung um einen Racheakt. Alles andere ergibt keinen Sinn.«

Sebastian wandte sich seinem Bruder zu. »Es war eine Warnung«, verlieh er seinem Verdacht Ausdruck.

Verständnislos musterten ihn sowohl Max als auch Georg Meyerling.

»Eine Warnung?«, wiederholt Max und sein Blick wurde fragend. »Ich versteh’ net.«

»Es ist auch schwer zu verstehen und kaum zu glauben, wozu manche Zeitgenossen fähig sind, um ihrem Willen durchzusetzen«, erwiderte Sebastian. »Vor einigen Tagen hat mich Heribert Lebegern angerufen. Er will mir das Jagdschloss unbedingt abkaufen und würd’ so ziemlich jeden Preis dafür zahlen. Natürlich hab’ ich abgelehnt. Daraufhin hat er wortwörtlich gesagt: ›Ich habe mir das Schloss in den Kopf gesetzt … Und wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann kriege ich das auch.‹ Meiner Meinung nach war das als Drohung zu verstehen, und wie’s aussieht, hab’ ich mich net getäuscht.«

»Diese Aussage allein ist allerdings kein Beweis«, murmelte Max. »Man wird das zwar im Auge behalten müssen, ob man dem Lebegern diese Brandstiftung beweisen kann, ist fraglich. Wenn er dahintersteckt, dann hatte er Handlanger. Und solang’ diese unbekannt sind, können wir auch dem Lebegern nix anlasten.« Max zuckte mit den Schultern. »Vielleicht sind die Beamten von der Kripo anderer Meinung. Vorstellen kann ich’s mir allerdings net.«

Motorengeräusche waren zu vernehmen.

»Das sind gewiss die Kollegen aus Garmisch«, mutmaßte Max.

Die drei Männer beim ausgebrannten Geräteschuppen setzten sich in Bewegung und gingen um das Schlossgebäude herum, das sich zwischen dem Garten und dem Schlosshof erhob.

Zwei Personen- und ein Kastenwagen der Spurensicherung rollten auf den Schlosshof. Insgesamt sechs Männer entstiegen den Fahrzeugen.

Max Trenker begrüßte sie, stellte seinen Bruder und Georg Meyerling vor und führte dann die Beamten zur Brandstätte. Sebastian und der Hausmeister folgten ihnen. Die Polizisten machten sich an die Arbeit.

Sebastian und Georg Meyerling beobachteten, wie sie begannen, Spuren zu sichern und den Brandschutt zu untersuchen.

Max gesellte sich zu ihnen. »Wir werden hier nicht gebraucht«, gab er zu verstehen. »Wir stehen allenfalls den Kollegen nur im Weg herum. Gehen wir.«

»Sie werden genug Zuschauer haben, wenn die Schulklassen von ihren Ausflügen zurückkehren«, bemerkte Georg Meyerling und schaute den Pfarrer von der Seite an. »Meinen S’ wirklich, Hochwürden, dass hinter dieser Schweinerei dieser Lebegern steckt?«

»Ich weiß es net, Georg. Es war nur so ein Gedanke. Ich möcht’ niemand zu Unrecht verdächtigen. Drum bitt’ ich Sie, sprechen S’ mit niemand über meinen Verdacht. Lassen wir die Kriminalbeamten ihre Arbeit machen, und dann werden wir ja sehen, was sich ergibt.«

»Das wird wohl das Beste sein«, murmelte der Verwalter.

Sebastian und Max verabschiedeten sich von ihm und fuhren in den Ort. Während Max’ Ziel die Polizeistation war, begab sich der Pfarrer zu seiner Wohnung. Sophie kam aus der Küche, als er das Pfarrhaus betrat, und von ihrem Gesicht konnte Sebastian ablesen, dass sie Bescheid wusste.

