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Alfred Broi

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Beschreibung

Der Kaiser ist tot – es lebe der Kaiser... Das Reich – Lichtjahre von der Erde entfernt – ist gewaltig und scheint zu blühen. Doch der gewaltsame Tod des Herrschers bringt alles ins Wanken. Und die scheinbar klare Regelung über seine Nachfolge ist alles andere als genau das. Am Ende tritt ein uralter Passus in Kraft, wonach der Thronfolger in einem Turnier als stärkster und mutigster Kämpfer ermittelt werden muss. Ein perfider und heimtückischer Plan sorgt dafür, dass die Erde als Arena hierfür auserwählt wird. Als Celica, eine junge Scheme, erkennt, dass auch ihr Bruder Argoras in die Geschehnisse rund um das Turnier hineingezogen wird, schwört sie, ihm zur Seite zu stehen. Doch sehr schnell muss sie erkennen, dass dieses Versprechen weit mehr von ihr abverlangt, als sie sich je hätte träumen lassen und sie viel tiefer in das Spiel um Macht und Ruhm eindringt, als ihr lieb ist. Und das die bösen Mächte, die für den Tod des Kaisers verantwortlich sind, auch den Ausgang des Turniers beeinflussen wollen und vor weiteren Morden nicht zurückschrecken. Am Ende muss Celica eine Entscheidung treffen, die nicht nur ihr eigenes Leben grundlegend verändern wird. Doch alles wäre viel einfacher für sie, wenn da nicht auch noch dieser Mensch namens Nicolas wäre, für den sie viel mehr empfindet, als sie sich eingestehen will. Und niemand kann zu diesem Zeitpunkt auch nur erahnen, welche Rolle er noch spielen wird...

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Seitenzahl: 1803

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Prolog

Aus den Chroniken der Avister......

5.765. Sonnenzyklus – Gründung des Kaiserreichs

...die Situation drohte zu eskalieren, ohne das irgendjemand wirklich noch zu sagen wusste, warum...

Die beiden Völker der Tyraden und Potauren begannen einen schlimmen und furchtbaren Krieg, der beide Planeten in ein Chaos aus Blut und Tränen zu stürzen drohte...

Das Volk der Potauren rief unser (...das avistische...) Volk um Hilfe im Kampf gegen den vermeintlich übermächtigen Gegner, doch konnten und wollten wir unsere über die Jahrhunderte mühsam aufgebauten und noch immer verletzlichen diplomatischen Kontakte mit dem stolzen, jedoch auch schwierigen Volk der Tyraden nicht zerstören, in dem wir Position in einem Krieg bezogen, dessen wahren Auslöser wir nicht zu erkennen vermochten…

...

Immer mehr Völker überkam die Angst, dass sich der Krieg zwischen Tyra und Poterus ausbreiten würde und noch viele weitere unschuldige Völker darunter leiden mussten...

Die gesamte bekannte Planetenwelt war in Aufruhr geraten...

...

In der Konferenz von Ballumin wurde unser Volk (....die Avister....) einstimmig um Hilfe in diesem schwierigen Konflikt gebeten......und nach langen Überlegungen stimmte König Tisis schließlich doch zu, beide kriegerischen Völker an einen Verhandlungstisch zu führen...

Natürlich hätten wir (...das Volk der Avister...) den Krieg auch dadurch beenden können, dass wir unsere bestehende militärische Überlegenheit ausgespielt und beide Planeten unterworfen hätten, doch das höchste Gut unseres Volkes ist seit jeher der Frieden, der Respekt und die Selbstbestimmung aller bekannten Lebensformen, so wie es in unserem Königreich auf unserem eigenen Planeten Avis seit Anbeginn der Zeit immer praktiziert wurde...

Also forderte König Tisis die Vertreter der Tyraden und der Potauren an einem neutralen Ort an den Verhandlungstisch und dank seines hervorragenden und feinfühligen diplomatischen Geschicks gelang es ihm tatsächlich, den Krieg zu beenden und ein für beide Parteien akzeptables zukünftiges Zusammenleben zu gestalten...

In der abschließenden Rede vor allen Vertretern der bekannten Planetenwelt (und das waren immerhin stolze 59 Völker auf 62 Planeten) jedoch wies König Tisis auf sehr eindrucksvolle Weise und absolut unmissverständlich darauf hin, dass es auch weiterhin nicht auszuschließen sei, dass derartige Konflikte eskalieren würden...

Die gesamte bekannte Planetenwelt bestehe aus vielen unterschiedlichen Rassen und Völkern und solange jedes Volk für sich überwiegend seine eigenen Interessen vertrat, würden Konflikte an der Tagesordnung bleiben...

Dies musste natürlich nicht zwangsläufig immer in einem für keine Seite wirklich nutzbringenden Krieg, wie in dem vorliegenden Fall, gipfeln, doch auch bereits die Meidung oder Schneidung verschiedener Völker oder Rassen untereinander würde früher oder später notgedrungen für einen Stillstand in ihren Entwicklungen sorgen...

Nahezu alle Völker der bekannten Planetenwelt verfügten mittlerweile über das technische Wissen des interstellaren Raumfluges...

Diesen Umstand lobte König Tisis ausdrücklich und bezeichnete ihn als Grundstein für die weitere Zukunft eines jeden Planeten...

Doch mit der Möglichkeit, weiter entfernte, bisher unbekannte Planeten zu erforschen, erwachse auch eine besondere Verantwortung eines jeden...

Die Wahrscheinlichkeit, hierbei auf völlig fremde Rassen und Kulturen zu treffen, sei mehr als hoch und die Gefahr trotz friedlicher Absichten auf einen fremden Aggressor zu stoßen, sei nicht von der Hand zu weisen...

Entsprechend aber würde ein Konflikt eines Volkes innerhalb der jetzt bekannten Planetenwelt unweigerlich zu einem Problem aller Völker werden können...und dies ganz besonders dann, wenn es keine Einigkeit innerhalb der anwesenden Völker geben würde...

Aus diesem Grunde stellte König Tisis in einem flammenden Appell die Möglichkeit eines gemeinsamen Bundes aller bekannten Planeten unter der Führung eines gemeinschaftlich gewählten Oberhauptes in den Raum...

Dieser Bund, in welcher Form er letztlich auch immer zustande kommen würde, sollte sich zunächst auf die Bereiche Forschung, Technik und Wirtschaft erstrecken...ganz speziell aber auch die militärische Ebene zusammenführen...

Ziel dieses Bundes sei die Errichtung einer freien, friedlichen und gleichberechtigten Völkergemeinschaft zum Wohle aller darin befindlichen Lebensformen...sowie im militärischen Bereich die Errichtung einer starken und schlagkräftigen Armee zum Schutz aller Völker gegen vermeintliche Aggressoren aus dem Bereich der jetzt noch unbekannten Planetenwelt...

Im weiteren Verlauf der Konferenz entstand durch den von König Tisis initiierten Vorschlag eine lange, ungewöhnlich offene und dadurch erfreulich konstruktive Diskussion, bei der sich sehr schnell deutlich herausstellte, dass es sehr viele Völker gab, die einen Zusammenschluss aller bekannten Planeten absolut befürworteten...

König Tisis war von dieser sehr erfreulichen Entwicklung nicht sonderlich überrascht, wie er in einem späteren Gespräch mit Vertrauten seines eigenen Rates verkündete...

Viele Völker hätten für die Möglichkeit des dauerhaften interstellaren Raumflugs bis an die Grenzen ihrer planetaren Leistungsfähigkeit gehen müssen...diese Völker versprachen sich natürlich kosten- und ressourcengünstige Synergien von einer Völkergemeinschaft, ohne die sie mittelfristig mit den „wohlhabenderen“ Völkern nicht hätten mithalten können...

Andere wiederum – und dazu gehörte ganz sicher das Volk der Potauren – sahen in einer Völkergemeinschaft die Chance, die aggressiveren Gruppen – wie etwa das Volk der Tyraden - innerhalb der bekannten Planetenwelt in Schach zu halten und somit die Chance auf dauerhaften inneren Frieden deutlich zu erhöhen...

...

Dem Wunsch nach einem Zusammenschluss aller Planeten schlossen sich im Verlauf der Tagung immer mehr Völker an...und es wurde immer klarer, dass ein solches Bündnis auch verabschiedet werden würde...wobei der Wunsch nach einem starken und dauerhaften Bund schnell deutlich wurde…

...entsprechend verwunderte es letztlich auch niemanden, als der Vertreter des Volkes der Koriemen anheim stellte, König Tisis, als Initiator dieses Bundes, und somit dem seit jeher friedliebendem und gerechtem Volk der Avister, die Leitung eines solchen Völkerbündnisses anzuvertrauen...

...mehr noch...der koriemische Gesandte forderte die Schaffung eines Kaiserreichs als Planetengemeinschaft unter der Führung des avistischen Volkes und mit einem starken und gerechten Kaiser Tisis I. an dessen Spitze...

...die Resonanz auf diesen Vorschlag war überwältigend...doch zeigte sich auch sehr schnell deutlich, dass die eher stolzeren Völker - allen voran die Tyraden - unter diesen Umständen einem so geschaffenen Kaiserreich nur sehr ungern und dann auch nur, um sich nicht von vornherein auszugrenzen, beitreten würden...

König Tisis war sich dieses Umstandes nur zu gewiss und wusste, dass ein unter diesen Voraussetzungen geschaffenes Kaiserreich bereits mit der tödlichen Wurzel der Missgunst geboren werden und daher nicht wirklich von Dauer sein würde...

Da der Ruf nach einem Kaiserreich mit ihm als gewählten Führer aber nicht mehr verstummen wollte, wandte er sich nach einer kurzen Beratung mit seinen engsten Vertrauten noch einmal an die Versammlung...

