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In einem regelmäßigen Zyklus finden die großen Leikuren statt. Kämpfe, bei denen die Krieger der jeweiligen Elemente gegeneinander antreten, um den Zorn des Gottesherrschers zu entkommen! Seine Macht reicht, um eine Spezies auslöschen zu können und weit darüber hinaus... So muss auch Venturas, ein Formigo, eine Art Gestaltenwandler, ebenfalls an den Kämpfen teilnehmen und macht sich auf den Weg nach Impera, der Hauptstadt, doch ein Ereignis verändert alles und plötzlich befinden sich alle im Krieg...
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Seitenzahl: 223
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Dennis Weiß
Anima Part 1- Widerstand
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Anima- Part 1- Der Widerstand
Vorwort
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Impressum neobooks
Für Vinzent, Merle, Carlotta und Meike, die für mich das Beste sind, was mir je passieren konnte. Ich liebe euch!
©by Dennis Weiß 2015
Den Gottesherrscher gab es für viele auf Malima schon eine gefühlte Ewigkeit. Er bestimmte das Leben aller. Vor etlichen Jahren gab es den „Großen Krieg“, bei dem alle Völker um die Macht in Malima kämpften.
Zu den Völkern oder auch Rassen gehörten die Elduren, ein stolzes Volk aus dem Norden des Landes. Ihr Element ist das Feuer. Sie galten es resistent und sturköpfig. Die Akvo, die Wesen des Wassers waren dagegen eher scheu und unter sich. Manch einer von ihnen war sogar Einzelgänger. Die Solum, die der Erde sehr nahe waren, galten allgemein als hilfsbereit und konnten sowohl einzeln, als auch in Gemeinschaften vorkommen. Die Ilma, Wesen der Lüfte, besaßen häufig Flügel und waren meist in kleinen Gruppen vorhanden und in Gebirgen zu finden. Die Fulgur beherrschten den Blitz und den Elektroangriff. Sie waren ebenso wie die Elduren stolze und starke Krieger und in Clans organisiert. Die Ajatus waren Meister der Gedanken und beherrschten Telepathie und Telekinese. Es gab sie nicht oft und sie waren meist allein unterwegs. Die Nekrom konnten Tote wiederbeleben und sie für sich nutzen. Die sogenannten Immortalis dienten bis zu einem „wahren Tod“ einzig ihrem Meister. Aus irgendetwas etwas anderes zu schaffen, gehörte zu den Fähigkeiten der Kreo, einer Rasse, die hauptsächlich aus Zauberern bestand. Die Veränderung war die Stärke der Formigo. Sie hatten meist ein Tier, in welches sie sich verwandeln konnten und sie besaßen die Fertigkeiten von ihnen.
Die größte Rasse jedoch waren die Menschen, die kaum magische oder elementare Kräfte besaßen, wenn sie nicht gerade einen verzauberten Gegenstand wie Amulette oder Ringe bei sich trugen.
Als Sieger des „Großen Krieges“ kam der Gottesherrscher hervor. Es geschah wie aus dem Nichts, aber es dauerte nicht lange, bis jedem klar war, dass es ab diesem Zeitpunkt nur noch den Gottesherrscher gab.
Seit dieser Zeit gab es Ausrottungen von zu großen und zu mächtigen Vertretern jeder Rasse. Für die, die übrig blieben, waren die Leikuren- die großen Spiele- gedacht. Der Gottesherrscher versprach, den Sieger und deren Rasse für eine Zeit zu verschonen, während er den Vorteil genoss, dass sich für dieses Ziel, alle starken Krieger selbst ausschalteten.
Venturas stand am Küchenfenster seines Hauses. Er schaute hinaus und sah in die Nacht. Der Mond leuchtete hell und klar. Er war sichelförmig. Die Sterne funkelten um die Wette, wie Diamanten.
Es war der letzte Abend vor den großen Leikuren. Spiele, bei denen sich die Völker von Malima miteinander messen, um von dem Gottherrscher begünstigt zu werden, indem er sie verschonen würde.
