Das Lächeln deiner Augen - Marie Ferrarella - E-Book

Das Lächeln deiner Augen E-Book

Marie Ferrarella

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Beschreibung

Eine neue Liebe? Für TV-Moderatorin Ellie unmöglich! Zu tragisch war der Tod ihres Mannes. Bis die zärtlichen Küsse von Police Officer Colin ihr das Gegenteil zeigen. Fatal, denn nachdem er sie mit einer Weihnachtseinladung überrascht, wird Ellies Liebestraum erneut erschüttert …

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IMPRESSUM

Das Lächeln deiner Augen erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Marie Rydzynski-Ferrarella Originaltitel: „Twice a Hero, Always Her Man“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 89 Übersetzung: Rita Hummel

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Roman Rybalko / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2023

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751522007

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

„Oh, Maizie, es bricht mir das Herz, sie so zu sehen.“

Wortlos schob Maizie Sommers die hübsch gemusterte Taschentücherbox über den Tisch und wartete, bis ihre Freundin Connie Williams sich die Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte.

Schon am frühen Morgen hatte Connie sie angerufen, und Maizie hatte sofort an ihrer Stimme erkannt, dass es sich nicht um einen geschäftlichen Anruf handelte. Zumindest war nicht ihre Fachkompetenz als Immobilienmaklerin gefragt.

Allerdings hatte Maizie noch eine Nebenbeschäftigung eher uneigennütziger Art, die sie mit Leidenschaft betrieb, und in der sie von ihren beiden Freundinnen Theresa Manetti und Cecilia Parnell eifrig unterstützt wurde. Sie kannten sich schon seit der Schulzeit. Alle drei hatten sie Karriere gemacht und liebten ihre Berufe, doch ihre gemeinsam betriebene Nebenbeschäftigung machte ihnen mindestens ebenso viel Freude. Auch wenn sie keinerlei finanziellen Gewinn einbrachte.

Die gemeinsame Leidenschaft der drei Freundinnen war das Ehestiften.

Es hatte ganz unschuldig begonnen. Seit jeher hatten sie ihre kleinen und großen Sorgen geteilt und alle Schicksalsschläge gemeinsam durchgestanden, einschließlich dem Tod ihrer Ehemänner. Alle drei hatten sie Kinder, die längst erwachsen und in ihren Berufen erfolgreich waren.

Da die Kinder keinerlei Anstalten machten, zu heiraten und ihren Müttern Enkel zu bescheren, hatten die drei Freundinnen irgendwann beschlossen, dem Schicksal ein wenig nachzuhelfen.

Dabei kamen ihnen ihre vielfältigen Kontakte privater und geschäftlicher Natur zugute. Theresa betrieb einen Cateringservice, Cecilia eine florierende Reinigungsfirma, und Maizie verfügte mit ihrer Maklerfirma ebenfalls über einen großen Kundenstamm.

Als Erstes brachten sie Maizies Tochter unter die Haube und von ihrem Erfolg angespornt bald auch die Kinder von Theresa und Cecilia.

So war die neue Leidenschaft der drei Frauen geboren. Es entwickelte sich ein regelrechter Eheanbahnungsservice, allerdings ohne Beteiligung der jeweiligen Hauptpersonen. Die ahnten nichts von der geheimen Tätigkeit der drei Freundinnen, sondern glaubten, das Schicksal hätte ihnen zu ihrem Glück verholfen.

Es war also für Maizie keine ungewohnte Situation, an diesem Morgen ihrer Freundin Connie gegenüberzusitzen und geduldig auf die Bitte zu warten, die unweigerlich folgen würde. Connie Williams suchte einen Mann für ihre Tochter Ellie, eine Reporterin bei einem bekannten Lokalsender.

Connie zupfte ein weiteres Papiertaschentuch aus der geblümten Schachtel.

„Ellie will nichts davon hören. Jedes Mal, wenn ich sie darauf anspreche, behauptet sie, sie sei mit ihrem Leben zufrieden. Aber sie ist es nicht, das merke ich doch.“ Connie schluchzte auf.

