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Santara liegt in Schutt und Asche! Der Angriff der fremden Aggressoren kam vollkommen überraschend. Innerhalb weniger Stunden werden alle Metropolen und wichtigen Militärstützpunkte des Planeten zerstört. Unter den unzähligen Opfern befinden sich auch Joriks Frau Alisha und seine erst neugeborene Tochter Daria, die in seinen Armen stirbt, sowie Marivars Mann Glowin. Und auch Mavis glaubt seine geliebte Melia für immer verloren. Um die anhaltenden Angriffe der Fremden abzuwehren, wird eine mutige, aber auch verzweifelte Entscheidung getroffen, die viele Opfer fordert, sich am Ede aber als richtig zu erweisen scheint. Dann aber offenbart der Feind seine größte Waffe und es wird klar, dass die furchtbaren Angriffe erst der Anfang waren und ihr Gegner mit dem Einsatz seiner schier apokalyptischen Bodentruppen ein wahrhaft grauenvolles Leichentuch ausbreitet, vor dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Genesis II - Krallen der Finsternis ist die furchterregende Fortsetzung der großen Saga um das Schicksal eines ganzen Planeten
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Seitenzahl: 823
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Inhalt
I - Die zweite Welle
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II - Eine neue Dimension des Grauens
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III - Am Boden
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Epilog - Versprengte Herzen
„Sir?“ Der Diensthabende stürzte durch den Kontrollraum in ein kleines Nebenzimmer, in dem Vilo gerade mit zwei Männern vom wissenschaftlichen Team redete.
„Ja?“ Vilo hörte am Tonfall des Mannes, dass es etwas Wichtiges war und schaute auf.
„Die Anomalie wird wieder aktiv!“ erwiderte der Diensthabende tonlos und in seinem Gesicht war tiefe Bestürzung zu sehen.
Vilo erhob sich augenblicklich. „Ich komme!“ Dann wandte er sich noch einmal zu den beiden Männern. „Wie sie sehen, haben wir keine Zeit mehr, um es gründlich zu prüfen. Tun sie, was machbar ist und geben sie mir sofort Bescheid, wenn sie eine Aussage treffen können!“ Er schaute die beiden Männer ernst an und diese nickten ihm wortlos zu. „Wir müssen jede Chance nutzen. Es könnte unsere letzte sein!“ Und damit verließ er den Raum.
„Wie sieht es aus?“ fragte er einen Moment später den Diensthabenden, während er auf den Wandbildschirm schaute, der die Anomalie zeigte. Deutlich konnte er die wie Blitze zuckenden Lichtstreifen erkennen, die den dunklen Schlauch immer wieder von oben nach unten erhellten.
„Es ist eindeutig Aktivität zu verzeichnen, Sir!“ erklärte der Diensthabende. „Nicht nur die Lichtblitze, deren Intensität sehr schnell ansteigt. Die Anomalie bewegt sich wieder und beginnt zu rotieren...!“
Vilo schaute genauer auf den Bildschirm und erkannte tatsächlich eine noch geringe Rotationsgeschwindigkeit. „Okay!“ Er nickte bestätigend. „Geben sie Gefechtsalarm an alle Truppenteile. Das Heer und die Marine sollen sich bereithalten. Die Luftwaffe soll alle verfügbaren Jäger in die Luft bringen!“ befahl er. „Und stellen sie fest, ob die Anomalie auch an den anderen Orten auf unserem Planeten aktiv wird!“
„Ja Sir!“ erwiderte der Diensthabende. „Noch etwas?“
Vilo nickte und schaute ihm direkt in die Augen. „Beten sie, dass wir diesmal eine wirkliche Chance haben!“
¤
Shamos hatte die große Gruppe schnell und sicher durch das Trümmerfeld geführt. An der geöffneten Laderampe der Amarula konnte er Cosco und Fidu erkennen, die bereits auf ihre Ankunft warteten.