»Das ist ja furchtbar, Hochwürden«, entrang es sich ihr. »Wer kann denn Interesse dran haben, Ihnen Schaden zuzufügen? Sie haben doch keine Feinde. Ich kann das einfach net begreifen.«

»Fest steht nur, dass es Brandstiftung war«, versetzte der Pfarrer. »Und so richtig schaden wollt’ man mir net. Denn wenn der Täter das vorgehabt hätt’, dann würd’ er net den Geräteschuppen in Brand gesteckt haben, sondern das Schlössl. Ich denk’ eher, der Brandstifter beziehungsweise, derjenige, der jemand mit der Brandstiftung beauftragt hat, wollte ein Zeichen setzen. Und wenn mein Verdacht zutrifft, dann kommt von dieser Seite noch mehr.«

»Wen haben S’ denn in Verdacht, Hochwürden?«

»Mein erster Gedanke hat dem Lebegern gegolten. Das behalten S’ aber für sich, Frau Tappert.«

»Diesem Menschen wär’s zuzutrauen«, erregte sich Sophie. »Der schaut zwar aus wie der liebe Onkel von nebenan, aber er ist ein Hecht im Karpfenteich. Der geht über Leichen.«

»Er ist ein eisenharter Geschäftsmann«, meinte Sebastian. »Vielleicht ist er auch skrupellos. Es wird sich herausstellen. Die Kriminaler sind schon draußen beim Schloss und sichern die Spuren. Wir werden sehen. – Es gibt auch Erfreuliches zu berichten, Frau Tappert. Der Oliver und die Jana haben sich mit dem Timo und der Nadine versöhnt.«

»Das ist aber schön«, freute sich die Haushälterin. »Jetzt können s’ alle vier glücklich werden. Der Oliver mit der Jana, und der Timo mit der Nadine. Ein bissel tut mit die Anna schon leid. Der Timo ist immerhin ihr einziges Kind, und wenn er jetzt nach Stuttgart geht …«

»Er ist net aus der Welt, Frau Tappert. Außerdem ist seine Mutter net mal so unglücklich darüber, dass sich der Timo hier in St. Johann aus der Schusslinie begibt. Wenn die Leut’ durch seine Abwesenheit net ständig an das Getratsch erinnert werden, das er in die Welt gesetzt hat, dann reden s’ auch bald nimmer drüber und es gerät in Vergessenheit.«

»Das ist wahr«, pflichtete Sophie bei. »So hat alles seine zwei Seiten.«

»Sehr richtig«, nickte Sebastian.

»Was soll ich Ihnen denn zum Abendessen richten, Hochwürden? Wahrscheinlich haben S’ mittags auf der Alm schon warm gegessen. Was halten S’ denn davon, wenn ich Ihnen einen Handkäs in Essig und Öl zubereit’?«

»Mit einer Scheibe Körnerbrot. Sehr gern, Frau Tappert. Handkäs mit Musik hab’ ich schon eine ganze Zeit nimmer gegessen. Ich freu’ mich schon drauf.«

»Dann mach’ ich mich gleich an die Arbeit und leg’ die Zwiebeln ein.«

Sophie kehrte in die Küche zurück, Sebastian begab sich in sein Arbeitszimmer und fuhr den Computer hoch. Er wollte noch seine Emails sichten …

*

Eine Woche war verstrichen, und es war wieder Samstag. Abends, um Punkt acht Uhr, läutete es an der Tür des Pfarramts. Sophie Tappert wusste, wer draußen stehen würde. Dr. Severin Kaltenecker hatte nämlich für acht Uhr seinen Besuch angesagt. Er und Sebastian wollten endlich die Schachpartie fortsetzen, die sie vor längerer Zeit begonnen hatten.

Es war in der Tat der pensionierte Arzt aus Passau. Er war vor einiger Zeit nach St. Johann umgesiedelt und auf Vermittlung des Pfarrers hin in eine Wohnung im Haus der über achtzigjährigen Traudl Hohenegger eingezogen. So lebte die alte Frau nicht mehr vollkommen allein in dem großen Haus, außerdem hatte sich Severin bereit erklärt, sich um die alte Dame zu kümmern, soweit dies nötig war.

»Guten Abend, Frau Tappert«, grüßte er und ein sympathisches Lächeln umspielte seine Lippen.

»Grüß Gott, Herr Doktor. Kommen S’ nur herein. Der Herr Pfarrer sitzt schon am Schachtisch und denkt bereits über seinen ersten Zug nach. Der Wein steht auch schon auf dem Tisch. Sie kennen ja den Weg zur Terrasse.«

»Danke, Frau Tappert, vielen Dank.«

Es war schon ziemlich dunkel, denn es war Ende August, und so hatte der Bergpfarrer das Licht auf der Terrasse angemacht. Der Abend war lau und man konnte sich noch gut im Freien aufhalten.