Maizie lächelte ihre Freundin mitfühlend an. „Ich glaube, du siehst das ganz richtig“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Wie lange ist es jetzt her?“

„Zwei Jahre“, erwiderte Connie, ohne zu zögern. Nie würde sie diesen entsetzlichen Tag vergessen, als ihr Schwiegersohn erschossen worden war. Als ihre Tochter bei der Nachricht vom Tod ihres Mannes vor laufender Kamera zusammengebrochen war. Kurz zuvor war Brett als hochdekorierter Sergeant aus dem Marinedienst entlassen worden, und Ellie war überglücklich, ihren Mann endlich wieder ganz für sich zu haben.

„Sie lebt ihr Leben, arbeitet mehr denn je, macht jeden Abend Überstunden, aber innerlich kommt sie mir wie versteinert vor.“

„Das muss alles ganz furchtbar für sie gewesen sein.“ Maizie schüttelte den Kopf. „Dass sie auch noch selbst die Reportage zu dem Überfall gemacht hat, bei dem ihr Mann ums Leben kam.“

Es hatte eine Namensverwechslung gegeben. Als Ellie mit ihrem Kameramann zum Tatort kam, hatte sie geglaubt, der Ladenbesitzer wäre angeschossen worden. Doch es stellte sich heraus, dass der Mann unversehrt war. Während sie ihn interviewte, erhielt sie die Nachricht, dass ihr eigener Mann auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben war.

„Sie ist vor laufender Kamera ohnmächtig geworden, alle konnten es am Bildschirm sehen. Im Sender waren sie äußerst mitfühlend und versuchten, ihr beizustehen, aber es gab keinen Trost für sie. Ich habe Angst, dass sie nie über diesen schweren Schlag hinwegkommt.“

Connie sah ihre Freundin mit flehenden Augen an, als wäre Maizie ihre einzige Rettung. „Sie ist doch erst dreißig Jahre alt, Maizie, noch viel zu jung, um sich derart abzukapseln. Wir müssen ihr helfen.“

Maizie legte beruhigend die Hand auf die ihrer Freundin, eine mitfühlende Geste von Mutter zu Mutter. „Ich bin froh, dass du zu mir gekommen bist, Connie. Überlass alles getrost mir.“

Connie sah Maizie dankbar an, doch gleichzeitig schien sie besorgt zu sein. „Wenn Ellie wüsste, dass ich jemanden für sie suche …“

„Du suchst gar niemanden. Ich kümmere mich darum und melde mich bei dir.“

In Gedanken lud sie schon ihre beiden Mitstreiterinnen zu einem Spieleabend ein, in dessen Verlauf sie ihnen freudestrahlend erzählen würde, dass es einen neuen Fall für sie gäbe.

Maizie konnte es kaum erwarten, loszulegen.

1. KAPITEL

Elliana King kam es vor, als würde ihr das Aufstehen von Tag zu Tag schwerer fallen. Jeden Morgen kostete es sie schreckliche Überwindung, sich aus dem Bett zu hieven und sich der Welt zu stellen, die vor ihrer Wohnungstür auf sie wartete.

Früher war das anders, dachte sie traurig. Es gab eine Zeit, da empfand sie Schlafen als Zeitverschwendung. Da sprang sie noch vor dem Weckerklingeln aus dem Bett und konnte es kaum erwarten, den Tag zu beginnen.

Das war zwei Jahre her.

In der ersten Zeit nach Bretts Tod hatte sie sich auf den Schlaf gefreut. Im Traum hatte sie die Nächte mit ihrem Mann wieder durchlebt, und es war, als ob er wieder bei ihr wäre. Sie brauchte nur die Augen zu schließen, und schon lag er neben ihr und lächelte sie an. Sie hörte seine Stimme und spürte seine Zärtlichkeiten.

Doch irgendwann war das verschwunden. So sehr sie auch versuchte, ihn herbeizuträumen, es wollte ihr nicht gelingen. Umso trostloser waren die Tage, weil sie sich nicht mehr auf die Nacht freuen konnte.

Ellie setzte sich im Bett auf und strich mit der Hand durch ihr schwarzes Haar, das Brett immer zärtlich seidig genannt hatte. Sie versuchte, genug Energie zu sammeln, um die Füße aus dem Bett zu schwingen und auf den Boden zu stellen. Erneut einen Tag zu beginnen, der bis zum Rand mit Arbeit angefüllt war. Genug Arbeit, um sie vom Grübeln abzuhalten. Und vom Traurigsein.

Die Arbeit war ihre Rettung. Wenn sie nur schon im Studio wäre.

