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Was ist dran an der Formel "der Islam ist Frieden" oder "eine Religion des Friedens"? Kennen Muslime etwa ihre eigene Religion nicht und müssen von Islam-Experten darüber aufgeklärt werden, dass sie in Wirklichkeit einer Religion angehören, die in ihrem Wesen gewaltätig ist? Oder sollten umgekehrt Muslime viel stärker die Friedenspoteziale ihres Glaubens betonen und darlegen, dass Krieg eigentlich die Außnahme ist bzw. ein notwendiges Übel sein kann, das eigentliche Ziel aber der Frieden ist? Im vorliegenden Werk wird ein Blick in die Primärquelle des Islam, den Koran, geworfen sowie Einblick in die Frühzeit des Islam (in die Offenbarungszeit) vermittelt.
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Ali Özgür Özdil
www.alioezdil.de
Hamburg 2003
Inhalt
I. Einleitung
II. Die Seele
III. Die Friedensethik des Propheten
Mekkanische PhaseMedinensische PhaseDie Befreiung der Heimatstadt Mekka vom PolytheismusIV. Der Friede im Alltag der Muslime
V. Anhang
1. Koranverse zu „Frieden“
2. Koranverse zu „Unfrieden“
3. Koranverse zu dem Begriff „Feind“
4. Verfassung von Medina
5. Abschiedspredigt des Propheten
6. Unterrichtseinheit zum Thema „Frieden“
As-Salâmu, „der Friede“ ist eine der schönsten Namen Gottes (59:23).
Ausgehend also von Gott, der Quelle des Friedens, gehört Salâm verwurzelt in unserer Sprache, zu unserem Alltag, als Gegenpol zu der anderen Realität, nämlich dem Unfrieden; dem Unfrieden in unserer Welt, unseren Ländern, Gesellschaften, Städten, Straßen, Häusern bis hin zum Unfrieden in unseren Herzen und Seelen.
Frieden ist ein gutes Wort. In Sure 14:23 heißt es: „Aber jene, die glaubten und das Rechte taten, werden in Gärten geführt, durcheilt von Bächen, um mit der Erlaubnis ihres Herrn ewig darin zu verweilen. Ihr Gruß dort ist: »Frieden!« Siehst du nicht, womit Allah ein gutes Wort vergleicht? Es ist gleich einem guten Baum, dessen Wurzel fest ist und dessen Zweige in den Himmel reichen und der seine Ernte mit der Erlaubnis seines Herrn zu jeder Zeit abwirft. So prägt Allah Gleichnisse für die Menschen, damit sie sich ermahnen lassen. Und das Gleichnis eines schlechten Wortes ist ein schlechter Baum, der aus dem Boden entwurzelt wurde und keine Festigkeit mehr hat. Festigen wird Allah die Gläubigen durch das festigende Wort, im irdischen Leben und im Jenseits...“ (14:23)
Der Mensch strebt aber auch nach Zufriedenheit im irdischen Leben. So wollen wir im folgenden Kapitel als erstes auf den Menschen selbst blicken bzw. auf seine Seelenzustände.
Den Grundriss der Struktur des Menschenbildes nach dem Koran und der Sunna (Lebenspraxis des Propheten Muhammad), zeichnen drei Dimensionen nach: eine körperliche, eine seelische und eine geistige Dimension. Die Aufgabe des Menschen besteht darin, eine vollständige Harmonie zwischen ihnen zu schaffen, ohne irgendeine davon zu vernachlässigen. Alle islamischen Vorschriften (Gebote, Verbote, Anweisungen und Empfehlungen) sind auf die Errichtung einer solchen Harmonie ausgerichtet.
