An der Grenze zur Ewigkeit – Ein klassischer Science-Fiction-Roman - Marten Munsonius - E-Book

An der Grenze zur Ewigkeit – Ein klassischer Science-Fiction-Roman E-Book

Marten Munsonius

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Beschreibung

Sie sind aufgebrochen mit einer Mission: neue Planetensysteme für den Sternenbund von Terra zu entdecken. Ihr Raumschiff ESCADRON soll auch in Regionen vorstoßen, die abseits der üblichen Sternenrouten liegen. Alec Harris, seine Frau Jenny und ein Team von Experten wissen, wie riskant diese Mission sein kann – aber sie wollen es trotzdem wagen.
Schon bald stoppt eine gewaltige Explosion diese Reise. Die ESCADRON scheint vernichtet worden zu sein – zerstört in einer misslungenen Transition, die viele Menschen das Leben gekostet hat. Ein Teil der Besatzungsmitglieder wird durch eine geheimnisvolle Kraft in ein anderes Universum geschleudert. Dort treffen sie auf die KORSCH´H – ein fremdes und scheinbar friedliebendes Volk, das sich im Krieg mit den Exkantern befindet. Die Terraner werden in diese Auseinandersetzungen mit hineingezogen. Aber schon bald müssen sie erkennen, dass Freunde zu Feinden werden und grausame Krieger sich zu verlässlichen Partnern wandeln.
Der Transitionsschlepper der KORSCH´H nimmt Kurs auf das LICHT DES FOROT, während an Bord die Kämpfe toben. Dann gerät das Schiff in den Sog des Planeten, dessen bloße Existenz bei den KORSCH´H eine Panik auslöst. Denn dieser Planet besteht aus Metall – und in seinem Innern lauert das GEHIRN, dessen Programm nur ein Ziel kennt: die Vernichtung allen Lebens, das sich diesem Planeten nähert.
Das ist aber erst der Beginn einer abenteuerlichen Reise, denn es warten noch weitere überraschende und schicksalhafte Begegnungen auf die Terraner. Und einige von ihnen werden ihre Heimat niemals wiedersehen …
Ein spannender Roman aus der Zeit der klassischen SF-Abenteuer-Romane. Vor über 20 Jahren konzipiert und geschrieben – und jetzt als eBook erhältlich.

Erstes Buch – Gefangen im Legendenstrom
Zweites Buch – KRK – Der Stählerne Gott
Drittes Buch – Rückkehr ins Nirgendwo

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Alfred Wallon – Antje Ippensen –

Marten Munsonius

 

 

 

An der Grenze

zur Ewigkeit

 

 

 

Ein klassischer Science-Fiction-Roman 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Neuausgabe

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © Steve Mayer nach Motiven, 2023 

Korrektorat: Bärenklau Exklusiv

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

An der Grenze zur Ewigkeit 

Erstes Buch 

Gefangen im Legendenstrom 

Zweites Buch 

KRK – Der Stählerne Gott 

Drittes Buch 

Rückkehr ins Nirgendwo 

 

Das Buch

 

 

 

Sie sind aufgebrochen mit einer Mission: neue Planetensysteme für den Sternenbund von Terra zu entdecken. Ihr Raumschiff ESCADRON soll auch in Regionen vorstoßen, die abseits der üblichen Sternenrouten liegen. Alec Harris, seine Frau Jenny und ein Team von Experten wissen, wie riskant diese Mission sein kann – aber sie wollen es trotzdem wagen.

Schon bald stoppt eine gewaltige Explosion diese Reise. Die ESCADRON scheint vernichtet worden zu sein – zerstört in einer misslungenen Transition, die viele Menschen das Leben gekostet hat. Ein Teil der Besatzungsmitglieder wird durch eine geheimnisvolle Kraft in ein anderes Universum geschleudert. Dort treffen sie auf die KORSCH´H – ein fremdes und scheinbar friedliebendes Volk, das sich im Krieg mit den Exkantern befindet. Die Terraner werden in diese Auseinandersetzungen mit hineingezogen. Aber schon bald müssen sie erkennen, dass Freunde zu Feinden werden und grausame Krieger sich zu verlässlichen Partnern wandeln.

Der Transitionsschlepper der KORSCH´H nimmt Kurs auf das LICHT DES FOROT, während an Bord die Kämpfe toben. Dann gerät das Schiff in den Sog des Planeten, dessen bloße Existenz bei den KORSCH´H eine Panik auslöst. Denn dieser Planet besteht aus Metall – und in seinem Innern lauert das GEHIRN, dessen Programm nur ein Ziel kennt: die Vernichtung allen Lebens, das sich diesem Planeten nähert.

Das ist aber erst der Beginn einer abenteuerlichen Reise, denn es warten noch weitere überraschende und schicksalhafte Begegnungen auf die Terraner. Und einige von ihnen werden ihre Heimat niemals wiedersehen …

Ein spannender Roman aus der Zeit der klassischen SF-Abenteuer-Romane. Vor über 20 Jahren konzipiert und geschrieben – und jetzt als eBook erhältlich.

 

 

Erstes Buch – Gefangen im Legendenstrom

Zweites Buch – KRK – Der Stählerne Gott

Drittes Buch – Rückkehr ins Nirgendwo

 

 

***

An der Grenze zur Ewigkeit

 

 

Erstes Buch

Gefangen im Legendenstrom

 

Phase 1:

 

Das nackte Grauen fiel über sie her wie ein reißendes Tier und es würde keinen an Bord verschonen. Niemand konnte mehr einen klaren Gedanken fassen. Nur flüchtig sah Ahmad Shon die weit aufgerissenen Augen von Jenny Harris – die anderen konnte er nicht mehr erkennen in dem dichten, milchig-trüben Dunst, der unmittelbar nach dem harten Schlag, der die ESCADRON getroffen hatte, entstanden war. Es war ein Schlag, der völlig unerwartet stattgefunden hatte – und weder die Ortung noch die anderen Systeme an Bord hatten von diesem Zwischenfall irgendetwas vorher bemerkt.

Panik und ein tiefes, sein Gehirn fast zerreißendes Summen überwältigten ihn, er versuchte wenigstens zu schreien: vergebens! Alles schien ihm zu entschwinden. Verzweifelt griff er um sich, versuchte etwas Festes zu packen zu bekommen – einen Stuhl, einen Monitor – irgendetwas … doch da wurden seine Arme emporgerissen, als seien sie schwerelos. Vor seinen Augen verschwanden beide Hände in diesem Nebel, und plötzlich war da ein grausam hartes Zuschnappen wie von stählernen Zangen. Zumindest empfand das Ahmad Shon in diesen Sekunden so.

Er hörte ein knirschendes Geräusch. Ahmad Shon registrierte noch – erstaunlich nüchtern – dass seine Handgelenke gebrochen waren, ehe er in eine gnädige Dunkelheit versank, die den Schmerz auslöschte … sein letzter halbwegs wacher Gedanke galt dem schönsten und vollkommensten Vulkanausbruch, den er jemals mitangesehen hatte … damals auf … auf …? Wo war es nur gewesen? Wo … wo …? An mehr konnte er nicht mehr denken, denn in diesen Sekunden vernebelte sich sein Geist, und alle weiteren Empfindungen stürzten zusammen mit seinem Bewusstsein in einen tiefen, dunklen Schacht.

 

 

Phase 2:

 

Jenny wollte schreien. Sie sah ihren Mann plötzlich nicht mehr, und das war schon allein ein Gedanke, der sie beinahe wahnsinnig werden ließ. Sie begriff gar nicht, was plötzlich mit ihr und den anderen Besatzungsmitgliedern der ESCADRON geschah. Da musste ETWAS gewesen sein, etwas das ganz plötzlich ihren Kurs gekreuzt hatte und dann … Anders jedenfalls konnte sie sich diesen unwahrscheinlichen Ruck, der verbunden war mit einem gewaltigen Krachen und Schleifen, nicht erklären. Etwas Unsichtbares, das dennoch aus fester Materie bestand?

