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AMOR TRÄGT EIN ROSA KLEIDCHEN von MARIE FERRARELLA Ginny will endlich eine Mami! Und sie weiß genau, wie die sein soll: Lieb wie die junge Köchin Danni. Daddy zum Lachen bringen wie Danni. Ihn küssen – so wie Danni. Auch wenn Ginny erst vier ist, kann sie eins und eins zusammenzählen … WIE VERKUPPELT MAN EINE FAMILIE? von JENNIFER GREENE "Lass uns die Kinder tauschen!", schlägt Tucker vor. Garnet stimmt zu. Schließlich braucht ihr Stubenhocker Pete Nachhilfe in "Männer-Sachen", und für Tuckers schüchternen Paul wäre weiblicher Einfluss ein Segen. Die Jungs sind begeistert von der neuen "Familie", und Gale und Tucker kommen einander immer näher. Allerdings noch nicht nah genug, finden Pete und Paul. Ein Gewitter in den Bergen hilft dem Schicksal auf die Sprünge … EINFACH ZUM VERLIEBEN, DIESE FAMILIE! von CHRISTY JEFFRIES Seine achtjährigen Zwillinge halten Witwer Luke Gregson ziemlich auf Trab. Ihr jüngster Coup: Sie haben heimlich eine neue Mommy ausgesucht! Zwar fühlt Luke sich ohne es zu wollen tatsächlich zu Carmen hingezogen. Aber ist er überhaupt schon bereit für eine neue Beziehung?
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Seitenzahl: 547
Cover
Titel
Inhalt
Amor trägt ein rosa Kleidchen
Cover
Titel
Impressum
PROLOG
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
Wie verkuppelt man eine Familie?
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
EPILOG
Einfach zum Verlieben, diese Familie!
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Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
EPILOG
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Contents
IMPRESSUM
Amor trägt ein rosa Kleidchen erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2013 by Marie Rydzynski-Ferrarella Originaltitel: „Wish upon a Matchmaker“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA , Band 21 Übersetzung: Valeska Schorling
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Roman Rybalko / Getty Images
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2023
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783751521949
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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„Bist du die Frau, die Mommies findet?“, riss ein hohes Stimmchen Maizie Sommers aus ihren Gedanken.
In der letzten halben Stunde war die erfolgreiche Immobilienmaklerin damit beschäftigt gewesen, eine Verkaufsanzeige für ihre Website zu entwerfen. Die richtigen Worte für das zwanzig Jahre alte Ranchhaus zu finden, war eine ziemliche Herausforderung, sodass sie auch nur mit halbem Ohr hingehört hatte, als die Tür zu ihrem Maklerbüro auf- und wieder zugegangen war. Ein Teil von ihr hatte sogar geglaubt, sich das nur eingebildet zu haben.
Zumal sie hochgeblickt und niemanden hatte reinkommen sehen.
Aus gutem Grund, wie sich jetzt herausstellte: Der Mensch, der ihr Maklerbüro betreten hatte, war nämlich nur etwa halb so groß wie ein Erwachsener.
Maizie sah sich verwirrt um und beugte sich über ihren Schreibtisch. Ein kleines Mädchen stand auf Zehenspitzen davor und hatte die Fingerchen an die Schreibtischkante gepresst.
Maizie legte ihren Kugelschreiber hin und lächelte dem Kind freundlich zu. Es musste etwa vier Jahre alt sein, vielleicht auch fünf. Es war schmal, rotblond, sah aus wie ein Püppchen und hatte erstaunlich wache blaue Augen. In zwölf Jahren würde die Kleine den Männern bestimmt den Kopf verdrehen. „Hallo.“
Das Mädchen nickte, dass die Locken flogen. „Hallo“, erwiderte es den Gruß höflich, schien jedoch endlich zur Sache kommen zu wollen.
Zweifellos, hier stand ein weibliches Wesen mit einer Mission.
„Bist du die Frau, die Mommies findet?“, wiederholte das Kind. „Mein Freund Greg hat gesagt, du hast eine für seinen Dad gefunden, und sie ist wirklich nett, und jetzt sind sie alle ganz glücklich.“
Maizie vergaß nie einen Namen, schon gar nicht den eines Kindes. Die Kleine sprach anscheinend von Greg Muldare, Micah Muldares Sohn. Dessen Tante Sheila war vor einiger Zeit bei Maizie vorbeigekommen und hatte darüber geklagt, dass ihr verwitweter Neffe völlig vereinsamt sei. Daraufhin hatten Maizie und ihre zwei besten Freundinnen einen Plan ausgeheckt, wie sie den Vater zweier Jungen mit einer intelligenten dynamischen Anwältin namens Tracy Ryan zusammenbringen konnten. Die Anwältin hatte erst Micahs juristische Probleme gelöst und war schließlich Mrs Micah Muldare geworden.
Unser Talent spricht sich immer schneller herum, stellte Maizie zufrieden lächelnd fest.
„Was ist denn mit deiner Mommy passiert?“, erkundigte Maizie sich freundlich, während sie sich fragte, was das Mädchen hier so ganz allein machte. War es womöglich von zu Hause weggelaufen, um Maizie einen Besuch abzustatten?
„Meine Mommy ist gestorben“, antwortete die Kleine und verzog bekümmert das Gesichtchen. „Ich erinnere mich nicht mehr an sie, aber Daddy schon, und dann wird er immer ganz traurig. Ich will, dass Daddy genauso glücklich wird wie Gregs Daddy.“ Eifrig fügt sie hinzu: „Kannst du eine Mommy für ihn finden? Und mach sie hübsch, denn er will nur eine, die so hübsch ist wie ich. Deshalb ist er gerade mit Elizabeth zusammen.“ Das Mädchen verzog das Gesicht. „Sie ist hübsch, aber sie ist keine Mommy, nur eine Frau.“ Die Kleine reckte sich noch höher und flüsterte Maizie vertraulich zu: „Ich glaube, sie mag keine Kinder.“
Bevor Maizie sich von dieser Bemerkung erholen konnte, ging die Tür ihres Maklerbüros ein zweites Mal innerhalb von weniger als fünf Minuten auf.
Maizies Ruf war hervorragend und die Lage ihres Büros so zentral, dass immer wieder Passanten bei ihr reinschneiten. Ihre beiden Angestellten waren gerade unterwegs, um Kunden Häuser zu zeigen. Maizie selbst hatte in der nächsten Stunde keinen Termin, wollte jedoch Mittag essen gehen – sobald sie mit dem Entwurf ihrer Anzeige fertig war. Dieser interessante Zwischenfall hier verdrängte jedoch ihren Hunger. Ihre Mundwinkel zuckten belustigt. Schade, dass sie gerade unterbrochen wurden von dieser völlig aufgelösten blonden Frau, die hereinstürmte und schnurstracks auf die Kleine zulief. „Virginia Ann Scarborough, willst du etwa, dass ich einen Herzinfarkt bekomme?“ Sie fiel auf die Knie und umarmte die Kleine mit einer Mischung aus Erleichterung und Panik.
„Nein“, erwiderte die Kleine zerknirscht. Ihr gequälter Gesichtsausdruck verriet Maizie, dass ihr die Umarmung etwas unangenehm war. Offensichtlich hatte sie im Gegensatz zu der Frau überhaupt keine Angst gehabt. „Ich versuche gerade, eine Mommy für Daddy zu finden“, erklärte sie, als rechtfertige das alles.
Die Frau hielt die Kleine ein Stück von sich weg und musterte sie eingehend, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging, bevor sie aufstand und sich zu Maizie umdrehte. „Das Ganze tut mir schrecklich leid“, entschuldigte sie sich. „Ich hoffe, meine Nichte hat nichts kaputt gemacht?“
„Dafür bin ich doch noch gar nicht lange genug hier drin, Tante Virginia!“, protestierte die Kleine empört.
Maizie stand verwirrt auf. „Sind Sie der Vormund?“, fragte sie die Frau und nickte in Richtung des Mädchens.
„Nein, die Tante.“ Halb verärgert, halb liebevoll sah die Frau das kleine Mädchen an. „Ihre leidende Tante. Ich schwöre dir, Ginny, wenn du nicht nach mir benannt wärst …“ Sie griff nach Ginnys Hand und lächelte Maizie nochmals entschuldigend zu. Es war offensichtlich, dass sie jetzt mit ihrer Nichte das Büro verlassen wollte. „Das hier tut mir schrecklich leid …“
„Nein, bitte warten Sie“, unterbrach Maizie sie freundlich. „Sie sehen noch etwas durcheinander aus. Ich mache Ihnen eine hübsche Tasse Tee.“ Sie blickte hinunter zu Ginny. „Und für dich habe ich ein Glas Limonade, wenn du willst.“
„Ja, bitte“, erwiderte Ginny wenig begeistert.
„Nein, wirklich, wir haben Ihnen schon genug Ärger gemacht“, protestierte Virginia.
„Unsinn. Sie machen mir überhaupt keinen Ärger, und ehrlich gesagt haben Sie meine Neugier geweckt.“ Maizie ging zu ihrer kleinen Kücheninsel, in der sich ein Kühlschrank, ein Herd mit Mikrowelle und eine Spüle befanden. Rasch bereitete sie einen Yogitee für Virginia vor und goss dem kleinen Wirbelwind ein Glas Limonade ein.
„So, Ginny“, sagte sie, als sie ihr das Glas reichte. „Du hast gesagt, dein Daddy braucht eine Frau?“
Virginia riss verblüfft die Augen auf. „Ginny, du hast doch nicht etwa … warum machst du nur so etwas?“, fragte sie ihre Nichte fassungslos.