„Das ging schnell!“ begrüßte ihn Cosco freundlich.
„Wir haben nur die leicht Verletzten und die Gesunden dabei!“ erklärte Shamos, während er Coscos Hand nahm und auf die Rampe stieg. „Jorik kommt mit den anderen hinterher!“
Cosco nickte. „Alle in den Laderaum und soweit es geht durchgehen!“ rief er den Menschen zu, die das Schiff betraten und zunächst etwas unsicher schienen. „Lasst den Eingang frei für...!“ Plötzlich verstummte er und verharrte, wie auch alle anderen um ihn herum in seiner Bewegung, als sie weit über sich ein dumpfes, tiefes Grollen vernahmen.
Unwillkürlich hoben alle ihre Köpfe und schauten zur Anomalie, in der sich die Lichtblitze weiter intensiviert hatten und jetzt schon ein beinahe ständiges Stakkato bildeten.
Ein angstvolles Raunen ging durch die Menge, hier und da ein entsetzter Schrei. Sofort kam Bewegung in die Menschen, die alle noch zu genau wussten, welches Grauen diese Zeichen vor nicht einmal fünf Stunden eingeleitet hatten.
„Scheiße!“ entfuhr es Cosco halblaut und beinahe schon resignierend. Er ahnte, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb. Sofort griff er sich Shamos. „Sorgen sie für Ruhe. Mit Panik ist niemandem geholfen!“
Shamos nickte und stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor die hereindrängende Menge. „Leute, hört auf zu drücken!“ begann er. „Wir müssen alle Ruhe bewahren. Wir dürfen uns nicht selbst um die Chance bringen, hier heil herauszukommen!“
Cosco wandte sich von ihm ab und winkte Fidu zu sich. „Sie sollen sich vernünftig im Laderaum verteilen und warten!“ Er schaute ihm direkt in die Augen. „Wir werden nicht starten, bevor nicht auch Jorik mit seiner Gruppe hier ist!“ In seinem Blick lag der Befehl, dass Fidu diese Ansicht gegen die Menge durchdrücken sollte, da er sicher war, dass es mindestens einen unter ihnen geben würde, der schon früher würde losfliegen wollen.
Fidu nickte und lief zum Kopf der Menge, um für Ordnung zu sorgen.
Cosco drehte sich um und rannte in das Cockpit zurück, wo er sein Headset anlegte und sich auf den Pilotensitz setzte.
„Cosco an Jorik!“
„Ja, hier Jorik?”
„Wie weit seid ihr?“
„Wir sind fast fertig. Vielleicht noch zwei Minuten, dann können wir los!“
„Ihr müsst euch beeilen!“ sagte Cosco.
„Aber...?“ Jorik am anderen Ende der Leitung verstummte. Coscos Tonfall und seine Wortwahl waren eindeutig. Mit ernstem und versteinertem Gesicht schaute er über die Menschenmenge, die kurz vor dem Abmarsch stand.
„Was ist los?“ fragte Marivar, die erkannt hatte, dass Joriks Miene sich buchstäblich innerhalb eines Wimpernschlages deutlich verdunkelt hatte.
Jorik schaute ihr direkt in die Augen. „Wir haben nicht mehr viel Zeit!“ sagte er emotionslos.
Marivar verstand ebenfalls sofort, ihre Augen vergrößerten sich kurz und in ihrem Gesicht stand für eine Sekunde Entsetzen, doch dann fing sie sich wieder, drehte sich um und trieb die Leute weiter an.
„Wir sind auf dem Weg!“ sagte Jorik in sein Headset.
„Wir werden auf euch warten!“ erwiderte Cosco und kappte die Verbindung.
„Okay!“ Jorik drehte sich wieder zur Menge. „Jeder weiß, was er zu tun hat!“ Er blickte kurz in die Runde. „Tut es!“ Er nickte ihnen zu. „Und jetzt, Abmarsch!“
¤
Kendig hatte beinahe komplett abgeschaltet.
