Amor trägt ein rosa Kleidchen - Marie Ferrarella - E-Book

Amor trägt ein rosa Kleidchen E-Book

Marie Ferrarella

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Beschreibung

Ginny will endlich eine Mami! Und sie hat sehr konkrete Vorstellungen, wie die sein soll: Lieb wie die junge Köchin Danni. Daddy zum Lachen bringen wie Danni. Ihn küssen – auch wie Danni. Moment mal! Auch wenn Ginny erst vier ist, kann sie eins und eins zusammenzählen …

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Seitenzahl: 169

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IMPRESSUM

Amor trägt ein rosa Kleidchen erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2013 by Marie Rydzynski-Ferrarella Originaltitel: „Wish upon a Matchmaker“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 21 Übersetzung: Valeska Schorling

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Roman Rybalko / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2023

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751521949

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

„Bist du die Frau, die Mommies findet?“, riss ein hohes Stimmchen Maizie Sommers aus ihren Gedanken.

In der letzten halben Stunde war die erfolgreiche Immobilienmaklerin damit beschäftigt gewesen, eine Verkaufsanzeige für ihre Website zu entwerfen. Die richtigen Worte für das zwanzig Jahre alte Ranchhaus zu finden, war eine ziemliche Herausforderung, sodass sie auch nur mit halbem Ohr hingehört hatte, als die Tür zu ihrem Maklerbüro auf- und wieder zugegangen war. Ein Teil von ihr hatte sogar geglaubt, sich das nur eingebildet zu haben.

Zumal sie hochgeblickt und niemanden hatte reinkommen sehen.

Aus gutem Grund, wie sich jetzt herausstellte: Der Mensch, der ihr Maklerbüro betreten hatte, war nämlich nur etwa halb so groß wie ein Erwachsener.

Maizie sah sich verwirrt um und beugte sich über ihren Schreibtisch. Ein kleines Mädchen stand auf Zehenspitzen davor und hatte die Fingerchen an die Schreibtischkante gepresst.

Maizie legte ihren Kugelschreiber hin und lächelte dem Kind freundlich zu. Es musste etwa vier Jahre alt sein, vielleicht auch fünf. Es war schmal, rotblond, sah aus wie ein Püppchen und hatte erstaunlich wache blaue Augen. In zwölf Jahren würde die Kleine den Männern bestimmt den Kopf verdrehen. „Hallo.“

Das Mädchen nickte, dass die Locken flogen. „Hallo“, erwiderte es den Gruß höflich, schien jedoch endlich zur Sache kommen zu wollen.

Zweifellos, hier stand ein weibliches Wesen mit einer Mission.

„Bist du die Frau, die Mommies findet?“, wiederholte das Kind. „Mein Freund Greg hat gesagt, du hast eine für seinen Dad gefunden, und sie ist wirklich nett, und jetzt sind sie alle ganz glücklich.“

Maizie vergaß nie einen Namen, schon gar nicht den eines Kindes. Die Kleine sprach anscheinend von Greg Muldare, Micah Muldares Sohn. Dessen Tante Sheila war vor einiger Zeit bei Maizie vorbeigekommen und hatte darüber geklagt, dass ihr verwitweter Neffe völlig vereinsamt sei. Daraufhin hatten Maizie und ihre zwei besten Freundinnen einen Plan ausgeheckt, wie sie den Vater zweier Jungen mit einer intelligenten dynamischen Anwältin namens Tracy Ryan zusammenbringen konnten. Die Anwältin hatte erst Micahs juristische Probleme gelöst und war schließlich Mrs Micah Muldare geworden.

Unser Talent spricht sich immer schneller herum, stellte Maizie zufrieden lächelnd fest.

„Was ist denn mit deiner Mommy passiert?“, erkundigte Maizie sich freundlich, während sie sich fragte, was das Mädchen hier so ganz allein machte. War es womöglich von zu Hause weggelaufen, um Maizie einen Besuch abzustatten?