„Weil sie Mommies findet“, erklärte Ginny ihrer Tante und zeigte auf Maizie. „Greg hat das gesagt“, fügte sie zur Bekräftigung hinzu.
„Diese Dame hat ein Maklerbüro“, wandte Virginia ein, die mit den Nerven offensichtlich fast am Ende war.
„Vielleicht sollte ich es Ihnen erklären“, schaltete Maizie sich ein, um Ginny zur Rettung zu eilen. „Meine Freundinnen und ich bringen neben unseren Jobs Paare zusammen – kostenlos natürlich“, fügte sie rasch hinzu, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. „Es macht uns einfach Spaß, Menschen zu verkuppeln, die ohne unsere Einmischung vielleicht nie zusammenfinden würden. So wie den Vater deines Freunds Greg und Tracy Ryan“, fügte sie an Ginny gewandt hinzu. „Meine Freundinnen und ich sind für die nötigen ‚schicksalhaften Fügungen‘ zuständig.“
Virginia drehte sich zu ihrer Nichte um. „Hast du deshalb gebettelt, hier ein Eis essen zu gehen?“
„Hier gibt es sehr leckeres Eis“, erwiderte Ginny mit gespielter Unschuld.
„Sehen Sie jetzt, was ich auszustehen habe?“, stöhnte die blonde Frau erschöpft.
Maizie sah die andere Frau voller Mitgefühl an. Darin war sie inzwischen geübt. „Sind Sie die Schwester von Ginnys Vater?“
Virginia nickte. „Sein Name ist Stone Scarborough. Ich bin seine jüngere Schwester und bin nach Evas Tod – das war Ginnys Mutter – bei ihm eingezogen, um ihn etwas zu unterstützen. Das war vor anderthalb Jahren. Ich unterstütze ihn immer noch.“
Sie will wieder ein eigenes Leben, schloss Maizie aus den Worten und dem Tonfall der anderen Frau. Lächelnd nahm sie wieder hinterm Schreibtisch Platz. Eine neue Herausforderung versetzte ihr immer einen Energieschub. Sie liebte Herausforderungen. „Erzählen Sie mir von Ihrem Bruder“, forderte sie Virginia auf.
Virginia seufzte. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“
„Der Anfang ist immer das Beste.“
„Okay.“ Die andere Frau holte tief Luft und begann zu erzählen, wobei Ginny ab und zu einen hilfreichen Einwurf machte.
Maizie lauschte den beiden aufmerksam.
Es dauerte nicht lange, und es formte sich ein Plan in ihrem Kopf.
Stone Scarborough starrte seine jüngere Schwester verwirrt an und versuchte, sich einen Reim auf das zu machen, was sie ihm gerade ziemlich atemlos erzählte.
Aber was auch immer es war, Virginia schien deswegen ganz aufgeregt zu sein. Bisher hatte er nur so viel verstanden, dass es etwas mit der Visitenkarte zu tun hatte, die sie ihm in die Hand gedrückt hatte, doch ihr Wortschwall war so zusammenhanglos, dass er sich vorkam wie früher, wenn er mit seiner Frau zu spät ins Kino gekommen war – Eva hatte es nie geschafft, rechtzeitig fertig zu werden – und er gezwungen gewesen war, aus der zweiten Hälfte des Films schlau zu werden.
Zusätzlich zu Virginias Wortschwall hüpfte seine Tochter Ginny völlig aufgeregt vor ihm auf und ab. Die beiden wirkten, als stünden sie unter einem Zuckerschock.
Stone hob abwehrend eine Hand, um Virginia zumindest für einen Moment zum Verstummen zu bringen. „Noch mal“, forderte er seine Schwester auf. „Am besten ganz von vorne.“
Virginia schüttelte so ungeduldig den Kopf, dass ihr blonder Pferdeschwanz flog. „Für einen intelligenten Mann kannst du manchmal ganz schön begriffsstutzig sein.“
„Was natürlich nichts mit euch zu tun hat“, sagte er seufzend. Ganz egal, wie lange er übte, er würde nie so schnell reden können wie seine Schwester … oder seine Tochter. „Bitte erklär es mir noch einmal“, fügte er hinzu und warf einen Blick auf die Visitenkarte in seiner Hand. „Warum soll ich diese Frau anrufen?“
Virginia atmete tief durch und wiederholte die wichtigsten Fakten: „Die Nummer ist die von Maizie Sommers. Sie ist Immobilienmaklerin mit eigenem Büro. Sie sagt, sie sucht einen guten Handwerker, den sie ihren Kunden empfehlen kann.“
Stone hatte noch nie an Zufall oder Glück geglaubt. Es gab immer einen Haken bei etwas, das so positiv klang. Deshalb beäugte er die Visitenkarte in seiner Hand auch mit Misstrauen. „Sie ist also einfach so auf euch zugekommen, hat gesagt ‚hm, Sie sehen so aus, als würden Sie einen guten Handwerker kennen‘ und hat dir ihre Visitenkarte in die Hand gedrückt?“
„Natürlich nicht.“ Virginia schloss gequält die Augen und versuchte ihr Bestes, ihre Ungeduld zu zügeln. Ihr war bewusst, dass sie schrecklich aufgeregt war, aber was Maizie Sommers vorhin zu ihr gesagt hatte, hatte sie mit großer Hoffnung erfüllt. Es war schon viel zu lange her, dass sie ihren Bruder mehr als nur höflich hatte lächeln sehen.
Außerdem teilte sie die Abneigung ihrer Nichte gegen die Frau, mit der er gerade zusammen war. Virginia konnte sich einfach nicht für Elizabeth Wells erwärmen – und sie sich erst recht nicht als Ginnys Stiefmutter vorstellen. „Okay, ich fange noch mal ganz von vorne an. Aber diesmal hörst du mir gut zu, verstanden?“
„Ja, Ma’am.“ Stone salutierte spöttisch. Er hatte gerade ganz andere Probleme. Der Hausbesitzer, dessen Haus Stone hatte renovieren sollen, hatte nämlich im letzten Moment seinen Auftrag storniert. Stone war daher nicht gerade bester Laune. „Ja?“, hakte er ungeduldig nach.
Virginia holte tief Luft und beschloss, so dicht an der Wahrheit zu bleiben wie möglich, ohne ihrem Bruder zu verraten, dass er verkuppelt werden sollte. Wenn er nämlich auch nur den leisesten Verdacht hatte, würde er das Spiel nie mitspielen. Und seine Kooperation war nötig. Falls das Ganze nicht klappte, würde er zumindest etwas Geld verdienen.
Noch vor fünf Jahren war er Luft- und Raumfahrtingenieur gewesen, doch dieser Industriezweig war in Südkalifornien praktisch tot. Seitdem machte er das, womit er sich schon während des Studiums Geld verdient hatte: Häuser renovieren und umbauen. Leider sah auch die Auftragslage in der Baubranche nicht gerade rosig aus. Die Wirtschaftskrise forderte ihren Tribut. Renovierungen und Umbauten waren ein Luxus, den viele Menschen sich nicht mehr leisten konnten.
Virginia ging daher davon aus, dass ihr Bruder einen neuen Auftrag nicht ablehnen würde. Sie musste ihm nur plausibel darlegen, wie es dazu gekommen war. „Also, ich war mit Ginny Eis essen“, begann sie.
Stone sah sie genervt an. „Na toll, noch mehr Zucker!“ Er liebte seine Tochter mehr als sein Leben, aber sie konnte verdammt anstrengend sein. Zucker machte alles noch schlimmer. Er warf einen Blick auf seine einzige Tochter. „Hüpft sie deshalb so wild herum?“
„Lass mich bitte ausreden“, unterbrach Virginia ihn stirnrunzelnd.
Stone unterdrückte ein Seufzen. „Sorry. Fahr fort.“
„Wie dem auch sei, wir sind zu diesem altmodischen Eisladen in der Brubaker Mall gegangen, und ich habe ihr ein Eis gekauft. Sie haben da so viele tolle Sorten, dass ich nicht widerstehen konnte, mir auch eins zu kaufen – es ist schon eine Weile her, dass ich mir etwas gegönnt habe.“
„Komm endlich zur Sache, Virginia!“ Schon als kleines Mädchen hatte Stones kleine Schwester die Dinge immer viel zu umständlich erzählt und ihn damit in den Wahnsinn getrieben.
„Okay. Als ich dabei war, mir selbst ein Eis zu kaufen, beschloss Ginny anscheinend, ein bisschen die Gegend zu erkunden …“ Virginia biss sich verlegen auf die Unterlippe und warf ihrem Bruder einen schuldbewussten Blick zu.
Stone warf seiner Tochter einen strengen Blick zu. „Ginny, du weißt doch, dass du nicht einfach weglaufen darfst!“
Zu seiner Überraschung schlug Ginny schuldbewusst den Blick nieder und murmelte: „Ja, Daddy.“
Verwirrt runzelte Stone die Stirn. Ginnys zur Schau gestellte Zerknirschung war ein ganz neuer Zug an ihr. Normalerweise würde sie vehement protestieren.
Verblüfft hob er den Blick zu seiner Schwester.
Virginia konnte seine Verwirrung gut nachvollziehen. „Ich habe Ginny eine Tür weiter gefunden. Sie hatte ein Maklerbüro betreten“, erklärte sie.
Stone starrte seine Schwester fassungslos an. Ginny in einem Spielzeugladen konnte er sich ja noch vorstellen, aber was um alles in der Welt konnte sie dazu bewogen haben, ein Maklerbüro zu betreten? „Warum?“, fragte er und sah fragend zwischen Ginny und seiner Schwester hin und her.