Jedes Jahr, direkt nach den Leikuren, mussten die Völker ihre besten Krieger opfern, um dem Gottherrscher zu huldigen. Taten sie es nicht, löschte er all ihre Kinder aus. Der Gottherrscher war so mächtig, dass er so eine immense Kraft besaß, die unvorstellbare Energie freisetzen konnte. Die Völker fürchteten und glaubten an seine unfassbare Macht, denn gerade bei den letzten Spielen hatte sich das Volk der Elduren, ein stolzes Volk von Kriegern des Feuers, sich verweigert, denn sie dachten, sie könnten sich mit dem Gottherrscher anlegen. Aber sie sollten sich irren. Der Gottherrscher tötete alle Nachkommen und ein paar ihrer stärksten Krieger, sodass die Elduren nur noch ein Schatten ihrer selbst waren.
Venturas gehörte den Formigo an, einer Rasse, die ihre Gestalt ändern konnte. Zum einen gab es Tier- Formigo, die die größte Maße ihrer Art ausmachten und zum anderen waren da noch die Morphos, die sich in alles verwandeln konnten, was Leben in sich trug. Sie waren nicht mal eine Hand voll und wenn sie noch lebten, dann nur im Geheimen, denn der Gottherrscher ließ sie einst alle töten, um seine eigene Macht zu stärken. Sie galten seit längerem als ausgestorben, da sie nicht mehr gesehen wurden.
Venturas gehörte zu den Wercat, einer Menschenkatzenart. Er konnte sich in einen Gepard verwandeln und besaß seine Eigenschaften, wie geschärfte Sinne, im Besonderen das Hören und das Sehen. Venturas wichtigste und auffälligste Fähigkeit war natürlich das Laufen- keiner beherrschte es besser als er. Im Gegensatz zum Muttertier aber hatte er eine längere Ausdauer.
Im Vergleich zu anderen konnte er gut klettern, war kräftig und des Schwertkampfes mächtig, sodass es ihn zu einem guten Krieger machte, aber es gab in den Reihen der Bewerber gefährlichere und so zählten die Formigo nicht zu den Favoriten, aber das störte Venturas nicht. Er wollte seine Rasse würdig vertreten, wenn er schon kämpfen sollte. Die Auswahl traf im keinem Fall der Krieger selbst, sondern immer seine Rasse. Sie bestimmten vier Kandidaten, die für sie kämpften. Meist waren es die stärksten oder klügsten.
Die meisten ihrer Rasse hatten wenig bis gar keine ausgeprägten Fertigkeiten und stachen deshalb nicht heraus und die vorherigen Leikuren hatten ihre Opfer, sodass wenige wirklich starke Kräfte besaßen. Dann wäre Venturas wohl gar nicht ausgewählt worden, sowie in der Vergangenheit.
Aber die Zeiten hatten sich geändert. Für den Gottherrscher passend, hatten sich in der Vergangenheit die starken Kämpfer selbst ausgeschaltet und entsprechend kein Nachwuchs gezeugt. Ab und an kam aus der einen oder anderen Rasse nochmal ein überdurchschnittlicher Kämpfer hervor, allerdings fehlten den meisten die Erfahrungen, ihre wahren Kräfte einzusetzen und deshalb starben sie wie die Fliegen.
„Was beschäftigt dich?“ fragte eine Stimme im Hintergrund und riss Venturas aus seinen Gedanken.
Er schaute weiter aus dem Fenster, denn er erkannte diese Stimme. Es war seine Nana, seine Großmutter. Sie war seine Familie- sie und Flosia, seine Tochter. Seine Eltern lebten nicht mehr, da sein Vater an den Leikuren vor mehreren Jahren teilnahm, als Venturas selbst noch ein Kind war. Thares war ein tapferer Krieger, ebenfalls ein Wercat, der sich in einen Löwen verwandeln konnte. Er besaß viel Kraft, die ihm nicht viel brachte. Gleich in der ersten Runde wurde er von seinem Gegner zerquetscht und starb einen qualvollen Tod.
Als die Nachricht seine Mutter erreichte, nahm sie sich das Leben und Venturas war allein. Nana hatte ihn zu sich genommen und er verbrachte seine gesamte Zeit dort. Als er Jugendlicher war, lernte er seine Frau kennen und lieben. Audaxa war wie Venturas selbst eine Formigo, gehörte aber den Werwölfen an. Sie verbarg all die Jahre ihre Kräfte, bis zu einem Ereignis auf dem Markt bei Vado, der Ortschaft, in der sie leben.