Nach dem Gespräch mit Rimbo beim gemeinsamen Essen in der Messe der Kamarulu, das er absolut nötig gehabt und aus diesem Grunde sogar etwas genossen hatte, hatte man ihm eine kleine Kabine zugeteilt, in der er sich ausruhen konnte.
Neben einem Bett, einem eingebauten Schrank und einem kleinen Beistelltisch gab es in dem engen Raum keine weiteren Gegenstände und auch das angrenzende Bad bot gerade genug Platz für ein Waschbecken, eine Toilette und eine Dusche.
Aber alles war dennoch sehr komfortabel eingerichtet und das Bett nicht durchgelegen.
Anfangs wollte Kendig duschen, doch er verwarf dieses Vorhaben wieder und wusch sich nur ausgiebig Gesicht und Arme.
Dann legte er sich auf das Bett und dachte noch ein wenig über das Gespräch mit Rimbo nach. Und er war sich erneut sicher, dass sie beide Recht hatten: Der Feind war ihnen nur zahlenmäßig überlegen, nicht jedoch in Punkto Ausrüstung, Taktik und Können. Gerade im letzten Punkt sah Kendig eine echte Überlegenheit gegenüber ihrem Gegner, die es ihnen im ersten Gefecht erlaubt hatte, derart viele Abschüsse, bei entsprechend geringen eigenen Verlusten, zu erzielen. Dennoch gab es keinen Grund zur Euphorie, denn der Feind besaß immer noch die zahlenmäßige Überlegenheit, die, wenn er sie auch weiterhin behalten sollte, über kurz oder lang doch dazu führen würde, dass sie keinen Sieg davontragen würden. Das Kontingent an Jagdmaschinen in Poremien lag bei etwa zweitausend Stück, schätzte Kendig, auf ganz Santara mochten es vielleicht siebentausend Jäger sein. Ob und inwieweit das Kontingent des Gegners begrenzt war, konnte er nicht sagen, aber er hatte ein sehr ungutes Gefühl, dass er über weit mehr Ressourcen verfügte, als sie selbst es taten.
Ein zweiter Angriff, wenn er denn stattfinden sollte, würde hier sicherlich sehr schnell Klarheit bringen.
Kendig spürte, dass er müde wurde. Doch das wollte er nicht. Sich Ruhe gönnen ja, aber nicht einschlafen.
Also erhob er sich aus seinem Bett und machte auf dem Boden davor einige Konzentrations- und Entspannungsübungen aus der Kampfsportlehre, die er seit fast zehn Jahren regelmäßig betrieb.
So brachte er sich in einen Zustand der totalen Entspannung, wobei er jedoch gelernt hatte, stets wachsam zu bleiben, um im Notfall blitzschnell zu reagieren.
Sollte die Nachricht über eine zweite Angriffswelle kommen, würde er sofort bereit sein, frisch und ausgeruht zuzuschlagen.
Das zunehmende Getrappel auf dem Gang hinter ihm registrierte er, sah jedoch noch keinen Grund seinen Entspannungszustand zu verlassen.
Urplötzlich aber wurde die Zimmertür ruckartig aufgestoßen und Rimbo trat ins Zimmer. „Aufwachen Alter...!“
Weiter kam er nicht. Das rüde Aufstoßen der Tür hatte in Kendig einen Alarm ausgelöst und ihn zu einer natürlichen Schutzmaßnahme veranlasst.
Kaum war Rimbo in das Zimmer getreten, wirbelte er in seiner gehockten Position mit seitlich abgewinkelten Beinen einmal um seine eigene Achse und donnerte dabei seinen linken Fuß überaus wuchtig gegen das Türblatt, sodass es zurück ins Schloss fiel und den völlig überraschten Rimbo aus dem Zimmer durch den Flur an die gegenüberliegende Wand katapultierte.