Virginia hatte keine Ahnung, was sie darauf antworten sollte. Sie wollte sich gerade damit herausreden, dass sie Ginnys Aktionen sowieso fast nie nachvollziehen konnte, als Ginny plötzlich das Wort ergriff: „Ich habe gehört, wie du gesagt hast, dass du nicht weißt, wie du die Rechnungen bezahlen sollst, also habe ich die Frau gefragt, ob die Häuser auf ihren Fotos renoviert werden müssen. Weil du so was kannst.“
Virginia war über diese kreative Antwort genauso überrascht wie ihr Bruder. Dankbar griff sie nach der Rettungsleine, die ihre Nichte ihr zugeworfen hatte. „Wie sich herausgestellt hat, stimmt das sogar“, bestätigte sie. „Mrs Sommers war ganz begeistert von deiner Tochter.“ Sie legte einen Arm um Ginnys schmale Schultern. „Anstatt uns wegzuschicken, hat sie gesagt, dass sie tatsächlich gerade einen guten Handwerker sucht, den sie ihren Kunden empfehlen kann. Ginny und ich haben ihr sofort gesagt, dass du der Beste bist. Daraufhin hat sie mir ihre Visitenkarte gegeben und gesagt, dass du sie bei Gelegenheit mal anrufen sollst.“
Das Ganze klang viel zu schön, um wahr zu sein, aber zumindest ein Teil davon musste stimmen. Warum hätte die Frau Virginia sonst ihre Karte geben sollen? Und da er zufällig tatsächlich gerade Zeit hatte, konnte es nicht schaden, mal bei dieser Mrs Sommers anzurufen.
„Na ja“, sagte Stone gedehnt, während er die Karte betrachtete. „Ich könnte gut mehr Kontakte gebrauchen, aber …“ Er sah seine Tochter eindringlich an. „Schatz, uns geht es gut“, versicherte er ihr. „Ich will nicht, dass du dir Sorgen über Rechnungen machst. Ich sorge schon für uns.“
„Ja, Daddy“, sagte Ginny lächelnd.
Ihr Lächeln versetzte Stone jedes Mal einen Stich, weil es ihn an seine verstorbene Frau erinnerte. Er vermisste Eva schrecklich.
„Ich wollte nur helfen“, fügte Ginny hinzu.
„Das tust du doch schon, einfach indem du da bist, Schatz“, versicherte Stone ihr. Sein Blick fiel wieder auf die Visitenkarte. Warum die Gelegenheit nicht beim Schopf packen? „Okay, mal sehen, was diese Maizie Sommers so zu sagen hat.“
Ginny drückte fest beide Daumen, als er nach seinem Handy griff.
Wir haben ein tolles kleines Mädchen, Eva, dachte er, als er die Nummer eintippte. Gott, ich wünschte, du könntest sie jetzt sehen .
Er konnte nicht ahnen, dass seine Tochter ihm nicht deshalb die Daumen drückte, weil sie ihm neue Aufträge wünschte, sondern weil sie hoffte, dass „die nette Frau aus dem Laden“ das Gleiche für ihren Vater tun würde, was sie schon für Gregs Vater getan hatte, nämlich ihm eine neue Frau besorgen.
Stone erwiderte das hoffnungsvolle Lächeln seiner Tochter, als er dem Freizeichen am anderen Ende der Leitung lauschte. Nach dem zweiten Klingelton hörte er fröhliche weibliche Stimme: „Maizie Sommers am Apparat. Wie kann ich Ihnen helfen?“
Stone wandte seiner Tochter und seiner Schwester den Rücken zu, um sich voll auf seine Gesprächspartnerin konzentrieren zu können. „Mrs Sommers, hier ist Stone Scarborough …“
Weiter kam er nicht. „Ach ja!“, schnitt Maizie ihm munter das Wort ab. „Der Handwerker. Ich warte schon auf Ihren Anruf.“
Diese Information verblüffte ihn. „Echt?“ Hatte sie sonst nichts Besseres zu tun?
„Absolut“, bekräftigte sie. „Hätten Sie zufällig schon heute Abend Zeit?“
„Heute Abend?“, wiederholte er fassungslos. Hoffentlich würde sich dieser Anruf nicht als gewaltiger Fehler herausstellen. Irgendwie kam ihm die Sache nicht ganz geheuer vor. Vielleicht suchte diese Frau ja gar keinen Handwerker, sondern etwas ganz anderes. Sie war so verdächtig gut drauf, absolut nicht wie jemand, der von Arbeit sprach.
Mehrere Möglichkeiten schossen ihm durch den Kopf, aber er verdrängte sie vorerst. Es hatte keinen Zweck, vom Schlimmsten auszugehen – noch nicht.
„Ja. Sollte Ihnen das zu kurzfristig sein, dann vielleicht morgen Abend?“
„Warum denn nicht tagsüber?“, fragte er misstrauisch.
„Weil die Frau, der ich Sie weiterempfehlen will, vermutlich tagsüber keine Zeit hat“, erklärte Maizie. „Zumindest nicht unter der Woche. Da wird nämlich ihre Sendung gedreht.“
„Ihre Sendung?“, wiederholte Stone völlig überfordert. Das ist ja, wie wenn man mit Virginia redet, dachte er resigniert. War das ein geschlechtsspezifisches Phänomen, oder war er tatsächlich so begriffsstutzig, wie Virginia ihm immer vorwarf?
Wie dem auch sei, er brauchte weitere Erklärungen.
„Ja, sie hat eine tägliche Live-Kochsendung beim Kabelfernsehen und ist tagsüber mit Dreharbeiten beschäftigt. Als sie hierherzog, um ihren Vertrag zu unterschreiben, habe ich ihr ein wunderschönes Haus verkauft“, fuhr Maizie voller Stolz fort. „Das ist jetzt etwa ein halbes Jahr her. Ich konnte einen wirklich guten Preis für sie aushandeln, weil der Besitzer es eilig hatte. Es muss allerdings noch viel gemacht werden. Sie hatte damals weder die Zeit und, wie ich vermute, noch das Geld für die Reparaturen. Aber ihre Sendung läuft sehr gut, und sie kann sich die Renovierung inzwischen leisten.“
Maizie schwieg einen Moment, um Stone Zeit zu geben, die vielen Informationen zu verdauen. „Hätten Sie Interesse an dem Auftrag, Mr Scarborough?“
Es handelte sich um einen Job. Stone war daher mehr als interessiert. „Ja, natürlich.“ Eins musste er jedoch noch wissen: „Wollen Sie sich nicht erst meine Arbeit ansehen, bevor sie mich weiterempfehlen?“
Maizie gefiel seine Zurückhaltung, aber sie hatte bereits alle nötigen Informationen von Virginia Scarborough. Die Frau hatte Maizie Fotos von den Projekten ihres Bruders gezeigt und ihr genug von ihm erzählt, um die Sache richtig anzupacken.
Maizie wusste schon die perfekte Frau für ihn. Normalerweise ging das nicht so schnell, aber diesmal war ihr sofort jemand eingefallen: Danni.
Ihrer Meinung nach war das ein sehr gutes Omen.
„Ihre Schwester und Ihre Tochter loben Ihre Arbeit und Sie selbst in den höchsten Tönen, Mr Scarborough.“
„Und das reicht Ihnen?“, fragte er skeptisch.
„Ja. Natürlich konnte es nicht schaden, zusätzlich einen Blick auf Ihre Website zu werfen“, fügte sie lachend hinzu.
„Meine Website?“, wiederholte Stone verdutzt. Fragend sah er seine Schwester an. Er hatte noch nie von einer Website gehört.
„Ja, Ihre Schwester hat sie mir gezeigt. Ich muss schon sagen, ich war schwer beeindruckt, Mr Scarborough. Wenn ich einen Handwerker bräuchte, würde ich Sie sofort engagieren.“
Das waren vermutlich gute Neuigkeiten, auch wenn er immer noch nicht wusste, wovon sie sprach. „Danke“, murmelte er ein bisschen verspätet.
Der arme Mann hat sich vermutlich noch nicht von seinem Schock erholt, dachte Maizie belustigt. „Dann habe ich also Ihre Erlaubnis, Ihren Namen an meine Kundin weiterzugeben?“
„Ja, natürlich“, bestätigte Stone. Wenn diese Sache wirklich koscher war – und so hörte es sich inzwischen für ihn an – wollte er den Auftrag auf jeden Fall.
„Wunderbar“, rief Maizie begeistert. „Sie werden bestimmt schon bald von ihr hören. Ihr Name ist übrigens Danni Everett.“
Stone hatte noch nie von der Frau oder ihrer Sendung gehört, aber er sah sowieso kaum fern. Wenn er nicht arbeitete – oder auf der Suche nach neuen Aufträgen war –, verbrachte er seine Zeit mit Ginny, und dann waren sie meistens draußen an der frischen Luft und nicht im Haus. Höflich beendete er das Telefonat und drehte sich wieder zu seiner Schwester um. „Meine Website?“, fragte er streng. „Ich dachte, darüber reden wir erst.“ Er hatte Virginia damit vertröstet, wieder auf sie zurückzukommen, doch offensichtlich hatte sie beschlossen, ohne sein Einverständnis online zu gehen.