Audaxa war dort, um sich Nahrung zu kaufen, als neben ihr zwei Exkubito einen älteren Mann angriffen. Exkubito waren die Wachen des Gottherrschers, die im gesamten Land umherstreiften, um für Ordnung zu sorgen. In Wahrheit aber stifteten sie Chaos. Sie waren stets derartig verhüllt, sodass niemand ihre Gesichter sehen konnte, lediglich ihre Augen. Man erzählte sich allerdings, dass es Untote sein mussten, denn ihre Augen strahlten Kälte und Tod aus. Sie plünderten Häuser oder demütigten Personen. Audaxa griff, ohne lange darüber nachzudenken, ein, um den alten Mann zu schützen.
„Lasst den Alten in Ruhe“, brüllte sie und stellte sich zwischen den Exkubito und deren Opfer.
Die Wachen zogen ihre Schwerter heraus und positionierten sich.
„Das hättet Ihr nicht tun sollen“, grummelte der eine und bewegte sich hinter Audaxa, die versuchte, beide im Auge zu behalten.
Plötzlich griff der hinter ihr stehende an, aber Audaxa wich geschickt aus. Da sie ihre Wut kaum bändigen konnte, verwandelte sie sich in eine Werwölfin.
„Eine übermütige Wölfin“, erkannte der andere und machte zusätzlich mit seiner Mimik deutlich, dass es ihn wenig beeindruckte.
Jetzt attackierten beide Exkubito Audaxa und sie hatte alle Mühe, ihnen etwas entgegen zu setzen. Der alte Mann floh, eine Menge bildete ich, aber keiner mischte sich ein. Einem der Exkubito unterlief ein Fehler und er verlor sein Schwert, welches Audaxa sich schnappte. Sie hielt den Angriffen stand und konnte einen von ihnen töten bis weitere Exkubito hinzukamen.
Audaxa wurde entwaffnet. Es gelang ihr zwar, jedem Angreifer eine Wunde unterschiedlicher Stärke hinzuzufügen, aber schließlich köpfte sie einer der Exkubito und sie war tot. Die Menge, die sich zum Zuschauen gebildet hatte, aus Neugier, Gaffertum oder auch einer kleinen Hoffnung, löste sich blitzschnell auf, da keiner das nächste Opfer der Exkubito sein wollte.
Man brachte Venturas den Kopf seiner Geliebten. Erstarrt in Furcht, voller Blut, nahm er ihr Haupt entgegen. Die Überbringer nominierten ihn für die kommenden Leikuren, damit für alle Welt klar wurde, dass Angriffe hart bestraft wurden.
All dies geschah vor einigen Monden und Venturas hatte es noch immer nicht vergessen- er würde es niemals vergessen und schon gar nicht verzeihen! Daher wollte er für Audaxa kämpfen, aber auch für seine Rasse, um der Unterdrückung entgegenzuwirken, wenngleich ihm bei aller Wut bewusst war, dass der eigentliche Gegner übermächtig war.
„Sind es die Gedanken an Audaxa?“ fragte seine Nana und holte ihn erneut aus dem Tagträumen an seine Geliebte.
Erst jetzt drehte Venturas sich zu seiner Großmutter und schaute sie an.
„Ja, Nana“, antwortete er, „sie fehlt mir.“
Seine Großmutter ging geruhsam zu ihm hinüber und nahm Venturas in den Arm.
„Das wird schon“, flüsterte sie, „Audaxa ist nur körperlich nicht hier, aber tief in deinem Herze und durch deine Tochter trägst du sie immer bei dir.“
Nana war schon immer eine gute Seele. Die Formigo Kräfte waren nicht ausgeprägt und sie konnte sich schon gar nicht verwandeln, aber ihr Herz war umso größer. Ohne sie hätte sich Venturas wahrscheinlich das Leben genommen. Erst Nana hatte ihm bewusst gemacht, dass das Leben lebenswert ist und natürlich auch Flosia, seine Tochter.
