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Die Krankheit ihres geliebten Vaters bringt Rachel an die Grenzen ihrer Kraft. Als der umwerfende Wyatt unerwartet in ihr Leben tritt, glaubt sie, dass sie keine Zeit für ihn hat. Sie ahnt nicht, wer hinter Wyatt steckt: Dad, der seine Tochter endlich wieder lächeln sehen will …
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Seitenzahl: 173
IMPRESSUM
Merci, mein Liebling erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2021 by Marie Rydzynski-Ferrarella Originaltitel: „The Late Bloomer’s Road to Love“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 110 Übersetzung: Stefanie Rose
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Roman Rybalko / Getty Images
Veröffentlicht im ePub Format in 08/2023
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751522083
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Ihr Nacken brachte sie fast um. Ich hab’s schon wieder getan, dachte Rachel mit einem müden Seufzen, während sie sich im Stuhl aufrichtete und ihren Nacken massierte. Jeder einzelne Knochen in ihrem Körper protestierte. Und zwar nicht gerade leise.
Sie hatte sich immer und immer wieder geschworen, es nicht mehr zu tun – und doch war sie am Computer eingeschlafen. Schon wieder.
Geschieht mir ganz recht, dachte sie mit einem zweiten tiefen Seufzer.
Gestern hatte sie gefühlt anderthalb Tage im Vesuvius, dem Restaurant ihres Vaters, gearbeitet und sich dann, anstatt sich wie jeder andere vernünftige Mensch hundemüde und mit schmerzenden Gliedern ins Bett zu legen, an den Computer gesetzt, um nur noch „eben schnell“ etwas in den Notizen nachzuschauen, die sie sich zu einer der Lektionen ihres Fernstudiums gemacht hatte. Nur dass sie sich dann „nur noch ganz kurz“ in das Live-Webinar ihres Kurses geschaltet hatte und dann … Na ja, dann war sie aufgewacht – mit dem Kopf auf der Tastatur, die sich als extrem unbequemes Kissen erwies.
Traurigerweise war ihr das nicht zum ersten Mal passiert.
Rachel seufzte erneut und streckte sich, um so gut es ging ihren Nacken und die Wirbelsäule zu lockern. Sich jetzt Vorwürfe zu machen brachte auch nichts. Dafür hatte sie außerdem gar keine Zeit.
Sie blickte auf die Uhr und tappte ins Bad. Ihr blieb noch eine Stunde, um zu duschen, sich anzuziehen und ins Restaurant zu fahren. Zeit, sich zu einem neuen Tag aufzuraffen – und auf die Familienfeier der Raffertys vorzubereiten, die heute Abend dort stattfinden sollte. Wenn sie sich nicht zusammenriss, würde sie aus der Tretmühle fallen, die ihr Leben gerade darstellte, und dann noch mehr mit allem in Rückstand geraten.
Nicht gut.
Rachel gönnte sich eine ihrer berüchtigten Fünf-Minuten-Duschen – inklusive Anziehen und Haaretrocknen. In kürzester Zeit war sie auf dem Weg nach unten in die Küche. Ihr Verstand gab sein Bestes, bei diesem absurden Tempo mitzuhalten.
Schon auf der Treppe stieg ihr der verführerische Duft von Eiern mit Speck in die Nase. Offenbar war ihr Vater noch früher dran als sie – wieder einmal. Zugegeben, diesen herrlichen Duft hatte sie in den langen Monaten seiner Genesung vermisst. Doch so sehr sie sich auch freute, dass er langsam zu seiner alten Form zurückfand, machte sie sich auch Sorgen, dass er sich übernehmen könnte und womöglich einen zweiten Herzinfarkt bekam.
Daran wollte sie lieber gar nicht denken. Es war schlimm genug, dass ihre Mutter bereits vor vielen Jahren gestorben war. Auch noch ihren Vater zu verlieren war ein zu schrecklicher Gedanke.
Als sie in die Küche kam, fand sie ihn komplett angezogen und bester Laune am Herd vor. Sein Timing war fantastisch – er hatte das Frühstück auf zwei Tellern angerichtet, bevor sie den Esstisch erreicht hatte.
Er sah so gut aus wie früher. Vielleicht ein wenig zu energiegeladen, dachte sie, als sie ihn näher betrachtete. Was hatte er nun wieder vor?