„Wir haben doch schon darüber geredet“, sagte sie unschuldig. „Du hast gesagt, dass du mich noch mal darauf ansprichst, sobald du Zeit hast. Da mir das zu lange gedauert hat, habe ich einfach ein paar Dinge zusammengestellt. Du kannst sie jederzeit ändern.“
„Na vielen Dank auch“, sagte er sarkastisch.
Virginia seufzte. Stone musste man immer mit Gewalt dazu zwingen, im einundzwanzigsten Jahrhundert anzukommen. Er sträubte sich mit Händen und Füßen gegen alle Neuerungen. „Hör mal, ich mache deine Buchhaltung und habe Zugang zu allen deinen Vorher-Nachher-Fotos.“
Stone war insgeheim dankbar, dass Virginia ihm geraten hatte, solche Fotos zu machen. Aber so leicht würde er sie nicht vom Haken lassen. „Und wie lange ist diese Website schon online?“
„Etwa eine Woche“, antwortete sie, wich dabei jedoch seinem Blick aus.
„Nein, schon länger, Tante Virginia“, schaltete Ginny sich ein. „Du hast Maizie gesagt, seit zwei Monaten.“
Virginia lächelte verkrampft. „Ich habe übertrieben.“
„Wem gegenüber? Ihr oder mir?“
„Also …“
„Ach, egal. Mich nervt nur, dass du mir nichts davon gesagt hast.“
„Ich wollte den richtigen Zeitpunkt abwarten.“ Virginia holte ihr Notebook aus der Tasche, stellte es an und tippte die Adresse der Website ein. Als sie sie hochgeladen hatte, drehte sie den Computer um, damit Stone einen Blick auf den Bildschirm werfen konnte. „Was hältst du davon?“
Stone musterte die Fotos auf dem Bildschirm. Er war stolz auf seine Arbeit, und beim Anblick dieser Fotos wusste er auch, warum. „Nicht übel“, sagte er achselzuckend.
Typisch Stone, dachte Virginia belustigt. Er war nicht gerade freigiebig mit Lob.
Stone musste sich eingestehen, dass er die Website ganz schön beeindruckend fand. Virginia hatte wirklich gute Arbeit geleistet. „Okay, sie gefällt mir gut. Sehr gut sogar“, fügte er nach kurzem Zögern widerstrebend hinzu.
In diesem Augenblick klingelte sein Handy. „Wir reden später weiter“, vertröstete er seine Schwester und griff nach dem Telefon. „Hallo?“
„Spreche ich mit Scarborough Construction?“, hörte er eine melodiöse weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
Hatte die Frau einen leichten Südstaatenakzent? „Ja“, bestätigte Stone. Ob das vielleicht jene Danni war, von der die Immobilienmaklerin erzählt hatte? So schnell?
„Maizie Sommers hat mir Ihre Telefonnummer gegeben. Ich wollte fragen, ob wir uns morgen Abend treffen könnten … nur falls Sie Zeit haben, selbstverständlich. Ich würde Ihnen gern mein Haus zeigen und Ihnen sagen, was alles getan werden muss.“
„Klar. Wann?“
„Ab vier würde es mir passen.“
„Wie wär’s mit halb fünf?“, schlug er vor.
„Perfekt.“ Sie ratterte ihre Adresse herunter. „Bis dann also?“
„Ja, bis dann“, bestätigte Stone, bevor er auflegte. Als er sich zu seiner Schwester und seiner Tochter umdrehte, sahen ihn die beiden breit grinsend an. „Was ist los?“, fragte er misstrauisch.
Virginia wurde schlagartig ernst. „Nichts“, antwortete sie hastig. „Ich höre nur gerade Geld in der Kasse klingeln.“
„Freu dich nicht zu früh“, warnte er sie. „Man weiß nie, wie die Dinge sich entwickeln.“
„Du hast recht“, murmelte Virginia und fügte im Stillen hinzu: Ich hoffe, du bist so gut, wie Ginny sagt, Maizie Sommers.
Hoffentlich verliebt sich mein Bruder bald wieder und wird endlich wieder so glücklich wie früher mit Eva.
Manchmal konnte Danielle Everett ihr Glück immer noch kaum fassen.
Noch vor drei Jahren hatte sie in Atlanta gelebt und nicht nur ihr Studiendarlehen, sondern auch einen Berg Arztrechnungen abstottern müssen, den ihr Vater ihr hinterlassen hatte. Damals hatte sie für eine Versicherungsgesellschaft gearbeitet und kaum genug Geld zum Überleben gehabt. Ihr Leben war ihr vorgekommen wie eine Sackgasse, und ihr Optimismus war ihr fast vergangen.
Sie hatte sich nur eins gewünscht: eines Morgens aufzuwachen und nicht mehr diese Last auf ihren Schultern zu spüren. Sie war kurz davor gewesen, depressiv zu werden. Nie hätte sie damit gerechnet, eines Tages beim Aufwachen ein glückliches Lächeln im Gesicht zu haben – so wie jetzt.
Klar war sie heute genauso erschöpft, aber vor drei Jahren hatte sie das Gefühl gehabt, in einer Tretmühle zu stecken, während sie jetzt nur deshalb erschöpft war, weil sie immer zehn Dinge auf einmal erledigte, weil sie es liebte , diese Dinge zu tun.
Damals war sie nur ein anonymes Rädchen in einer Riesenmaschinerie gewesen. Inzwischen war sie ihr eigener Boss. Sie nahm Ratschläge entgegen, keine Anweisungen. Das machte einen Riesenunterschied.
Und das alles wegen eines Talents, an das sie früher keinen zweiten Gedanken verschwendet hatte. Sie konnte traumhaft kochen und himmlisch backen.
Es hatte ganz harmlos angefangen: Sie hatte für Freunde gekocht und dann für Freunde von Freunden, die irgendwann darauf bestanden hatten, sie für ihre Dienste zu bezahlen. Und bevor Danni sich’s versehen hatte, hatte sie Vollzeit gecatert. Für ihren anderen Job hatte sie schließlich keine Zeit mehr gehabt.
Es war der glücklichste Tag ihres Lebens gewesen, als sie bei Roosevelt Life Insurance ihre Kündigung eingereicht hatte und ihr zweitglücklichster, als sie endlich die Arztrechnungen ihres Vaters begleichen konnte, ein Jahr später gefolgt von der letzten Rate ihres Studiendarlehens.
Sie war endlich flüssig und schuldete niemandem mehr etwas!
Als ihr aufgefallen war, dass sie inzwischen mehr backte als kochte, hatte sie ein paar Kontakte genutzt, und plötzlich hatte man ihr angeboten, der Star einer brandneuen Kochshow zu werden.
Am Anfang hatte Danni noch Zweifel gehabt, ob sie den Auftrag in Kalifornien annehmen sollte oder nicht, weil sie nur ungern so weit wegzog. Außerdem gab es ihrer Meinung nach schon genug Kochshows, deren Lebenserwartung kaum länger als die einer gewöhnlichen Fruchtfliege war. Danni war zu erfolgreich in ihrem neuen Job als Caterin, um eine Niederlage zu riskieren.
Mir fehlt das gewisse Etwas, protestierte sie, als ihr Agent ihr die Idee mit der Kochshow unterbreitet hatte. Ihrer Meinung nach hatte sie nichts, das sie von all den anderen TV-Köchen abhob.
„Ich glaube, Sie verkaufen sich unter Wert, Danielle“, sagte ihr Agent Baxter Warren zu ihr. „Viele Menschen – die richtigen Menschen“, betonte er, „finden Ihre Desserts zum Niederknien.“ Ein strahlendes Lächeln breitete sich über sein Gesicht, so als habe er eine plötzliche Erleuchtung. „So werden wir die Show nennen: Danielle’s Desserts to Die For “, sagte er begeistert.
„Die meisten nennen mich Danni.“
„Dann eben Danni’s Desserts to Die For “, sagte er nickend. „Das klingt sogar noch besser.“ Beschwörend sah er sie an. „Sie können unmöglich Nein sagen.“
Sie tat es nicht.
Stattdessen zog Danni nach Südkalifornien, um ein neues Leben im Land der endlosen Sommer und Strände zu beginnen. Das Studio des Kabelsenders, wo ihre halbstündige Sendung gedreht wurde, lag in Burbank. Baxter hatte ihr geraten, sich entweder eine Wohnung oder ein Haus in der Nähe zu suchen, doch das Leben direkt in Burbank war ihr zu hektisch.
Sie sehnte sich nach etwas Ruhigerem, einem Ort, der sie an den Vorort in Atlanta erinnerte, in dem sie gewohnt hatte. Auf der Suche nach einem Zuhause stieß sie auf Bedford – mithilfe einer Immobilienmaklerin, die einer der Kameramänner ihr empfohlen hatte: Maizie Sommers.
Die Frau mit der sanften Stimme und dem freundlichen Lächeln erinnerte Danni an ihre Mutter, die sie schon vor langer Zeit verloren hatte. Der Kontakt zu Maizie blieb auch nach Unterzeichnung des Kaufvertrags für ihr neues Haus bestehen. Maizie bot Danni an, sie jederzeit anzurufen, wenn sie ein Problem hatte, etwas brauchte oder einfach nur reden wollte, und Danni wusste, dass dieses Angebot ehrlich gemeint war.
Sie war immer noch verblüfft, wie rasch ihr Leben sich in so kurzer Zeit komplett verändert hatte. Unglaublich, dass sie endlich genug Geld auf dem Konto hatte, um sich ein bisschen – verdammt, jede Menge Extravaganz zu gönnen, wenn ihr danach zumute war, anstatt jeden Penny umzudrehen und sich ständig auch nur den kleinsten Luxus zu versagen.