„Danke Nana“, sagte Venturas und löste sich von der Umarmung, „aber ich will nun allein sein. Morgen beginnt die Reise nach Impera und ich muss mich geistig darauf vorbereiten.“
„Das verstehe ich“, entgegnete Nana, „aber bitte verabschiede dich ordentlich von deiner Tochter, bevor du losziehst.“
Venturas gab nichts von sich. Er liebte seine Tochter. Sie war sein ein und alles, ebenso wie seine Nana. Wegen ihnen hatte er den Mut, sich der Aufgabe zu stellen, aber wegen ihnen schämte er sich auch, denn er musste gehen. Er wollte nicht gehen. Würde die Welt, in der er lebt, ein anderer Ort sein und könnte er es sich aussuchen, dann würde er nie gehen und mal ganz davon ab, Audaxa würde noch leben.
Am Abend als Flosia sich schlafen legte, ging Venturas dennoch zu seiner Tochter, wenngleich er große Scham empfand und setzte sich zu ihr ans Bett. Zunächst tat sie so, als würde sie schon schlafen und überraschte ihn, indem sie plötzlich hochschreckte und sich halb auf ihn stürzte. Sie umarmten sich und lachten zusammen.
„Kommst du denn auch wieder?“ fragte Flosia auf einmal.
Venturas guckte traurig und versuchte, vor seiner Tochter das Gesicht zu wahren.
„Ich werde wiederkommen, so ich stets von jeder Reise zurückgekommen bin“, versprach Venturas, aber seine Stimme verriet, dass er nicht einmal selbst daran glaubte, was er da von sich gab. Flosia merkte, dass etwas nicht stimmte und dennoch sprach sie es nicht an, da sie es zum einen nicht fassen konnte und zum anderen ebenso spürte, dass ihr Vater darüber nicht sprechen wollte.
„Ich werde warten“, sagte Flosia und umarmte ihren Vater innig und so fest wie ihre Kraft es hergab.
Venturas saß noch eine Weile am Bett seiner Tochter, während sie ruhig und friedlich einschlief. Venturas beschloss erst dann, sich ein wenig auszuruhen, auch wenn er gerade jetzt nicht einschlafen konnte. Die Nacht verging schneller als gewollt und so trat der Krieger die Reise an, bevor der erste Sonnenstrahl den Boden küsste.
Nana wachte auf und ihr erster Gedanke gehörte Venturas. Sie machte ihm und auch Flosia ein großes Frühstück und wollte ihren Enkel überraschen, aber sie musste feststellen, dass er bereits fort war. Zuerst war sie ein wenig sauer und enttäuscht. Trotzdem kniete sie sich hin und betete für ihn, denn ihre Wut half ihm auch nicht beim Sieg.
Venturas wanderte los, ohne Pferd und ohne weitere Hilfe. Er wollte einfach nur weg. Er konnte den beiden, seiner geliebten Tochter und seiner Nana, nicht mehr in die Augen schauen! Gleichzeitig war er wütend. Wütend auf sich selbst, da er so dumm gewesen ist und einfach seine Familie im Stich gelassen hatte.
Das Geräusch eines zerberstenden Astes entriss ihn aus seinen Gedanken und Venturas war voller Aufmerksamkeit. Nun regierte der Krieger in ihm. Er zog vorsichtig sein Schwert und horchte intensiv. Es folgte ein Rascheln. Es verriet Venturas, dass es sich um ein Tier handeln müsste und er beschloss, den Erstschlag durchzuführen, indem er mitten durch einen Busch sprang, da er das Tier dort vermutete.
Was er dort sah, verblüffte ihn, denn es handelte sich um zwei Hasen. Venturas hielt einen Moment inne und bemerkte wie ein Pfeil an seinem Haupt vorbeischoss. Sofort begab er sich mit seinem Körper auf den Boden und machte sich klein. Der Kopf erhob sich und lugte nach Gegnern.
Wieder schoss ein Pfeil haarscharf an ihm vorbei, dieses Mal über ihn drüber, sodass er seinen Kopf erneut senkte.
Es war ein verzwickte Situation, aus der er erst einmal nicht von alleine herauskommen konnte. Dennoch hob er seinen Blick kurz und zügig und ließ ihn einmal umherschweifen, um herauszufinden, aus welcher Richtung der Pfeil des Angreifers gekommen war. Er entdeckte nichts.