Was das Körperliche, d.h. das Weltliche, bzw. das Diesseitige im Menschen betrifft, so wird dies in Relation zum immateriellen, das heißt zum Jenseitigen in ihm durch den Koran wie folgt bestimmt: „Trachte mit dem, was Gott dir (an Reichtum) gegeben hat, nach der Behausung des Jenseits, aber vergiss nicht deinen Anteil am Diesseits! Und tu Gutes, sowie Gott dir Gutes getan hat! Und sinne nicht (überall) im Land auf Unheil! Gott liebt die nicht, die Unheil anrichten.“ (Sure 28:77)
Die Devise des Islam ist die Harmonie zwischen dem diesseitig Körperlichen und dem jenseitig Seelisch-Geistigen sowie die aufeinander abgestimmte Ausgewogenheit zwischen ihnen, sowohl bei der Vorstellung eines Menschenbildes, wie auch bei dessen Verwirklichung durch eine adäquate Erziehung.
Zuständig bzw. Verantwortlich für eine derartige Harmonie und Ausgewogenheit sind Seele (arab. Nafs) und Geist (arab. Rûh) im Menschen. Die Hauptlast liegt zunächst auf der Seele, die im Koran in drei Formen, d.h. in drei Funktionen vorkommt: Sie heißt zum einen „an-Nafs al-Ammâra“ (die stets gebietende Seele), die zum weltlichen antreibt, wie es z.B. in der Sure 12:53 heißt: „Und ich behaupte nicht, dass ich unschuldig sei. Die (menschliche) Seele verlangt (nun einmal) gebieterisch nach dem Bösen, soweit mein Herr sich nicht erbarmt. Er ist barmherzig und bereit zu vergeben.“
Diese Seele bzw. diese erste Stufe der menschlichen Seele ist, nach der Funktion zu urteilen, als Inbegriff der Gesamtheit der menschlichen Begierden zu verstehen. Sofern sie den Körper nur zum Weltlichen, vor allem in Disharmonie mit dem immateriell Seelisch-Geistigen Befindlichen, hin treibt, ist sie als die zum Bösen auffordernde Seele zu begreifen. Allerdings ist weder das alltägliche Leben noch die oben genannte Harmonie noch das angestrebte Jenseitige ohne sie denkbar. Insofern ist sie nicht als die zum Bösen antreibende niedrigste Seelenstufe zu verstehen, sondern als die wichtigste Basis weiterer seelisch-geistiger Entwicklungen des Menschen.
An diese Seelenstufe knüpft „an-Nafs al-Lawwâma“ (die tadelnde Seele) an. In Sure 75:2 heißt es: „...Ich schwöre bei der sich selbst anklagenden Seele.“ In Form einer Selbstkritik übt die Seele nun die Funktion aus, die wir als die Tätigkeit des „Gewissens“ kennen. Auf diesem Wege, d.h. durch den Prozess einer ständigen Reflexion, Selbstkritik und der daraus erfolgten Selbstreinigung bahnt sich die dritte Seelenstufe, genannt „an-Nafs al-Mutma‘inna“ (die Seele, die Sicherheit und Ruhe gefunden hat) an. In Sure 89:27 lesen wir: „(Wenn aber einer rechtzeitig den Glauben angenommen hat und ihm bis an sein Lebensende treu geblieben ist, ergeht an ihn die Aufforderung Gottes:) O Seele, der du (im Glauben) Ruhe gefunden hast! Kehre zufrieden und wohlgelitten zu deinem Herren zurück!“
Der bis zu diesem Stadium der Entwicklung der Seele vollzogene Prozess und das damit erreichte Ziel wird unzweideutig an einer anderen Stelle im Koran (Sure 84:6) betont hervorgehoben: „Du Mensch! Du strebst mit all deinem Bemühen deinem Herren zu, und so wirst du ihm (dereinst) begegnen.“
Wer nicht auf Erden in den Genuss dieses Seelenzustandes gelangt, dem erwartet dieser Zustand im Paradies, vorausgesetzt, er glaubt an Gott und an das Jenseits. Das Paradies ist nichts anderes als das „Haus des Friedens“, im Koran als „Dâr as-Salâm“ bezeichnet (10:25).