Sie fand ihr Leben absolut perfekt. Zum ersten Mal in ihrem Leben wohnte sie in einem eigenen Haus. Doch ihr neuer Status als Hausbesitzerin blendete sie nicht genug, um blind für die Schwachpunkte des Hauses zu sein. Sie waren ihr durchaus bewusst. Und es waren nicht gerade wenig.
Das zweistöckige, in den frühen 1970ern erbaute Gebäude brauchte dringend ein neues Dach und neue Fenster, und die drei Badezimmer schrien förmlich nach einer Verjüngungskur. Auch die Küche – für Danni das Herz eines Hauses – brauchte eine Generalüberholung.
Jeden anderen hätte das vielleicht abgeschreckt, aber Danni hatte sich in den Grundriss verliebt und erstand das Haus für einen außergewöhnlich guten Preis. Also unterschrieb sie den Kaufvertrag und nahm sich vor, die nötigen Reparaturen vornehmen zu lassen, wenn ihre Show verlängert wurde.
Kurz darauf war es so weit.
Sie ging sofort zu Maizie, um ihr mitzuteilen, dass sie sich die Renovierungsarbeiten endlich leisten konnte. „Was ich jetzt brauche, ist ein verlässlicher Handwerker, der alles beherrscht, was mit Renovierungen zu tun hat. Ich will nicht mit mehreren Männern verhandeln müssen, die sich womöglich nur in die Quere kommen.“
Leider gab es da ein kleines Problem: Der Mann, den Maizie ihren Kunden in den letzten acht Jahren immer empfohlen hatte, war kürzlich nach Nevada gezogen. Maizie versprach Danni daraufhin, nach einem anderen verlässlichen Handwerker Ausschau zu halten und sie zurückzurufen, sobald sie jemanden gefunden hatte.
Danni hatte keinen Zweifel daran, dass der Maklerin auch das gelingen würde.
Und ihr Vertrauen wurde nicht enttäuscht.
Als sie eines Abends nach den Dreharbeiten todmüde nach Hause kam, sah sie ihren Anrufbeantworter blinken. Sie legte nur rasch ihre Handtasche weg und streifte sich die Schuhe ab, bevor sie die Nachricht abhörte und Maizie sofort zurückrief.
Fünf Minuten später wählte sie die Nummer, die Maizie ihr gegeben hatte. Sie wollte keine Zeit verschwenden.
Der Mann, den Maizie ihr empfohlen hatte, klang am Telefon sehr sympathisch. Er hatte einen tiefen vollen Bariton, der zu langen Strandspaziergängen unter einem samtschwarzen Sternenhimmel passte.
Und er sieht sogar noch besser aus, dachte Danni, als sie am nächsten Nachmittag eine Vollbremsung in ihrer Einfahrt machte und aus dem Wagen sprang. Außerdem ist er pünktlich, stellte sie schuldbewusst fest.
Im Gegensatz zu ihr.
„Sorry“, rief sie reumütig, als sie auf den Mann zuging, auf den die stereotype Beschreibung „groß, dunkel und gut aussehend“ so zutraf, als sei sie eigens für ihn erfunden worden. Sie streckte ihm eine Hand entgegen. „Der Verkehr in Burbank war die reinste Hölle.“
Stone wäre am liebsten sofort gegangen.
Er hasste nichts mehr, als wenn man ihn warten ließ und hielt Menschen, die zu spät kamen, für rücksichts- und respektlos. Doch die Entschuldigung der attraktiven sprühenden Blondine klang aufrichtig. Außerdem erstickte er zurzeit nicht gerade in Aufträgen. Er konnte es sich daher nicht leisten, sich diesen hier durch die Lappen gehen zu lassen. Die Auftragslage war dieses Jahr bisher so mau gewesen, dass er seine Ersparnisse fast aufgezehrt hatte.
Als Danni gerade die Haustür aufschließen wollte, zögerte sie plötzlich und drehte sich verunsichert zu Stone um. „Sie sind doch Mr Scarborough, oder?“, vergewisserte sie sich.
Beim Anblick ihres Lächelns ertappte Stone sich bei dem Gedanken, dass er seinen Namen notfalls auch vorübergehend ändern würde, um es ihr noch mal zu entlocken. Aber da er tatsächlich Mr Scarborough war, konnte er guten Gewissens nicken. „Nennen Sie mich Stone“, sagte er.
„Ich bin Danni“, erwiderte sie und lächelte wieder absolut hinreißend. „Aber das wissen Sie ja schon.“ Ein hauchzartes Rosa überzog ihre Wangen, als sie sich wieder zur Tür wandte und sie aufschloss. Trotz der gleißenden Julisonne, war es dämmrig im Haus. „Als Erstes brauche ich Licht“, sagte sie.
„Das kriegt man normalerweise, wenn man auf einen Schalter drückt“, erklärte Stone trocken und zeigte auf den Lichtschalter neben der Haustür.
Lachend knipste Danni das Licht an. „Ich meinte Tageslicht.“ Sie zeigte zur Decke, die sich hoch über ihnen wölbte. „So etwas wie ein Oberlicht. Dieses Zimmer ist im Winter total dunkel, sogar bei geöffneten Vorhängen, und ich will nicht den ganzen Tag über das Licht brennen lassen.“
Als sie ihre Handtasche neben der Haustür ablegte, spürte sie Stones Blick. „Hier fehlt ein kleiner Tisch“, gab sie zu. „Bisher bin ich noch nicht dazu gekommen, einen zu kaufen. Zu sonst leider auch nicht viel“, fügte sie bedauernd hinzu. „Man hört bei uns immer, wie entspannt das Leben in Südkalifornien ist.“ Danni schüttelte den Kopf. „Das ist absolut gelogen.“
„Bei uns?“, hakte er neugierig nach.
„Ja, im Osten.“
Da war er wieder, der Akzent, den Stone nicht richtig einordnen konnte. Er nutzte die Gelegenheit, seinen ersten Eindruck bestätigen zu lassen: „Wie weit im Osten?“
„Atlanta.“
Sein Blick war so triumphierend, als würde er sich selbst beglückwünschen, richtig geraten zu haben.
„Ist das so offensichtlich?“
„Nein, nur dass Sie nicht von hier sind.“
Lachend dachte sie an die vielen Menschen, denen sie seit ihrem Umzug begegnet war. „Ist denn überhaupt jemand von hier?“
Das war eigentlich nur eine rhetorische Frage, aber Stone ging ernsthaft darauf ein. „Meine Frau stammte von hier“, antwortete er. „Und meine Tochter ist auch von hier“, fügte er hinzu.
War und ist .
Danni waren die unterschiedlichen Tempi nicht entgangen. Er hatte von seiner Frau in der Vergangenheit gesprochen. Hieß das, dass er geschieden war oder …?
Sie hatte sich schon immer für Menschen interessiert, dafür, wie sie fühlten, dachten und woher sie kamen, aber sie wusste, dass Männer nicht gern persönliche Fragen beantworteten, also verschob sie das auf später.
„Haben Sie Hunger? Kann ich Ihnen irgendetwas anbieten?“
„Nein, nicht nötig.“
Dank ihrer Südstaaten-Erziehung konnte Danni ein Nein nicht gut akzeptieren. „Keinen Kaffee? Tee? Wie wär’s mit Wasser?“, fügte sie hinzu, als er den Kopf schüttelte. „Alle mögen Wasser.“
Stone musste lachen. Der Frau war es offensichtlich unangenehm, wenn sie ihm nicht irgendetwas Gutes tun konnte. Einlenkend hob er die Hände. „Na schön, ich nehme ein Glas Wasser.“
„Gut, dann hole ich es Ihnen. Und Nachtisch“, fügte sie rasch hinzu. So rasch, dass er im ersten Moment glaubte, sich verhört zu haben. „Die Küche ist dort drüben“, erklärte sie und ging ihm voran.
„Ich brauche keinen Nachtisch“, sagte Stone zu ihrem Hinterkopf. Das war sicherer so, denn wenn er den Blick auch nur für eine Sekunde senkte, würde er es bestimmt bereuen. Der Anblick ihrer schwingenden Hüften war einfach zu verführerisch. Sie bewegten sich im selben Rhythmus, in dem sein Herz schlug.
„Klar brauchen Sie Nachtisch. Jeder tut das“, widersprach sie.
Als sie am Ziel ankamen, ging Danni direkt auf den Kühlschrank zu und nahm eine der Geheimwaffen heraus, mit denen sie bisher noch jeden besiegt hatte: eins ihrer Desserts.
Das hier ist offensichtlich ein Mann, der es nicht mag, wenn man ihm sagt, was er zu tun hat, dachte Danni, als sie den großen Dessertteller auf den Küchentisch stellte. Seine Mutter hatte ihm bestimmt früher nur vorschlagen dürfen, seine Milch zu trinken, wenn sie nicht riskieren wollte, dass er sie nicht anrührte, um seine Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen.
In mancher Hinsicht konnte sie das sogar gut nachvollziehen. Sie selbst blieb immer freundlich, aber das hieß noch lange nicht, dass sie sich herumkommandieren ließ.