...in einer weiteren denkwürdigen Rede bedankte er sich für das ihm entgegengebrachte Vertrauen...auch betonte er, dass er die Schaffung eines Kaiserreichs für eine richtige und weise Wahl und Entscheidung hielt...

Er wies jedoch sofort auch unmissverständlich darauf hin, das Wohl und die Verantwortung eines so neu geschaffenen Reiches von diesen immensen Ausmaßen und mit derart vielen unterschiedlichen Völkern unter einem Dach, nur einem einzelnen Volk vollständig anvertrauen zu wollen, war nicht gerecht, auch wenn er nochmals betonte, dass er das ihm und seinem Volk hier entgegengebrachte Vertrauen sehr zu schätzen wusste…

Vielmehr sollten den Kaiser ausgewählte Völker gemäß ihrer gegebenen oder besonderen Fertigkeiten und Fähigkeiten bei der Durchführung der Aufgaben in den einzelnen Bereichen zur Seite stehen...

So könne er sich ein Kaiserreich vorstellen, in dem zum Beispiel dem Volk der Cariauten die Leitung des Wirtschaftssektors anvertraut werden würde...dem Volk der Avister die Leitung des technischen Sektors...und...(und diesen Teil betonte er ganz besonders deutlich) ...dem Volk der Tyraden die Führung der kaiserlichen Reichsarmee....

Diese Aussage sorgte zunächst für einige Unruhe innerhalb der Versammlung, doch auch für Zufriedenheit bei den Völkern, die sich dem Volk der Tyraden nahe fühlten...

...als König Tisis dann jedoch wieder anhob und erklärte, dass er sich ein solches Kaiserreich durchaus vorstellen könnte und dies dann auch mit einem Kaiser Tisis I. an seiner Spitze, brach er damit alle Dämme und die Versammlung stimmte in einen Jubelruf ein...

...

Viele Gelehrte wurden in den darauffolgenden Phasen mit der Ausarbeitung einer Reichsgesetzgebung beauftragt, die die Verantwortlichkeiten und das Zusammenspiel aller beteiligten Völker gerecht und wohlbringend regeln sollte...

Als dies vollbracht war, wurde König Tisis von den Vertretern der bekannten Planetenwelt...einstimmig...zum Kaiser gewählt...

Die Krönungsfeierlichkeiten stellten alles bis dahin da gewesene in den Schatten und wurden zu einem Jubelfest auf allen Planeten...

Wieder hielt König Tisis eine denkwürdige Rede, dessen wichtigste Passage hier auszugsweise wiedergegeben wird:

Völker der bekannten Planetenwelt...hört mich an...

Ich, Tisis von Moriath, seines Zeichens König des avistischen Volkes...habe den Anruf des großen Völkerrates, mich zum Oberhaupt des neu geschaffenen Kaiserreichs zu krönen, vernommen und antwortete euch hiermit, dass ich diesem Ruf voller Freude und Stolz folgen werde...

Fortan soll das Wohl aller bekannten Planeten unter diesem Dach vereint sein...

Ich habe mit größter Genugtuung in den letzten Phasen erkennen können, dass sich ausnahmslos alle Völker ihrer Verantwortung für die Zukunft dieser, sowie auch aller nachfolgenden Generationen, mehr als bewusst sind...

Noch niemals wurde eine solch große Völkergemeinschaft angestrebt, noch niemals zuvor hat es ein solches Bündnis wie dieses gegeben...

Doch es ist vollbracht worden und ich sende euch allen meinen größten Respekt und meine größte Anerkennung für diese gewaltige Leistung...

Indem ihr mich zu eurem Kaiser berufen habt und ich demütig vor den Heiligen des Lichts gekrönt wurde, beginnt eine neue Ära in unser aller Leben...

Und ich prophezeie uns allen eine glorreiche, wohlbringende, friedliche und strahlende Zukunft in dem gewaltigsten Reich, dass jemals geschaffen wurde...

Kraft des mir von allen ordentlichen Vertretern der bekannten Planetenwelt verliehenen Amtes rufe ich hiermit voller Stolz und Zuversicht das

Kaiserreich der heiligen Allianz

aus...

Mögen unsere gemeinschaftlichen Geschicke fortan von den Heiligen des Lichts behütet werden...

...

Skeptiker gab es in diesen Tagen ebenso viele, wie diejenigen, die sich voller Tatendrang daran machten, das junge Reich mit Leben zu erfüllen...

Doch auch die anfänglichen Schwierigkeiten, die beim Umsetzen der Reichsgesetze und der Leitung der unterschiedlichen Ressourcen natürlich auftreten mussten, konnten gemeinschaftlich behoben werden...

Hierbei lobte Kaiser Tisis I. immer wieder die große Bereitschaft ausnahmslos aller Völker (und dies war tatsächlich so, denn auch die Tyraden und die mit ihnen befreundeten Völker arbeiteten – offensichtlich zufrieden mit der ihnen zugeteilten Aufgabe als Führer der riesigen Reichsarmee – konstruktiv mit), die auftretenden Probleme schnell und konsequent zu lösen...

Da sich Kaiser Tisis I. von Beginn an immer wieder unglaublich verdient um das junge Kaiserreich machte und es ihm gelang, während seiner 17 Phasen dauernden Amtszeit, nicht weniger als acht neu entdeckte Planeten in die Gemeinschaft zu integrieren, war man sich sehr schnell einig, dass dieser - seiner Blutslinie - das Regieren und Führen einer solch gewaltigen Völkergemeinschaft angeboren war, sodass man beschloss, auch seine Nachfahren kraft Gesetzes als zukünftige Kaiser zu verpflichten...

...

Weiter wuchs und gedieh die größte aller Völkergemeinschaften und bereits die vierte Generation nach der Krönung von Kaiser Tisis I. wuchs mit dem Kaiserreich als selbstverständliche, oberste Staatsform auf…

Die Skeptiker und vor allem die Neider verstummten nie völlig, doch konnten alle Intrigen, die dem Reich letztlich gefährlich geworden wären, immer wieder frühzeitig vereitelt werden...

Die Verfassung in ihrer Urform, wurde – auch aufgrund der Tatsache, dass sich das Kaiserreich auch bald auf weitere Gebiete, wie etwa das Rechtssystem der Planeten und ihrem Bildungssystem erstreckte – immer wieder geändert, erweitert und aktualisiert...

Ihre wohl umfassendste Änderung erfuhr sie 274 Zyklen nach der Entstehung des Reiches, als sie in die neu geschaffene interplanetare Amtssprache übersetzt wurde...

Das hierbei einige sehr wichtige Passagen nicht mehr wortwörtlich, sondern eher sinngemäß formuliert wurden, nahm man dabei billigend in Kauf...

Und so war aus der Not eines sich ausweitenden Kriegskonflikts in der Konferenz von Ballumin durch die Gründung des Kaiserreichs der heiligen Allianz das gewaltigste, je errichtete Imperium geschaffen worden, dass allem zum Trotz die Zeiten überdauerte und heute bereits über zweitausend Phasen existierte...

Mit Kaiser Arius IX. hat es vor zweiunddreißig Phasen aktuell seinen 64. und bisher letzten Herrscher gefunden...

Kaiserreich der heiligen Allianz

Gesetzesfassung von 7774

Verkündet und in Kraft getreten durch Erlass des Königs Arius IX.

Präambel

Dieses Gesetz regelt das Zusammenleben aller Völker, die sich im heiligen Konzil von Paridista im Jahre 5765 unter der Führung von Kaiser Tisis I. aus dem Volke der Avister zu einem Kaiserreich zusammengeschlossen haben.

Als da wären...

...das Volk der Avister

...das Volk der Tyraden

...das Volk der Schemen

...das Volk der Cariauten

...das Volk der Koriemen

...das Volk der Potauren

...das Volk der...

Alle anwesenden Vertreter der vorgenannten 59 Völker haben Tisis von Moriath einstimmig zum Kaiser bestimmt und dies durch versiegelte Unterschrift bestätigt...

....

Der Zweck des Kaiserreichs dient dem Zusammenschluss der vorgenannten Völker zur Förderung und zum Wachstum in den Bereichen Wirtschaft, Militär und Technik...

....

Stets soll das Wachstum aller vorgenannten Völker im Vordergrund stehen und alle Völker sollen gleichermaßen hiernach streben.

....

Das Kaiserreich soll allen vorgenannten Völkern zu mehr Wohlstand und Macht verhelfen...

...

Das Recht des Einzelnen soll hierbei geschützt und gewahrt bleiben, wobei jedoch zu beachten ist, dass stets das Recht der Mehrheit dem Recht des Einzelnen überwiegt...

§ 1

Dieses Gesetz in seiner hier vorliegenden 34. überarbeiteten Fassung ersetzt den Gesetzestext Vorfassung von 7688...

§ 2

Der Kaiser des Reiches der heiligen Allianz wird ausschließlich aus den Nachkommen der ursprünglichen Königslinie Tisis von Moriath ernannt...

...

Hierbei kommt dem erstgeborenen Sohn, das durch Geburt erworbene Recht zu, den Thron nach dem Tode des Vaters zu besteigen und fortan als Kaiser auf Lebenszeit zu regieren...

Die Offenbarung

Planet Tyra

Die sterbende Fürstin

Der kleine Reitertrupp zog im treibenden Galopp in Richtung Süden und peitschte im blutroten Licht des untergehenden Sonnensterns den heißen Sand der Wüste Nurib in die Höhe.

Die sechs vermummten Gestalten auf ihren Muktoes –pferdeähnlichen Reittieren, die sich dem kargen und flüssigkeitsarmen Leben hier angepasst hatten – trieben die Tiere schonungslos durch tiefe Täler und über wuchtige Sanddünen, während sich ihnen der heiße Südwind böig entgegenwarf.

Kein weiteres Lebewesen war in ihrer Nähe zu sehen, doch das war auch nicht verwunderlich, denn die Wüste Nurib war die größte ihrer Art innerhalb der bekannten Planetenwelt, so wie Tyra der heißeste Planet überhaupt war.