Eine Weile verharrte Venturas dort, schaute immer wieder in unregelmäßigen Abständen für einen kurzen, schnellen Augenblick, um etwas zu erhaschen, bis ihm auffiel, dass seit einiger Zeit kein weiterer Pfeil mehr abgeschossen wurde. Vorsichtig erhob er sich, stets mit dem Bewusstsein, sich rasch wieder auf die Erde fallen lassen zu müssen. Es geschah jedoch nichts.
Kaum hatte er sich vollständig hingestellt, lief aus dem Busch plötzlich ein kleiner Junge, der zielstrebig an Venturas vorbeirannte, als existiere dieser gar nicht. Venturas hatte instinktiv seine Waffe gestreckt, jedoch den kleinen nicht getroffen, was er im Nachhinein auch nicht beabsichtigte. Der Junge wollte offenbar zu den Hasen, die er erlegt hatte.
Er beugte sich runter und sammelte die Tier auf. Dann schaute er Venturas kurz an. Er hatte rote Augen. War schmutzig im Gesicht, da er wohl längere Zeit auf dem Boden verbracht hatte. Er schaute streng, nicht wie ein kleines Kind, eher wie ein Erwachsener, der es ernst meinte. Für Venturas war es befremdlich und er wusste auf den ersten Moment nichts damit anzufangen.
„Was machst du hier so alleine draußen?“ fragte er den Jungen.
Dabei drehte sich Venturas vorsichtig um, damit er prüfen konnte, ob noch weitere Kinder oder Erwachsene folgten, aber er nahm nichts wahr.
„Es ist gefährlich außerhalb der Städte“, sprach Venturas, „das weißt du hoffentlich.“
„Ich komme schon zurecht“, teilte der Junge mit einer tiefen Stimme mit.
Venturas wirkte verwirrt, da die Stimme im ersten Augenblick gar nicht zum äußeren Erscheinungsbild des Kleinen passte, aber er versuchte, es zu verbergen. Venturas fiel erst jetzt ein, dass es sich auch um einen Formigo oder gar einen Morphos handeln könnte.
„Kann ich jetzt gehen oder wollen Sie noch etwas von mir?“ wollte der Junge von Venturas wissen und verhielt sich dabei sehr ungeduldig.
Er stand nach wie vor auf dem gleichen Fleck, an dem er die Hasen an den Löffeln gepackt hatte. Sein Blick war entschlossen und kannte keine Furcht. Diese Selbstsicherheit verunsicherte Venturas, der als erfahrener Krieger nicht an seiner eigenen Stärke zweifelte, sondern vielmehr über die Gründe der Unbekümmertheit des Jungen erfahren wollte.
„Meinetwegen kannst du weiter“, sagte Venturas dann, „ich wollte nur sichergehen, dass dir, einen kleinen Jungen nichts geschieht. Die Wälder sind halt voll von Gefahren.“
Der Junge fing an zu grinsen.
„Vor dir habe ich keine Furcht“, brachte der Junge entgegen.
Er wirkte immer weniger wie ein üblicher Junge, sondern vielmehr wie ein anderes Wesen.
„Ich auch nicht vor dir“, stellte Venturas schnell klar und positionierte sich.
Der Junge musterte ihn noch einmal.
„Ich will dir nichts tun“, sprach er daraufhin, „ich will nur weiterziehen. Gehe du deinen Weg. Du willst sicherlich zu den Leikuren.“
Venturas schaute überrascht, denn einem Teilnehmer war es nicht gerade auf die Stirn geschrieben, dass er zu den Leikuren musste.
„Wie ich das festgestellt habe, fragst du dich?“ fragte der Junge mit einem höhnischen Unterton, „ich werde es dir verraten: Ich bin mächtiger, als du dir vorstellen kannst.“
Im ersten Moment hatte der Junge Venturas fest in dem Glauben, dass der Junge womöglich recht hatte, aber etwas ließ ihn stutzen. Warum verriet der Junge all das, wenn er doch so mächtig war?
„Beweise es“, verlangte Venturas, obwohl er sich nicht ganz sicher war, wirklich einem Blender auf die Spur gekommen zu sein.