Maizie Sommers hatte den Mann in höchsten Tönen gelobt, was bedeutete, dass sowohl seine Arbeit als auch sein Preis-Leistungsverhältnis erstklassig sein mussten. Das reichte Danni, um ihn nicht gegen sich aufbringen zu wollen, zumal sie ihn schon so lange hatte warten lassen. Also setzte sie ihr freundlichstes Lächeln auf und akzeptierte sein Nein großzügig. „Keine Sorge, ich werde Sie nicht zwangsernähren. Aber das Dessert steht hier für Sie bereit, falls sie Ihre Meinung noch ändern sollten.“ Unschlüssig sah sie sich um. „Okay, dann zeige ich Ihnen erst mal, was alles erledigt werden muss.“
Stone nickte schroff. „Guter Plan.“
Danni bedauerte es allmählich, keinen Pullover zu tragen. Brauchte dieser Mann nur ein bisschen Zeit, um warm zu werden, oder war er immer so kühl wie eine arktische Brise? Sie erwartete ja nicht von ihm, Charisma und Charme zu versprühen, aber er würde schließlich nicht nur einen Tag oder eine Woche oder auch nur einen Monat bei ihr arbeiten, sondern viel länger. Und eben weil die Renovierungsarbeiten so lange dauern und sie sich entsprechend oft über den Weg laufen würden – es sei denn, er besaß einen Zauberstab oder hatte eine Armee hilfsbereiter Elfen zur Verfügung –, hatte sie keine Lust, sich in ihrem eigenen Zuhause in seiner Gegenwart unbehaglich zu fühlen.
Sie würden schlicht und einfach miteinander auskommen müssen.
Besser wäre sogar noch, wenn sie einander mochten, zumindest ein bisschen. Stone musste ja nicht gerade ihr bester Freund werden, aber sie wollte auch keinen Griesgram im Haus.
Also versuchte sie ihr Bestes, seine raue Schale zu durchdringen, während sie ihm ihr Haus zeigte. „Sind Sie schon lange Handwerker?“, fragte sie ihn in der Hoffnung, dass ihn ein bisschen Smalltalk lockerer machte. Sie kannte die Antwort zwar schon, da sie während ihrer kurzen Mittagspause im Studio einen Blick auf seine Website geworfen hatte, aber ihr fiel nichts Besseres ein. Außerdem sprachen die meisten Menschen gern über sich selbst.
„Lange genug, um zu wissen, was ich tue“, antwortete Stone kurz angebunden. „Ich kann Ihnen gern die Zeugnisse meiner früheren Auftraggeber zeigen.“
Warum nicht? dachte Danni. „Ja, gern.“
Sie ging davon aus, dass er hervorragend arbeitete, aber es interessierte sie, was seine anderen Auftraggeber über ihn schrieben. War er in ihrer Gegenwart auch so einsilbig gewesen wie bei ihr? Falls ja, wusste sie dann zumindest, dass es nicht an ihr lag.
„Dann bringe ich sie morgen früh mit“, versprach Stone. „Wollen Sie erst einen Blick darauf werfen, bevor Sie mir sagen, was alles gemacht werden muss?“
Danni sah sich wieder um. „Alles.“
Stone war verwirrt. „Wie bitte?“
„Alles“, wiederholte Danni. „Ich will hier alles Mögliche verändern, vom Keller bis zum Dach.“
„Wenn Sie alles verändern wollen, warum haben Sie das Haus dann gekauft, wenn ich fragen darf?“ Stone war so etwas schleierhaft, aber er hatte gelernt, dass Frauen anders tickten als Männer. Und dass Logik nicht gerade zu ihren Stärken gehörte.
„Klar dürfen Sie. Ich habe das Haus gekauft, weil ich es mir preislich leisten konnte“, gab sie zu. „Außerdem ist der Vorgarten ideal für meine Blumen, und das Haus hat jede Menge Potenzial.“
Stone schüttelte den Kopf. „Das ist Maklerjargon und in der Regel nur eine Umschreibung für das Wort ‚Bruchbude‘.“
„Aber dieses Haus hier hat Potenzial“, beharrte Danni. „Das habe ich auf den ersten Blick gesehen.“ Das hatte sie wirklich. Immer wenn sie durch das vierzig Jahre alte Haus ging, konnte sie lebhaft vor sich sehen, was für ein Schmuckstück man daraus machen konnte.
Stone zuckte nur die Achseln. Es war schließlich ihr Geld. „Wenn Sie meinen.“ Er zögerte einen Moment, als ihm einfiel, was sie davor gesagt hatte. „Sie haben Blumen?“ Er hatte bei seiner Ankunft keine einzige Blüte gesehen, und auch der Garten hinter der Küche sah kahl aus.
Sie lächelte. „Noch nicht. Aber bald.“
„Dann gehört das also auch zum Potenzial des Hauses?“
Die Frau strahlte ihn an, als habe er einen Geistesblitz gehabt. Dabei hatte er das ironisch gemeint. „Ganz genau.“
Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, auf dem Prüfstand zu stehen. Wollte der Typ sich vergewissern, dass sie es mit dem Auftrag ernst meinte und ihn nicht plötzlich mittendrin wegschickte? Falls ja, kannte er sie schlecht. Wenn sie erst einmal eine Entscheidung getroffen hatte, dann blieb sie auch dabei.
Sie beschloss, ihre Bemühungen um eine persönliche Beziehung zu diesem Mann vorerst einzustellen und sich seine Meinung zur Sachlage anzuhören. Sie führte Stone durch das Erdgeschoss und zeigte ihm sämtliche Zimmer, wobei sie ihm kurz erklärte, was sie verändert, hinzugefügt oder erneuert haben wollte.
Im Erdgeschoss befanden sich ein Wohn- und Esszimmer, eine Küche mit angrenzendem Fernsehzimmer, ein kleines Schlafzimmer sowie ein Bad. Das Obergeschoss mit seinem offenen Treppenhaus bestand aus drei weiteren Schlafzimmern und zwei Bädern.
Stone hörte kommentarlos zu, als Danni auf die Wände zeigte. „Hier will ich ein Bücherregal“, sagte sie zum Beispiel oder: „Ein begehbarer Kleiderschrank wäre hier schön.“ Stone schwieg, bis die Besichtigung vorbei war und sie wieder in die Küche zurückkehrten.
Irgendwann konnte Danni das Schweigen des Mannes nicht länger ertragen. „Also? Was denken Sie? Sie haben die ganze Zeit über kein Wort gesagt.“ Würde er den Auftrag womöglich ablehnen? Verschwendete sie nur ihre Zeit mit ihm?
„Sie hatten recht“, antwortete er nur.
Vergeblich wartete sie darauf, dass er etwas hinzufügte. Recht? Inwiefern? Sie hatte in den letzten zwanzig Minuten so viel geredet, dass sie nicht wusste, was er meinte. „Ja?“, hakte sie nach.
„Als Sie ‚alles‘ gesagt haben.“ Stone hatte zunächst angenommen, dass sie nur einen Scherz machte, aber inzwischen wusste er es besser. Es gab kein Zimmer, das sie nicht nützlicher, hübscher oder moderner wollte. „Vielleicht sollten Sie das Haus einfach abreißen lassen und neu bauen“, schlug er vor.
„Ich will nicht alles verändern“, protestierte Danni. „Mir gefallen zum Beispiel der Kamin im Wohnzimmer und das Treppengeländer.“
Als Reaktion kam nur ein sehr dünnes Lächeln, aber Danni war trotzdem erleichtert. Anscheinend hatte der Kerl ja doch menschliche Züge. Es bestand also noch Hoffnung, irgendwann halbwegs mit ihm zurechtzukommen.
„Es wird vielleicht billiger für Sie, wenn Sie dieses Haus verkaufen und sich eins zulegen, das Ihnen besser gefällt.“
Verwirrt sah sie ihn an. Wollte er den Job etwa nicht? „Wollen Sie sich nur aus der Affäre ziehen, Mr Scarborough?“
„Nein, ich wollte Ihnen nur Ihre Möglichkeiten aufzeigen.“ Er schwieg einen Moment, bevor er hinzufügte: „Es wird nicht ganz billig, wenn ich all Ihre Ideen umsetze.“
Für wie blöd hielt er sie eigentlich? „Das habe ich auch nicht angenommen. Deshalb habe ich ja mit dem Auftrag gewartet, bis mein Vertrag verlängert wird. Ich wollte sichergehen, dass ich genug Geld zur Verfügung habe.“
Vorbildlich, dachte Stone. Er hatte zu viele Menschen erlebt, die sich finanziell übernahmen, weil sie zum Beispiel vergaßen, steigende Kosten einzukalkulieren. Er musterte die Frau verstohlen. Sie sah aus wie jene typischen Blondinen, die man überall in Südkalifornien sah – die meisten davon Möchtegernschauspielerinnen –, aber sie schien Köpfchen zu haben.
Vielleicht würden sie sich ja doch noch irgendwie einigen.
„Wann soll ich anfangen? Vorausgesetzt natürlich, dass mein Kostenvoranschlag Ihnen keine grauen Haare bereitet.“
Während er sprach, dirigierte sie ihn subtil zum Küchentisch, wo noch immer das Dessert und Kaffee auf ihn warteten. „Bestimmt nicht“, versicherte sie ihm. „Und selbst wenn, gibt es genug Haarfärbeprodukte, die meine natürliche Haarfarbe wiederherstellen“, fügte sie lachend hinzu. „Mrs Sommers scheint große Stücke auf Sie zu halten, und ich traue ihrem Urteil. Außerdem hat mir gefallen, was ich auf Ihrer Website gesehen habe. Einige der Vorher-Nachher-Fotos waren absolut unglaublich.“
Stone gab in seinem Job grundsätzlich sein Bestes, aber es war ihm schon immer schwergefallen, Lob anzunehmen. Er zuckte die Achseln. „Meine Schwester hat die Website entworfen.“
„Ihre Schwester? Dann haben Sie also einen Familienbetrieb?“
Stone lag es auf der Zunge, ihre Frage zu verneinen, doch dann kam er ins Grübeln. In den letzten zwei Jahren war Virginia ihm eine immer größere Hilfe geworden – in mehr als nur einer Hinsicht. „Na ja, irgendwie schon“, räumte er ein. „Virginia kümmert sich um meine Buchhaltung.“
Ich wünschte, ich könnte sie besser bezahlen, dachte er. Aber wenn diese Frau hier auch nur zwei Drittel von dem ernst meinte, was sie ihm gezeigt hatte, würde er es sich leisten können. Ohne Virginia war er nämlich verloren, schon allein deshalb, weil sie immer für Ginny da war. Die Vorstellung, Ginny einer Fremden anvertrauen zu müssen, behagte ihm nämlich gar nicht, zumal Ginny nicht ganz einfach im Umgang war. Fremde – sogar wenn sie dafür bezahlt wurden – würden bestimmt die Geduld mit ihr verlieren.