„Das riecht herrlich“, sagte sie, trug ihren Teller zum Tisch und setzte sich. „Und sieht auch gut aus.“
Wenn sie ihm anbot, ihm zu helfen, würde er das kategorisch ablehnen und sogar beleidigt sein. So war jeder Tag ein Drahtseilakt.
„Genau wie du“, fügte sie hinzu. „Vielleicht ein wenig zu gut?“
„Danke“, erwiderte George. „Ich denke aber nicht, dass ein Mann je zu gut aussehen könnte.“
Sie blickte ihn direkt an. „Oh doch, wenn seine einzige tägliche Aufgabe darin besteht, zu Hause abzuhängen und sich nicht zu überanstrengen.“
„Ach so, ja nun – da haben wir vielleicht ein Problem“, erwiderte George, während er sich gegenüber von Rachel an dem kleinen Küchentisch niederließ.
Sofort in Alarmbereitschaft, hob Rachel die Augenbrauen.
„Dad, du hast nicht wirklich vor, was ich denke?“, fragte sie scharf, obwohl sie vermutlich die Antwort schon kannte.
„Das kommt darauf an“, erwiderte er unschuldig, wobei er ihrem Blick auswich. „Was denkst du denn, was ich vorhabe?“
„Dad.“ Ihre Stimme nahm einen warnenden Unterton an.
George seufzte. Er wusste ganz genau, wann ihr Geduldsfaden zu reißen drohte. „Na schön, ich habe vor, heute den Tag in meinem Restaurant zu verbringen. Den ganzen Tag, wenn es recht ist. Und eine gewisse Spaßbremse es nicht verhindert.“
„Dad, darüber haben wir doch schon gesprochen.“ Rachel versuchte, ihre Ungeduld zu zügeln. Sie verstand ja, wie es in ihm aussah, aber sie wollte auch nicht, dass er ein unnötiges Risiko einging. Noch immer hatte er nicht auf den Rat seines Arztes gehört und sich einen Physiotherapeuten gesucht. Oder besser gesagt – er hatte schon welche gesucht, aber bis jetzt mit keiner der Therapeutinnen, die mit ihm gearbeitet hatten, einen Folgetermin vereinbart.
So langsam beschlich sie der Verdacht, dass es ihrem Vater noch längst nicht so gut ging, wie er sie glauben lassen wollte.
„Immer und immer wieder“, erwiderte George müde. „Wie könnte ich das vergessen?“
Rachel presste die Lippen aufeinander. Sie respektierte ihren Vater, auch wenn er sich manchmal wie ein kleiner Junge benahm. Ständig versuchte er, Problemen einfach aus dem Weg zu gehen, und schuf dabei nur neue.
„Und zu welchem Schluss sind wir gekommen?“, fragte Rachel erwartungsvoll.
George lächelte seine Tochter nachgiebig an. „Na ja, falls du es noch nicht gemerkt hast – vielleicht bist du hier diejenige, die viel zu viel arbeitet.“
Rachel atmete tief durch. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass du nicht im Restaurant arbeitest, solange du nicht die Physiotherapie machst, die der Arzt dir verordnet hat. Du kannst vorbeikommen, um einen Happen zu essen oder den Angestellten Hallo zu sagen, aber das ist auch alles.“
Er hatte schon ein paarmal versucht, sich ins Vesuvius zu schleichen und Aufgaben zu übernehmen, schließlich war er der Chef. Aber er war in einem Alter, in dem andere Männer sich auf die Rente freuten – und vor seinem Herzinfarkt hatte er mehr gearbeitet als je zuvor.
„Ich hatte Physiotherapie“, erklärte George.
Rachel ließ es ihm durchgehen. „Richtig. Und keine deiner Therapeutinnen war dir gut genug. Acht insgesamt bis jetzt, wenn ich mich recht entsinne.“ Als sie sah, dass ihr Vater den Mund öffnete, um zu widersprechen, unterbrach sie ihn. „Weißt du, bevor diese ganze Sache passiert ist, habe ich immer gedacht, du wärst ein umgänglicher Mensch.“
„Ich bin ein umgänglicher Mensch“, beharrte George.