„Meine Mommy ist gestorben“, antwortete die Kleine und verzog bekümmert das Gesichtchen. „Ich erinnere mich nicht mehr an sie, aber Daddy schon, und dann wird er immer ganz traurig. Ich will, dass Daddy genauso glücklich wird wie Gregs Daddy.“ Eifrig fügt sie hinzu: „Kannst du eine Mommy für ihn finden? Und mach sie hübsch, denn er will nur eine, die so hübsch ist wie ich. Deshalb ist er gerade mit Elizabeth zusammen.“ Das Mädchen verzog das Gesicht. „Sie ist hübsch, aber sie ist keine Mommy, nur eine Frau.“ Die Kleine reckte sich noch höher und flüsterte Maizie vertraulich zu: „Ich glaube, sie mag keine Kinder.“

Bevor Maizie sich von dieser Bemerkung erholen konnte, ging die Tür ihres Maklerbüros ein zweites Mal innerhalb von weniger als fünf Minuten auf.

Maizies Ruf war hervorragend und die Lage ihres Büros so zentral, dass immer wieder Passanten bei ihr reinschneiten. Ihre beiden Angestellten waren gerade unterwegs, um Kunden Häuser zu zeigen. Maizie selbst hatte in der nächsten Stunde keinen Termin, wollte jedoch Mittag essen gehen – sobald sie mit dem Entwurf ihrer Anzeige fertig war. Dieser interessante Zwischenfall hier verdrängte jedoch ihren Hunger. Ihre Mundwinkel zuckten belustigt. Schade, dass sie gerade unterbrochen wurden von dieser völlig aufgelösten blonden Frau, die hereinstürmte und schnurstracks auf die Kleine zulief. „Virginia Ann Scarborough, willst du etwa, dass ich einen Herzinfarkt bekomme?“ Sie fiel auf die Knie und umarmte die Kleine mit einer Mischung aus Erleichterung und Panik.

„Nein“, erwiderte die Kleine zerknirscht. Ihr gequälter Gesichtsausdruck verriet Maizie, dass ihr die Umarmung etwas unangenehm war. Offensichtlich hatte sie im Gegensatz zu der Frau überhaupt keine Angst gehabt. „Ich versuche gerade, eine Mommy für Daddy zu finden“, erklärte sie, als rechtfertige das alles.

Die Frau hielt die Kleine ein Stück von sich weg und musterte sie eingehend, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging, bevor sie aufstand und sich zu Maizie umdrehte. „Das Ganze tut mir schrecklich leid“, entschuldigte sie sich. „Ich hoffe, meine Nichte hat nichts kaputt gemacht?“

„Dafür bin ich doch noch gar nicht lange genug hier drin, Tante Virginia!“, protestierte die Kleine empört.

Maizie stand verwirrt auf. „Sind Sie der Vormund?“, fragte sie die Frau und nickte in Richtung des Mädchens.

„Nein, die Tante.“ Halb verärgert, halb liebevoll sah die Frau das kleine Mädchen an. „Ihre leidende Tante. Ich schwöre dir, Ginny, wenn du nicht nach mir benannt wärst …“ Sie griff nach Ginnys Hand und lächelte Maizie nochmals entschuldigend zu. Es war offensichtlich, dass sie jetzt mit ihrer Nichte das Büro verlassen wollte. „Das hier tut mir schrecklich leid …“

„Nein, bitte warten Sie“, unterbrach Maizie sie freundlich. „Sie sehen noch etwas durcheinander aus. Ich mache Ihnen eine hübsche Tasse Tee.“ Sie blickte hinunter zu Ginny. „Und für dich habe ich ein Glas Limonade, wenn du willst.“

„Ja, bitte“, erwiderte Ginny wenig begeistert.

„Nein, wirklich, wir haben Ihnen schon genug Ärger gemacht“, protestierte Virginia.

„Unsinn. Sie machen mir überhaupt keinen Ärger, und ehrlich gesagt haben Sie meine Neugier geweckt.“ Maizie ging zu ihrer kleinen Kücheninsel, in der sich ein Kühlschrank, ein Herd mit Mikrowelle und eine Spüle befanden. Rasch bereitete sie einen Yogitee für Virginia vor und goss dem kleinen Wirbelwind ein Glas Limonade ein.

„So, Ginny“, sagte sie, als sie ihr das Glas reichte. „Du hast gesagt, dein Daddy braucht eine Frau?“

Virginia riss verblüfft die Augen auf. „Ginny, du hast doch nicht etwa … warum machst du nur so etwas?“, fragte sie ihre Nichte fassungslos.

„Weil sie Mommies findet“, erklärte Ginny ihrer Tante und zeigte auf Maizie. „Greg hat das gesagt“, fügte sie zur Bekräftigung hinzu.