Virginia nicht.
Danni lächelte wehmütig. Sie würde alles dafür geben, einen Bruder oder eine Schwester zu haben, die ihr bei der Arbeit halfen. „Haben Sie noch mehr Familie?“
Was hat denn das mit meiner Arbeit zu tun? „Warum?“
„Nur so.“ Danni zuckte die Achseln. „Ich bin einfach neugierig. Ich erfahre eben gern mehr über Menschen, mit denen ich beruflich zu tun habe.“
Stone war für einen Moment ganz fasziniert von ihren Schultern. „Sie brauchen nur zu wissen, dass ich stolz auf meine Arbeit bin und hinter allem stehe, was ich tue“, erklärte er.
Die Frau nickte und sah ihn so erwartungsvoll an, als warte sie auf mehr. Wider Willen redete Stone weiter, obwohl es ihm eigentlich gegen den Strich ging, Privates zu erzählen. „Ich habe eine Tochter, Ginny. Sie ist vier“, fügte er hinzu, „ist aber manchmal so altklug wie eine Vierzigjährige.“
Danni Everetts Lächeln war die Preisgabe dieser Information wert. „Mein Vater hat das auch immer über mich gesagt.“
„Na, dann richten Sie Ihrem Vater mein herzliches Beileid aus“, sagte Stone trocken.
Dannis Lächeln erlosch. „Dafür ist es zu spät. Er ist vor ein paar Jahren gestorben.“
„Tut mir leid, das zu hören“, sagte er steif. Zu seinem Entsetzen hörte er sich hinzufügen: „Ginnys Mutter ist ebenfalls tot.“ Er hatte absolut keine Ahnung, warum er das Danni anvertraute.
Doch anstatt irgendwelche leeren Plattitüden von sich zu geben, berührte die Frau seine linke Hand und brachte mit dieser sanften flüchtigen Geste mehr Mitgefühl zum Ausdruck, als Worte es je vermochten. „Ziehen Sie sie ganz allein groß?“
Manchmal fühlte es sich zwar so an, aber das wäre unfair Virginia gegenüber. Sie kümmerte sie viel mehr um Ginny als er – es sei denn, er hatte gerade keinen Auftrag. „Nein, meine Schwester ist bei mir eingezogen, nachdem meine Frau gestorben ist.“
„Dieselbe Schwester, die auch Ihre Website entworfen hat?“
Ein flüchtiges Lächeln erhellte sein Gesicht. „Ja, genau die.“
Danni lächelte. „Dann haben Sie ja wirklich einen Familienbetrieb.“
Stone dachte einen Moment nach. Er wusste selbst nicht, warum er sich so gegen das Wort sperrte. Ohne Virginia hätte er keinen einzigen Auftrag annehmen können. Seinetwegen verzichtete sie mehr oder weniger auf einen eigenen Beruf und ein eigenes Leben.
Das musste sich ändern, und zwar bald.
Nur noch nicht jetzt.
„Was meinst du damit, du kannst nicht auf Ginny aufpassen?“ Stone starrte seine Schwester entgeistert an. Er hatte sich fest auf sie verlassen. „Ich muss heute mit dem Haus von dieser Frau anfangen. Der, die kocht“, fügte er vage hinzu, falls Virginia vergessen haben sollte, von wem er sprach.
Virginia war fest entschlossen, ihren Plan durchzuziehen, hatte jedoch auch ein schlechtes Gewissen. Trotzdem musste sie ein Lachen unterdrücken, als sie die Worte ihres Bruders hörte. Typisch Stone, eine bemerkenswerte Karriere so zusammenzufassen, dass so gut wie jede Frau, die sie kannten, gemeint sein konnte. Aber um das Spiel mitzuspielen – und weil Maizie es für das Beste hielt, wenn Stone seine Tochter so schnell wie möglich mit Danni bekanntmachte –, tat sie so, als sei sie verwirrt. „Meinst du die Frau mit der Kochsendung beim Kabelfernsehen?“
„Ja, genau die. Die mit dem Haus, das Ginnys Universitätsstudium finanzieren wird“, erklärte Stone nur halb im Scherz.
Danni Everett hatte seinen Kostenvoranschlag abgesegnet, wenn auch erst, nachdem sie ihm einige sehr intelligente Fragen gestellt hatte. Auch wenn er sich das nur ungern eingestand, war er ganz schön beeindruckt gewesen. Er zog es vor, für Menschen zu arbeiten, die wussten, worauf sie sich einließen, und Danni Everett schien der Tatsache ins Auge zu sehen, dass ihr Haus für lange Zeit wie ein Schlachtfeld aussehen würde, bevor es schöner wurde. Viele seiner früheren Auftraggeber hatten das nicht verstanden.
Allerdings war das reine Zukunftsmusik, wenn er dort nicht anfangen konnte.
„Ich gehe aufs College?“, fragte Ginny überrascht.
Stone küsste seine Tochter auf den Kopf. Er vergaß immer, wie gern sie Erwachsenen zuhörte.
„Ja, eines Tages“, erklärte er. „Das wird allerdings schwierig, wenn ich dieses neue Projekt nicht anpacken kann.“ Vorwurfsvoll sah er Virginia an. Wie konnte sie ihn nur einfach so ohne Vorwarnung im Stich lassen? „Ich dachte, du hast Zeit, auf sie aufzupassen.“
Da die Vorschule jetzt in den Sommerferien geschlossen war, musste Ginny den ganzen Tag über betreut werden.
„Ich weiß, und es tut mir auch schrecklich leid“, entschuldigte Virginia sich und gab sich Mühe, zerknirscht auszusehen. „Aber das war, bevor diese Sache dazwischenkam.“
„Sache?“, wiederholte er verwirrt. „Was meinst du damit?“
Seine Schwester hatte bisher nicht auch nur angedeutet, dass ihr vielleicht etwas dazwischenkommen könnte. Warum hatte sie bis zum letzten Moment damit gewartet, ihm einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen?
Virginia zuckte nervös die Achseln. Ihr war bisher noch kein plausibles Alibi eingefallen. „Na, diese Sache“, wiederholte sie nervös. „Ich habe diese Sache .“
Stones Gereiztheit verwandelte sich in Besorgnis. „Es ist doch alles in Ordnung mit dir, oder?“ Er vermutete sofort das Schlimmste. Eva war schließlich auch kerngesund gewesen, bevor sie gestorben war. Er wusste daher aus erster Hand, wie schnell das Schicksal zuschlagen konnte. „Du bist doch nicht etwa krank?“
Virginia hätte diese Chance, die Stone ihr förmlich auf dem Silbertablett präsentierte, gern genutzt, aber sie kannte ihn. Wenn er auch nur den leisesten Verdacht hatte, dass sie krank war, würde er darauf bestehen, sie zum Arzt zu begleiten und sich rund um die Uhr um sie zu kümmern. Er konnte manchmal unglaublich selbstlos sein, was bei ihr jedoch reine Verschwendung war. Irgendwo da draußen – hoffentlich ganz in der Nähe – gab es eine Frau, die einen Mann wie ihn brauchte und die genau die Frau war, die er nötig hatte.
Virginia versuchte verzweifelt, sich eine Ausrede einfallen zu lassen, um ihn abzuschütteln. Das „Ding“ könnte vielleicht ein neuer Mandant sein, dachte sie plötzlich. Rasch ließ sie sich ein paar vage Details einfallen. „Ich habe da diesen neuen Mandanten, der sich heute Mittag mit mir treffen möchte. Es könnte etwas länger dauern, sodass ich die Kleine unmöglich dahin mitnehmen kann.“
Stone nickte. „Du hast recht.“
„Hey, ich habe eine Idee“, fügte Virginia mit gespielter Spontaneität hinzu. „Warum nimmst du sie nicht mit?“
Hatte Virginia etwa den Verstand verloren? „Als meine Assistentin etwa?“
„Klar, Daddy. Ich kann deine Sistentin sein“, schaltete Ginny sich begeistert ein. „Ich helfe dir. So wie bei dem tropfenden Wasserhahn, weißt du noch?“
Stone konnte sich nur zu gut daran erinnern. Er hatte doppelt so lange dafür gebraucht, ihn zu reparieren, hatte Ginny jedoch nicht entmutigen wollen. Leider konnte er sich so etwas bei seiner neuen Auftraggeberin nicht leisten. „Ich weiß, Schatz. Aber das war unser tropfender Wasserhahn.“
Entrüstet zog die Kleine die Augenbrauen zusammen. „Dann mag die Frau es also nicht, wenn Kinder ihr helfen?“
Stone sah sie überrascht an. „Woher weißt du, dass meine neue Auftraggeberin eine Frau ist?“ Er konnte sich nicht daran erinnern, das ihr gegenüber erwähnt zu haben.