Sein Klima war zweigeteilt. Während es auf der nördlichen Halbkugel vielfach gemäßigtere Zonen mit sehr hohen Niederschlagswerten und einer üppigen Wald- und Dschungelvegetation gab, versank die südliche Halbkugel in den schier unendlichen Sandmassen von Nurib, die nur hier und da vereinzelte Oasen aufwies, die wie grüne Pickel in der ansonsten gelblichen Landschaft wirkten.

Die größte und atemberaubendste Oase unter ihnen war Uruk Ali As – und der Weg des Reitertrupps führte ihn genau dorthin.

Vor etwa einer Stunde waren sie mit einem Raumtransporter vom über dem Planeten kreisenden Schlachtschiff der kaiserlichen Armee zur Planetenoberfläche geflogen und auf dem etwa zehn Meilen entfernten Flughafen der Irist-Mine gelandet.

Hier schufteten weit über dreißigtausend Arbeiter daran, die einzige Kostbarkeit der Wüste Nurib ans Tageslicht zu fördern: den Parradith-Kristall...

Tyra war einer der wenigen Planeten innerhalb des Kaiserreiches, auf dem dieser seltene und kostbare Kristall überhaupt vorkam und speziell aus dieser Mine wurde er in einer Reinheit gefördert, die bisher unerreicht war.

Seinen Wert erzielte der Kristall jedoch nicht etwa als Schmuckstein, sondern als wesentlicher Bestandteil der hochmodernen Elektronik der kaiserlichen Armee, denn mithilfe des Kristalls ließen sich Energien in einer nie geahnten Dichte bündeln und somit immer leistungsfähigere Ortungs-, Navigations- und natürlich auch Waffensystemen konstruieren.

Die riesigen Kristallvorkommen befanden sich allesamt in Privatbesitz.

Da auf Tyra kein einheitliches Rechtssystem existierte, gab es auch keine staatlichen Institutionen, die eine planetare Ordnung gewährleisteten.

Von jeher hatten eine wenige Großsippen die Kontrolle über einen Großteil des Planeten inne.

Vor langer Zeit waren die Grenzen dieser Herrschaftsgebiete hart und blutig umkämpft, doch mit der Schaffung des Kaiserreiches wurden diese Auseinandersetzungen deutlich geringer, da sich das Volk der Tyraden nunmehr überwiegend in der kaiserlichen Armee verdungen hatte und hier seiner angeborenen Kampfeslust in den noch unentdeckten Tiefen des Weltalls frönen konnte.

Eine des ältesten und mächtigsten Herrschaftssippen waren die Puruk Ta Ari, die von jeher hier in der Wüste Nurib ihr zuhause hatten.

Sie waren die Besitzer der Irist-Mine und Uruk Ali As war ihr zentraler Sitz.

Eine direkte Landemöglichkeit auf der Oase oder auch nur eine Flugverbindung dorthin gab es jedoch nicht.

Es blieb nur der Ritt durch die schier unüberwindliche Sandwüste, einem unberechenbaren Glutofen, der schon so manche Unachtsamkeit mit dem Tode bestraft hatte.

Doch der kleine Reitertrupp jagte davon scheinbar unbeeindruckt dahin und trieb seine Muktoes zielgerichtet auf die Oase zu.

Nachdem sie ein tiefes Tal durchquert hatten, mussten sie einen steilen Anstieg zwischen zwei gewaltigen Sanddünen nehmen, der gefährlich und tückisch war, da sich immer wieder der scheinbar festgetrampelte Sand am Boden bewegte, herabrutschte und durch den böigen Wind aufgewirbelt wurde.

Wer hier nicht höllisch aufpasste, der riskierte einen Absturz in Tiefen, aus denen es kein Zurück mehr gab.

Die beiden Reiter an der Spitze des Trupps aber dirigierten ihre Muktoes und somit auch den Rest des Trupps sicher und dennoch sehr schnell auf die Dünen, wo sie letztlich für einen Moment verharrten, als sich vor ihnen ein gewaltiges Plateau auftat, in dessen Mitte sich die riesige, einzigartige und faszinierende Oase von Uruk Ali As auftat.

Obwohl zwei der Reiter diesen Anblick bereits einige Male vor Augen gehabt hatten, waren dennoch allesamt zutiefst beeindruckt und fasziniert von dieser beinahe unglaublichen Laune der Natur, die es so im ganzen bekannten Universum nirgendwo sonst je gegeben hatte.

Denn Uruk Ali As war bei weitem keine gewöhnliche Oase und dabei war die Tatsache, dass sie mit einer Fläche von rund 48 Quadratkilometern - einem ungleichmäßigen Oval von sechs mal acht Kilometern - zur größten ihrer Art überhaupt zählte, nur die kleinste und unscheinbarste Besonderheit an ihr.

Aus der Ferne – so wie es in diesem Moment die sechs Reiter taten – betrachtet, schien sie sich auf einem wuchtigen Sockel von gut sechzig Metern Höhe aus der Wüste zu erheben, über dessen Rand sich rotes Wasser als allumfassender Fall in die Tiefe stürzte.

Doch dem war nicht so...

Die beiden vorderen Reiter trieben ihre Muktoes wieder an und schon nach wenigen Minuten hatten sie den Rand der Oase erreicht und hier offenbarte sich ihnen jetzt ein weiteres großes Wunder von Uruk Ali As.

Denn das rote Wasser, dass sich vor ihnen tosend in die Tiefe stürzte, war gar kein Wasser, sondern eine Masse aus purem Licht, das herabsank und dann scheinbar im Wüstensand versickerte.

Da es keine offensichtlichen Wege gab, die zur majestätisch aufragenden Oase hinaufführten, wäre für jeden unerfahrenen und unerwünschten Besucher hier der Weg zu Ende gewesen.

Da die beiden Truppführer das Geheimnis der Oase jedoch kannten, ritten sie unbeirrt weiter und durchstießen schließlich den Vorhang aus purem Licht.

Die vier nachfolgenden Reiter folgten ihnen fasziniert und überwältigt und einer von ihnen streckte seine Hände aus, um dieses Wunder zu ertasten.

Kaum spürte er das Licht wie warmes Wasser sanft durch seine Finger rinnen, zeigte sich ein deutliches Leuchten in den Augen seines ansonsten tief vermummten Gesichts.

Doch die nächste Überraschung folgte schon auf dem Fuße, denn nachdem sie den einige Meter breiten Vorhang aus Licht durchbrochen hatten, tat sich vor ihnen ein riesiges unwirtlich erleuchtetes Nichts auf.

Wer hier jetzt ein Felsmassiv erwartet hatte, auf dem die Oase ruhte, wurde schnell eines besseren belehrt, denn jetzt offenbarte Uruk Ali As ihr größtes Wunder, aber auch ihr größtes Geheimnis.

Die Oase schwebte über dem Sandboden!

In sechzig Metern Höhe war der Boden auszumachen, der gezackt herab hing, wie als wäre die Oase vor Urzeiten von einem Riesen aus dem Boden gerissen worden.

Warum sie den Boden nicht berührte, sondern vollkommen unbeweglich schwebte, wusste niemand - oder zumindest wurde dieses Geheimnis nicht preisgegeben.

Den vier Männern am Ende des Trupps entfuhren überraschte, ehrfurchtsvolle Rufe, die den beiden führenden Reitern ein wissendes Grinsen auf ihre Lippen brachte, das sichtbar wurde, sobald sie ihre dicken Tücher, die sie getragen hatten, um sich vor dem heißen Wind der Wüste zu schützen, heruntergezogen hatten, denn hier, direkt unterhalb der Oase, innerhalb des Lichtvorhangs, herrschte beinahe Windstille.

Während es ihnen die anderen gleich taten, schauten sich die beiden Männer für einen Moment direkt in die Augen.

Der eine von ihnen war noch relaltiv jung, der andere wies bereits deutlich ausgeprägtere Gesichtzüge auf. Dennoch war in beiden Fällen ihre dunkle, sonnengebräunte Gesichtshaut glatt und straff. Das reine weiß ihrer Augäpfel leuchtete deutlich hervor und verlieh ihren tiefblauen Pupillen einen besonderen Glanz, der ihnen eine magische Anziehungskraft bescherte.

Strahlend weiße Zähne wurden durch das Lächeln in ihren Gesichtern freigelegt.

Alles in allem wirkten ihre Gesichter gepflegt und ausgesprochen attraktiv. Unter den Kleidungstücken aus dünnen, jedoch sehr festem Tuch in dunklen Braun-, Grün- und Rottönen zeichneten sich schlanke, sehr durchtrainierte, muskulöse Körper von knapp zwei Metern Größe ab.

Alles in allem wirkten die beiden Tyraden sehr männlich und robust, was sie – so wie alle anderen ihrer Spezies – bei den Frauen sehr beliebt machte, da sie außerdem noch als sehr dominant und ausgesprochen ausdauernd im Geschlechtsverkehr galten.

Der Reitertrupp ritt langsam weiter.

Die gewaltige Landmasse der schwebenden Oase war an einigen Stellen mit dem Wüstenboden verbunden. Wie Nadeln oder besser wie überdimensionale Stalaktiten ragten sie in metallisch glänzendem Schwarz in die Tiefe.

Auf einen davon steuerten die Truppführer zu.

Je näher sie kamen, desto mehr kristallisierte sich eine Art Weg heraus, der sich an der Außenseite des Stalaktiten wie eine monströse Schlange in die Höhe wand.

Ohne weitere Unterbrechung ritt der Trupp darauf zu und folgte dem steilen Anstieg in vielen Windungen immer höher hinauf, bis ihr Weg schließlich in die Landmasse der Oase direkt hinein führte.