Dann stieß sie mühsam ein »Ahmad!« hervor, denn Shon war der einzige, den sie noch erkennen konnte, während irgendetwas sie hinter die Dunstwand zerrte und von allen anderen trennte. Sie kämpfte dagegen an. Als eine eiserne Schlinge sich um ihren im Nebel verschwundenen Fuß wickeln wollte … genauso fühlte es sich jedenfalls an, wie eine Fangschlinge aus Draht … hörte sie sich zu ihrer eigenen Überraschung wütend brüllen: »Lass mich los, du Miststück!«

Das Ding glitt von ihrem Fuß. Aber nun schien sie frei im Weltraum zu schweben und wunderte sich, dass sie noch Atem schöpfen konnte. Auch Shon entschwand – als Letzter plötzlich ihrem Blick. In diesem Moment war sie vor Angst wie gelähmt und wehrte sich nicht mehr gegen das Unbegreifliche. Sie war allein – so schrecklich allein, und auf einmal spürte sie die Kälte des Weltraums, die sie fast zu ersticken drohte.

 

 

Phase 3:

 

So ist es also, wenn man stirbt, dachte Shari Singh gut zwanzig Meter entfernt (und mittlerweile ebenfalls von den plötzlichen Geschehnissen konfrontiert). Sie machte einen halbherzigen Versuch, die Handflächen meditierend ineinander zu legen, denn da war noch die stille Hoffnung, auf diese Weise neue Kraft schöpfen und einen klaren Kopf bekommen zu können.

Erinnerungsfetzen zogen vor ihrem geistigen Auge hinweg ins Nirwana: Ihr Onkel hockte vor ihr und sprach sanfte philosophische Worte, und wieder – wie schon so oft – verstand sie nicht, was er sagte. Er gehörte einer anderen Zeit an. Dies hier bedeutet Kampf, Onkel Krishna, hörte sie sich selbst mit fester Stimme erwidern – und urplötzlich blitzte die Nähschere ihrer Tante auf … eine altmodische Schere aus verchromtem Stahl, und diese Schere schnitt ihre Erinnerungen einfach ab. So plötzlich und unerwartet, dass ihre Gedanken noch um die letzten Bilder kreisten, während der Körper bereits weggerissen wurde – an einen anderen, unbekannten Ort.

 

 

Phase 4:

 

… Abgeschnitten, ich bin abgeschnitten von den anderen. Allein …

Curt Johnson, der sich gerade eben noch in einer angeregten Unterhaltung mit Shari Singh befunden hatte (über die Neuzüchtung der ausgestorbenen Onager), kurz bevor der Katastrophenalarm ausgelöst wurde, versuchte zu begreifen, was hier vor sich ging. Aber ihm fehlte jeder Vergleichsmaßstab. Ihm war, als würde die ESCADRON in kleinste Teile zermalmt, während er selbst hinter eine Art Nebelwand gezogen wurde. Und das Schlimme war, dass er absolut nichts dagegen tun konnte! Irgendwie eine schrecklich endgültige Empfindung …

Als Partyscherz hatte ihm vor Jahren einmal ein Freund Hydromilch ins Gesicht geschüttet, und er hatte es nicht geschafft, seine Augen rechtzeitig zu schließen – seine Reflexe hatten versagt. Beinahe wäre er für kurze Zeit erblindet damals – aber man hatte ihn rechtzeitig medizinisch versorgt. Und warum dachte er ausgerechnet jetzt an dieses Erlebnis?

Weil ich mich genauso fühle wie in dem Moment damals, als das weiße Zeug in meine Augen drang, dachte er. Dann sperr deine Ohren auf, befahl er sich wütend. Nur dann kannst du etwas tun, wenn du begreifst, was mit dir und den anderen geschieht …

Er konnte sich nicht bewegen, war wie paralysiert. Dumpf hörte er in der Ferne den Katastrophenalarm der ESCADRON, die nicht mehr existierte. Und dann wurde das Signal abgelöst von einem tiefen Summen, und wenn er nicht gewusst hätte, dass das unmöglich war, so hätte er schwören können, dass ihn dieses Summen in einen anderen Raum zog und ihm eine silbern-stählerne Schale zeigte, in die er sich legen sollte. Er spürte diesen Befehl von irgendwoher; er bohrte sich in seine Schläfen hinein. NEIN! brüllte Curt lautlos, und dann flackerte vor seinen halbblinden Augen ein verzerrtes Bild auf, das so grauenvoll war, dass er es sofort wieder verdrängte.

 

 

Phase 5:

 

KORSCH´H, dachte Walter Steen und fragte sich, wie dieses Wort, dieser Name sich in seinen Geist hineinverpflanzt hatte. Er kannte es nicht, hatte es nie zuvor gehört.

»Was wollt ihr von mir?«, gelang es ihm zu fragen, denn zu dem Namen gehörten Wesen, die in seiner unmittelbaren Nähe waren.

LEG DICH HIN UND SCHLAF. Eine stählerne Kappe senkte sich über Steens Kopf. Er wusste nicht, wo er war. Er ließ es geschehen. Und er war genauso hilflos wie die anderen Besatzungsmitglieder der zerstörten ESCADRON. Das Skurrilste an der ganzen Situation war die Tatsache, dass es ihn ausgerechnet erwischte, als er sich an einem der Automaten eine Mahlzeit auswählen wollte. Er hatte den gewünschten Knopf schon gedrückt und mit gehörigem Appetit gewartet, dass der Automat ihm das Essen freigab. Aber dann hatten andere Gedanken diesen Wunsch plötzlich überlagert – und als auch er von unsichtbaren Händen aus der vertrauten Umgebung weggerissen wurde, kreisten seine Empfindungen plötzlich um ganz andere Dinge. Solche, von denen er noch nie zuvor gehört hatte und sie deshalb auch nicht einordnen konnte. Oder um was handelte es sich sonst bei dem Licht des Forot?

 

 

Phase 6:

 

… es einfach geschehen lassen. Das könnte euch so passen, wie?

Melanie Pascoe, desorientiert und nach dem unerwarteten Desaster am Ende ihrer Kraft, war dennoch weit entfernt, DIES geschehen zu lassen. Diverse Operationen hatten ihr das biologische Alter einer 30-jährigen verliehen, obwohl sie in Wahrheit siebenundfünfzig war, und während der gesamten Reise hatte es ihr Spaß gemacht, auf die neugierigen Fragen ihrer Mitreisenden zu antworten. Sie wusste, dass sie in Augenblicken der Gefahr ein zweideutiges Lächeln auf ihr Gesicht zaubern konnte, und so nahm sie an, dass sie das auch jetzt tat (auch wenn sich ihre unmittelbare Umgebung so sehr verändert hatte, dass sie gar nicht mehr wusste, wo oben und unten war).

Melanie Pascoe war vielleicht weniger überrascht als jeder andere an Bord der ESCADRON, als die Katastrophe das Schiff zerriss und irgendetwas oder jemand die Macht über die traurigen Reste – sprich Mannschaft und Passagiere – übernahm. Es ging immer um MACHT. Nach diesem Motto lebte Melanie Pascoe nun schon seit vielen Jahren, und ihre Erfahrung gab ihr recht.

Etwas Schlingenähnliches schoss durch den milchigen Dunst auf sie zu. Instinktiv fing sie es ab und schleuderte es weg. Jetzt machte es sich bezahlt, dass sie trotz ihres anstrengenden Berufes in jeder einzelnen Woche ihres Lebens an Fitnesskursen teilgenommen hatte. Wieder kam eine seltsam geformte Schlinge auf ihre Hände zugesaust, und erneut packte sie das Ding. Sie wollte gerade ein grimmiges Lachen von sich geben, als ein hoher, grässlicher Entsetzensschrei, der von irgendwoher kam und eindeutig menschlich war, ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Ihre Finger umkrampften die metallische Schlinge, die eigenes Leben zu besitzen schien, denn sie wand und drehte sich. Melanie versuchte noch einmal, sich zu wehren … der Schrei wurde durch ein schrilles Summen abgelöst, das durch ihr Gehirn jagte, und das war’s dann.