Rimbo wurde dabei alle Luft aus den Lungen getrieben, sein Kopf schlug hart gegen die Wand. „Au!“ rief er, halb aus Schmerz, halb aus Überraschung.
Einige andere Männer auf dem Gang schauten ihn genervt und wenig erfreut an.
Rimbo grinste ihnen breit, aber freudlos zu, drückte sich von der Wand, donnerte seine rechte Hand ein zweites Mal auf die Türklinke und riss die Tür auf. „Verdammt Kendig, was...?“
Kendig saß auf seinem Bett und zog sich gerade die Schuhe an. „Oh, hey Rimbo!” Er grinste freundlich.
Rimbo schnaufte verärgert. „Was zum Teufel war denn das?“
„Kapa-Iva!“ erwiderte Kendig und erhob sich.
„Kapa...was?“
„Kampfsportgedöns!“ grinste Kendig und zog sich seine Jacke an.
Rimbo brummte erneut missgelaunt. „Spar dir diesen Scheiß für deine Gegner auf!“
„Mach ich!“ Kendig nickte und schlug seinem Freund einmal auf die Schulter. „Und du kommst das nächste Mal etwas sinniger in mein Zimmer!“
„Ich soll...was?“ Rimbos Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.
„Wie du gesehen hast, gibt Unhöflichkeit was auf die Fresse. Also mach das nächste Mal weniger Panik, okay?“ Er legte seinen linken Arm über Rimbos Schulter und drückte ihn aus dem Zimmer.
„Du bist krank, Alter, ehrlich!“ Rimbo schüttelte den Kopf. „Dein Kapa...chakka hat dir wohl auch dein Gehirn verbogen!“
„Na, das wollen wir doch nicht hoffen, oder?“ Kendig lachte. „Sonst würde ich als mein Flügelmann anfangen, mir ernsthaft Sorgen zu machen, nicht wahr?“ Er grinste Rimbo breit an.
Sein Partner grinste ebenfalls, doch sah man in seinen Augen, dass er im Moment nicht wirklich wusste, ob Kendig hier einen Spaß machte oder nicht.
Nachdem sie den Fahrstuhl betreten hatten, der sie auf das Startdeck der Kamarulu brachte, dauerte es nur noch wenige Momente und die Lifttüren öffneten sich wieder.
Sofort wehte ihnen ein ordentlicher Luftzug um die Ohren, den die künstliche Blase um das Trägerschiff aufgrund seiner gewaltigen Dimensionen nicht gänzlich verhindern konnte.
Rimbo und Kendig traten an Deck und während sie auf eine geöffnete halbrunde Halle zugingen, betrachteten sie die Anomalie und das Treiben um sie herum.
Fast alles und jeder auf dem gewaltigen Startdeck war in Bewegung und doch wirkte nichts hektisch oder unbedacht. Alles schien geordnet und planmäßig abzulaufen und versprühte eine gewisse Sicherheit an die Piloten, die sich entweder wie Kendig und Rimbo zur Einsatzbesprechung in die Halle begaben oder bereits ihre Order bekommen hatten und ihre bereitstehenden Jäger bestiegen.
Immer wieder war das Aufheulen von Triebwerken zu hören, das eine Unterhaltung in normaler Lautstärke unmöglich machte.
Kendig blickte zur Anomalie. Ja, sie war eindeutig wieder aktiv. Er konnte ein Stakkato aus Blitzen sehen, die an ihr entlang zuckten und sie rotierte bereits wieder deutlich. Kein Zweifel, das waren die Vorboten für eine zweite Angriffswelle.
Sie hatten die Halle erreicht und Kendig konnte Admiral Lobos auf einem erhöhten Podest stehen sehen. Geduldig wartete er, bis alle anwesend waren.