Der Tunnel, der sich ihnen offenbarte und sauber in das massive, tiefschwarze Gestein hinein getrieben worden war, war nicht minder steil, doch besaß er keine Windungen mehr, sondern führte sie durch unzählige Miritas-Kristalle in einem sanften Grün beleuchtet schnurgerade weiter in die Höhe.

Die Truppführer beschleunigten wieder das Tempo und schließlich jagte die kleine Gruppe beinahe schon im Galopp durch den Tunnel.

Auch als sie nach fast vierhundert Metern das Ende erreicht hatten, behielten sie ihre Geschwindigkeit bei.

Am Ausgang des Tunnels empfing sie wieder ein Vorhang aus purem Licht, diesmal in schillerndem Gold.

Die Truppführer jagten hindurch, die Reiter gelangten so auf ein kleines, erhöhtes Plateau und stoppten abrupt ab. Der kräftige Zug an den Zügeln brachte die Muktoes zum Aufbäumen, einige Tiere wieherten.

Wieder hielt die Gruppe für einige Momente inne, denn es offenbarte sich ihnen das letzte Wunder von Uruk Ali As – die umwerfende und atemberaubende Schönheit der Oase selbst.

Grünes Land, wohin das Auge auch blickte. Saftige Wiesen, kleinere Wälder in den Randbereichen, etliche Seen mit kristallklarem Wasser, Bäche durchzogen das Land, Vögel zwitscherten, klare, saubere, frische Luft in einer leichten, wärmenden Brise.

Der Sonnenstern, obwohl noch der Gleiche wie in der glutheißen Wüste Morib und von dem gleichen wolkenlosen Himmel als gleißender Feuerball herabstrahlend, lieferte hier nichts weiter als angenehmes Tageslicht.

Das Geheimnis lag in einer Art Schutzglocke aus speziell mineralisiertem Gas, das die Oase umgab und vor der gewaltigen Sonneneinstrahlung schützte – und somit erst die prachtvolle Vegetation ermöglichte.

Und inmitten dieses wundervollen und freudvollen Bildes lag Uvi´ista, der uralte Herrschaftssitz der Puruk Ta Ari-Sippe.

Das gewaltige, prachtvolle und strahlende Schloss mit seinen unzähligen schlanken Türmen, seiner wuchtigen, liebevoll geschwungenen Haupthalle und seinen verwinkelten Wehrgängen, leuchtete in einem sanften Orange über der kleinen, vor ihm liegenden Stadt wie eine kleine eigene Sonne und schien ihr Schutz und Trost zu spenden.

Während die beiden Truppenführer alle diese Eindrücke mit wachsender Freude aufnahmen, kamen die restlichen Reiter aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Nach und nach schoben sie ihre Kapuzen nach hinten in den Nacken und öffneten ihre Umhänge.

Der etwas kleinere der beiden Truppenführer, dessen blonde, schulterlange Haarpracht sich leicht im Wind bewegte, schaute zu seinem Nebenmann und in seinem Blick lag jetzt deutliche Unruhe.

Der andere Mann, dessen schwarzen, ebenfalls schulterlangen Haare, zu dünnen Zöpfen geflochten waren, erwiderte seinen Blick und zeigte Verständnis hierfür.

Immerhin war dies das Zuhause seines Herrn, dem er als Waffenmeister diente, dass er zusammen mit ihm verlassen hatte, um in der kaiserlichen Armee zu dienen.

Ihr Besuch hier heute war auch nicht geplant gewesen, doch bedurfte eine dringende Angelegenheit der Anwesenheit des einzigen Sohnes.

Der schwarzhaarige Waffenmeister hieb die Fersen seiner Beine in die Flanken seines Muktoes und trieb es voran.

Die anderen fünf Reiter folgten ihm.

In einem zügigen Trab näherten sie sich der Stadtmauer.

Als der Wachtposten am Tor den jungen Herrn erkannte, zeigte er ein trauriges, wissendes Gesicht und verbeugte sich tief vor ihm.

Der Blonde erwiderte es mit einem ausdruckslosen Nicken.

Ungehindert konnte der Trupp passieren und suchte sich seinen Weg durch die ruhigen, breiten Strassen der kleinen Stadt bis hinauf zum Schloss.

Auch hier erwarteten die Reiter einige Wachtposten, doch auch diese ließen die Männer mit einer tiefen Verbeugung problemlos passieren.

Dann durchquerte der Trupp das große Schlosstor und auf dem beeindruckenden Schlosshof endete ihr Ritt.

Der Blonde schaute mit einer Mischung aus Trauer und Wehmut die große Treppe hinauf zur Haupthalle, auf der bereits ein kleiner, dicklicher Mann im fortgeschrittenen Alter ungelenk herabgestürmt kam und dabei höllisch aufpassen musste, um nicht mit den Füßen auf den wallenden Umhang zu treten und das Gleichgewicht zu verlieren.

Als der Blonde ihm einen Moment zugesehen hatte, musste er kurz verschmitzt lächeln. Dann wandte er sich an seinen Waffenmeister. „Lass die Männer absteigen und bringe sie in die Truppenunterkünfte, Uras. Sie sollen sich ausruhen und verpflegen!“

Der Waffenmeister nickte ihm zu und deutete eine Verbeugung an. „Wie du befiehlst Herr!“

„Dich bitte ich, mir hiernach in die Haupthalle zu folgen. Ich will dich in meiner Nähe haben!“ sagte der Blonde, während er abstieg.

„Selbstverständlich!“ Uras nickte erneut, nahm das Muktoe seines Herrn an sich, gab den anderen Männern ein Zeichen mit dem Kopf und zusammen ritten sie über den Schlosshof in den hinteren Bereich zu den Ställen, um ihre Reittiere zu versorgen.

Der Blonde schaute ihnen kurz hinterher, dann wandte er sich um und betrachtete wieder den älteren, ungelenken Mann, der noch immer die Treppenstufen herab geeilt kam.

Es war Puris, der Schlossverwalter, der hier seinen Dienst tat, solange der Blonde denken konnte. Puris war einer der wenigen Tyrader, die ihre Befriedigung nicht im Kampf fanden. Seine gedrungene Gestalt – er war kaum größer als 160 cm – und seine Leibesfülle – ein deutliches Zeichen seiner übermäßigen Nahrungsaufnahme als heimliche Leidenschaft – verhinderten dies bereits in jungen Jahren und so fand er seinen Platz innerhalb der Gesellschaft eben als Verwalter des herrschaftlichen Schlosses.

Obwohl auch diese Arbeit eine notwendige Arbeit war, die letztlich irgendjemand ausführen musste, wurden derartige Tätigkeiten von dem Blonden normalerweise als minderwertig erachtet.

Ein Tyrader musste kämpfen, sich zumindest aber verteidigen können. Ein Mann, der dies nicht fertig brachte, war für den Blonden eigentlich kein wirklicher und vor allem kein würdiger Vertreter seines Volkes.

Bei Puris aber verhielt sich das anders.

Er war der Einzige, den der Blonde trotz des Fehlens dieser edelsten aller Eigenschaften dennoch respektierte. Dies jedoch nicht wegen seiner Tätigkeit als Verwalter des Schlosses, sondern in seiner weiteren Eigenschaft als engster Vertrauter seiner Mutter, der Fürstin von Uruk Ali As, in der der Blonde Puris als absolut loyalen Mann kennen und schätzen gelernt hatte.

Puris war es auch gewesen, der ihm die Nachricht übermittelt hatte, die der Grund für sein Erscheinen hier und heute war.

Der Blonde erklomm die ersten zwanzig Stufen der großen Treppe bis zur ersten Plattform.

Als er sie erreicht hatte, hatte auch Puris seinen Abstieg bis dorthin geschafft.

Ziemlich außer Atem und mit gerötetem Gesicht, das durch seine Glatze noch verstärkt wurde, hielt er inne. „Raziz...ich grüße euch!“ stieß er atemlos hervor und reichte dem Blonden die Hand.

„Puris...!“ Raziz erwiderte seinen Gruß und lächelte verschmitzt. „Ich freue mich, dich zu sehen. Leider...!“ Er musterte seine beachtliche Leibesfülle auffällig. „...hat die letzte Diät nicht angeschlagen, wie ich sehe. Oder war es gar keine Diät, sondern der ultimative Versuch, dich zum Platzen zu bringen?“

Puris sah Raziz genervt an und verdrehte die Augen. Dabei schnaufte er einmal kurz. „Wie ich sehe, bekommt euch der Dienst in der kaiserlichen Armee ausgezeichnet und ihr seid noch immer in der Lage, einen alten, schwachen Mann niederzumachen!“

„Du bist selbst schuld Puris!“ verteidigte sich Raziz. „Du machst es einem auch wirklich nicht leicht, es zu übergehen, wenn man das Gefühl hat, du bist mit Drillingen im siebten Monat schwanger!“

Puris antwortete ihm nicht, sondern schaute ihn nur lächelnd an. Dann nickte er zum Zeichen, das der junge Herr ja Recht hatte, mit dem, was er gesagt hatte. „Es ist schön, euch wieder hier zu haben!“ sagte er schließlich doch und legte Raziz seine linke Hand an dessen rechten Arm. „Gut, dass ihr so schnell kommen konntet!“

„Deine Nachricht klang ernst. Da dachte ich, es wäre besser, keine Zeit zu verlieren. Sag, was ist es diesmal?“ Raziz schaute Puris schelmisch an. „Hat mein Vater wieder versucht, den Fürsten raushängen zu lassen und sich den Zorn der Kaufleute oder gar eines Reichsministers eingehandelt? Oh wie ich es hasse, ihn da jedes Mal wieder rauszuboxen. Am liebsten würde ich ihn einfach hängen und ins offene Messer laufen lassen...diesen Schwachkopf!“

„Raziz!“ rief Puris mahnend. „Sprecht nicht so von dem Fürsten! Er ist immerhin euer Vater!“

„Ja...!“ gab Raziz schwer angesäuert zurück. „Aber das ist auch schon alles! Ansonsten habe ich nichts mit diesem Voll...!“ Er stoppte ab und schaute Puris an, der bereits wieder zu einer Mahnung ansetzen wollte. „...mit ihm gemeinsam. Ich weiß gar nicht, was sich auch nur irgendwer dabei gedacht hat, mir einen solchen...Versager...vor die Nase zu setzen! Aber...!“ Er hob beschwichtigend die Hand, damit ihn Puris nicht erneut schalt. „...schon gut, du hast Recht. Ich schweige still und nehme diese Demütigung wie immer hin...!“ Er verzog die Mundwinkel zu einem gequälten Grinsen. „Also sag schon! Was hat er dieses Mal ausgefressen?“

„Ähm....!“ Puris wurde schlagartig ernst. „Es geht nicht um euren Vater...!“

„Sondern?“ Jetzt war Raziz deutlich neugierig und er zog die Augenbrauen zusammen.