Grausam fest zogen sich die stählernen Schlingen um ihre Handgelenke. Zerrten sie in einen fremden Raum, der in ein unwirkliches Licht getaucht wurde. So hell, dass Melanie Pascoe geblendet wurde und die Augen schließen musste.

 

 

Phase 7:

 

Fremdartig, das Salz, das sie auf ihren Lippen schmeckte. Jenny Harris schüttelte heftig den Kopf und hatte doch immer noch das Gefühl, dass Raum und Zeit verändert waren, unter ihr schwankten wie … Planken eines Segelschiffes auf hoher See. Und zwar so deutlich, dass sie selbst unwillkürlich zu taumeln begann und für Sekunden große Mühe hatte, ihr eigenes Gleichgewicht halten zu können. Als wenn man sich ganz plötzlich in eine 3 D-Simulation versetzt fühlte.

Sie hörte die Leinwand im Wind knattern, sah lauter schemenhafte, bunt gekleidete Seeräubergestalten … und einer von ihnen, ein schmächtiger kleiner Kerl mit einem Federhut und einer schwarzen Augenklappe (der Kapitän?) grinste bösartig und gab einen grausamen Befehl.

Jenny sah ihren Mann Alec, mit gefesselten Händen, im Begriff, auf das schwankende Nichts einer Schiffsplanke zu steigen, die über das tiefe Meer ragte … und es war kein Meer, es war der schwarze und kalte und gnadenlose Weltraum, in dem das Piratenschiff schwebte. Auf einmal war deutlich zu erkennen, dass der Kapitän niemand anderer war als Ahmad Shon …

»NEIN!«, schrie Jenny und wusste, dass sie noch weitere Laute ausstieß, aber sie waren langgezogen und schrill, da war kein verständliches Wort mehr. In diesem Augenblick erloschen auch sämtliche weiteren Empfindungen von Jenny Harris – und ihr Körper entmaterialisierte – gerade noch rechtzeitig, bevor die ESCADRON in einem Meer aus explodierenden Trümmern verging.

 

 

Phase 8 – Zusätzlicher Transport:

 

Die moderne Dichtung enthält kein einziges verständliches Wort mehr, dachte ein junger Mann, der seinen Namen vergessen hatte und nicht einmal mehr wusste, dass er Passagier an Bord des Raumkreuzers ESCADRON gewesen war. Zumindest erschien ein solches (oder ähnliches Bild) für Bruchteile von Sekunden vor seinem geistigen Auge. Insekten mit unglaublich festen Chitinpanzern schienen gegen sein Hirn Sturmangriffe zu fliegen. Sie hatten alle Informationen über ihn selbst ausgelöscht. Sein Verstand suchte nach einem passenden Vers auf seinen letzten Gedanken. Und bald werden wir wissen: Unser Geist ist leer …

 

Alec Harris erwachte aus seinem unnatürlichen Schlaf, der Ewigkeiten gedauert zu haben schien. Er öffnete die schweren Augenlider. Benommen sah er sich um in einem fremden, langgestreckten und hellgrauen Raum mit einer recht niedrigen Decke, doch er hatte noch immer Mühe, sich aus seinem Traum zu lösen.

Er sah die ESCADRON vor sich, wie sie in kleinste Staubpartikel zerbarst – Partikel, die sich zu einem Staubball zusammenzogen und dann abermals explodierten. Eine gigantische Flammen- und Hitzehölle, die niemand mehr überleben konnte – denn alles war viel zu plötzlich gekommen, als dass sich irgendjemand rechtzeitig darauf hätte einstellen können …

Er wusste nicht warum, aber er hatte das deutliche Gefühl, dass diese Vision mehr als ein Traum war. Wenn es also das gewesen war, was dem Raumkreuzer zugestoßen war, von wo aus hatte er die Katastrophe beobachtet? Oder, anders ausgedrückt, wo war er jetzt? Und Jenny?

Er lag auf einer dünnen dreieckigen Pritsche (wie er jetzt erst feststellte), und um ihn herum befanden sich noch weitere dieser Lagerstätten, an den Wänden verteilt. Harris erkannte seine Mitreisenden, doch seine Frau suchte er vergebens. Er schluckte, sein Herz hämmerte, weil er nicht begriff, warum ausgerechnet Jenny nicht bei den anderen weilte.

Jetzt kam mit einem Ächzen auch eine der anderen Frauen zu sich. Die übrigen Menschen lagen immer noch in tiefer Bewusstlosigkeit.

»Virna?«, stieß Alec hervor.

Sie verdrehte den Kopf, um ihn ansehen zu können.

»Harris? Was … was ist passiert?«, stammelte sie, erhob sich halb und drückte beide Hände gegen die schmerzenden Schläfen.

»Ich hoffe, das werden wir bald erfahren«, gab Alec Harris zurück. »Jemand hat uns hier hergebracht … uns entweder gerettet oder – gefangengenommen.«

Sie versuchten beide aufzustehen und stellten fest, dass es ihnen mit einiger Mühe auch gelang. Virna, die resolute Schwester der Krankenstation, machte sich sogleich daran, die anderen zu wecken. Denn schließlich kannte sie sich ja in der Behandlung von Patienten aus – auch wenn diese Handvoll Menschen sich dessen vielleicht noch gar nicht bewusst war.

Sie hatte alle ihre kleinen Hilfsmittel noch bei sich in den Taschen ihrer Kleidung, nichts war ihr abgenommen worden. Und soweit sie das beurteilen konnte, hatte man auch den anderen alles gelassen, was sie am Leibe trugen.

Harris untersuchte währenddessen die einzige Tür des langgestreckten Raums. Sie war nicht nur verschlossen, sondern wies auch weder Schloss noch irgendeine Art von Griff oder Ähnlichem auf.

»Eine Art Sesam-öffne-dich-Tür, was?«, sagte Walter Steen, der auch bereits wieder laufen konnte und eigenartigerweise wieder ein Gefühl von Hunger in seinem Magen spürte, als wenn überhaupt nichts geschehen wäre. Er war ein gedrungener, kräftiger Mann mittleren Alters. Mit beiden Händen fuhr er sich durch das borstige Haar, als er sich ebenfalls der Tür näherte und sie sich genau ansah. Harris ging nicht auf die scherzhafte Bemerkung Steens ein.

»Ich konnte es noch nie leiden, eingesperrt zu sein«, murmelte er. »Ich kann nur hoffen, dass sich unsere Gastgeber … oder Entführer bald melden werden.«

»Wenn sie diesen Raum elektronisch oder wie auch immer überwachen, werden sie bald merken, dass wir wach sind.« Steen spähte in die Ecken des Zimmers, um herauszufinden, ob es irgendwo eine Vorrichtung gab, die alles aufzeichnete, was sich hier tat.

»Was meinen Sie, Steen, sind wir auf einem Planeten oder an Bord eines Raumschiffes?«, fragte ihn der Prospektor und sah ihn forschend an.

Der andere hob die Schultern. »Keine Ahnung«, meinte er. Sein Gesicht wirkte ruhig bis auf ein Zucken im Wangenmuskel. »Sie können mir glauben, dass ich das selbst gerne gewusst hätte …«

»Eins steht fest«, begann Harris, »es geschah während des Transitionssprungs. Aber das, was der ESCADRON zugestoßen sein muss, scheint unbeschreiblich gewesen zu sein. Ich habe noch nie davon gehört, dass so etwas passieren könnte. Es …«

»Harris?«, erklang da Virnas Stimme in seinem Rücken. »Hier ist einer, der nicht zu sich kommt. Kommen Sie her und sehen Sie selbst!«

Der junge Mann, den sie meinte, atmete flach und schien in tiefem Koma zu liegen. Keiner der Anwesenden konnte sich so richtig an seinen Namen erinnern – hieß er Miller oder Müller? Alec Harris grübelte kurz darüber nach und empfand es als äußerst seltsam, dass auch er nicht so recht wusste, wer der junge Mann war.