„Diese Dame hat ein Maklerbüro“, wandte Virginia ein, die mit den Nerven offensichtlich fast am Ende war.

„Vielleicht sollte ich es Ihnen erklären“, schaltete Maizie sich ein, um Ginny zur Rettung zu eilen. „Meine Freundinnen und ich bringen neben unseren Jobs Paare zusammen – kostenlos natürlich“, fügte sie rasch hinzu, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. „Es macht uns einfach Spaß, Menschen zu verkuppeln, die ohne unsere Einmischung vielleicht nie zusammenfinden würden. So wie den Vater deines Freunds Greg und Tracy Ryan“, fügte sie an Ginny gewandt hinzu. „Meine Freundinnen und ich sind für die nötigen ‚schicksalhaften Fügungen‘ zuständig.“

Virginia drehte sich zu ihrer Nichte um. „Hast du deshalb gebettelt, hier ein Eis essen zu gehen?“

„Hier gibt es sehr leckeres Eis“, erwiderte Ginny mit gespielter Unschuld.

„Sehen Sie jetzt, was ich auszustehen habe?“, stöhnte die blonde Frau erschöpft.

Maizie sah die andere Frau voller Mitgefühl an. Darin war sie inzwischen geübt. „Sind Sie die Schwester von Ginnys Vater?“

Virginia nickte. „Sein Name ist Stone Scarborough. Ich bin seine jüngere Schwester und bin nach Evas Tod – das war Ginnys Mutter – bei ihm eingezogen, um ihn etwas zu unterstützen. Das war vor anderthalb Jahren. Ich unterstütze ihn immer noch.“

Sie will wieder ein eigenes Leben, schloss Maizie aus den Worten und dem Tonfall der anderen Frau. Lächelnd nahm sie wieder hinterm Schreibtisch Platz. Eine neue Herausforderung versetzte ihr immer einen Energieschub. Sie liebte Herausforderungen. „Erzählen Sie mir von Ihrem Bruder“, forderte sie Virginia auf.

Virginia seufzte. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“

„Der Anfang ist immer das Beste.“

„Okay.“ Die andere Frau holte tief Luft und begann zu erzählen, wobei Ginny ab und zu einen hilfreichen Einwurf machte.

Maizie lauschte den beiden aufmerksam.

Es dauerte nicht lange, und es formte sich ein Plan in ihrem Kopf.

1. KAPITEL

Stone Scarborough starrte seine jüngere Schwester verwirrt an und versuchte, sich einen Reim auf das zu machen, was sie ihm gerade ziemlich atemlos erzählte.

Aber was auch immer es war, Virginia schien deswegen ganz aufgeregt zu sein. Bisher hatte er nur so viel verstanden, dass es etwas mit der Visitenkarte zu tun hatte, die sie ihm in die Hand gedrückt hatte, doch ihr Wortschwall war so zusammenhanglos, dass er sich vorkam wie früher, wenn er mit seiner Frau zu spät ins Kino gekommen war – Eva hatte es nie geschafft, rechtzeitig fertig zu werden – und er gezwungen gewesen war, aus der zweiten Hälfte des Films schlau zu werden.

Zusätzlich zu Virginias Wortschwall hüpfte seine Tochter Ginny völlig aufgeregt vor ihm auf und ab. Die beiden wirkten, als stünden sie unter einem Zuckerschock.

Stone hob abwehrend eine Hand, um Virginia zumindest für einen Moment zum Verstummen zu bringen. „Noch mal“, forderte er seine Schwester auf. „Am besten ganz von vorne.“

Virginia schüttelte so ungeduldig den Kopf, dass ihr blonder Pferdeschwanz flog. „Für einen intelligenten Mann kannst du manchmal ganz schön begriffsstutzig sein.“

„Was natürlich nichts mit euch zu tun hat“, sagte er seufzend. Ganz egal, wie lange er übte, er würde nie so schnell reden können wie seine Schwester … oder seine Tochter. „Bitte erklär es mir noch einmal“, fügte er hinzu und warf einen Blick auf die Visitenkarte in seiner Hand. „Warum soll ich diese Frau anrufen?“

Virginia atmete tief durch und wiederholte die wichtigsten Fakten: „Die Nummer ist die von Maizie Sommers. Sie ist Immobilienmaklerin mit eigenem Büro. Sie sagt, sie sucht einen guten Handwerker, den sie ihren Kunden empfehlen kann.“