„Männer!“ begann er dann. „Ihr habt es schon gesehen. Die Zeit der Ruhe ist vorbei. Wir haben deutliche Vorboten einer zweiten Angriffswelle...!“ Er schaute kurz in die Runde und bekam vielfach ein bestätigendes Nicken. „Wie wir gesehen haben, ist der Feind alles andere als übermächtig oder unschlagbar. Doch Vorsicht! Seine größte Waffe ist die zahlenmäßige Überlegenheit. Ihr müsst mit äußerster Konzentration und Präzision agieren...!“ Wieder verstummte er einen Moment, um seine Worte wirken zu lassen. „Also gut! Die Einsatzstaffeln bleiben in ihrer bisherigen Formation bestehen und werden nur entsprechend aufgefüllt. Jeder behält seinen Flügelmann!“
„Na...!“ Kendig beugte sich zu Rimbo. „...ob das jetzt ein Gewinn für dich ist?“ Breit grinsend richtete er sich wieder auf.
Rimbos Gesicht zeigte echte Unsicherheit.
„Commander Mavis ist mittlerweile zu uns gestoßen. Der Noni wird uns mit seinen Bodentruppen nach Kräften unterstützen. Ebenso steht die Marine mit allen verfügbaren Schiffen in der Bucht. Also achtet auf Sperrfeuer aus den eigenen Reihen...oder noch besser...jagt den Feind hinein, das ist effektiver!“ Einige der Anwesenden lachten. Lobos schaute noch einmal in die Runde, atmete einmal tief durch, dann wurde sein Gesicht todernst. „Wir haben beim ersten Angriff mindestens acht Millionen Menschen verloren...! Ara Bandiks wird mit Hochdruck evakuiert, aber wir brauchen noch Zeit dafür! Ihr müsst ihnen diese Zeit verschaffen! Beim ersten Mal hatten sie den Überraschungseffekt auf ihrer Seite...! Diesmal sind wir gerüstet! Dieses Mal...!“ Lobos hob seine Stimme. „...werden sie nicht über uns hinwegfegen und Tod und Vernichtung bringen! Dieses Mal..!“ Er erhob die Stimme noch weiter. „...werden wir Ihnen vorbereitet entgegentreten! Dieses Mal...!“ Lobos hatte seine Stimme fast zu einem Brüllen angehoben. „...werden wir sie vom Himmel fegen!“ Lobos riss seine rechte Hand mit der geballten Faust in die Höhe. Das war ein Schlachtruf! Alle Umstehenden wurden von den kurzen Worten des Admirals berührt und aufgeputscht. Viele reckten ebenfalls ihre Fäuste in die Höhe, alle brüllten einmal laut auf.
„Männer, wir sind alles, was die Menschen dort unten vom Reich der Finsternis bewahren kann...!“ Lobos hatte seine Stimme wieder auf ein Normalmaß heruntergefahren. „...und wir werden ihre Schutzengel sein, denn jeder von uns...!“ Er schaute wieder in die Runde. „...ist bereit, sein Leben dafür zu geben. Für diese Menschen, für unser Vaterland, für unsere Zukunft!“ Er verstummte ein letztes Mal und atmete nochmals tief durch. „Gott schütze euch!“ Damit ging er vom Podest und verschwand in der Menge.
„Also eines muss man dem Admiral lassen...!“ sagte Kendig. „Reden kann er!“
„Ja!“ brummte Rimbo und ging auf den Einsatzleiter zu, um zu erfahren, wann und mit welchen Maschinen sie in das bevorstehende Gefecht eintreten würden.
„Du bist so steif, Alter. Ist was?“ Kendig grinste hinter ihm.
„Draußen tobt ein Krieg und ich hab dich Verrückten als Flügelmann. Das macht mich ...!“
„Nervös?“ Wieder grinste Kendig, dem es gefiel, Rimbo ein wenig aus der Fassung gebracht zu haben.
„Nervös?“ zischte Rimbo drehte sich um, doch anstatt eines ernsten oder besorgten Gesichtes, grinste er fast im Kreis. „Im Gegenteil. Das macht mich geil!“
„Was?“ Jetzt entgleisten Kendigs Gesichtszüge.