„Es geht um eure Mutter!“ Puris wich dem Blick des Jungen aus.

Dessen Anblick verfinsterte sich sofort zusehends. „Was ist mit ihr?“

„Sie ist rückfällig geworden!“

„Aber...?“ Raziz wurde etwas zornig. „Ich denke, sie war wegen ihrer Atemprobleme bei einem Heiler der Schemen. Du hast gesagt, es sei der Beste, den es gibt. Und er hat doch auch etwas gefunden und ihr Medizin dagegen gegeben!“

„Ja, Raziz...!“ Puris nickte. „...und ja, Junge. Er ist der beste Heiler, den das Volk der Schemen hat und er hatte ihr Medizin gegeben. Es ging ihr danach ja auch so gut, wie lange schon nicht mehr. Du selbst hast es doch bei deinem letzten Besuch vor vier Monden gesehen. Sie schien in der Tat geheilt zu sein. Sie war so voller Tatendrang, so optimistisch...!“ Puris lächelte traurig. „Vielleicht hat sie sich zuviel zugemutet...!“

„Was heißt das?“

„Vor zehn Umläufen blieb sie plötzlich mitten im Satz einfach stehen, schaute mich mit einem furchtbar entsetzten Blick an, bevor ihre Beine unter ihr nachgaben und sie ohnmächtig zu Boden sank...!“

„Um Himmels Willen...!“ Raziz war tief bestürzt.

„Eure Mutter ist wieder erwacht, Raziz, aber sie ist seitdem zu schwach, um aufzustehen!" Puris schaute dem Blonden direkt ins Gesicht und wartete, bis der ihn ansah. „Es steht sehr ernst um sie, Junge!“

„Aber...?“ In Raziz Antlitz spiegelte sich Entsetzen wieder. „...habt ihr den Heiler wieder geholt? Bekommt sie wieder Medizin?“

„Ja, wir haben den Heiler wieder kommen lassen. Er war vor vier Umläufen hier. Er hat sie eingehend untersucht. Die furchtbare Krankheit, die ihr den Atem raubt, konnte durch die Medizin nur unterdrückt werden, nicht aber völlig geheilt. Ihr böser Keim hat einen Weg gefunden, die heilende Kraft der Medizin zu umgehen und wieder und diesmal viel schlimmer als zuvor auszubrechen...!“

„Und...?“ Raziz schaute Puris erwartungsvoll an.

Der Verwalter war tieftraurig, doch hielt er dem Blick des Jungen diesmal stand, während ihm Tränen in die Augen liefen. Er wusste nur zu genau, wie sehr Raziz seine Mutter liebte. „Für Fürstin Diria gibt es keine Medizin...und keine Hoffnung mehr...! Eure Mutter, Raziz, wird sterben!“

„Was?“ Das war beinahe ein Aufschrei, doch der erschütternde Blick des Sohnes zeigte, wie verzweifelt er im Inneren war. „Ich muss sie sehen! Sofort!“ Er drehte sich herum und begann, die Stufen der großen Treppe hinauf zu hechten.

Puris folgte ihm, so schnell er konnte. „Deshalb...habe ich euch die Nachricht...geschickt...!“ rief er atemlos. „Sie wollte euch noch einmal sehen, bevor...! Es scheint...ihr größter Wunsch...zu sein...! Nur dafür...ist sie noch stark!“

Raziz hörte die Worte des Verwalters nur gedämpft, denn in seinem Inneren tobte ein verzweifelter Krieg zwischen Wut, Ohnmacht und furchtbarem Schmerz.

Er hatte ernsthaft geglaubt, Puris hatte ihn, wie in der Vergangenheit schon einige Male geschehen, wegen einer dämlichen Handlung seines ungeliebten Vaters gerufen.

Entsprechend war seine Stimmung auf dem Ritt hierher gewesen

Die vernichtende Nachricht über den bevorstehenden Tod seiner Mutter aber hatte das alles in eine einzige Katastrophe gewandelt.

Alle anderen Lebewesen in diesem gottverdammten Universum waren für ihn unwichtige Kreaturen auf seinem eigenen Lebensweg.

Viele von ihnen bekämpfte er, nicht wenige benutzte er so, wie es ihm gefiel, einige wiegelte er mit geschickten Intrigen gegeneinander auf, andere ließ er für sich arbeiten.

Es gab nur eine einzige Person, zu der er wirklich und wahrhaftig, tief und rein dieses Gefühl empfand, das man Liebe nannte – zu seiner Mutter Diria.

Stets war sie diejenige gewesen, die ihm in allen Lebenslagen mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte. Auf ihren Rat konnte er hören, auf ihre Meinung sich verlassen. Er sprach mit ihr über Dinge, die er sonst niemandem je anvertraut hätte und wusste, dass all seine Geheimnisse nur bei ihr wirklich sicher aufbewahrt waren.

Sein Vater war ein Schwachkopf, der niemals seiner Vaterrolle gerecht geworden war.

Doch seine Muter Diria hatte ihm alles gegeben, was sich ein Sohn von seiner Mutter nur wünschen konnte – nur eines nicht, obwohl es eine Zeit gegeben hatte, da Raziz auch mit diesem Gedanken ernsthaft gespielt hatte.

Was blieb war, dass es nur eine Person gab, die ihm wirklich etwas bedeutete, für die er sein Leben geopfert hätte und die er so sehr brauchte, wie die Luft zum Atmen.

Doch Puris hatte ihm mit der schlimmen Nachricht über den bevorstehenden Tod seiner Mutter eben genau diese Luft genommen und Raziz glaubte, er müsse jeden Moment an dieser Katastrophe ersticken.

Raziz hatte das Ende der Treppe erreicht und hetzte weiter über das große Eingangsportal, durch die gewaltigen, geöffneten Torflügel, hinein in die große Haupthalle des Schlosses, die in ihren Ausmaßen absolut grandios und beeindruckend war. An den Seitenwänden hatte sie mehrere raumhohe Fenster, die die Halle jetzt in der Abenddämmerung mit einem Meer aus rotem, schimmerndem, faszinierendem Licht fluteten.

Doch Raziz nahm nichts davon wahr. Nachdem er einige Schritte auf die wuchtige Freitreppe im hinteren Bereich der Halle zugegangen war, stoppte er abrupt ab und drehte sich zurück zum Eingang.

Dort hatte Puris gerade schwer atmend das Tor erreicht.

„Wo?“ rief der Junge ihm nervös zu.

Puris blieb stehen und musste sich an einem der Torflügel abstützen. „Sie liegt im Westflügel...!“

Raziz machte sofort kehrt und wandte sich nach rechts, durchschritt die Halle mit schnellen, langen Schritten.

An der Westseite befand sich ein weiteres Tor, lange nicht so mächtig wie das Haupttor, aber doch immer noch beeindruckend. Es war geschlossen.

Raziz aber ließ sich davon nicht aufhalten. Mit all seiner Kraft stemmte er je einen Arm gegen einen Torflügel.

Er wusste zwar, das sich im rechten Flügel eine kleine Tür befand, die sich problemlos öffnen lassen würde, doch er ignorierte diese Tatsache, denn er brauchte jetzt dringend ein Ventil, um seinen inneren Schmerz unter Kontrolle zu halten.

Wie groß der war, ließ sich daran erkennen, dass es ihm letztlich tatsächlich gelang, das Tor ganz allein zu öffnen, wo doch normalerweise mindestens zwei Männer dafür gebraucht wurden, die hierzu regelmäßig wirklich Schwerstarbeit leisten mussten.

Raziz stöhnte laut auf, als er die Torflügel nach vorn drückte und ihnen dabei soviel Schwung gab, dass sie letztlich komplett aufklappten und mit einem tiefen Donnern gegen die Seitenwände schlugen.

Puris, der ihm natürlich gefolgt war, blieb wie angewurzelt stehen und war tief beeindruckt, von dem, was Raziz getan hatte. Er konnte sich ziemlich genau vorstellen, was im Inneren des Jungen in diesen Momenten vorging.

Raziz war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon weiter gehetzt und hatte den langen anschließenden Gang, durch den ebenfalls durch zahllose Fenster rötliches Dämmerungslicht hineinfiel, schon halb durchschritten, als aus einem Zimmer am Ende des Ganges ein Mann trat, die Tür hinter sich wieder schloss und dann auf ihn zukam.

Raziz erkannte ihn sofort. Es war sein Vater Avaz, der Fürst von Uruk Ali As.

Seine schlanke, fast schon dürre Gestalt, war in einem dunklen Umhang gehüllt. Avaz war nur unwesentlich kleiner, als Raziz, doch wirkte er im Gegensatz zu seinem Sohn eher schwächlich.

Seine kurz geschnittenen, schwarzen Haare, seine zu dünnen Strichen rasierten Augenbrauen und ein schmaler Oberlippenbart verliehen ihm zwar ein sehr männliches und markantes Aussehen, doch zerstörten seine nervös und stets unsicher blickenden Augen, sein hektischer Gang und seine leicht gekrümmte Haltung, diesen Eindruck sehr schnell wieder.