Stone hatte noch nie an Zufall oder Glück geglaubt. Es gab immer einen Haken bei etwas, das so positiv klang. Deshalb beäugte er die Visitenkarte in seiner Hand auch mit Misstrauen. „Sie ist also einfach so auf euch zugekommen, hat gesagt ‚hm, Sie sehen so aus, als würden Sie einen guten Handwerker kennen‘ und hat dir ihre Visitenkarte in die Hand gedrückt?“

„Natürlich nicht.“ Virginia schloss gequält die Augen und versuchte ihr Bestes, ihre Ungeduld zu zügeln. Ihr war bewusst, dass sie schrecklich aufgeregt war, aber was Maizie Sommers vorhin zu ihr gesagt hatte, hatte sie mit großer Hoffnung erfüllt. Es war schon viel zu lange her, dass sie ihren Bruder mehr als nur höflich hatte lächeln sehen.

Außerdem teilte sie die Abneigung ihrer Nichte gegen die Frau, mit der er gerade zusammen war. Virginia konnte sich einfach nicht für Elizabeth Wells erwärmen – und sie sich erst recht nicht als Ginnys Stiefmutter vorstellen. „Okay, ich fange noch mal ganz von vorne an. Aber diesmal hörst du mir gut zu, verstanden?“

„Ja, Ma’am.“ Stone salutierte spöttisch. Er hatte gerade ganz andere Probleme. Der Hausbesitzer, dessen Haus Stone hatte renovieren sollen, hatte nämlich im letzten Moment seinen Auftrag storniert. Stone war daher nicht gerade bester Laune. „Ja?“, hakte er ungeduldig nach.

Virginia holte tief Luft und beschloss, so dicht an der Wahrheit zu bleiben wie möglich, ohne ihrem Bruder zu verraten, dass er verkuppelt werden sollte. Wenn er nämlich auch nur den leisesten Verdacht hatte, würde er das Spiel nie mitspielen. Und seine Kooperation war nötig. Falls das Ganze nicht klappte, würde er zumindest etwas Geld verdienen.

Noch vor fünf Jahren war er Luft- und Raumfahrtingenieur gewesen, doch dieser Industriezweig war in Südkalifornien praktisch tot. Seitdem machte er das, womit er sich schon während des Studiums Geld verdient hatte: Häuser renovieren und umbauen. Leider sah auch die Auftragslage in der Baubranche nicht gerade rosig aus. Die Wirtschaftskrise forderte ihren Tribut. Renovierungen und Umbauten waren ein Luxus, den viele Menschen sich nicht mehr leisten konnten.

Virginia ging daher davon aus, dass ihr Bruder einen neuen Auftrag nicht ablehnen würde. Sie musste ihm nur plausibel darlegen, wie es dazu gekommen war. „Also, ich war mit Ginny Eis essen“, begann sie.

Stone sah sie genervt an. „Na toll, noch mehr Zucker!“ Er liebte seine Tochter mehr als sein Leben, aber sie konnte verdammt anstrengend sein. Zucker machte alles noch schlimmer. Er warf einen Blick auf seine einzige Tochter. „Hüpft sie deshalb so wild herum?“

„Lass mich bitte ausreden“, unterbrach Virginia ihn stirnrunzelnd.

Stone unterdrückte ein Seufzen. „Sorry. Fahr fort.“

„Wie dem auch sei, wir sind zu diesem altmodischen Eisladen in der Brubaker Mall gegangen, und ich habe ihr ein Eis gekauft. Sie haben da so viele tolle Sorten, dass ich nicht widerstehen konnte, mir auch eins zu kaufen – es ist schon eine Weile her, dass ich mir etwas gegönnt habe.“

„Komm endlich zur Sache, Virginia!“ Schon als kleines Mädchen hatte Stones kleine Schwester die Dinge immer viel zu umständlich erzählt und ihn damit in den Wahnsinn getrieben.

„Okay. Als ich dabei war, mir selbst ein Eis zu kaufen, beschloss Ginny anscheinend, ein bisschen die Gegend zu erkunden …“ Virginia biss sich verlegen auf die Unterlippe und warf ihrem Bruder einen schuldbewussten Blick zu.