»Er braucht dringend medizinische Hilfe«, erklärte die Oberschwester besorgt, »und zwar bessere, als ich ihm geben kann mit meinem Protein- und Endorphin-Spray. Man müsste ihn einmal gründlich untersuchen …«

»Sieht wohl so aus, als wenn wir zumindest im Augenblick dazu keine Gelegenheit haben werden«, erwiderte Harris. »Und was ist mit den anderen, Virna?«

»Ihre Reaktionen sind noch ein wenig verlangsamt, aber das wird wohl nach und nach verfliegen. Es sind ganz normale Reaktionen nach solch einem … Zwischenfall.«

Curt Johnson, Shari Singh und Melanie Pascoe saßen zusammengesunken auf ihren, am Kopfende spitz zulaufenden, niedrigen Feldbetten und blickten leicht verwirrt vor sich hin. Es schien so, als wenn sie gerade aus einem schlimmen Albtraum erwacht waren und noch nicht wussten, was wirklich war und was nicht.

Die junge Inderin sagte mit belegter Stimme: »Wir sind an Bord eines … Schiffes. Es ist sehr groß. Gewaltig.«

»Woher wollen Sie das wissen?«

»Ich … ich spüre die Vibrationen des Antriebs. Fühlen Sie denn nichts?«

Alle konzentrierten sich angestrengt und glaubten schließlich auch, ein kaum wahrnehmbares Zittern zu spüren. Sie schrieben es ihrer augenblicklichen Hilflosigkeit zu, dass sie das jetzt erst bemerkten.

»Das erklärt, warum mir immer noch schlecht ist«, sagte Melanie Pascoe und verzog das Gesicht. Sie hatte auch an Bord der ESCADRON kurze Zeit unter der Raumkrankheit gelitten.

Walter Steen wanderte weiter in dem langgestreckten Raum umher. Als er in den leeren Bereich kam und neugierig ein paar Knöpfe betätigte, glitten geräuschlos weitere dreieckige Wandpritschen heraus.

»Vielleicht ist dies ein Schlafsaal für einen Teil der Besatzung«, rief er den anderen zu.

Alec Harris wandte sich von dem komatösen jungen Müller (oder Miller) ab und seufzte. Auch er konnte ihm nicht helfen. Und dieses Wissen, zumindest jetzt gar nichts tun zu können, beunruhigte ihn sehr.

»Ich frage mich, ob wir die einzigen Überlebenden der ESCADRON sind.« Darauf schwiegen alle.

Plötzlich schrie Curt Johnson auf – er schnellte aus seiner schlaffen Haltung empor und zog blitzartig seinen Blaster, wobei er zur Tür starrte. Als alle Augen seinem Blick folgten, sahen die Überlebenden, dass sich die Tür ohne einen Laut in Nichts aufgelöst hatte. Zwei kleine und zarte Gestalten in silbrigen Gewändern standen darin. Sie wirkten humanoid, aber fast wie Kinder, und die eine der beiden hob eine feingliedrige Hand und sagte: »Frieden! Habt keine Furcht.«

»Das sagt sich leicht«, schnaufte Johnson; der Schreck war doch etwas zu kräftig gewesen, aber er senkte seine Waffe. Seine schwarzen Augen blitzten immer noch voller Misstrauen.

»Reißen Sie sich zusammen, Mensch!«, herrschte Alec Harris ihn an. Er registrierte, dass die Translatoren offenbar keine Schwierigkeiten mit ihrer Sprache hatten. Sie funktionierten einwandfrei: Etwas dünn und blechern, aber klar und verständlich drang die Sprache der fremden Wesen an die Ohren der Überlebenden.

Er ging als erster auf die beiden zu. »Mein Name ist Alec Harris«, sagte er.

Aus der Nähe sah er, dass man kaum erkennen konnte, ob die zwei Gestalten männlich oder weiblich waren. Sie hatten helle Augen, kleine Stupsnasen und eine faltenlose bleiche Haut. Die Ohren waren zum Teil von Binden bedeckt, die sich um den ganzen Hinterkopf wanden – im jeweils rechten Ohrläppchen steckte ein grau glänzendes Plättchen. Seltsam war auch der silbrige Schimmer, der die beiden umgab.

»Mein Name ist Rehak«, sagte das Wesen, das gesprochen hatte. »Ich bin ein KORSCH´H. Und das ist Mehak, mein heloi – Kamerad. Auch er ist ein KORSCH´H.«

Mehak nickte nur stumm zu den Worten. Er wirkt recht nervös, ging es Harris durch den Kopf. Mehak zwinkerte ständig, und seine Hände zitterten leicht.

Aber es gab jetzt Wichtigeres. Alec Harris, der von den anderen Überlebenden stillschweigend als Wortführer der Gruppe akzeptiert wurde, wandte sich an den KORSCH´H Rehak:

»Einer von uns hat das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt. Er ist wohl verletzt oder krank.«

Das war eigentlich typisch für Alec Harris. Er stellte jetzt keine überflüssigen Fragen nach dem Warum und Wieso, sondern konzentrierte sich vordergründig auf ganz praktische Dinge. Wie zum Beispiel um den besorgniserregenden Gesundheitszustand des komatösen Miller (oder Müller?).

»Wir werden ihn sofort versorgen«, sagte Rehak, nachdem er einen kurzen Blick auf den jungen Mann geworfen hatte. »Die Nachwirkungen der Katastrophe nahmen uns bisher zu stark in Anspruch«, fuhr er dann fort und zog kurz an dem Platinplättchen in seinem Ohr (dieses Plättchen war zweifellos mehr als Schmuck – auch wenn Alec Harris jetzt noch nicht wusste, warum ihm das so vorkam).

Also haben sie auch Schwierigkeiten gehabt, sinnierte Curt Johnson, während er zugesehen hatte, als Rehak den Bewusstlosen kurz untersuchte. Vielleicht hat es einen Zusammenstoß oder irgendetwas in dieser Art gegeben. Himmel, diese momentane Hilflosigkeit macht mich fast wahnsinnig …

Nur wenig später eilten zwei weitere KORSCH´H herbei. Sie behandelten den Ohnmächtigen mit einem medizinischen Mikrocomputer und hochentwickelten Instrumenten, wie Schwester Virna, die dicht dabeistand, feststellen konnte. Kurz darauf war der Kreislauf des jungen Mannes stabilisiert, und sein Herz schlug wieder kräftiger. Jetzt würde er zweifellos bald aufwachen.

Alle Überlebenden entspannten sich sichtlich, und Alec Harris dankte den KORSCH´H-Ärzten.

»Es war für uns selbstverständlich, zu helfen«, erwiderte Rehak darauf; die beiden Mediziner verließen den Raum wieder.

»Sie haben uns gerettet, nicht wahr?«, meinte Harris. »Waren wir – die einzigen Überlebenden?«

Jetzt konnte er die quälenden Fragen nicht länger zurückhalten. Alles in ihm verlangte nach einer Antwort und er wollte sie jetzt und hier!

»Das ist nicht sicher«, antwortete Rehak zögernd. »Ich erkläre Ihnen, warum. Kommen Sie.« Er gab ihm ein kurzes Zeichen, ihm zu folgen, als er auf die Tür zuging.

Harris trat als erster aus dem Schlafsaal in einen langen, sich allmählich krümmenden Gang hinaus, an dessen Wänden wie Edelsteine in gleichen Abständen blaue Lichter aufblitzten. Die anderen folgten ihm.

»Was ist das, Rehak?«

»Sieht wie eine Art Alarm aus«, vermutete Walter Steen.

»Ja«, bestätigte Rehak. »Eindringlinge.« Bei diesem Wort begann Mehak noch heftiger zu zittern.

»Wir brauchen eure Hilfe«, sagte Rehak ernst. »Jetzt gleich.«

 

»Wie fühlen Sie sich?«, fragte eine Computerstimme. Sie kam aus der Wand gegenüber. Gleichzeitig fühlte Ahmad Shon, wie sein Oberkörper halb emporgerichtet wurde, als das Oberteil seines Lagers sich surrend in eine schräge Position brachte. Wie von Geisterhand, denn soweit Shon es im Halbdunkel erkennen konnte, befand sich niemand sonst hier.