Als Raziz seinen Vater auf sich zukommen sah, waren es genau diese Eigenschaften, die sofort wieder den Hass auf ihn schürten.

Sein Vater war ein Fürst und doch wirkte er nach außen hin, wie ein schwächlicher, unsicherer Trottel.

Ganz besonders schwer wiegte die Abneigung zu Avaz auch, weil sein Vater – genauso wie Puris – noch niemals eine Waffe in der Hand gehabt , geschweige denn jemals in einem Kampf seine Kräfte mit einem Gegner gemessen hatte.

Der Fürst von Uruk Ali As war er nur durch die Heirat mit Diria geworden.

Das Schlimme war, dass dies jeder Außenstehende wusste und es seiner Mutter und letztlich auch ihn selbst sehr viel Mühen und seelische Narben gekostet hatte, die ihnen gebührende Achtung wieder herzustellen.

„Mein Sohn...!“ begann Avaz mit fast versteinertem Gesicht und von sehr vielen Tränen geröteten Augen, als er vor Raziz stand. Er streckte ihm seine Hand zum Gruß entgegen. „Es freut mich, dich zu sehen...!“

Raziz schaute ihn ausdruckslos an und erwiderte seinen Gruß nicht.

„Es ist schön, dass du so schnell kommen konntest. Wir haben nicht mehr viel Zeit!“

„Spar dir deine Worte...!“ raunte Raziz. „Ich will Mutter sehen. Wo ist sie?“

„Ich bringe dich zu ihr!“ erwiderte Avaz und schritt voran in die Richtung, aus der gekommen war. „Sie hat ein wenig geschlafen und ist gerade erst aufgewacht...!“ Sie hatten die Tür zum Schlafgemach am Ende des Ganges erreicht, als Avaz vor Raziz trat und ihm den Weg versperrte. „Sie ist sehr schwach, Raziz. Also bitte...!“

„Sei still...!“ zischte sein Sohn boshaft und starrte ihn hasserfüllt an. „Sag du mir nicht, wie ich mit Mutter umzugehen habe. Und geh mir aus dem Weg!“

Avaz blickte nervös zu Puris, der inzwischen zu ihnen aufgeschlossen hatte, doch konnte er der drohenden Gebärde seines Sohnes nichts entgegensetzen. „Ich werde mit dir kommen...!“ sagte er, während er einen Schritt zur Seite trat.

„Das wirst du nicht!“ erwiderte Raziz sofort und versperrte seinem Vater jetzt seinerseits den Weg. „Ich werde allein mit Mutter reden. Du hast dabei nichts zu suchen!“ Raziz schob seinen Vater mit seinem linken Arm mühelos noch weiter von der Tür, während er sie mit der rechten Hand öffnete, hindurch trat und sie sofort wieder hinter sich schloss.

In diesem Moment atmete Avaz einmal tief durch und schaute mit besorgtem Blick zu Puris.

„Und...?“ fragte dieser sofort. „Haben sie die Fürstin noch umstimmen können?“

Avaz schüttelte traurig den Kopf. „Nein, habe ich nicht...!“

Und als sich die Blicke der beiden Männer trafen, war beiden bewusst, welch unheilvolle Konsequenzen das Gespräch zwischen Raziz und seiner Mutter haben würde.

Der Raum lag in einem zwielichtigen Halbdunkel und wurde lediglich von einer kleinen Lampe in der Nähe des Bettes erhellt.

Die Terrassentür war geöffnet, ein leichter, angenehm kühler Wind wehte in das Zimmer, spielte sanft mit den dünnen Vorhängen. Von draußen war leises Vogelgezwitscher zu hören und das beruhigende Plätschern eines kleines Baches.

Raziz brauchte einen Moment, um seine Augen an das Halbdunkel zu gewöhnen, doch dann konnte er seine Mutter auf dem Bett erkennen.

Das wuchtige Gestell war umsäumt von großen, dunklen Kissen. Am Kopfende stützen sie den Oberkörper der Fürstin soweit, dass sie beinahe aufrecht saß.

Sie trug einen dünnen seidigen Morgenmantel und unterhalb der Brust bedeckte eine leichte, samtene Decke ihren schlanken Körper.

Ihre Augen waren geschlossen, beide Hände lagen gefaltet übereinander auf der Decke. Ihr langes, goldenes Haar, um das sie jeder, der sie kannte, stets beneidete, war ordentlich gekämmt und lag sauber und in wallenden Bögen auf den Kissen, auf denen ihr Kopf ruhte.

Im fahlen Licht der Lampe konnte Raziz die ebenmäßigen, nahezu perfekten Gesichtszüge seiner Mutter deutlich erkennen.

Fürstin Diria galt weithin als die schönste Frau auf Tyra, die von vielen Männern begehrt wurde. Raziz konnte diesen Eindruck hier wieder nur bestätigen und es verwunderte ihn nicht, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der er seine Mutter ernsthaft begehrt hatte.

Raziz näherte sich ihr sehr vorsichtig, leise und langsam. Er wollte sie nicht unnötig erschrecken.

Doch mit jedem Schritt, den er dichter zu ihr trat, verschwamm das Bild seiner wunderschönen Mutter immer mehr und als er schließlich neben ihr stand, musste er fast schon entsetzt erkennen, dass ihm seine Augen einen üblen Streich gespielt hatten.

Denn jetzt aus der Nähe offenbarte sich Raziz ein völlig anderer Anblick der Fürstin, der ihn sofort derbe erschreckte.

Da waren deutlich eingefallene Gesichtszüge, ihre matte, farblose Haut spannte sich über die Wangenknochen, ihre sinnlichen Lippen waren blutleer, ihre Augen eingefallen und tief in ihre Höhlen gesunken.

Die Haut an ihrem Hals, ihrem Oberkörper und ihren Händen war fahl und spannte sich ebenfalls deutlich über die Schulterknochen, das Brustbein und die Fingerknochen.

Fürstin Diria wirkte ausgemergelt, wie ausgezehrt – und Raziz wurde sich in diesem Moment bewusst, wie ernst der Zustand seiner Mutter tatsächlich war, das diese heimtückische Krankheit es geschafft hatte, sie so zuzurichten.

Vom der einstigen wunderbaren und wunderschönen Erscheinung der Fürstin von Uruk Ali As war nichts geblieben und mochte sie innerlich auch noch leben, so wirkte sie auf Raziz äußerlich bereits wie eine Leiche.

Ihr Anblick erschütterte ihn zutiefst und er musste schlucken, spürte einen deutlichen Kloss in seinem Hals. Tränen wollten nach außen rinnen, doch konnte er ihren Ausbruch noch verhindern.

Dennoch musste er sich abwenden und schaute sich nach einer Sitzmöglichkeit für sich um.

„Sehe ich wirklich so schlecht aus?“ hörte er plötzlich die Worte seiner Mutter, in einer so entsetzlich schwachen und brüchigen Art und Weise, die absolut nichts mehr mit der kraftvollen, dennoch melodischen und selbstsicheren Stimme der einstigen Fürstin zu tun hatte, das ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.

Sofort drehte er sich wieder herum und blickte zu ihr.

Während er sich einen Stuhl heranzog, konnte er sehen, dass sie ihre Augen geöffnet hatte. Und wieder musste Raziz schlucken, denn auch aus ihnen war jeglicher funkelnder, magischer Glanz gewichen und ein matter, kraftloser, erschlagener Blick war alles, was geblieben war. Zusätzlich versuchte seine Mutter zu lächeln, doch mehr als eine gequälte, krampfhafte Grimasse brachte sie nicht zustande, die ihren Gesamteindruck nur noch verschlechterte.

Fürstin Diria hatte ihre linke Hand von ihrem Körper gleiten lassen und hielt sie jetzt, auf den Ellenbogen gestützt, verlangend in Raziz Richtung.

„Was...?“ Raziz war verlegen und erschüttert zugleich. Er setzte sich auf den Stuhl, ergriff sofort ihre Hand mit seinen beiden Händen, war sofort erschrocken über die Kälte, die sie ausstrahlte und führte sie doch, ohne zu zögern an sein Gesicht, wo er sie mit der Wange streichelte und schließlich küsste. „Ich wollte dich nicht...!“

Seine Mutter stöhnte zufrieden, als er ihre Hand liebkoste, schloss für einen Moment wieder ihre Augen und lächelte noch breiter. „Spar dir deine Lügen mein Sohn...!“ fuhr sie ihm dann dazwischen. „Ich weiß sehr genau, wie es um mich steht...!“

„Ach Mutte...!“ Raziz senkte seinen Kopf. „Du darfst nicht so reden...!“

„Wir hatten uns geschworen, uns niemals anzulügen..., weißt du noch?“

„Ja, aber...!“

„Ich habe dich gelehrt, was ein Versprechen eines Tyraden wert sein muss. Also fang jetzt nicht an, es zu brechen, nur weil es mit mir zu Ende geht...!“

„Aber du wirst wieder gesund Mutter...!“ rief Raziz, doch in seiner Stimme schwang deutliche Verzweiflung.

Diria lächelte erneut und öffnete wieder ihre Augen. „Ich weiß, dass du mich liebst mein Sohn. Ich werde dir diese Lüge deshalb verzeihen. Aber es ändert doch nichts an der Tatsache...!“ Sie stoppte ab und holte tief Luft. Ihr Atem ging rasselnd und schwerfällig. In ihrem Gesicht zeigten sich Schmerzen.