Als Severin aus der Terrassentür trat, erhob sich Sebastian, grinste und sagte: »Servus, Severin. Ich glaub’ ich weiß schon, wie ich Sie schachmatt setz’.«

»Habe die Ehre, Sebastian«, grüßte der Silberhaarige. »Freuen S’ sich nur net zu früh. Am Schachbrett bin ich immer für eine Überraschung gut.«

»Schauen wir mal«, versetzte der Bergpfarrer und machte eine einladende Handbewegung. »Aber setzen wir uns erst einmal. Ich hätte da einen schönen Rotwein für Sie«, sagte Sebastian, als sie saßen und er einschenkte. »Ich hoff’, der schmeckt Ihnen.«

Severin nickte. »In Punkto Wein haben wir beide den geradezu identischen Geschmack.« Er griff nach dem Glas. » Also dann, trinken wir auf …« Severin schaute etwas unschlüssig drein. »Worauf könnten wir denn trinken?«

»Darauf, dass wir die Sommerrodelbahn bei St. Johann verhindern«, schlug Sebastian vor.

Sie stießen an, dann nippten sie an dem Wein.

Severin lobte: »Vorzüglicher Tropfen.« Er nippte noch einmal, dann stellte er das Glas auf den Tisch zurück. »Haben die Ermittlungen wegen der Brandstiftung auf Hubertusbrunn schon was ergeben?«, fragte er dann.

»Nein. Sicher ist nur, dass der Brand gelegt worden ist. Niemand hat etwas beobachtet, und eine Befragung Lebegerns war erwartungsgemäß negativ. Es ist sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis ich ein Schreiben der Staatsanwaltschaft erhalt’, dass die Ermittlungen eingestellt worden sind. Ich kann nur hoffen, dass sich so etwas net wiederholt.«

»Sie denken, dass man versucht, Sie mürbe zu machen«, konstatierte Severin.

»Sollt’s so sein, wird derjenige, der dahintersteckt, kein Glück haben. Irgendwann begeht er einen Fehler, und dann haben wir ihn. Es ist eine alte Tatsache: Der Krug geht solang’ zum Brunnen, bis er bricht.«

»Das wär’ zu wünschen«, murmelte Severin und wechselte das Thema. »Die Traudl hat auf dem Friedhof die Anna Lang getroffen«, erzählte er. »Die hat ihr erzählt, dass der Timo und die Nadine Heindl vor drei Tagen nach Stuttgart abgereist sind.«

»Ja, die beiden haben sich von mir verabschiedet. Sie waren überaus glücklich, weil Oliver und Jana ihnen ihre schlimmen Eifersuchtsaktionen vergeben haben, und sie haben sogar tausend Euro für den Gnadenhof gespendet, den die Jana auf dem Breitengraseranwesen einzurichten gedenkt.«

»Das freut mich für Jana und den Oliver«, erklärte Severin. »Gestern habe ich einen Flyer beim Bäcker gesehen. Mit ihm wirbt die Jana um Mitglieder für den Verein, der demnächst gegründet werden soll, und bittet um Spenden. Ich denk’, das ist eine gute Sache, die man unterstützen muss. Darum werd’ ich Vereinsmitglied werden und auch einen größeren Geldbetrag spenden.«

»Ich bin natürlich auch dabei«, erklärte Sebastian. »Mit dem Bürgermeister hab’ ich gesprochen. Bruckner hat mir versichert, dass der Gemeinderat dem Gnadenhof keine Probleme bereiten wird.«

»Bezüglich der Sommerrodelbahn lässt er sich aber net erweichen, wie?«

»Nein. Er hat sich in diese Idee verrannt und baut voll und ganz auf den Lebegern, auf den er ganz große Stücke hält. Das ist für ihn der Mann, dem keiner das Wasser reichen kann. Der Unternehmer ist gewissermaßen sein Held.«

»Hoffentlich hängt er sich da net an den Falschen dran«, murmelte Severin. »Ich hab’ den Lebegern bei der Ortsbesichtigung im Ainringer Forst kennengelernt. Der hat kein Herz. In seiner Brust tickt eine kalte Rechenmaschine. Wer den zum Freund hat, der braucht keinen Feind mehr. Das ist jedenfalls meine Meinung über ihn.«