Er leckte sich über die trockenen Lippen und krächzte: »Ich … mir geht es nicht so gut. Schmerzen. Ich …« Er brach ab und versuchte, seine Arme zu bewegen, aber sie waren seitlich an seinem Körper ans Bett angeschnallt – nicht beengend, aber doch so, dass er sie nicht herausziehen konnte. In seinen Handgelenken glühte und fraß der Schmerz. »Meine Hände«, ächzte Shon.

»Ich weiß«, sagte der Computer freundlich, (freundlich?) »Leider war es notwendig, sonst hätte man Sie nicht bändigen können.«

»Was soll das heißen?«

»Sie erinnern sich an nichts?«

»Nein … Was zur Hölle ist denn passiert?«

»Sie sollen es erfahren. Aber zuerst werde ich etwas gegen Ihre Schmerzen tun.«

Die Riemen lösten sich so plötzlich, dass Shons Arme herunterfielen aber ehe die gebrochenen Handgelenke gegen die Bettumrandung schlagen konnten, wurden sie durch eine Art Luftkissen sacht emporgehoben, immer weiter, bis er einem Mann glich, der die Anne betend erhoben hatte.

Aus der Wand ihm gegenüber, die mit einer Unzahl kleiner schwarzer Punkte bedeckt war, drangen auf einmal zwei Lichtstrahlen, die zwei seltsame silberne Gebilde transportierten. Erst bei näherem Hinsehen erkannte Shon, dass sie wie Handschuhe aussahen. Gebannt starrte er darauf. Er versuchte sich zusammenzureißen und fragte: »Wer bedient diesen Computer?«

»Der Computer bedient diesen Computer«, sagte die Stimme mit gleichbleibender Freundlichkeit.

Im nächsten Moment hatten die näherkommenden Gebilde Shons erhobene Arme erreicht. Die zwei Transportstrahlen glitten auseinander, sodass je ein Handschuh sich über eine gebrochene Hand stülpen konnte. Shon stöhnte unterdrückt auf, aber das Gefühl war nur zu Anfang unangenehm. Dann wurden seine Gelenke, Hände und Unterarme für ein paar Minuten taub, doch mit dem kribbelnden Wiedereinsetzen der Blutzirkulation stellte er fest, dass die Schmerzen verschwunden und seine Knochen so gut wie neu waren.

Unwillkürlich lächelte er erleichtert und wollte die Arme und Hände ausgiebig bewegen und drehen, nachdem sich die handschuhähnlichen Gebilde wieder zurückgezogen hatten doch schon wurde er wieder wie vorhin am Bett fixiert. Das ging blitzschnell.

»He, was soll das?«, protestierte Shon.

»Es muss sein. Sie sind zu gefährlich, Ahmad Shon.«

»Wie?« Er fragte sich, woher diese Fremden ihn kannten.

»Nein, deshalb nicht. Wir begegnen anderen Völkern stets in Frieden«, erklärte der Computer. »Aber speziell Sie sind … Erinnern Sie sich wirklich an gar nichts mehr?«

»Nein«, erwiderte er, und das war die reine Wahrheit. Seit dem Augenblick der Katastrophe war sein Gedächtnis ein schwarzes Loch.

»Sie erinnern sich nicht mehr daran, was Sie getan haben, nachdem wir Sie alle im letzten Moment von dem Raumschiff, mit dem Sie reisten, gerettet hatten?«, fragte der Computer beharrlich weiter.

»Nein, verdammt noch mal!«

Eine effektvolle Pause trat ein.

»Sie töteten zwei meiner Schützlinge und zwei Ihrer eigenen Leute. Sie waren wie ein rasendes, blutgieriges Tier. Sehr bedauerlich, aber nicht mehr zu ändern. Wir konnten deshalb nur eine einzige und richtige Entscheidung treffen. Wir mussten uns schützen …«

Allein dieser letzte Satz trug wirklich nicht dazu bei, Ahmad Shon zu beruhigen. In diesen Sekunden überschlugen sich seine Gedanken förmlich, kreisten um das, was er vorher erlebt hatte – aber die Unsicherheit blieb. Ebenso wie der alles überblickende Computer, dem er vollständig ausgeliefert war!

 

Jenny Harris konnte einen Aufschrei des Entsetzens nicht unterdrücken – denn zu sehr glich das Wesen, das sich jetzt über sie beugte, dem Metallmonster, mit dem sie sich als Kinder gegenseitig erschreckt hatten.

Es war groß, mehr als zwei Meter in der Höhe und sicher über einen Meter breit, und humanoide Ähnlichkeiten hörten bei den zwei Armen und Beinen auf. Kein Hals, aber ein beweglicher krötenhafter Metallkopf mit schwarzen Sehschlitzen, drei an der Zahl. Oder war einer davon der Mund?

Das Ding packte sie, rasselte kurz und stieß dann eine Reihe von Pieptönen aus, die irgendwie fragend klangen.

»Ich – ich verstehe nicht«, keuchte Jenny, worauf eine Art Teleskopfühler sich ausstreckte und über ihre Stirn tastete. Er war, wie das gesamte Wesen, ebenfalls aus einem kühlen und fremdartigen Metall.

Das krötenähnliche Geschöpf warf sie sich nun wie einen Sack über die Schulter und stapfte eilig mit ihr einen leicht gekrümmten Gang entlang. Jenny Harris hielt es für klüger, sich vorerst nicht gegen diese Behandlung zu wehren. Obwohl sie sich noch immer benommen und schwach fühlte, versuchte sie, sich Einzelheiten ihrer Umgebung einzuprägen.

Eine Raumstation oder ein großes Schiff, dachte sie. Ihr fiel auf, dass ihr metallischer Entführer seltsam unsicher zu sein schien. Mehrmals zögerte er vor einer Einbuchtung, tastete an der Wand herum und fand, offenbar am Ziel angelangt, erst nach längerem Suchen einen verborgenen Schalter oder Knopf. Ohne einen Laut verwandelte sich die Wand vor ihnen in Luft – Jenny verrenkte sich den Hals, um besser sehen zu können – und vor ihnen erstreckte sich ein riesiger Lagerraum. Er war zur Hälfte gefüllt mit Containern, vor denen große Haufen bunter Würfel lagen, so, als hätte man sie in aller Eile ausgeräumt. Jetzt erkannte sie im trüben grauen Licht, das hier herrschte, auch noch weitere dieser Zwei-Meter-Kröten.

Auf einmal setzte ihre Kröte sie ab – genau vor einem der offenen Container – der unmenschlich aussehende Kopf beugte sich nah zu ihrem Gesicht, und zu ihrem schreckhaften Staunen kamen plötzlich verständliche Worte aus einem der Schlitze. Aber sie klangen seltsam, fast wie auswendig gelernt.

»Kampf«, sagte das Wesen schnarrend. »Kampf bis zum Ende. Bitteren. Muss sein. Ist nötig. Du hier sicher.«

Unsanft, aber nicht richtig grob stieß es Jenny in den Behälter, und die Tür schlug zu. Finsternis. Stille.

Bis vom linken Nachbarcontainer her gedämpft, aber gerade noch hörbar eine Stimme erklang, eine menschliche Stimme, die sie kannte: »Wer ist da? Noch einer von uns? Ein Mensch?«

»Ich bin Jenny Harris!«, schrie Jenny sofort zurück. Ihr Herz klopfte schnell. »Ibrahim?«, fügte sie noch hoffnungsvoll hinzu.

»Ganz recht, ich bin’s! Damit sind wir schon zu dritt«, ertönte Ibrahim Ben Saleks sympathische Stimme.

»Wer noch? Alec?« Jetzt schlug Jennys Herz wie rasend vor Hoffnung. »Nein, tut mir leid, Jenny. Zu meiner Linken schmachtet nur noch der gute Paul Rechaud.«

Aber es war ein Trost, nicht allein zu sein. Die Container waren zwar geräumig, aber die totale Dunkelheit konnte leicht einen klaustrophobischen Anfall verursachen. Nicht einmal durch die Türklappe, deren Umrisse Jenny ertasten konnte, fiel auch nur ein einziger Lichtschimmer.