Wenn er sich irren sollte, würde es ihm vielleicht das Leben kosten oder noch einiges mehr. Der Junge holte einen Stab heraus, fuchtelte ein wenig in der Luft herum und faselte etwas auf einer Sprache, die Venturas nicht verstand. Ein junger Magier? Venturas überzeugte es nicht wirklich und er glaubte nicht daran. Nun tanzte der Junge auch noch dazu. Venturas stand still dort und schaute sich das Spektakel an. Auf einmal beugte sich der Junge herunter und sprintete los, was das Zeug hielt. Der erste Impuls von Venturas war, ihm zu folgen, doch er sah davon ab, da der Junge vor lauter Schreck einen Hasen fallengelassen hatte.
„Was für ein verrückter kleiner Junge“, sagte er leise zu sich und hob das Tier auf, um es an seinen Beutel zu binden, den er mit sich herumtrug.
Venturas musste sich ranhalten, wenn er in drei Tagen sein Ziel erreichen wollte. Er hatte ein wenig Zeit verloren, dafür aber ein Gratisessen gefunden, ohne größere Mühe damit gehabt zu haben.
Die Wälder von Malima waren tatsächlich gefährlich. Venturas hatte es dem Jungen nicht nur erzählt, weil es ein Märchen sein sollte, sondern da hier Wesen umherliefen, die in erster Linie Raubtiere waren, geschweige denn die Exkubito, auf die man treffen konnte, gab es noch weitere Gruppierungen, die alles und jeden bedrohten, der ihr Gebiet durchkreuzte.
Nachdem er den Jungen vor einiger Zeit begegnet war, sollte Venturas nun in solch ein Gebiet eindringen. Er wollte nicht, aber er musste, da er sonst einen immensen Umweg hätte in Kauf nehmen müssen. Das Gebiet der Mallumo umfasste den gesamten Verda, einen riesigen urigen Wald. Die Mallumo waren Räuber. Sie beherrschten diese Gegend, da sie sie kannten, wie ihre eigene Westentasche. Alle Mallumo waren hier aufgewachsen und wurden seit jüngster Kindheit darauf getrimmt, zu rauben und sich zu verstecken. Sie waren Meister des organisierten Verbrechens.
Selbst die Exkubito mieden sie, denn es hat in der Vergangenheit mehrere Versuche gegeben, sie auszuschalten, aber es war nicht von Erfolg gekrönt. Der Gottesherrscher gab irgendwann den Befehl, sie zwar weiterhin zu reduzieren, sollte man sie aufspüren, aber er sah sie nicht mehr als Bedrohung, denn seit ihrer Existenz hatten sie nie versucht, den Gottesherrscher in Frage zu stellen.
Die Mallumo hatten auch nie ein Interesse daran, sich gegen den Gottesherrscher zu stellen, denn sie waren wie gesagt Räuber und darauf konzentrierten sie sich. Eigens auf den Verda erhoben sie Anspruch, da es schon immer zu ihren Besitztümern gehörte, ganz gleich welcher Herrscher gerade an der Macht war.
Venturas musste noch nie durch diesen Wald, denn er musste noch nie durch diese Gegend reisen, da es keinen Anlass dazu gab. Er gehörte zu den Sesshaften, die es normalerweise vorzogen, nicht durch die Welt zu reisen, sondern Daheim bei ihrer Familie zu bleiben. Alle dies wäre wahrscheinlich auch eingetroffen, wenn es die Leikuren nicht gebe und natürlich den Gottesherrscher.
Trotz allem empfand Venturas keine Wut, sondern beugte sich seinem Schicksal. Was hatte er auch für eine Wahl? Der Wald war dunkel, denn die Blätter ließen kaum einen Strahl der Sonne hindurch. Ein Rauschen wie an einem Meer war zu hören, denn ein leiser, aber frischer Wind durchströmte den Wald. Alles schien so friedlich. Die Sinne von Venturas waren geschärft, denn diese Ruhe weckte die Vorsicht in ihm.
Plötzlich blieb Venturas stehen. Er hatte ein leises, aber unauffälliges Knacken wahrgenommen. Womöglich war es ein morscher, der auf dem Erdboden lag. Es könnte ein Tier gewesen sein, aber Tiere hatte Venturas seit dem Betreten des Waldes nicht gesehen. Ganz behutsam zog er sein Schwert, denn er war sich sicher, dass er verfolgt wurde.