Während sie noch auf einen Energieschub wartete, fiel ihr Blick auf den Nachttisch neben ihrem Bett. Dort stand das gerahmte Foto von Brett in seiner Marineuniform.

Mit einem traurigen Lächeln strich sie über das geliebte Gesicht, das ihr vom Foto entgegenblickte. Als ob nichts wäre, als ob nie etwas passiert wäre.

Ellie blinzelte die Tränen zurück. „Du fehlst mir so“, murmelte sie. Dann schüttelte sie seufzend den Kopf, und da sie immer ehrlich zu Brett gewesen war, fügte sie hinzu: „Ich wünschte, ich könnte dich vergessen. Es tut so weh, dass du nicht mehr da bist.“

Entschlossen schlug sie die Decke zurück und stand auf.

Der erste Schritt war immer der schwerste, danach folgte Ellie mechanisch ihrer morgendlichen Routine, bis sie schließlich zum Gehen bereit an ihrer Wohnungstür stand.

Sobald sie draußen war, würde sie wieder ihr berufsmäßiges charmantes Lächeln aufsetzen.

Niemand außer einigen nahen Menschen – ihre Mutter, ihr Kameramann Jerry Ross, vielleicht auch der Programmchef Marty Stern – ahnte, was wirklich in ihr vorging. Dass sie nur auf Sparflamme lief, weil ihr der Lebensinhalt fehlte.

Mehr als einmal hatte Ellie mit dem Gedanken gespielt, sich komplett aus dem Leben zu verabschieden. Doch das könnte sie ihrer Mutter niemals antun. Ein Jahr bevor Brett erschossen wurde, hatte auch sie ihren Mann verloren. Und Ellie den Vater.

„Ach, es ist alles so schwer“, sagte sie leise, bevor sie die Wohnungstür öffnete. Draußen war ein herrlicher Herbsttag. „Willkommen im Paradies“, murmelte sie.

„Diesen Blick kenne ich“, sagte Cecilia Parnell, als sie sich an den Spieltisch in Maizies Wohnzimmer setzte. „Heute Abend spielen wir keine Karten, oder?“

Maizie war schon dabei, die Karten zu verteilen, und lächelte schelmisch.

Theresa Manetti, die ihr gegenübersaß, blickte zwischen ihr und Cecilia hin und her, wobei sie gedankenlos die Karten aufnahm, die Maizie ihr hinlegte.

„Wir haben einen neuen Fall, stimmt’s?“, fragte Theresa und konnte nur mühsam ihre Aufregung unterdrücken. Es war schon eine Weile her, seit sie zuletzt zwei verwandte Seelen zusammengeführt hatten, und sie konnte es kaum erwarten, wieder loszulegen.

„Ich weiß gar nicht, was ihr meint“, sagte Maizie mit Unschuldsmiene.

Cecilia verdrehte die Augen. „Komm schon, mach’s nicht so spannend.“ Sie beugte sich über den kleinen runden Tisch, an dem schon so viele Kartenspiele gespielt und so viele Heimlichkeiten ausgetauscht worden waren. „Spuck’s aus. Weiblich oder männlich?“

„Weiblich“, erwiderte Maizie mit geheimnisvollem Lächeln. „Ihr kennt sie.“

Cecilia und Theresa wechselten fragende Blicke. „Persönlich?“, fragte Cecilia.

Maizie hob die Schultern, weil sie nicht sicher war, ob ihre Freundinnen Ellie schon einmal begegnet waren. „Eher vom Fernsehen.“

Cecilia, die ungeduldigste der drei Frauen, runzelte die Stirn. „Maizie, wir sind seit über fünfzig Jahren befreundet. Hör auf, in Rätseln zu sprechen.“

„Es ist Elliana King.“

Theresa riss die Augen auf. „Du meinst, die Reporterin von …“ Sie bekam keine Gelegenheit, den Fernsehsender zu nennen.

„Genau die“, unterbrach Maizie sie begeistert.

„Ist sie etwa selbst auf dich zugekommen?“, fragte Cecilia überrascht.

„Ein so hübsches Mädchen hat doch keine Probleme, einen …“, begann Theresa.