»Was mögen die nur mit uns vorhaben?«, sinnierte Jenny laut.

»Tja, das fragen wir uns auch. Wir hocken schon eine ganze Weile hier, und nach den Geräuschen von draußen zu schließen, bereiten sich unsere Blechfreunde auf einen Kampf vor.« Ibrahim Ben Salek schwieg eine Weile und sagte dann: »Paul meint, dass ihn diese Geschöpfe ganz entfernt an die Wesen erinnern, denen wir einst auf SAPHIR begegneten.«

»Stimmt«, sagte Jenny Harris nachdenklich. »Ich hatte übrigens das Gefühl, dass man uns nicht feindlich gesinnt ist. Wir sind im Moment wohl nur im Weg. Wenn wir uns erst einmal richtig mit ihnen verständigen können …«

»Pssscht!«, zischte der magere Mann. »Hören Sie?«

Lautes Rasseln, das irgendwie empört und erregt klang, stakkatoartige Pieptöne, die fast an Morsezeichen erinnerten. Die Geräusche entfernten sich.

»Sie sind weg!«, rief Ibrahim Ben Salek, und es hörte sich triumphierend an. »Jetzt werde ich mich mal daran machen, diese vermaledeite Tür aufzukriegen.«

»Wie wollen Sie das denn anstellen?«, fragte Jenny staunend. Aber als Antwort hörte sie nur ein Lachen.

 

»Nein!«, schrie Ahmad Shon. »Ich bin kein Mörder!«

»Wie wollen Sie das wissen, wenn Sie sich an nichts erinnern? Die Logik, die aus der Computerstimme sprach, war bestechend. Aber Shon fasste sich erstaunlich schnell.

»Ich weiß immer noch, wer ich bin!«, entgegnete der schmächtige Wissenschaftler. »Nur die Erinnerung an das, was dem Raumkreuzer zugestoßen ist, fehlt mir. Und Sie, Sir – wenn diese Anrede passend ist könnten mir doch bestimmt mein Gedächtnis wiedergeben ebenso schnell, wie Sie gebrochene Knochen heilen.«

»Ganz so einfach ist das leider nicht«, sagte der Computer sanft. »Aber wenn Sie mithelfen, gelingt es vielleicht. Ich werde Sie untersuchen, und Sie werden mir alles erzählen, was Sie wissen.«

Shon nickte. »Das klingt fair.« Aber er wusste nicht genau, ob es das wirklich war. Vermutlich stand er noch immer unter Schock …

 

Die überlebenden Terrander starrten den KORSCH´H verständnislos an.

»Wir – euch helfen?«, fragte Alec Harris. Gegen die Eindringlinge?

»Unser Volk beherrscht die Kunst der Waffen nicht. Kommt, bitte!« Rehaks Stimme klang drängend. »Wir sind euch in einigen Dingen voraus, aber nicht im Kampf. Ihr seid ein starkes und wehrhaftes Volk. Jeder von euch hat eine Waffe. Es ist somit logisch, dass wir auf eure Unterstützung zurückgreifen …«

»Ja, aber ich zum Beispiel finde die Dinger abscheulich«, murmelte Melanie Pascoe vor sich hin, während sie nach ihrem Blaster tastete. Ihre sarkastische Bemerkung ging jedoch völlig unter.

»Wir helfen euch«, hörte sie Alec Harris mit fester Stimme sagen.

Rehak und Mehak liefen voran, und die Terraner folgten ihnen. Plötzlich aber stoppte Rehak und hielt auf einmal sechs goldfarbene Armbänder in der Hand. »Wir bitten euch nur um eins: Legt diese Lokalisatoren um, damit wir wissen, wo ihr seid.«

»Das gefällt mir nicht«, murrte Melanie Pascoe, aber Alec Harris. der das Kommando übernommen hatte, entschied sich, diese Maßnahme als Zeichen ihres guten Willens zuzulassen.

Bald darauf befanden sie sich, von Rehak geführt, in einem breiteren Gang. Mehak war unterwegs vor Furcht zusammengebrochen, und andere KORSCH´H hatten ihn in Sicherheit gebracht – zusammen mit Miller, der auch noch ziemlich schwach auf den Beinen war. Aber auch Rehak war blasser als noch vor ein paar Minuten.

»Wie viele eures Volkes sind hier?«, fragte Alec Harris leise.

»Unsere Zahl beträgt 700«, flüsterte Rehak.

»Und du bist der einzige mit etwas Mumm in den Knochen?«, ließ sich Curt Johnson spöttisch vernehmen, wurde aber von Harris sogleich zurechtgewiesen.

»Wissen Sie, Rehak, mit welchen Eindringlingen wir es zu tun haben werden?«

»Oh ja, wir kennen sie«, sagte der KORSCH´H bitter. »Sie sind unsere Feinde: die Exkanter. Sie wollen die Koh 77 X übernehmen und uns alle töten. Sie versuchen es schon seit langer Zeit, aber erst durch den Zusammenstoß mit euch, Terraner, entstand eine Schwächung unserer Sonnenschilde, sodass die Exkanter einen ersten Erfolg erzielen konnten. Aber nun sollten wir uns ruhig verhalten, wir sind schon in ihrer Nähe.«

So ist das also passiert, schoss es Walter Steen durch den Kopf. Wir hatten einen Unfall – einen Verkehrsunfall, wenn man das überhaupt so nennen kann. Und überhaupt Koh 77 X, was für ein seltsamer Name für ein Raumschiff, dachte er zusammenhanglos. Zusammen mit Harris bildete er die Vorhut, dann folgten Shari Singh und Curt Johnson, und die zwei anderen Frauen waren die Nachhut. Alle hatten ihre Waffen gezogen und waren, wie Steen feststellte, emst und konzentriert … dabei war ihm gar nicht wohl in seiner Haut.

Da haben wir uns ja schnell in etwas hineinziehen lassen, dachte er plötzlich. »Wir hätten uns etwas besser vorbereiten sollen«, sagte er laut zu Rehak, der sich etwas hinter den beiden Führern hielt.

»Keine Zeit! Still!«, zischte der KORSCH´H, und das war das erste Mal, dass Walter Steen etwas Sonderbares an ihm wahrnahm, etwas, das irgendwie nicht passte … aber nur flüchtig, dann war es wieder weg. Wie ein feines Gefühl, das einen wie ein leiser Windhauch streift und sich dann wieder verflüchtigt …

»Die Exkanter kennen keine Gnade«, flüsterte Rehak noch, »das ist es, was ihr wissen müsst. Alles andere ist unwichtig!«

 

Der Angriff erfolgte ohne jede Warnung. Sie waren wohl offensichtlich doch nicht vorsichtig genug gewesen und sprangen jetzt blitzschnell in die Deckung der Wandeinbuchtungen, als grelle Strahlen jaulend durch den Gang sausten und funkensprühend überall einschlugen. Die Metallverkleidung der Wände schmolz an den Stellen. Virna, die selbst nur mühsam einen Schrei unterdrückt hatte, hielt Melanie Pascoe den Mund zu.

Das Strahlenfeuer ließ wieder nach, und dann sah Harris, um die Ecke spähend, eine monströse Gestalt, und hinter ihr waren schemenhaft weitere Monster zu erkennen, die sich rasch näherten.

Riesenfrösche aus Stahl – wie aus einem Albtraum entsprungen! dachte der Prospektor entsetzt. Beulen bildeten sich am Leib des Exkanters, und dann eröffnete er erneut das Feuer, und die Strahlen schossen direkt aus seinem Kopf heraus!

Auf einmal öffnete sich gegenüber eine Tür, und heraus sprangen zwei KORSCH´H. Rehak war also offenbar doch nicht der einzige, der Mumm in Knochen hatte – doch diese beiden waren vollkommen unbewaffnet – wehrlos wie Kinder liefen sie dem furchtbaren Feind entgegen.