„Welcher Tatsache?“

„Dass ich sterben werde, Raziz!“ Sie zwang ihn, sie anzuschauen. „Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich die Heiligen des Lichts vor mir...! Sie rufen mich und weisen mir den Weg ins Jenseits...! Es ist nicht mehr aufzuhalten, mein Sohn...! Ich werde dich verlassen!“

„Aber du darfst nicht gehen, Mutter. Bitte!“

„Ich habe dich stets gelehrt, auf dich selbst zu vertrauen...damit du von niemandem anhängig bist...auch nicht von mir! Und du wirst auch ohne mich zurechtkommen. Wenn ich dich anschaue, empfinde ich tiefste Freude und Genugtuung. Ich sehe, dass ich alles richtig gemacht habe...!“ Sie lächelte Raziz wieder an und er erwiderte es traurig. „Ich bin unendlich stolz auf dich Raziz...! Du hast mich stets zu einer glücklichen Mutter gemacht...!“

„Das alles kann ich nur zurückgeben...! Du bist soviel mehr für mich, als einfach nur eine Mutter!“

„Ich weiß!“ erwiderte Diria. „Aber du wirst dich ohne mich weiter entwickeln, Raziz...und das hast du doch auch schon...! Dein Posten in der kaiserlichen Armee bekommt dir sehr gut, wie ich sehe...!“

Raziz nickte. „Ich fühle mich dort wohl! Als Führer des vordersten Aufklärungstrupps habe ich ständig die Gefahr, die ich so liebe...! Ich habe mir schon sehr viel Respekt dort verschafft! Es ist genau das, was ich machen möchte...!“ Raziz schaute wieder zu seiner Mutter und sah, das sie sich wirklich freute, ihn so enthusiastisch reden zu hören.

Doch plötzlich veränderte sich ihr Blick. Ihr Lächeln verschwand, ihr Blick wurde ernst und schien irgendwie durch ihn hindurch zu dringen. „Es freut mich, dass du zufrieden mit deiner Situation bist, aber...!“ Plötzlich musste sie einmal schwer durchatmen. „...was wäre, wenn das Leben noch einen...?“ Wieder stoppte sie ab, um schwer zu atmen. „...anderen Platz für dich...vorgesehen...hätte...?“

Der Anfall kam urplötzlich und riss den Oberkörper der Fürstin abrupt in die Höhe. Ihre letzten Worte waren kaum noch verständlich. Sie riss ihre Hände in die Höhe und hielt sie vor ihren Mund. Schnell hatte sie ein weißes Tuch vom Bett gegriffen und schirmte damit den furchtbar heftigen und schmerzhaften Hustenschauer ab. Ihr ganzer geschwächter, ausgemergelter Körper zuckte erbärmlich hin und her und es war deutlich zu erkennen, dass es fast mehr Kraft von ihr forderte, ihn zu überstehen, als sie noch aufbringen konnte.

Dennoch gelang es ihr und sie lehnte sich schweratmend und erschöpft zurück in die Kissen. Die Hand mit dem Tuch ließ sie kraftlos neben sich sinken und Raziz konnte deutlich eine rötliche Verfärbung dort erkennen.

Aber er war viel zu sehr mit den letzten Worten seiner Mutter vor ihrem Hustenanfall beschäftigt, um von dieser Tatsache entsetzt zu sein. „Einen anderen Platz?“ fragte er verwirrt. „Wie meinst du das?“

Diria schaute ihn einen Moment stumm an, während sie mehrmals tief durchatmete, um sich zu beruhigen. Dann entspannten sich ihre Gesichtszüge wieder. „Ich habe deinem Vater gesagt, warum es mir so wichtig ist, dich noch einmal zu sehen...! Er hat es verstanden..., aber er hat versucht, es mir auszureden...!“

Raziz hörte seiner Mutter stumm zu, sein Blick verfinsterte sich zusehends und er zog die Augenbrauen zusammen.

„Und er hat mich tatsächlich verunsichert...!“ Sie schüttelte den Kopf. „Daran kannst du sehen, wie schwach ich geworden bin, dass es deinem Vater beinahe gelungen wäre, mich zu beeinflussen...!“ Sie verstummte und schaute ihren Sohn wieder einen Moment ausdruckslos an, bevor sie erneut lächeln musste. „Aber jetzt, da du endlich hier bist, bin ich mir sicherer denn je, dass ich Recht daran getan habe, nicht auf ihn zu hören...!“ Sie stoppte und atmete wieder schwer durch. „Viel zu lange schon habe ich dieses Geheimnis mit mir herumgetragen...!“ Sie begann wieder zu husten. „Ich habe damals mein Wort gegeben, es für mich zu behalten...aber jetzt, da mein Ende naht, weiß ich nicht mehr wofür...!“ Ihr Oberkörper verkrampfte sich bei einem erneuten Hustenschauer. „So viele Jahre hat diese Lüge mein Leben belastet, es soll mich nicht auch noch ins Jenseits verfolgen...!“ Diria musste wieder schwerer atmen, die Worte fielen ihr sehr schwer. „Ich kann, will und werde diese Lüge nicht...mit ins Grab...nehm...!“

Der zweite Hustenschauer kam ebenso schnell wie der erste, doch er war ungleich heftiger. Wild zuckte der Oberkörper der Fürstin in einem jämmerlichen Krampf zusammen. Furchtbare Geräusche entfuhren ihren Atemwegen, die den Schmerz andeuteten, der sie in diesen Momenten schüttelte. Mit all der ihr noch verbliebenen Kraft stemmte sie sich gegen den Erstickungstod, der ihre Luftröhre abschnürte, während das böse Übel der Krankhaft sich einen Weg nach Außen suchte.

Wieder hatte sie das Tuch vor den Mund geführt, doch diesmal reichte es nicht aus, um den Auswurf in einer Mischung aus Blut und Eiter vollständig aufzunehmen, da er mit einer derartigen Wucht hervorschoss, dass ein wenig davon in ihr Gesicht zurück spitzte und ihre Mundpartie benetzte.

Und Raziz konnte in der ekelhaften, dickflüssigen, brockigen Masse außerdem noch eine schwarze Substanz erkennen, die ihn erschaudern ließ, denn ihm war klar, dass dies totes Gewebe aus den Atmungsorganen seiner Mutter war, dass die heimtückische Krankheit bereits zerfressen und zerstört hatte.

Dann atmete Fürstin Diria einmal ganz tief durch, richtete ihren Oberkörper senkrecht auf und ließ ihn dann zurück in die Kissen gleiten. Der Hustenschauer war beendet, sie hatte es geschafft, ihn unter Kontrolle zu bringen.

Sie nahm das Tuch vom Mund, drehte ihren Kopf zu Raziz und ihre linke Hand schloss sich ganz fest um seine Hände. Ihre Augen waren starr auf ihn gerichtet und warteten darauf, dass er sie ansah.

Als Raziz seinen Kopf anhob und sich ihre Augen trafen, schob sie ihren Kopf noch näher zu ihm und dann sprach sie mit klaren, festen Worten.

„Du bist nicht der, der zu sein, du immer geglaubt hast...!“

Planet Schem

Der Zweikampf

Der Kampf dauerte jetzt schon beinahe eine halbe Stunde, doch offensichtlich wollte keiner der beiden Kontrahenten aufgeben.

Immer wieder donnerten die Schwerter ineinander und erzeugten den typischen metallischen Klang weithin hörbar.

Sie hatten sich den hinteren Bereich des weitläufigen Gutshofes ausgesucht, um sich zu messen.

Jetzt am späten Nachmittag war so gut wie niemand in den fünf großen Stallgebäuden anwesend und sie konnten ihren Kampf ungestört durchführen.

In einer Stunde etwa, wenn der Sonnenstern den Horizont des Planeten Schem erreicht hatte, würde das schnell anders werden, wenn die Viehhüter mit ihren Herden aus Nutztieren von den Weiden zurückkehren und hier für die Nacht Unterstand finden würden.

Doch jetzt hatten sie alle Ruhe, die sie brauchten.

Und verbissen kämpften sie in einem der Stallgebäude um einen Vorteil.

Dabei trieb die etwas kleinere Gestalt, die andere vor sich her.

Die Größere hatte eine Größe von gut 180 cm, während die Kleinere knapp 170 cm maß.

Beide waren in dünne, lederähnliche Kleidungsstücke gehüllt, die in dunklen Farben gehalten waren.

Auf ihren Köpfen befanden sich Helme aus schwarzem Material mit kleinmaschigen Visieren, die ihre Gesichter verbargen.

Die größere der beiden Gestalten trug zusätzlich einen dünnen, dunkel-violett schimmernden Brustpanzer aus Metall, die andere zusätzlich schwarze Unterarmschienen.

Beide hielten ein Schwert in der Hand, welches bei der kleineren Person etwas dünner und kürzer war, als bei der anderen, bei beiden jedoch sehr schlank gehalten war. Die metallischen Oberflächen – bei der größeren Gestalt blau mit gelben Tupfern, bei der kleineren weiß mit schwarzen Linien - funkelten im tief liegenden Sonnenlicht, das durch Lücken in den Bretterwänden der Scheune drang.

Immer weiter trieb die kleinere Gestalt die größere vor sich her, wirbelte mit ihrem Schwert in einer atemberaubenden Geschwindigkeit auf ihren Gegner zu und setzte einen Angriff nach dem anderen.

Ihr Gegenüber hatte Mühe, zu parieren, doch gelang es ihr immer wieder im letzten Moment, sich herauszuwinden und der scharfen Klinge zu entgehen.

Da beide keine Rücksicht auf das umliegende Inventar nahmen, wurde es vielfach umgestoßen, beiseite getreten oder einfach nur als Opfer des Kampfes zerstört.

Mittlerweile hatte sie ihr Kampf aus dem Stallgebäude heraus auf den Vorplatz geführt, was jedoch keinen dazu veranlasste, in seinen Bemühungen um den Sieg nachzulassen.

Hin und wieder gelang es auch dem Größeren der beiden Kämpfer seinerseits Angriffe zu führen, doch parierte der andere diese Schläge nicht minder schnell und gekonnt, wie er seine eigenen Hiebe führte.