»Wobei wir uns wieder einmal einig sind«, erklärte Sebastian. »Doch das Problem müssen wir auf uns zukommen lassen. Es ist ja schon sehr viel wert, dass wir all die anderen Probleme in den Griff gekriegt haben. Der Streit ums Seewasser ist gelöst. Seit drei Tagen werden auf dem Brauereigelände, Probebohrungen wegen des Grundwasserspiegels vorgenommen.«

»Die Geduld, die der Jürgen Deininger aufbringt, ist geradezu bemerkenswert«, lobte Severin. »Jeder andere hätt’ den Krempel wohl längst hingeschmissen und sich einen anderen Platz für sein Unternehmen gesucht.«

»Eine Aufgabe wär’ mit viel zu hohen finanziellen Verlusten einher gegangen«, versetzte Sebastian. »Drum war es die vernünftigste Lösung, sich bereit zu erklären, für eigenes Wasser zu sorgen. Die Kosten für die Brunnen werden sich früher oder später amortisieren. Außerdem ist es net nur die Brauerei, die den Jürgen hier in St. Johann hält.«

»Ich weiß, ich weiß. Es ist die Liebe, und gegen die ist kein Kraut gewachsen.«

»Sind wir froh, dass es so ist«, sagte Sebastian.

Sie tranken einen Schluck Wein.

»Wie schaut’s aus?«, fragte Severin. »Fangen wir an? Ich bin neugierig, wie Sie’s anstellen wollen, mich schachmatt zu setzen.«

Sebastian schmunzelte und erhob sich. »Auf geht’s!«

Gleich darauf saßen sie sich am Schachtischchen gegenüber und konzentrierten sich.

*

Es war Freitag. Gegen sechzehn Uhr dreißig kam Vanessa Stangassinger von der Arbeit nach Hause. Die Vierundzwanzigjährige war in einem Hotel in der Gemeinde Engelsbach beschäftigt und lebte noch im Haus ihrer Eltern, hatte dort aber eine eigene Wohnung.

Vanessa war eine sehr hübsche junge Frau mit blonden Haaren, die sie ziemlich kurz trug, was ihrem schmalen Gesicht mit den blauen Augen einen besonderen Reiz verlieh. In ihrer Freizeit half sie ihren Eltern in der Fischzucht, manchmal fuhr sie auch mit ihrem Vater auf den See hinaus, um die Netze auszuwerfen oder einzuholen. Mit den frisch gefangenen Renken versorgte Jakob Stangassinger die Hotels und Restaurants in einem weiten Umkreis.

Vanessa sah ihre Mutter bei den Zuchtbecken, die ein ganzes Stück vom Haus entfernt angelegt worden waren. Sie ging zu ihr hinüber. »Grüß di, Mama«, rief Vanessa. »Alles gut bei euch?«

»Natürlich. Was soll sich seit gestern Abend, seit wir das letzte Mal miteinander telefoniert haben, groß verändert haben?«

Vanessa lachte hell auf. »Ich frag ja nur, Mama. Ich seh’ den Papa nirgends. Ist er etwa noch draußen auf dem See?«

»Nein. Der ist zur Baustelle auf der anderen Seite des Sees gefahren. Der Bürgermeister hat ihn vor ein paar Tagen angerufen und ihn informiert, dass man auf dem Gelände der künftigen Deininger-Bräu auf Grundwasser gestoßen ist. Jetzt ist der Papa hingefahren, um sich vor Ort umzusehen. Du weißt ja, wie sehr ihm die ganze Sach’ am Herzen liegt.«

»Der Papa hat doch recht«, stieß Vanessa hervor.

Gerlinde nickte. »Es ist schließlich um unsere Existenz gegangen. Der Jakob ist der letzte Fischer auf dem Achsteinsee. Wir haben hier unsere Lebensgrundlage. Und die dürfen wir uns net zerstören lassen.«

»Ja, so kämpferisch hab’ ich den Papa nie vorher erlebt.«

»Hast du Hunger, Vanessa? Ich könnt’ dir …« Gerlinde brach ab, weil ihre Tochter abwinkte.