»Nein!«, brüllte Harris und warf sich, aus dem Blaster feuernd, in den Gang hinein – da bemerkte er, dass auch Rehak die Nerven verloren hatte und wie blind umherstolperte. Der Exkanter nahm ihn ins Visier und kannte keine Gnade mehr.

Harris warf sich herum und sah flüchtig aus den Augenwinkeln, dass seine Truppe nun auch zurückschoss, was das Zeug hielt. Ihm aber gelang es nur, Rehak zu retten, der gerade einen Arm in hilfloser Gebärde vor das Gesicht hielt, um sich zu schützen. Harris brüllte noch Walter Steen zu, die anderen beiden in Sicherheit zu bringen, aber seltsamerweise reagierte er nicht.

Es war entsetzlich, wie die beiden kleinen, zarten Gestalten vor ihren Augen verschmort wurden und verkohlt zu Boden sanken. Alle Terraner schrien auf. Alle, bis auf einen!

 

Zweifellos hatten die Exkanter keineswegs mit einem solch erbitterten Widerstand gerechnet. Sie wurden zurückgetrieben und zogen sich in die von ihnen besetzten Lagerräume zurück, versuchten auch keinen neuen Vorstoß.

Das berichtete ihnen Rehak später mit leuchtenden Augen, denn die Kommunikations- und Kontrolltechnik auf dem SCHLEPPER Koh 77 X war genauso gut wie die medizinische Versorgung.

»Nur zwei KORSCH´H haben ihr Leben opfern müssen«, fügte Rehak hinzu.

»Und das hätte kein einziger tun müssen«, fauchte Alec Harris, »wenn Sie auf Draht gewesen wären, Steen!«

Walter Steen schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«

Alle anderen beschrieben ihm erregt, was sich ereignet hatte: Die grausamen Exkanter hatten zwei der friedliebenden, unbewaffneten KORSCH´H umgebracht – alle hatten es gesehen. Nur er nicht.

Irgendein Gefühl warnte Steen, daraus keine große Sache zu machen, und so heuchelte er Bestürzung und erklärte: »Ich begreife das nicht. Ich muss einen Augenblick nicht ganz bei Sinnen gewesen sein. Verdammt, sowas kann doch mal passieren. Schließlich bin ich kein perfekt funktionierender Roboter – sondern nur ein ganz normaler Mensch!«

Dass er außerdem noch eine ganz andere Beobachtung gemacht hatte, behielt er auch lieber für sich. Sonst hätten sich nur noch weitere unangenehme Fragen aufgeworfen, die er zumindest jetzt nicht beantworten wollte.

Tatsächlich war es vielleicht eine Sinnestäuschung gewesen in der Ausnahmesituation des Kampfes, und doch – für einen Augenblick war er ganz sicher gewesen. Er wich Rehaks Augen aus, und so entging ihm, dass der KORSCH´H ihm einen scharfen Blick zuwarf – einen Blick, aus dem nicht gerade Freundlichkeit sprach. Als wenn Rehak ganz genau wusste, welche Gedanken Walter Steen jetzt quälten.

»Ziehen wir uns zurück«, verlangte Alec Harris jetzt. »Ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo Sie mir und meinen Freunden erklären sollten, was das alles hier eigentlich zu bedeuten hat. Wer sind diese Exkanter – wie kam es denn überhaupt zu diesem verhängnisvollen Zusammenstoß, und vor allen Dingen wie geht es überhaupt weiter? Wir haben ein Recht darauf, dass Sie uns Antworten geben, Rehak!«

»Ich weiß«, erwiderte der KORSCH´H. »Und Sie sollen sie auch bekommen. Folgen Sie mir in die Zentrale der Koh 77 X dann werden Sie alles verstehen. Sie müssen es sehen, dann ist es verständlicher …«

 

Es war kein angenehmes Gefühl zu wissen, dass buchstäblich am Ende jedes Ganges oder auf jedem Deck Gegner aus dem Hinterhalt lauem konnten. Alec Harris ertappte sich mehr als einmal dabei, dass er seine rechte Hand ganz nahe an seinem Blaster hatte, um sich rechtzeitig wehren zu können. Denn der Gedanke, dass die 700 KORSCH´H ihrem geheimnisvollen Gegner praktisch nichts entgegenzusetzen hatten, war alarmierend – zumal weder Harris noch seine Gefährten sich an Bord dieses Schiffes, das die KORSCH´H Transitionsschlepper genannt hatten, auskannten (und der Himmel mochte wissen, was Harris und seine Freunde sich darunter überhaupt vorzustellen hatten).

Auch wenn Rehak es nicht zugeben wollte, so wirkte er doch sichtlich erleichterter, als er endlich die Lenkzentrale dieses Schiffes erreichte – hier und in unmittelbarer Nähe schienen sich die KORSCH´H noch sicher zu fühlen.

»Was ist … was ist das denn?«, schüttelte Curt Johnson verständnislos den Kopf, als er seine Blicke neugierig in die Runde schweifen ließ. Als ausgebildeter Schiffsingenieur hatte er natürlich eine Brücke mit zahlreichen technischen Gerätschaften, Bildschirmen und diversen Computern erwartet – wie man es eben vom Herz eines Schiffes annahm. Seine Vermutungen entsprachen allerdings nicht der Wirklichkeit, und wenn er zu Melanie Pascoe und Walter Steen schaute, so musste er feststellen, dass den Freunden ähnliche Dinge durch den Kopf gingen. Shari Singh und Virna nahmen diese neue und überaus fremde Umgebung ziemlich gleichgültig hin (zumindest wirkten sie so) – und in Alec Harriss kantigem Gesicht arbeitete es.

Seine Blicke fixierten den jungen Miller, der in einem Sessel aus glänzendem und irgendwie organisch wirkendem Material saß und beim Eintreten der Terraner schwach die linke Hand hob. Er war noch ziemlich blass im Gesicht, schien aber das Schlimmste überstanden zu haben. Zumindest erkannte er in Harris und seinen Begleitern, dass er zu ihrer Rasse gehörte – aber alle anderen Erinnerungen lagen nach wie vor im Dunkeln. Vielleicht huschte deswegen eine Spur von Nachdenklichkeit um seine Lippen.

»Kommen Sie näher!«, forderte Rehak nun den Prospektor auf und riss ihn dadurch aus seinen vielschichtigen Gedanken. »Und denken Sie jetzt nicht an die Exkanter. In diesem Bereich des Schleppers sind wir noch sicher …«

»Ich glaube, diese KORSCH´H ignorieren einfach die Gefahr, die uns allen droht«, flüsterte Melanie Pascoe Virna zu. »Der Gedanke, in einer Mausefalle zu sitzen, aus der es kein Entkommen mehr gibt, schmeckt mir ganz und gar nicht …«

Virna lag eine Erwiderung auf der Zunge, brach dann aber ab, als sich Rehak an einigen Einbuchtungen und Vertiefungen in den ansonsten glatt wirkenden Wänden dieses Raumes zu schaffen machte, die sich erst beim späteren Hinsehen als Schaltsystem entpuppten. Sekunden später öffnete sich wie von Geisterhand die Decke und gab den Blick frei auf eine Kuppel aus durchsichtigem Material, das so tadellos war wie geschliffenes Glas – und dennoch wusste jeder der Terraner, dass es sich um ein anderes Material handeln musste.

»Sie sehen hier einen Ausschnitt der Koh 77 X«, erklärte Rehak nun seinen Gästen. »Unser Volk reist mit solchen Transitionsschleppern durch den Raum. Aber dieses Schiff bezieht seine Energie nicht durch Technik aus unseren Labors, sondern durch die Kraft des Legendenstroms …«

Er hielt kurz inne, weil ihm klar wurde, dass die Terraner natürlich nicht wissen konnten, wovon er sprach.