„Das sehen diese Physiotherapeutinnen aber anders.“
Er runzelte die Stirn. „Ich hatte einen Herzinfarkt, Rachel, aber mit meinem Gehirn ist alles in Ordnung. Ich weigere mich, mich behandeln zu lassen wie ein Tattergreis.“
Allein bei dem Gedanken an einige der „Gespräche“ mit den Therapeutinnen platzte ihm offenbar fast die Hutschnur.
„Du bist kein Tattergreis, Dad“, seufzte Rachel. „Vielleicht bist du auch nur ein wenig überempfindlich?“
„Ich bilde mir das doch nicht ein“, erklärte er. Rachel hörte, dass er ebenfalls versuchte, nicht zu aufgebracht zu klingen.
„Das habe ich doch auch gar nicht gesagt.“ Da sie mit dem Frühstück fertig war, stand sie auf. „Pass auf, wir machen es so: Beim Termin mit der nächsten Therapeutin versuche ich, dabei zu sein – falls sich noch mal eine hertraut. Wenn nicht, dann hast du halt Hausarrest. Und dein Arzt wird mich darin unterstützen.“
George seufzte: „Wenn ich jemals wieder für mehr als ein paar Minuten arbeiten möchte, muss ich das wohl.“
Was für eine Dramaqueen ihr Vater sein konnte!
„Ich habe dich mehr als ein paar Minuten im Restaurant arbeiten lassen, Dad“, erinnerte sie ihn.
Wieder seufzte er schwer. „Ich vermisse die Hektik, die täglichen kleinen Herausforderungen. Ich vermisse es zu kochen! Im Sitzen in einer Ecke Servietten zu falten ist nicht gerade das, was ich als Arbeit bezeichnen würde.“
„Tja, so oder gar nicht.“ Rachel griff nach ihrer Handtasche und ihren Unterlagen.
Kopfschüttelnd blickte ihr Vater sie an. „Weißt du, du wirst deiner Mutter jeden Tag ähnlicher.“
Zum Glück wusste sie, dass er das letztendlich als Kompliment meinte, deshalb schenkte sie ihm ein breites Lächeln. „Und deshalb weißt du auch, dass ich recht habe.“
„Darum geht’s doch gar nicht. Und nur zu deiner Information, heute habe ich einen neuen Physiotermin. Also könnte ich jetzt mit in mein Restaurant kommen, und nachher darfst du gern mitkommen und jede Menge Fragen stellen. Abgemacht?“
Skeptisch blickte sie ihn an. Ihr Vater hatte schon öfter Dinge „vergessen“, denen er aus dem Weg gehen wollte, oder Termine „durcheinandergebracht“, wenn er keine Lust auf sie hatte.
„Heute stellt sich jemand vor?“, hakte sie nach.
„Genau“, erwiderte er geduldig. „Heute stellt sich tatsächlich jemand vor.“
„Und wie heißt sie?“
Noch immer war Rachel nicht ganz sicher, ob ihr Vater nicht einfach irgendetwas erfand, um mit ins Restaurant zu dürfen. Und nachher tauchte dann die Neue einfach nicht auf.
„Sie heißt Wyatt Watson“, erwiderte George grinsend.
Überrascht blickte Rachel ihren Vater an. Bisher hatte er nur Physiotherapeutinnen angefragt.
„Der Therapeut ist ein Mann?“
„Na ja, ich dachte mir, dass ich vielleicht auf einen Mann besser ansprechen würde.“
Rachel dachte an die lange Reihe von Therapeutinnen, an denen ihr Vater immer etwas auszusetzen hatte.
„Da ist womöglich etwas dran.“
„Also, abgemacht? Kann ich mitkommen ins Vesuvius?“, fragte er eifrig.
Es brach ihr fast das Herz. Aber sie wusste, dass sie stark bleiben musste.
Sie wollte doch nur sein Bestes und ihn nicht irgendwie kontrollieren.
„Um wie viel Uhr kommt er denn?“
„Kurz vor Mittag.“
So früh schon? Dann würde sie ihn nicht begutachten können.
„Na schön, dann komm heute Nachmittag ins Restaurant, nach deiner Therapiestunde. Aber du musst eine Bestätigung von diesem Wyatt mitbringen, dass du wirklich eine hattest.“
„Du bist echt hart im Verhandeln“, sagte George.