Entsprechend musste der Größere weiterhin ständig vor seinem Gegner zurückweichen und ihr Weg führte sie quer über den Vorplatz hinein in einen weiteren Stall.

Im Gegensatz zu den anderen, diente dieser jedoch ausschließlich als Vorratsgebäude und er war gut gefüllt mit Heu- und Strohballen.

In seiner Rückwärtsbewegung achtete der Größere nicht auf die Tatsache, dass auf dem Boden kleinere und größere Haufen Stroh herumlagen, was ihm schon bald das Gleichgewicht kostete.

Sofort reagierte sein Gegner, sprang einen schnellen Schritt nach vorn, konnte ihm mit einem wuchtigen Schwerthieb seine Waffe zur Seite fegen und im selben Moment den linken Unterarm wuchtig gegen sein Visier schlagen.

Der Große taumelte zurück und wäre mit Sicherheit gefallen, wenn er nicht mit dem Rücken gegen einen großen Karren geschlagen wäre, der seinen Sturz verhinderte.

Noch immer war er nicht wieder Herr der Situation und schon einen Wimpernschlag später donnerte ein neuerlicher Schwerthieb seines Gegners auf ihn zu. Nur mit einer schnellen Seitwärtsbewegung konnte er ihm im letzten Moment entgehen.

Während er sich an der Seitenwand des Karrens aus der Gefahrenzone rollte, konnte sein Gegner nicht verhindern, dass der Schlag wuchtig in den Karren fuhr und sich die Schwertschneide tief in das Holz grub.

Diese Unachtsamkeit wollte jetzt der Größere seinerseits ausnutzen und stürmte nach vorn, riss sein Schwert in die Höhe und donnerte es mit all seiner Kraft auf seinen Gegenüber herab.

Doch dem gelang es im allerletzten Moment, seine Waffe aus dem Karren zu befreien und schräg in die Höhe zu reißen, sodass beide Schwerter wuchtig aufeinander krachten und ein lautes, helles, klares Klirren erklang.

Blitzschnell riss der Kleinere sein rechtes Bein in die Höhe und wuchtete seinen Fuß gegen die Brust seines Gegners, sodass dieser nach hinten gestoßen wurde.

Eine Rampe führte hinauf unter das Dach des Stalls und der Größere taumelte dorthin. Sofort war der Kleinere wieder bei ihm und deckte ihn mit peitschenden Hieben ein, die ihn immer weiter hinauf trieben.

Oben angelangt schien es so, als könne der Größere sich ein wenig aus der Defensive befreien, als ihm einige gelungene Kombinationen etwas Luft verschafften, doch das alles war von dem Kleineren offensichtlich von langer Hand geplant gewesen.

Just in dem Moment, da der Größere sich sicher war, die Oberhand zu erlangen, tauchte der Kleinere seitlich weg, spitzte sofort wieder in die Höhe und hieb ihm seine linke Faust gegen das Visier und fast gleichzeitig das rechte Bein in den Unterleib.

Wie eine Statue verharrte der Größere mit einem schmerzhaften Stöhnen und konnte sich nicht wehren.

Der Kleinere nutzte die Gelegenheit eiskalt aus, hob aus dem Stand ab, wirbelte um die eigene Achse und donnerte seinem Gegenüber den rechten Fuß gegen den Kopf.

Wie ein Baum wurde der Größere gefällt und fiel hinterrücks auf einige Heuballen, sein Schwert verlor er aus den Händen und es fiel zu Boden.

Ihm war klar, dass er den Kampf damit verloren hatte.

Doch dem war nicht so, denn er sollte Glück im Unglück haben.

Denn kaum setzte der Kleinere wieder auf dem Boden auf, knirschte das Holz unter seinen Füßen bedrohlich und schon in der nächsten Sekunde gab es vollständig nach und die Gestalt rauschte mit einem überraschten Ausruf in die Tiefe, wo sie nur einen Moment später deutlich hörbar wuchtig zu Boden schlug.

Der Größere konnte sein Glück kaum fassen, rang aber zunächst mit seiner Besinnung, denn der Tritt gegen seinen Kopf hatte ihm Schwärze vor die Augen getrieben.

Mit einem lauten Stöhnen rappelte er sich in den Sitz und riss im nächsten Moment seine Maske vom Kopf, um tief und hastig durchzuatmen.

Zum Vorschein kam dabei ein sehr hübsches, junges Männergesicht, mit blonden, lockigen, schulterlangen Haaren und tief-grünen Augen, einer schmalen Nase über einem schmal gezeichneten Mund.

Alles in allem wirkten die Proportionen gut und wohl gesetzt und verliehen dem Gesicht ein attraktives Äußeres.

Die beiden auf der Stirn sichtbaren Knocherhebungen, die sich als schmale Streifen in einem sanften Bogen von der Nase aus V-förmig bis weit unter den Haarschopf zogen und die hell-braune, ansonsten ebenmäßige Haut des Mannes deutlich spannten, waren typisch für die Rasse der Schemen, zu denen er ganz offensichtlich zählte.

Im Moment sah er ziemlich zersaust und geschafft aus, da der lange Kampf seine Spuren hinterlassen hatte. Seine Haut war leicht gerötet und sein Haar war durchgeschwitzt und klebte an vielen Stellen am Kopf.

Nachdem er kurz verschnauft hatte, nahm der Mann sich sein Schwert vom Boden neben sich und sprang schließlich gänzlich auf die Beine.

Mit zwei schnellen Schritten war er an der Stelle, wo sein Gegner noch vor wenigen Augenblicken gestanden hatte und jetzt ein großes Loch gähnte.

Der Mann beugte sich über den Rand und spähte hinunter, doch er konnte sofort sehen, dass sein Kontrahent nicht mehr da war.

Er brummte missmutig und lief über die Rampe zurück ins Erdgeschoss, aber er konnte seinen Gegner nirgendwo ausmachen.

Allerdings war er sich völlig im Klaren darüber, dass der Andere sich nicht in die Flucht geschlagen hatte, sondern hier noch irgendwo auf ihn lauerte.

Entsprechend musste er auch weiterhin sehr vorsichtig sein und mit einem Angriff rechnen.

Denn der Kampf, den sie begonnen hatten, würde nicht eher enden, bis einer von ihnen gesiegt hatte.

Der Sturz durch den Holzboden der Scheune war etwas, mit dem der Kleinere nicht gerechnet hatte und so hatte er nicht die geringste Chance, ihn in irgendeiner Weise abzufedern.

Irrsinnig wuchtig krachte der Körper der kompletten Länge nach zu Boden und er konnte nur von Glück reden, dass sich an dieser Stelle einige Heuballen befunden hatten, die ihm dabei halfen, sich jetzt wirklich übel wehzutun.

Dennoch wurde ihm alle Luft aus den Lungen getrieben und ihm wurde schwarz vor Augen.

Für einen Moment lag die Gestalt völlig schutz- und bewegungslos auf dem Boden wie ein großer Käfer auf seinem Panzer.

Dann aber klärte sich das Bild vor ihren Augen wieder und ihr wurde sofort bewusst, dass sie sich in einer gefährlichen Lage befand. Sie hatte ihren Gegner zwar fast außer Gefecht gesetzt, aber durch ihren unfreiwilligen Abgang hatte sie ihm nicht nur die Möglichkeit verschafft, sich wieder zu erholen, sondern seinerseits sogar zum Angriff übergehen zu können.

Doch das wollte der Kleinere nicht und so rollte er sich schnell zur Seite weg, bis er die Außenwand der Scheune erreichte.

Als er sich dort aufrappelte, konnte er über sich schon Geräusche und Bewegung vernehmen.

Natürlich hätte er sich gleich hier wieder zum Kampf stellen können, doch der Schmerz, den er im rechten Arm spürte, zeigte ihm deutlich, dass er noch ein paar Momente brauchen würde, bevor er wieder voll einsatzfähig war.

Er zog es deshalb vor, die Scheune durch eine kleine Nebentür zu verlassen und über den Vorplatz hinter einen weiteren Stall zu hetzen.

Die Gestalt war dabei sehr bemüht, schnell und vor allem unauffällig zu agieren.

In dem Stall, an dessen Seite sie sich jetzt drückte, konnte sie Alas erkennen, einen der Stallburschen, der damit beschäftigt war, dort Ordnung zu machen.

Glücklicherweise hatte er ihr den Rücken zugedreht und sie nicht gesehen. Alas war ein ausgesprochener neugieriger und vor allem mitteilungsbedürftiger Kerl, der ihrem Gegner sofort und ohne zu zögern verraten hätte, wo sie hingelaufen wäre.

So aber blieb sie unbemerkt und rannte an der Außenwand bis zum anderen Ende des Stalls.

Dort schreckte sie zurück, als sie hinter dem Gebäude einen weiteren Mann sah, der dort Holz hakte. Es war Cal, ein weiterer Bediensteter auf diesem Hof.

Cal war groß und stark. Seine Muskeln wogten auf seinem nackten Oberkörper hin und her, während er die scharfe Axt niedersausen ließ, um einen großen Holzklotz mit einem Streich zu spalten. Seine braungebrannte Haut war schweißnass und glänzte im Licht der sinkenden Sonne. Cal war noch keine dreißig Zyklen alt und arbeitete schon etliche Jahre hier. Er war etwas einfältig, aber unbedingt loyal und treu – und ganz nebenbei noch ein ausgesprochen hübscher männlicher Scheme.

Als die Gestalt ihn sah, zuckte ihr ein Gedanke durch den Kopf und sofort setzte sie ihn in die Tat um.

Sie drückte sich von der Stallwand ab und huschte hinter Cal, wartete, bis er mit einem neuerlichen Schlag ein weiteres Stück Holz gespalten hatte, dann tippte sie ihm auf die linke Schulter.