Wieder wurde sie von Maizie unterbrochen. „Nein, ihre Mutter war in meinem Büro. Connie Williams, ihr kennt sie. Ihr erinnert euch vielleicht, dass Ellie vor zwei Jahren mitten in einer Reportage erfuhr, dass ihr Mann erschossen worden ist.“

Theresa schloss die Augen und schüttelte sich, während sie sich die Details in Erinnerung rief. „Das war vielleicht ein Drama. Ich habe gehört, dass die Einschaltquoten hochgeschnellt sind, weil alle sehen wollten, wie das arme Mädchen zusammenbricht.“

„Ja, das war sehr traurig“, sagte Maizie. „Wie gesagt, ihre Mutter macht sich Sorgen um Ellie und möchte, dass wir jemanden für sie finden.“

„Ganz schön viel verlangt“, bemerkte Cecilia. „Wenn man bedenkt, was sie durchgemacht hat.“

„So ein tapferes Mädchen“, sagte Maizie.

Theresa nickte zustimmend, während Cecilia seltsam still wurde.

„Cilia?“, fragte Theresa.

Maizie glaubte, den Grund für Cecilias ungewöhnliches Schweigen zu kennen. Sie war sehr stolz auf ihre Intuition, denn sie hatte meistens recht. „Denkst du an etwas Bestimmtes, Cilia?“, fragte sie.

Cecilia blinzelte, als ob sie vollkommen abwesend gewesen wäre.

„Vielleicht“, sagte sie. „Eine der Frauen, die für mich arbeiten, Olga, hat mir kürzlich von ihrem Nachbarn erzählt. Genauer gesagt, hat sie ein Geständnis gemacht.“

„Was ist denn mit dem Mann?“, fragte Theresa irritiert.

„Welche Art von Geständnis hat Olga denn gemacht?“, präzisierte Maizie.

„Sie hat mir erzählt, dass sie dem jungen Mann angeboten hat, ihm kostenlos die Wohnung zu putzen, weil er sonst im Chaos versinkt. Das wollte sie mir nicht verheimlichen. Ich sollte nicht denken, sie wolle mich betrügen.“

Theresa blickte noch immer nicht ganz durch. „Aber warum denn kostenlos? Hat er ihr einen Gefallen getan, und sie will sich revanchieren?“

Cecilia zuckte die Achseln. „Sie hat mir erzählt, dass der junge Mann ihr leidtut. Er ist Kriminalpolizist, und jetzt ist er überraschend Vormund für seine zehnjährige Nichte geworden.“

Maizie horchte auf. „Wie kam das denn?“

„Vor ein paar Monaten gab es doch dieses schreckliche Lawinenunglück“, erzählte Cecilia. „Sein Bruder und seine Schwägerin, die Eltern des Mädchens, sind darin umgekommen. Sie waren mit ihren Skiern unterwegs und wurden verschüttet, und als die Rettungsmannschaften endlich durchkamen, waren sie schon tot. Anscheinend gibt es niemanden sonst in der Familie, der sich um die Kleine kümmern kann.“

Theresa machte eine mitfühlende Miene. „Scheint ein sehr netter Mann zu sein.“„Ein Mann, der etwas Unterstützung gebrauchen könnte“, fügte Maizie nachdenklich hinzu. Dann setzte sie ihre Brille ab und blickte entschlossen in die Runde. „Meine Damen, es gibt Arbeit für uns.“

„Aber ich brauche keinen Babysitter mehr“, protestierte Heather Benteen.

„Ich habe dir doch gesagt, Kleines, Olga ist kein Babysitter“, erwiderte Colin Benteen geduldig. Er kannte seine Nichte seit ihrer Geburt und liebte sie heiß und innig. Allerdings war die Rolle als Onkel und Freund wesentlich einfacher für ihn gewesen. Seit er ihr beide Elternteile ersetzen sollte, war es ziemlich kompliziert geworden. „Wenn du sie unbedingt benennen musst, sag halt Mädchensitter.“

„So jemanden brauche ich auch nicht“, gab Heather prompt zurück. „Ich komme von der Schule nach Hause, esse was und mache meine Hausaufgaben. Was ist denn dabei?“ Sie warf ihrem Onkel einen misstrauischen Blick zu. „Du traust mir nicht, oder?“

„Natürlich traue ich dir“, erklärte Colin emphatisch.