„Ich weiß“, erwiderte sie lächelnd. „Und jetzt muss ich los, um im Vesuvius alles für die Mittagsgäste vorzubereiten.“
„Ich könnte dir helfen.“
Sie drehte sich um und blickte ihn streng an. „Du hilfst mir schon, wenn du deinen neuen Therapeuten nicht gleich nach zwanzig Minuten wieder rauswirfst.“
„Aber nach einer halben Stunde wäre okay?“
Irgendetwas sagte ihr, dass er es nur halb im Scherz meinte.
„Dad“, warnte sie ihn.
George hob entschuldigend die Hände. „Nur Spaß, nur Spaß. Bei diesem hier habe ich wirklich ein gutes Gefühl“, fügte er ernst hinzu.
„Das hoffe ich“, sagte sie müde seufzend. „Denn diesmal kommst du mir nicht davon. Du wirst die ganze Stunde absolvieren und alles tun, was er dir sagt. Und dann auch regelmäßig die Übungen machen, die er dir zeigt.“
„Ja, Ma’am.“ Diesmal klang es so ernst, dass sie ihm fast glaubte.
Aber vielleicht war das auch nur Wunschdenken.
In der Tür blieb sie noch einmal stehen. „Ich nehme dich beim Wort.“
„Damit habe ich gerechnet.“
Sie lächelte ihm noch einmal zu und eilte dann hinaus.
„Ich kann es wirklich kaum fassen, Tante Theresa“, sagte Wyatt zu der Frau, die streng genommen die Cousine seiner Mutter war und nicht ihre Schwester. Sie „Großcousine“ zu nennen klang aber auch seltsam. „Aber ich gebe zu, dass es sich ganz nett anfühlt, wenn meine Mutter zum ersten Mal nicht furchtbar enttäuscht aussieht, wenn sie meinen Beruf erwähnt.“
Theresa lachte. „Deine Mutter hat in ihrer Jugend zu viele Arztserien gesehen. Und ich glaube, sie war in den einen oder anderen Schauspieler in den Hauptrollen verknallt.“ Sie lächelte und tätschelte seine Hand. „Ich bin sicher, sie ist sehr stolz darauf, dass du Physiotherapeut geworden bist.“
„Da bist du aber die Einzige“, erwiderte er. „Denn wenn sie wirklich stolz ist, hat sie das bisher sehr gut verbergen können.“ Als er sah, dass Theresa ihm widersprechen wollte, fügte er schnell hinzu: „Schon okay. Ich bekomme meine Wertschätzung von meinen Patienten.“
Theresa hantierte in der Küche ihrer Cateringfirma, und Wyatt sah ihr aus respektvollem Abstand zu. „Wie bist du eigentlich an den Namen des Patienten gekommen, dessen ich mich annehmen soll?“
„Das ist eine lange Geschichte, mein Lieber“, antwortete sie lächelnd und schaute nach dem Kuchen im Ofen. „Er ist ein Freund von Maizie, und als ich hörte, dass er einen guten Physiotherapeuten braucht, habe ich sofort an dich gedacht. Ich hoffe, das ist in Ordnung?“
„In Ordnung? Das ist großartig. Ich weiß nicht, ob du es schon gehört hast, aber ich habe mich vor Kurzem mit meiner eigenen Praxis selbstständig gemacht. So, wie ich es schon immer wollte.“
„Klingt ehrgeizig“, erwiderte Theresa warm lächelnd.
„Eher praktisch“, stellte er klar. „Einen Chef zu haben, der einem ständig über die Schulter schaut, war gut und schön, solange ich in der Ausbildung und den ersten Jahren war. Aber inzwischen weiß ich ganz genau, was ich tue, und wenn der Chef einen bei der Arbeit anzweifelt oder kritisiert, untergräbt das auch das Vertrauen der Patienten. Auch wenn’s arrogant klingt, ich wusste, dass ich das Richtige tue. Ständig überwacht zu werden hat mich daran gehindert, zu meinen Patienten eine Beziehung aufzubauen.“
Der Duft des Kuchens, den Theresa aus dem Ofen zog, stieg ihm in die Nase und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Theresa nickte. „Und natürlich hattest du am Ende recht“, sagte sie mit Gewissheit. „Wie schön, dass du jetzt dein eigener Herr bist.“
Sie zog ein gefaltetes Stück Papier aus der Tasche und reichte es Wyatt. „Hier ist die Adresse. Ich hatte gehofft, dass du sofort hinfahren kannst.“
„Warum die Eile?“, fragte Wyatt mit einem Blick auf die Adresse. Er kannte die Gegend.