Stone warf seiner Tochter einen strengen Blick zu. „Ginny, du weißt doch, dass du nicht einfach weglaufen darfst!“

Zu seiner Überraschung schlug Ginny schuldbewusst den Blick nieder und murmelte: „Ja, Daddy.“

Verwirrt runzelte Stone die Stirn. Ginnys zur Schau gestellte Zerknirschung war ein ganz neuer Zug an ihr. Normalerweise würde sie vehement protestieren.

Verblüfft hob er den Blick zu seiner Schwester.

Virginia konnte seine Verwirrung gut nachvollziehen. „Ich habe Ginny eine Tür weiter gefunden. Sie hatte ein Maklerbüro betreten“, erklärte sie.

Stone starrte seine Schwester fassungslos an. Ginny in einem Spielzeugladen konnte er sich ja noch vorstellen, aber was um alles in der Welt konnte sie dazu bewogen haben, ein Maklerbüro zu betreten? „Warum?“, fragte er und sah fragend zwischen Ginny und seiner Schwester hin und her.

Virginia hatte keine Ahnung, was sie darauf antworten sollte. Sie wollte sich gerade damit herausreden, dass sie Ginnys Aktionen sowieso fast nie nachvollziehen konnte, als Ginny plötzlich das Wort ergriff: „Ich habe gehört, wie du gesagt hast, dass du nicht weißt, wie du die Rechnungen bezahlen sollst, also habe ich die Frau gefragt, ob die Häuser auf ihren Fotos renoviert werden müssen. Weil du so was kannst.“

Virginia war über diese kreative Antwort genauso überrascht wie ihr Bruder. Dankbar griff sie nach der Rettungsleine, die ihre Nichte ihr zugeworfen hatte. „Wie sich herausgestellt hat, stimmt das sogar“, bestätigte sie. „Mrs Sommers war ganz begeistert von deiner Tochter.“ Sie legte einen Arm um Ginnys schmale Schultern. „Anstatt uns wegzuschicken, hat sie gesagt, dass sie tatsächlich gerade einen guten Handwerker sucht, den sie ihren Kunden empfehlen kann. Ginny und ich haben ihr sofort gesagt, dass du der Beste bist. Daraufhin hat sie mir ihre Visitenkarte gegeben und gesagt, dass du sie bei Gelegenheit mal anrufen sollst.“

Das Ganze klang viel zu schön, um wahr zu sein, aber zumindest ein Teil davon musste stimmen. Warum hätte die Frau Virginia sonst ihre Karte geben sollen? Und da er zufällig tatsächlich gerade Zeit hatte, konnte es nicht schaden, mal bei dieser Mrs Sommers anzurufen.

„Na ja“, sagte Stone gedehnt, während er die Karte betrachtete. „Ich könnte gut mehr Kontakte gebrauchen, aber …“ Er sah seine Tochter eindringlich an. „Schatz, uns geht es gut“, versicherte er ihr. „Ich will nicht, dass du dir Sorgen über Rechnungen machst. Ich sorge schon für uns.“

„Ja, Daddy“, sagte Ginny lächelnd.

Ihr Lächeln versetzte Stone jedes Mal einen Stich, weil es ihn an seine verstorbene Frau erinnerte. Er vermisste Eva schrecklich.

„Ich wollte nur helfen“, fügte Ginny hinzu.

„Das tust du doch schon, einfach indem du da bist, Schatz“, versicherte Stone ihr. Sein Blick fiel wieder auf die Visitenkarte. Warum die Gelegenheit nicht beim Schopf packen? „Okay, mal sehen, was diese Maizie Sommers so zu sagen hat.“

Ginny drückte fest beide Daumen, als er nach seinem Handy griff.

Wir haben ein tolles kleines Mädchen, Eva, dachte er, als er die Nummer eintippte. Gott, ich wünschte, du könntest sie jetzt sehen.

Er konnte nicht ahnen, dass seine Tochter ihm nicht deshalb die Daumen drückte, weil sie ihm neue Aufträge wünschte, sondern weil sie hoffte, dass „die nette Frau aus dem Laden“ das Gleiche für ihren Vater tun würde, was sie schon für Gregs Vater getan hatte, nämlich ihm eine neue Frau besorgen.