»Uns ist das Leben auf Planeten fremd geworden – wir sind Nomaden des Alls und folgen mit der Koh 77 X schon seit Generationen einem vorgeschriebenen Weg«, setzte Rehak seine Erklärungen fort. »Das Licht des Forot leitet uns dabei – und irgendwann werden wir dieses Licht auch selbst sehen. Es ist auch schon höchste Zeit …«

»Sie reden in Rätseln, Rehak«, ergriff nun Walter Steen das Wort und handelte sich dafür einen strafenden Blick von Shari Singh ein, die natürlich das cholerische Temperament Steens zur Genüge kannte. Ihm konnte es nie schnell genug gehen – aber diesmal musste selbst er geduldig bleiben.

»Der Legendenstrom liefert die Energie«, fuhr Rehak fort, während einige andere KORSCH´H in der Zentrale ihren Tätigkeiten nachgingen und sich gar nicht um die Terraner kümmerten.

»Glauben Sie an Parallelwelten und andere Universen, die sich überlappen können. Terraner?« Als er das Staunen in den Gesichtern von Harris und seinen Freunden bemerkte, sprach er rasch weiter. »Oh, ich vermute, Ihre Wissenschaft hat dafür noch keine stichhaltigen Beweise gefunden. Stellen Sie sich deshalb einfach folgendes vor: wann immer zwei solcher Welten sich in Raum und Zeit kreuzen, stirbt eine von ihnen. Und genau auf dieser Kreuzungslinie werden ungeheure Mengen von Energie freigesetzt. Der Energiehunger unseres Schleppers ist sogar so groß, dass auch manchmal ein solches Sterben bewusst herbeigeführt wird …«

»Sie zerstören Planeten?«, entfuhr es der resoluten Virna, die sich jetzt nicht länger zurückhalten konnte. »Nur um ihre Reise zu diesem … Licht fortsetzen zu können? Ist das der Frieden, den Sie meinen?« Fassungslos schüttelte sie den Kopf.

»Mir ist klar, dass Sie das nicht verstehen können, wenn Sie noch niemals auf einem solchen Generationenschiff gelebt haben«, antwortete Rehak. »Der Einzelne ist nichts, das Volk ist alles – und dessen Überleben muss gesichert werden. Vielleicht tröstet es Sie, dass wir solche Vorgänge nur dann einleiten, wenn sich uns keine andere Möglichkeit mehr bietet. Im Legendenstrom treibt unser Schiff weiter – und dadurch wird es auch gleichzeitig vor der Entdeckung anderer Völker geschützt. Der einzige Nachteil ist, dass wir den Kurs nicht ganz genau vorausberechnen können, denn den bestimmt einzig und allein der Legendenstrom …«

»Und den Zusammenstoß haben Sie wohl auch nicht vorausberechnen können, wie?«, fügte Melanie Pascoe hinzu, mit etwas spöttischer Stimme.

»Es ist der allererste Vorfall dieser Art, und unsere Wissenschaftler sind sehr bestürzt darüber«, antwortete Rehak mit einer hilflosen und auch ehrlich gemeinten Geste. »Wir wissen nicht, warum es dazu gekommen ist und welche Folgen daraus noch entstehen können. Auf jeden Fall hat es zu einer Unterbrechung unserer Reise im Legendenstrom geführt – und wir können das Licht des Forot nicht mehr rechtzeitig erreichen …«

»Und weshalb ist das so wichtig?«, bohrte Shari Singh. »Was ist dieses … Licht?«

»Ein seltener purpurner Sternenriese, mit dessen Hilfe es uns gelingen soll, die unglaublich energiereiche Gammastrahlung des Alls für uns nutzbar zu machen«, sagte Rehak. »Deshalb drängt auch die Zeit für uns – nur darin sehen wir unsere Zukunft.«

»Sind Sie wahnsinnig?«, entfuhr es Alec Harris. »Wenn Sie diesen Purpurstern aktivieren und die Gammastrahlung verstärken, bedeutet das gleichzeitig auch den Untergang für weite Teile benachbarter Planeten. Tun Sie nicht so, als wenn Sie das nicht wüssten. Das Verhalten Ihres Volkes … es erscheint mir sehr egoistisch!«

Endlich hatte er das ausgesprochen, was alle anderen insgeheim dachten und empfanden. Aber Harris musste rasch erkennen, dass seine Art, über die Dinge zu denken, weder bei Rehak noch bei anderen KORSCH´H auf fruchtbaren Boden stieß. Sie akzeptierten nur ihre eigene Glaubenswelt – denn nur die sicherte das Überleben!

»Was geschieht jetzt mit uns?«, erkundigte sich Walter Steen und blickte Rehak dabei ziemlich lange und auch ein wenig nachdenklich an so als wolle er ergründen, was sich hinter der ausgeprägten Stirn des KORSCH´H abspielte.

»Es wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als sich auf unsere Seite zu stellen wenn Sie überleben wollen«, meinte Rehak mit einer vielsagenden Geste (und zum Glück sah er nicht, wie es um Steens Mundwinkel kurz zu zucken begann – falls doch, dann wusste er zumindest dieses Mienenspiel nicht richtig zu deuten). »Vergessen Sie nicht, dass uns ein Kampf mit den Exkantern bevorsteht. Sie haben diese Bestien ja schon gesehen und wissen, dass sie sehr gefährlich sind.«

»Mehr aber auch nicht«, warf Curt Johnson ein. »Und ich denke, dass es an der Zeit ist, das zu ändern. Was können Sie uns über dieses Volk berichten?«

»Wir hatten hin und wieder Kontakt mit ihnen«, setzte Rehak seine Erklärungen fort. »Er war immer gefährlich – aber durch diesen Zusammenstoß muss etwas geschehen sein, was wir noch nicht wissen. Ich habe diese Wesen noch niemals so aggressiv erlebt. Sie wollen unseren Tod – und deshalb brauchen wir Ihre Hilfe, wenn wir noch hoffen dürfen …«

»Das gefällt mir nicht«, murmelte Melanie Pascoe, die immer noch ziemlich misstrauisch war. »Zuerst wird die ESCADRON zerstört, und nun müssen wir auch noch Söldner für ein uns unbekanntes Volk spielen. Ich gäbe einiges dafür, wenn wir alles ungeschehen machen könnten und …«

»Es nutzt nichts, zu philosophieren, was wäre, wenn«, fiel ihr Alec Harris ins Wort. »Wir müssen diese neue Situation so akzeptieren, wie sie sich uns stellt.« Und in Gedanken fügte er hinzu: Aber wo ist Jenny? Sie wurde von uns getrennt – wenn sie tot wäre, dann würde ich das doch spüren. Es sei denn, dass …

Zu viele Widersprüche und Rätsel stürmten von allen Seiten auf ihn ein und ließen ihn mit einer Antwort zögern. Die kam in diesen Sekunden dann aber von jemandem, mit dem keiner gerechnet hätte. Der junge Miller war es, der nun das Wort ergriff. Seine Stimme klang zwar noch ziemlich schwach und erschöpft, dennoch konnte jeder der hier Anwesenden seine Worte klar und deutlich vernehmen.

»Ich weiß nicht, was Sie davon halten«, sagte er. »Aber ich für meinen Teil möchte das Licht des Forot gerne sehen. Wenn wir dieses Ziel erreicht haben, gibt es für uns sicher eine Möglichkeit. Aber solange der Legendenstrom unterbrochen ist, hängen wir hier auf unbestimmbare Zeit fest, oder?«

Klarer hätte er das eigentlich nicht ausdrücken können. Harris sah ein, dass Miller recht hatte, und als er sich dann zu seinen Gefährten umdrehte, musste er erkennen, dass diese auch damit einverstanden waren. Und das, obwohl noch nicht einmal die Hälfte aller Fragen geklärt war.

»Wir sind auf Ihrer Seite, Rehak«, sagte er dann im Namen der übrigen Terraner. »Aber eine Abwehr des Feindes kann nur effektiv sein, wenn auch Sie Ihren Teil dazu beitragen. Ihr friedfertiges Verhalten in allen Ehren – aber ich denke, dass auch Sie zu den Waffen greifen müssen und …«

»Selbst wenn wir welche hätten, wäre dies nicht leicht, unser Volk davon zu überzeugen, dass es richtig ist«, bekam Harris dann zu Antwort.

---ENDE DER LESEPROBE---