„Ist dieser George Fenelli durch seine Probleme stark eingeschränkt?“
Theresa warf ihm einen Blick über die Schulter zu. „Tatsächlich geht es mehr um seine Tochter.“
Wyatt runzelte die Stirn. „Das musst du bitte erklären.“
„Nun ja, sie hat nur noch ihren Vater, George. Als ich dich angerufen habe, habe ich ja schon erwähnt, dass er vor zwei Jahren einen Herzinfarkt hatte. Er ist ein Workaholic – und sein Arzt wollte, dass er sich einer guten Physiotherapie unterzieht, bevor er wieder arbeiten geht.“
Sie hielt in ihrer Arbeit inne und drehte sich zu Wyatt um. „Jedenfalls war George nicht besonders einsichtig. Er hat acht Therapeutinnen noch während der ersten Stunde gefeuert, und jetzt hat Rachel ihn dazu verdonnert, erst die Therapie abzuschließen, bevor sie ihn wieder ins Restaurant lässt. Sie ist überzeugt davon, dass er den Herzinfarkt nur hatte, weil er so viel gearbeitet hat.“ Theresa lächelte entschuldigend. „Vermutlich wird sie dich auf Herz und Nieren prüfen, um sicherzugehen, dass ihr Vater nicht wieder irgendeinen fadenscheinigen Grund findet, dich loszuwerden. Wenn sie dich mag, hast du den Job so gut wie sicher.“
Wyatt grinste. „Mich wird man nicht so schnell los.“
„Das hoffe ich. Kann ich dir noch was zu essen anbieten, bevor ich dich in dieses Abenteuer schicke?“
„Das ist nicht nötig“, protestierte er, obwohl er durchaus in Versuchung war.
„Für dich vielleicht nicht. Aber für mich sieht die Sache anders aus. Ich werde ein viel weniger schlechtes Gewissen haben, wenn ich dich wenigstens mit vollem Magen losschicke.“
Nun ja, zwingen musste sie ihn nicht. „Ich würde doch niemals einer so charmanten Frau widersprechen.“
Sie lächelte breit. „Sie wird dich mögen, Wyatt Watson. Sie wird dich definitiv mögen. Komm. Folge mir dahin, wo meine Träume Wirklichkeit werden.“
„Träume?“
„Träume“, wiederholte Theresa. Sie war stolz darauf, all ihre Gerichte selbst zu kreieren. „Offensichtlich müssen wir beide uns noch viel besser kennenlernen.“
„Darauf freue ich mich“, erwiderte er lächelnd und folgte ihr dorthin, wo Theresas Träume Wirklichkeit wurden.
Rachel seufzte und blickte sich ein letztes Mal im Restaurant um, um sicherzugehen, dass sie nichts vergessen hatte, bevor sie nach Hause hetzte. Dieser Tage lief sie ständig der Zeit hinterher. Sie hatte immer fest daran geglaubt, dass ihr Vater wieder auf die Beine kommen würde, aber bis dahin blieb eben alles an ihr hängen.
Sie hatte beschlossen, diesen Wyatt zu überraschen, während er mit ihrem Vater arbeitete. So rechnete er nicht mit ihr, und sie konnte mit eigenen Augen sehen, ob er wirklich gut war.
Doch wie immer hatten die Dinge im Vesuvius mehr Zeit in Anspruch genommen als geplant, und statt sich um elf auf den Weg zu machen, war sie um zwölf immer noch dabei, sich um Dinge zu kümmern, die dringend erledigt werden mussten.
„Okay, du hast die Verantwortung“, sagte sie zu Johanna Donnelly.
Johannas Ehemann, ein Soldat, war vor vielen Jahren im Einsatz ums Leben gekommen, und Rachels Vater hatte sie eingestellt, obwohl sie keinerlei Erfahrung im Restaurantgeschäft hatte. Sie tat ihr Bestes, um ihn seine Entscheidung nicht bereuen zu lassen, war unglaublich loyal und immer zu Überstunden bereit. Inzwischen war sie die stellvertretende Restaurantleiterin, und für Rachel, die Johanna praktisch von klein auf kannte, war sie mehr ein Familienmitglied als eine Angestellte.