Blitzschnell kam wie aus dem Nichts eine Schleuderfessel angeflogen. Es handelte sich um ein massives Seil, etwa zwei Ellen lang, welches an den jeweiligen Enden mit Steinen versehen war. Rechtzeitig und gekonnt wich Venturas aus. Bei dem zweiten Versuch des Angreifers konnte er nicht mehr entkommen und durchtrennte das Seit mit dem Schwert, sodass es entzweit wurde.
Es waren mindestens zwei, da war sich Venturas nun sicher, denn die Fesseln kamen aus zwei entgegengesetzten Richtungen. Es wurde wieder ruhig.
„Zeigt euch!“ brüllte Venturas, um die Angreifer aus der Reserve zu locken, „wenn Ihr euch traut.“
Es kam keine Antwort, aber es stürmten Angreifer aus allen vier Himmelsrichtungen auf Venturas zu. Einer frontal auf ihn zu. Venturas spürte wie sein Herz zu rasen begann, denn er fürchtete jeden Kampf, aber wie so vieles im Leben war es eine Pflicht, die er erfüllen musste, um an sein Ziel zu gelangen.
Venturas beschloss, den Angreifer vor ihm zu attackieren, indem er ihm entgegenrannte. Der Angreifer stoppte und wartete darauf, dass sie aufeinandertrafen. Die anderen drei hatte Venturas durch seine besonderen Kräfte immer im Blick, denn er hatte eine übersinnliche Wahrnehmung, die gerade in einer Verteidigungssituation wie dieser hier, zum Einsatz kam. So gelang es ihm, die Übersicht zu behalten, obwohl sein Hauptaugenmerk dem Frontalangreifer galt.
Venturas war sich sicher, dass es sich hierbei um die Mallumo handeln musste. Er hatte in seinem gesamten noch nie einen von ihnen getroffen, aber ihrem Antlitz nach konnten sie nur Räuber sein. Sie trugen wilde Kleidung mit Tierfellen, die alle gut verarbeitet waren. Vermutlich waren es Waldtiere. Sie hatten einfach verarbeitete Waffen, wie Schwerter und Äxte, die aber keine Verzierungen trugen. Zudem trugen sie Masken von Tieren, die sie wohl erlegt hatten. Der Angreifer vor ihm hatte eine Katzenmaske und war wohl erst jugendlich, denn er war von nicht ganz so großer Körperstatur und eher schmal gebaut. Einer von ihnen hatte seinen Kopf mit einer Wolfsmaske verziert, die anderen beiden hatten eine von einem Schwein und von einem Pferd.
Venturas zögerte nicht lange als er auf seinen Gegenüber traf und machte kurze und schnelle Schwerthiebe, die das Ziel hatten, die Katzenmaske möglichst effektiv kampfunfähig zu machen. Venturas wollte nicht töten, wenn er nicht musste. Die Katzenmaske hielt zwar dagegen, aber schlussendlich traf ein Schwerthieb von Venturas ihn an der Brust und ritzte sich durch seine Kleidung. Er schrie kurz auf und ließ sein Schwert fallen. Venturas hatte keine Zeit, seinen Erfolg zu feiern, denn die anderen drei erreichten ihn. Er drehte sich und parierte die Angriffe. Dabei bewegte er sich nach hinten, da die drei ihn drängten. Hinter ihm lag die Katzenmaske am Boden und krümmte sich vor Schmerzen. Der Treffer war wohl schlimmer als Venturas angenommen hatte.
„Geh zu Feles und hilft ihm“, schrie die Schweinsmaske während des Kampfes zu der Wolfsmaske, „er stirbt sonst.“
Die Wolfsmaske entfernte sich. Nun war Venturas klar, dass er es mit Jugendlichen zu tun hatte, nein, eigentlich waren es noch Kinder.
„Ich kann ihm helfen“, bot Venturas an.
„Halt die Klappe, alter Mann“, brüllte die Schweinsmaske.
Die Kampfsituation wurde unterbrochen, als die Wolfsmaske Feles erreichte und verzweifelt auf den Boden sank.
„Feles!“ schrie er und Tränen kullerten an seiner Wange hinunter und tropften auf die Erde.