Heather stemmte ihre Fäuste in die Hüften. „Also, wo ist das Problem?“

„Das Problem ist“, sagte Colin leise und eindringlich, „dass ich nicht möchte, dass du hier alleine bist. Dann würde ich mir ständig Sorgen machen.“

Heather war noch nicht überzeugt. „Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen, Onkel Colin.“

„Tue ich aber. Und jetzt keine Einwände mehr.“ Liebevoll zog er an ihren dicken Zöpfen. „Komm, sei ein Schatz. Olga hat angeboten, nachmittags hier zu sein und so lange zu bleiben, bis ich nach Hause komme.“

So schnell gab Heather nicht auf. „Ich mag es nicht, wenn jemand mich bespitzelt.“

Colin holte seine Pistole aus dem Minitresor auf seinem Bücherregal, wo er sie abends, wenn er nach Hause kam, immer deponierte. „Ich habe eine Idee“, sagte er. „Du machst keine dummen Sachen und bist ganz brav. Das wird sie so langweilen, dass sie dich in Ruhe lässt.“

„Darum geht es doch gar nicht“, murrte die Zehnjährige.

Colin hatte keine Lust, sich auf eine lange philosophische Diskussion mit seiner Nichte einzulassen. Sie musste zur Schule und er zur Arbeit.

„Hör mal, ich will nicht, dass du alleine zu Hause bist, okay? Also wird Olga hier sein, wenn ich weg bin. Das hat doch in der letzten Zeit gut geklappt. Und jetzt Ende der Diskussion.“

„Eine ziemlich einseitige Diskussion.“ Heathers Miene zeigte deutlich, dass sie mit dem Resultat nicht einverstanden war.

Colin schüttelte lachend den Kopf, dann stieß er einen resignierten Seufzer aus. „Ich bin nun mal verantwortlich für dich, Kleines. Und ich habe schließlich noch nie ein Kind großgezogen, das ist nämlich gar nicht so einfach.“

Der mürrische Ausdruck in Heathers Gesicht machte einem Lächeln Platz. Sie umarmte ihren Onkel zum Zeichen, dass sie verstand, was in ihm vorging. „Wir werden es schon schaffen, Onkel Colin.“

„Ja, das werden wir.“ Er deutete auf Heathers Schulranzen und öffnete die Wohnungstür. „Wir müssen los.“

Mit einem theatralischen Seufzer folgte die Zehnjährige ihrem Onkel nach draußen und lief durch den kleinen Garten vor Colins Erdgeschosswohnung zum Auto.

Eine knappe Stunde später raste Colin mit seinem Wagen hinter einem Einbrecher her, der aus einer Villa im Nobelviertel von Bedford ein Gemälde gestohlen hatte.

Auf dem Rückweg von Heathers Schule hatte er die Funkmeldung bekommen. Normalerweise fuhr er eine andere Strecke, aber seit seine Nichte bei ihm wohnte, musste er morgens drei Meilen Umweg fahren, um sie an der Schule abzuliefern. Und so war er zufällig in den Fluchtweg des Kunstdiebs geraten.

Als er an der Ampel anhalten musste, hatte er neben sich einen Wagen gesehen, auf den die Beschreibung passte, die er vom Polizeirevier bekommen hatte. Er drückte die Taste des Funkgeräts. „Hallo Zentrale, ich sehe das vermutliche Tatauto und nehme die Verfolgung auf.“

Irgendwie fand er solche Verfolgungsjagden aufregend, doch gleichzeitig hasste er sie, denn man wusste nie, wie die Sache ausging. Da Colin kein Polizeiauto fuhr, bekam der Einbrecher möglicherweise gar nicht mit, dass er verfolgt wurde. Trotzdem raste der Mann, als sei der Teufel hinter ihm her.

Nach einer kurzen Fahrt mit einigen gefährlichen Manövern fuhr der Dieb in eine Lagerhalle. Hatte er vielleicht doch gemerkt, dass er verfolgt wurde, und wollte auf diese Weise dem Verfolger entkommen?

„Das wird dir nicht gelingen“, murmelte Colin, während er ebenfalls in die Lagerhalle abbog.

Der Mann machte es ihm wirklich leicht, denn er stellte sein Auto in einer Ecke ab, sodass Colin seinen Wagen nur schräg dahinter zu stellen brauchte, um eine erneute Flucht zu verhindern. Colin sah den Mann noch aussteigen und mit dem Gemälde unter dem Arm losspurten. Spätestens jetzt war klar, dass er seinen Verfolger bemerkt hatte.