Johanna lächelte. „Ja, ich weiß. Wir haben alles besprochen. Zwei Mal. Lauf jetzt und schau dir diesen Therapeuten an. Und stell vor allem sicher, dass dein Dad dich nicht veralbert hat.“
Rachel nickte. Johanna kannte George genauso gut wie sie und wusste, dass er alles tun würde, um in dem Restaurant, das er einst mit seiner Frau zusammen eröffnet hatte, wieder das Ruder zu übernehmen.
„Okay, ich bin weg“, sagte Rachel, ging zur Tür und drehte sich um. „Oh …“
„Nein, kein Oh“, erwiderte Johanna und schob sie sanft hinaus. „Geh.“
„Okay, okay, bin ja schon weg.“
„Dann hast du sicher nichts dagegen, wenn ich dich zum Parkplatz begleite“, erwiderte Johanna, ohne sie loszulassen.
„Vertraust du mir nicht?“
„Rachel …“ Die ältere Frau blickte sie liebevoll an. „Ich kenne dich einfach zu gut. Du lässt dich gern von Dingen vereinnahmen. Und wenn du jetzt auf dem Weg nach draußen irgendwas siehst … Aber keine Angst, hier ist alles unter Kontrolle. Viel wichtiger ist, dass dieser Therapeut wirklich existiert und dein Vater seine Therapie mit ihm macht.“
„Du hast ja recht.“ Rachel blickte auf die Uhr und riss die Augen auf, als sie sah, wie spät es war. „Oh Gott, wo ist die Zeit geblieben?“
Johanna lachte. „Tja, auch deine Stunden haben nur sechzig Minuten.“
Tatsächlich begleitete Johanna sie nicht nur auf den Parkplatz, sondern bis zu ihrem gebraucht gekauften Sportwagen.
„Du kannst jetzt wieder reingehen, weißt du, du musst nicht zuschauen, wie ich losfahre.“
„Weiß ich.“ Dennoch blieb Johanna mit vor der Brust verschränkten Armen stehen, bis Rachel tatsächlich eingestiegen war und vom Parkplatz fuhr.
Sobald sie auf der Straße war, stieg Rachel kräftig aufs Gaspedal. Johanna hatte ja recht. Wenn sie nicht durchgegriffen hätte, wäre Rachel jetzt immer noch im Restaurant, um die Punkte einer Liste abzuarbeiten, die sie ständig im Kopf hatte. Sie wusste einfach, wie viel das Restaurant ihrem Vater bedeutete, und sie wollte es ihm im Bestzustand übergeben, wenn er wieder ganz gesund war.
Rachel atmete scharf ein und trat auf die Bremse, um an einer Ampel zu stoppen. Fast wäre sie bei Rot drübergefahren. Mit aufeinandergepressten Lippen hielt sie sich innerlich eine Standpauke. Sie durfte sich nicht so ablenken lassen. Der Herzinfarkt ihres Vaters war ein großer Schreck gewesen, aber er war auf dem Weg der Besserung. Wenn sie nur sicherstellte, dass er die Anweisungen seines Arztes befolgte und sich vor allem nicht zu früh wieder Stress aussetzte. Erst wenn er ganz wiederhergestellt oder sogar besser in Form war als früher, würde sie ihn im Restaurant mitarbeiten lassen.
Dank ihrer rasanten Fahrweise und einigen Ampeln, die sie bei dunkelgelb überfuhr, schaffte sie den Weg nach Hause in elf Minuten statt der achtzehn, die sie sonst brauchte. Sie bog gerade in die Einfahrt ein, als sie im letzten Moment sah, dass dort schon ein kleiner, poppig metallicblauer Sportwagen stand. Sie stieg voll auf die Bremse und blieb nur Zentimeter vor dessen Stoßstange stehen.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals und sie umklammerte mit feuchten Händen das Lenkrad.
Das war knapp, dachte sie. Die Erleichterung wurde schnell von heiligem Zorn verdrängt. Was für ein Idiot! Das war bestimmt das Auto des Therapeuten. Wie dumm musste man sein, so zu parken? Er stand ja praktisch direkt vor der Haustür!