Die anderen beiden hielten reflexartig inne. Venturas hätte sie mühelos töten können, wenn er gewollt hätte, aber er tat es nicht, denn es war nicht notwendig.
„Geht zu ihm“, sprach er in einer für die Situation beängstigend ruhigen Stimme.
Die Schweinsmaske traute ihm nicht, dass sah an seinem Blick, aber er machte ein Handzeichen, dass der Pferdmaske verdeutlichte, ebenfalls zu dem Verletzten zu laufen, was er dann auch tat. Beide versuchten, die Blutung zu stoppen, aber sie waren zu aufgeregt und nach Venturas Augenschein auch zu unerfahren.
„Was ist denn?“ fragte die Schweinsmaske hektisch nach und hielt die Axt noch immer in Richtung von Venturas, der seine Waffe zwar festhielt, aber locker in der Hand hatte.
„Ich kann helfen“, bot Venturas abermals an.
Die Schweinsmaske musterte ihn von oben bis unten und gab seinen Blick alles Misstrauen, was er in diesem Moment spürte.
„Was bist du, ein Zauberer?“ wollte die Schweinsmaske wissen.
„Nein“, antwortete Venturas und blieb ruhig, was seinem Gegenüber nicht passte und mehr verunsicherte.
„Warum solltest du uns helfen wollen?“ fragte er und schaute immer wieder zu seinem Gefährten rüber.
„Ich weiß auch keinen Grund“, teilte Venturas mit, „aber wenn ihr es nicht versucht, dann stirbt euer Freund mit Sicherheit.“
Venturas wusste nicht, ob die Wolfsmaske wirklich sterben würde, aber die Situation ließ es zu, dass die Schweinmaske anfing, es zu glauben.
„Nun gut, aber keine Tricks“, befahl er und zeigte auf das Schwert von Venturas, „aber das da krieg ich.“
„Ich werde es dir geben, aber solltet ihr mich angreifen, werde ich euch alle töten“, warnte Venturas und übergab seine Waffe.
Er schritt zu der Wolfsmaske und beugte sich runter. Die Schnittwunde blutete stark und der Verletzte kauerte sich und jammerte.
„Was ist denn nun? Kannst du ihm helfen oder nicht?“ fragte die Schweinsmaske ungeduldig.
In seiner Stimme vernahm Venturas einen drohenden Unterton, der ihm signalisierte, dass der hinter ihm stehende Träger der Schweinemaske ihn sofort angreifen würde, falls er es nicht schaffte. Womöglich würde er Venturas auch attackieren, wenn es ihm gelänge, aber dabei war sich Venturas nicht sicher.
„Er wird es schaffen“, versicherte Venturas und drehte sich zu der Schweinsmaske, „aber ich benötige Grünes Pech, um die Wunde zu versorgen und ein Stück Stoff, um es zu verbinden.“
„Ich weiß, wo es Grünes Pech gibt“, sagte die Pferdmaske und machte sich sofort auf.
Es brach ein Schweigen aus, das eine unangenehme Mischung aus Furcht und plötzlichen Kippen der Situation in ein Gemetzel in sich trug.
„Wer seid ich eigentlich?“, fragte Venturas, um einen Versuch zu starten, die Lage ein wenig aufzuheitern.
„Das hat dich nicht zu interessieren“, zeigte sich die Schweinsmaske pampig.
Einen Moment später kam der Träger der Pferdemaske mit dem gewünschten Heilkraut, um es Venturas zu übergeben. Die Wolfsmaske riss einen Teil seiner Kleidung, der aus Stoff bestand ab und überreichte es ebenfalls Venturas. In seinem Blick war die Hoffnung, der für ihn Fremde Venturas möge seinen Begleiter retten. Venturas hatte den Eindruck gewonnen, dass sich diese Jugendlichen schon ein Leben lang kennen mussten und dennoch kamen sie ihm unbeholfen vor. Vielleicht waren es heranwachsende Mallumo?
Venturas nahm das Grüne Pech und zerrieb es ein wenig. Die Blätter dieser Pflanze enthielten Wasser, welches es zu einer breiigen Masse machen ließ. Als Venturas es auf die Wunde auftrug, zuckte der Verletzte und schrie.