Anders als ihre Tante war Ginny nie um eine Antwort verlegen. „Ich habe gehört, wie du mit Tante Virginia darüber gesprochen hast.“
Stone zuckte die Achseln. „Wie dem auch sei, ich rufe sie lieber an und sage ihr, dass ich heute doch noch nicht bei ihr anfangen kann.“
Als er in seine Tasche griff, um sein Handy herauszuziehen, hielt Ginny seine Hand fest. „Nein, Daddy, fahr ruhig zu der Frau. Ich bin schon groß. Ich bleibe hier, bis du zurückkommst.“ Stolz hob sie das Kinn.
Gerührt zauste Stone ihr das Haar. „Netter Versuch, Kiddo – und glaube nicht, dass ich deinen Vorschlag nicht zu schätzen weiß –, aber du bist noch nicht alt genug, um allein zu Hause zu bleiben.“ Als sie protestierend den Mund öffnete, schnitt er ihr das Wort ab: „Außerdem machst du schon genug Ärger, wenn du allein in einem Zimmer bist, ganz zu schweigen von einem Haus.“
„Aber Daddy …“, begann Ginny zu protestieren.
„Ruhig, Kiddo“, ermahnte er sie. „Ich will telefonieren.“ Er gab Dannis Nummer in sein Handy ein. Auf der anderen Seite der Leitung klingelte es nur einmal, bevor sie abhob und sich melodiös meldete. Hoffentlich war die Frau nicht verärgert. „Ms Everett?“
Danni erkannte seine Stimme sofort wieder. Ihr Herz machte einen Satz. Was völlig unangemessen war. „Stone?“
Sie sprach seinen Namen so erfreut aus, dass ihm ganz warm ums Herz wurde. „Heute wollten Sie doch anfangen, oder? Ich habe den Termin doch richtig notiert?“
„Ja, haben Sie. Genau deshalb muss ich mit Ihnen reden. Ich fürchte, ich muss für heute absagen.“
„Ach.“ Ihre Enttäuschung klang so aufrichtig, dass Danni ihm leidtat. „Warum denn?“, hörte er sie zu seiner Überraschung fragen.
„Mein Babysitter hat im letzten Moment abgesagt“, erklärte er und streifte Virginia mit einem vorwurfsvollen Blick. „Ich habe niemanden, der auf meine Tochter aufpasst. Es ist schwierig, so schnell jemand anderen zu finden, also hielt ich es für das Beste, wenn ich einfach …“
„Bringen Sie sie doch mit“, schlug Danni vor, bevor er seinen Satz vollenden konnte.
Stone schwieg einen Moment verblüfft. „Wie bitte?“
„Bringen Sie sie mit“, wiederholte Danni. „Hören Sie, ich habe extra meinen Drehplan ändern lassen, um mir heute freizunehmen, falls Sie irgendwelche Fragen haben“, erklärte sie. „Ich finde, wir sollten das nutzen.“
„Wollen Sie damit etwa sagen, dass Sie auf meine Tochter aufpassen wollen, während ich bei Ihnen arbeite?“
„Ja, genau.“
Er hätte schwören können, dass sie lächelte. Und er würde lügen, wenn er behaupten würde, dass ihr Angebot nicht verlockend klang. Trotzdem fiel es ihm schwer, es anzunehmen. Irgendwie verstieß es gegen die Regeln … oder? „Das kann ich doch nicht von Ihnen verlangen“, protestierte er.
„Tja, wenn ich mich recht entsinne, haben Sie das auch gar nicht. Ich biete es Ihnen freiwillig an. Ich kann ziemlich gut mit Kindern umgehen. Ich habe eine Patentochter, die nur wenig älter als Ginny ist, und war mit ihr ein paar Mal im Freizeitpark, ohne sie zu verlieren oder kaputt zu machen.“
„Woher wissen Sie, wie alt meine Tochter ist?“, fragte Stone verwirrt.
„Sie haben es mir selbst erzählt“, rief sie ihm ins Gedächtnis. „Dass sie vier ist, aber so altklug wie eine Vierzigjährige, schon vergessen?“
Stone erinnerte sich noch gut an ihr Gespräch und dass ihm hinterher aufgefallen war, mehr geredet zu haben als sonst mit einem Auftraggeber. Irgendwie war ihm das immer noch unangenehm – obwohl er keine Ahnung hatte, wieso.
„Dann bringen Sie sie vorbei?“, fragte Danni. „Ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie heute mit Ihrer Arbeit anfangen könnten. Irgendwie werde ich Ihre Tochter schon beschäftigen.“
Stone schwieg einen Moment nachdenklich. Er konnte Ginny zwar bitten, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, aber die Kleine war das reinste Energiebündel und nur schwer zu bändigen. „Sind Sie sicher?“
„Klar! Ich würde Ihre Tochter gern kennenlernen.“
Sagen Sie das nicht zu früh, Lady, dachte Stone im Stillen. „Okay, ich bringe Ginny mit. Aber Sie müssen mir versprechen, mir sofort Bescheid zu sagen, wenn sie Ihnen auf die Nerven fällt. Dann bringe ich sie sofort nach Hause.“
Danni unterdrückte die Bemerkung, dass sie sich jedem Trick gewachsen fühlte, den eine Vierjährige so auf Lager haben konnte. „Versprochen.“
„Na schön. Dann kommen wir bald“, beendete Stone das Telefonat.
Die Frau wird es nie zugeben, wenn Ginny ihr zu viel wird, dachte er, als er sein Handy wegsteckte. Das spürte er einfach. Dazu war sie viel zu stur.
Er warf seiner Tochter einen skeptischen Blick zu und drehte sich dann zu seiner Schwester um. „Du bist also absolut sicher, dass du nicht …?“
„Absolut“, fiel Virginia ihm ins Wort. „Und ehrlich gesagt muss ich mich jetzt fertig machen.“ Sie gab Ginny einen Kuss auf den Kopf. „Denk daran, dich zu benehmen.“
„Mach ich, Tante Virginia“, versprach Ginny.
Virginia sah ihre Nichte zweifelnd an. „Vergiss nicht, was auf dem Spiel steht.“
Ginny nickte eifrig.
Stone stutzte. „Was steht auf dem Spiel?“, fragte er verwirrt.
„Meine Collegeausbildung“, antwortete Ginny wie aus der Pistole geschossen. „Das hast du doch selbst gesagt, Daddy.“
Virginia wandte sich ab, um ein Lächeln zu verbergen. Ginny hatte das Zeug zu einer großartigen Spionin.
„Stimmt“, räumte Stone ein und sah zwischen seiner Tochter und seiner Schwester hin und her. Irgendetwas war hier faul, das hätte er schwören können, auch wenn er absolut keine Idee hatte, was. Es hatte jedoch keinen Zweck, die beiden darauf anzusprechen. Sie würden ihn sowieso nur unschuldig fragen, was er meinte, und dann würde er passen müssen. „Okay, Gin, pack ein paar Spielsachen ein und lass uns aufbrechen.“
„Bin gleich zurück, Daddy“, versprach sie und flog aus dem Zimmer.
Erstaunt sah er ihr hinterher. Hier war eindeutig etwas faul.
Sein Verdacht bestätigte sich, als Ginny fast sofort mit einem vollgestopften Rucksack zurückkehrte. Es sah fast so aus, als hätte sie schon vorher gepackt.
Fragte sich nur, warum sie so etwas hätte tun sollen? Es ergab absolut keinen Sinn.
Wenn Danni Dreharbeiten hatte oder sich mit den paar Catering-Kunden traf, die sie noch behalten hatte, falls ihre Sendung plötzlich abgesetzt wurde, achtete sie grundsätzlich darauf, gut angezogen zu sein. Sie trug dann entweder hübsche Kleider oder schmeichelhafte Röcke mit passenden Oberteilen, die sie mit Highheels kombinierte.
An ihren wenigen freien Tagen jedoch zog sie sich immer etwas Bequemeres an, entweder Jeans oder Shorts mit einem bunten T-Shirt. Im Haus lief sie dann meistens barfuß herum.
Als sie Stone daher die Tür öffnete, erkannte er die Frau vor ihm zuerst nicht. Sie ähnelte eher einer Studienanfängerin als dem Star einer beliebten Kochsendung im Fernsehen. Im ersten Moment hielt er sie für eine jüngere Kusine oder die kleine Schwester Dannis. „Ist Ms Everett da?“, fragte er. „Ich bin Stone Scarborough und soll heute hier anfangen.“ Er nickte in Richtung des übergroßen Werkzeugkastens in seiner Hand. Den hatte er bei jedem Auftrag dabei – es handelte sich um das letzte Weihnachtsgeschenk seiner verstorbenen Frau.
Bevor die junge Frau in dem dünnen himmelblauen T-Shirt – einem T-Shirt, das so eng anlag wie eine zweite Haut – antworten konnte, drängte Ginny sich vor. „Und ich bin Virginia Scarborough“, sprudelte sie hervor. „Alle nennen mich Ginny, damit man mich nicht mit meiner Tante Virginia verwechselt. Du darfst auch Ginny zu mir sagen.“ Die Kleine strahlte über das ganze Gesicht.
„Ginny, ich habe dir doch gesagt, dass du zwischen den Sätzen Luft holen musst“, ermahnte Stone seine Tochter. Das war die einzige Chance, auch mal zu Wort zu kommen, wenn seine Tochter erst mal in Fahrt kam.