Colin nahm die Verfolgung auf, wobei er sich zu seiner guten Kondition gratulierte. Die vielen Stunden im Fitnessstudio hatten sich definitiv gelohnt. Es dauerte nicht lange, da entdeckte er den Dieb in einem Mietcontainer, in dem noch andere Gemälde lagerten. Vermutlich alle gestohlen.

„Na, das wird dir ein paar Jährchen einbringen“, sagte Colin, während er die Handschellen zuschnappen ließ.

Panik machte sich im Gesicht des Mannes breit. „Sie müssen mir erst mal beweisen, dass ich die Bilder gestohlen habe.“

„Was gibt es da zu beweisen? Die Sache ist ja wohl klar“, konterte Colin.

Widerstrebend ließ der Einbrecher sich auf den Rücksitz des Polizeiwagens schieben. „Das ist alles ganz anders, als Sie denken.“

Spielte der Mann darauf an, dass er einen Drahtzieher hinter sich hatte, dass er nur der Handlanger war?

„Darüber wird das Gericht entscheiden.“

Colin rief in der Zentrale an und veranlasste die Abholung der Gemälde. Für die bestohlenen Kunstliebhaber war es sicher ein Freudentag. Zwar würden sie ihre Kunstwerke nicht sofort zurückbekommen, da sie noch als Beweismittel dienen mussten, aber wenigstens wussten die Leute, dass ihre Bilder nun in Sicherheit waren.

Während Colin mit seinen Kollegen telefonierte, sah er auf die Uhr. Erst halb zehn, stellte er fest. Montagmorgen. Ein erfolgreicher Beginn der neuen Woche.

2. KAPITEL

Maizie gab viel auf das Schicksal. Trotzdem lehnte sie sich nicht entspannt zurück und wartete darauf, dass das Schicksal schon all die vielen kleinen Dinge erledigen würde, die nötig waren, um ein Ziel zu erreichen. Da musste sie schon etwas nachhelfen.

Deshalb rief sie an diesem Montagmorgen Edward Blake an, ein alter Freund ihres verstorbenen Mannes und außerdem ein neuer Kunde von Theresa. Sie hatte ihm Theresas Cateringservice empfohlen, um die Hochzeit seiner Tochter Sophia auszurichten.

Das konnte Maizie nun als Aufhänger für ihren Anruf beim Intendanten des lokalen Nachrichtensenders verwenden.

Noch etwas hatte sie zu ihrem Anruf angeregt, nämlich eine Nachricht, die sie heute Morgen auf dem Weg in ihr Büro im Autoradio gehört hatte. Die Gelegenheit war einfach zu gut, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen. Ein Wink des Schicksals, davon war Maizie überzeugt.

„Edward“, rief sie fröhlich ins Telefon, als Edward Blake sich meldete. „Maizie Sommers hier.“

Es entstand eine kurze Pause, dann schien es ihm einzufallen. „Maizie, natürlich, wie geht es dir?“

„Danke, gut“, sagte sie im Plauderton, als ob sie alle Zeit der Welt hätte und nicht auf heißen Kohlen sitzen würde. „Ich wollte nur mal nachfragen, wie es unseren Flitterwöchnern geht.“

„Oh, gut, gut“, antwortete Blake mit seinem dröhnenden Bariton. „Aber noch suchen sie kein Haus.“ Anscheinend vermutete er, dies sei der Grund für Maizies Anruf.

„Nein, das habe ich auch nicht angenommen“, erwiderte Maizie lachend. „Warum sollen sie sich gleich mit Verträgen und Kreditkonditionen abgeben?“ Sie holte kurz Luft, bevor sie zur Sache kam. „Nein, ich wollte dich um einen Gefallen bitten, Edward.“

Sie kannten sich vom College, Maizie, ihr verstorbener Mann und Edward. Gemeinsam hatten sie sich durch das Examen gekämpft. „Schieß los.“

„Diese Reporterin, die für dich arbeitet, Elliana King“, begann Maizie und machte eine bedeutungsvolle Pause.

„Ja, großartiges Mädchen, die beste Mitarbeiterin, die ich je hatte.“ Aus Edwards Stimme klang deutlich seine Sympathie. „Was ist mit ihr?“

„Ich habe gerade im Radio von einer Geschichte gehört, die deine Zuschauer interessieren könnte. Ich dachte, du könntest diese Elliana King mal dorthin schicken.“

„Worum geht’s denn?“, fragte er interessiert.