Stone erwiderte das hoffnungsvolle Lächeln seiner Tochter, als er dem Freizeichen am anderen Ende der Leitung lauschte. Nach dem zweiten Klingelton hörte er fröhliche weibliche Stimme: „Maizie Sommers am Apparat. Wie kann ich Ihnen helfen?“

Stone wandte seiner Tochter und seiner Schwester den Rücken zu, um sich voll auf seine Gesprächspartnerin konzentrieren zu können. „Mrs Sommers, hier ist Stone Scarborough …“

Weiter kam er nicht. „Ach ja!“, schnitt Maizie ihm munter das Wort ab. „Der Handwerker. Ich warte schon auf Ihren Anruf.“

Diese Information verblüffte ihn. „Echt?“ Hatte sie sonst nichts Besseres zu tun?

„Absolut“, bekräftigte sie. „Hätten Sie zufällig schon heute Abend Zeit?“

„Heute Abend?“, wiederholte er fassungslos. Hoffentlich würde sich dieser Anruf nicht als gewaltiger Fehler herausstellen. Irgendwie kam ihm die Sache nicht ganz geheuer vor. Vielleicht suchte diese Frau ja gar keinen Handwerker, sondern etwas ganz anderes. Sie war so verdächtig gut drauf, absolut nicht wie jemand, der von Arbeit sprach.

Mehrere Möglichkeiten schossen ihm durch den Kopf, aber er verdrängte sie vorerst. Es hatte keinen Zweck, vom Schlimmsten auszugehen – noch nicht.

„Ja. Sollte Ihnen das zu kurzfristig sein, dann vielleicht morgen Abend?“

„Warum denn nicht tagsüber?“, fragte er misstrauisch.

„Weil die Frau, der ich Sie weiterempfehlen will, vermutlich tagsüber keine Zeit hat“, erklärte Maizie. „Zumindest nicht unter der Woche. Da wird nämlich ihre Sendung gedreht.“

„Ihre Sendung?“, wiederholte Stone völlig überfordert. Das ist ja, wie wenn man mit Virginia redet, dachte er resigniert. War das ein geschlechtsspezifisches Phänomen, oder war er tatsächlich so begriffsstutzig, wie Virginia ihm immer vorwarf?

Wie dem auch sei, er brauchte weitere Erklärungen.

„Ja, sie hat eine tägliche Live-Kochsendung beim Kabelfernsehen und ist tagsüber mit Dreharbeiten beschäftigt. Als sie hierherzog, um ihren Vertrag zu unterschreiben, habe ich ihr ein wunderschönes Haus verkauft“, fuhr Maizie voller Stolz fort. „Das ist jetzt etwa ein halbes Jahr her. Ich konnte einen wirklich guten Preis für sie aushandeln, weil der Besitzer es eilig hatte. Es muss allerdings noch viel gemacht werden. Sie hatte damals weder die Zeit und, wie ich vermute, noch das Geld für die Reparaturen. Aber ihre Sendung läuft sehr gut, und sie kann sich die Renovierung inzwischen leisten.“

Maizie schwieg einen Moment, um Stone Zeit zu geben, die vielen Informationen zu verdauen. „Hätten Sie Interesse an dem Auftrag, Mr Scarborough?“

Es handelte sich um einen Job. Stone war daher mehr als interessiert. „Ja, natürlich.“ Eins musste er jedoch noch wissen: „Wollen Sie sich nicht erst meine Arbeit ansehen, bevor sie mich weiterempfehlen?“

Maizie gefiel seine Zurückhaltung, aber sie hatte bereits alle nötigen Informationen von Virginia Scarborough. Die Frau hatte Maizie Fotos von den Projekten ihres Bruders gezeigt und ihr genug von ihm erzählt, um die Sache richtig anzupacken.

Maizie wusste schon die perfekte Frau für ihn. Normalerweise ging das nicht so schnell, aber diesmal war ihr sofort jemand eingefallen: Danni.

Ihrer Meinung nach war das ein sehr gutes Omen.

„Ihre Schwester und Ihre Tochter loben Ihre Arbeit und Sie selbst in den höchsten Tönen, Mr Scarborough.“

„Und das reicht Ihnen?“, fragte er skeptisch.

„Ja. Natürlich konnte es nicht schaden, zusätzlich einen Blick auf Ihre Website zu werfen“, fügte sie lachend hinzu.

„Meine Website?“, wiederholte Stone verdutzt. Fragend sah er seine Schwester an. Er hatte noch nie von einer Website gehört.