„Ja geil Mann! Zwei verrückte Machos in ihren heißen Kisten auf dem Weg in die Hölle! Was könnte man sich Schöneres wünschen?“
„Also!“ sagte Kendig und schüttelte den Kopf. „Da behaupte du noch mal, ich bin verrückt. Du bist verrückt!“ Kendig lachte einmal auf.
„Junge...!“ Rimbo schaute ihm direkt in die Augen und grinste breit. „Ich bin nicht verrückt, ich bin völlig irre. Und das schon so lange, da hast du noch auf deine Aknepickel gewichst!“ Rimbo lachte laut auf.
¤
„Ich empfange wieder Signale!“ sagte der Diensthabende mit dem Blick auf sein Terminal.
„Wie viele?“ fragte Vilo sofort und drehte sich zu ihm um.
„Hundertvierundsiebzig!“ Er blickte auf und schaute den Nuri mit großen Augen an.
Vilo biss die Zähne aufeinander, damit ihm kein Fluch über die Lippen rutschte. „Melden sie es weiter!“ befahl er. „Wie lange noch?“
„Keine zwei Minuten!“
Vilo nickte und drehte sich wieder zu der großen Wandkarte. „Gott steh uns bei!“ flüsterte er und seine Gedanken waren bei Kaleena.
„Schneller, Leute, kommt schon!“ rief Jorik den Männern zu, die an ihm vorbeihasteten.
Er hatte zunächst die Führung übernommen und dabei in den Himmel auf die Anomalie geschaut. Cosco hatte verdammt Recht gehabt, das Ding zeigte deutliche Aktivität. Ein erneuter Angriff war nur noch eine Frage von Minuten.
In den Gesichtern der Männer konnte er neben großer, körperlicher Anstrengung – die Türen konnten zwar einen Verletzten sehr gut tragen, sie ließen sich aber aufgrund der nicht vorhandenen Griffe nur schwer greifen – auch Angst und Erkenntnis entdecken. Natürlich hatten auch sie die Aktivierung der Anomalie registriert.
Jorik schaute zum Ende der Schlange, wo er Doktor Mutas und Jaspas als Nachhut eingeteilt hatte. Jaspas schaute ihn an und Jorik gab ihm mit dem Kopf zu verstehen, die Leute mehr anzutreiben, damit es noch schneller ging.
Als Jaspas ihm zugenickt hatte, drehte er sich um und rannte zurück zum Kopf der Schlange, wo er Marivar sehen konnte, die die Männer ebenfalls lautstark antrieb.
„Los Männer!“ brüllte Jorik und konnte bereits die geöffnete Ladeluke der Amarula durch die Trümmer sehen. „Das sind nur noch fünfzig Meter. Das schafft ihr!“ Plötzlich ging von der Anomalie über ihren Köpfen ein deutliches Zischen aus, dass sich zu einem dumpfen Brummen verformte, dessen Lautstärke sehr schnell zunahm und dessen Tonlage stetig höher wurde. „Wir müssen es schaffen!“ fügte er noch hinzu. „Das wird eng!“ Jorik schaute zu Marivar und sein Blick war finster.
Im selben Augenblick wurde aus dem Brummen ein deutliches Pfeifen und im Inneren der Anomalie tauchten unzählige kleine Punkte auf, die rasend schnell näher kamen. „Scheiße!“ sagte Jorik mehr zu sich selbst.
Marivar aber, die mittlerweile neben ihm herlief, hatte es gehört und schaute ihn mit ernster Miene an.
„Beten sie in Tibun auch?“ fragte er.
„Natürlich!“ erwiderte sie atemlos.
„Dann sollten wir vielleicht jetzt schon mal damit anfangen!“ rief er und musste seine Stimme erheben, weil das Geräusch aus der Anomalie beinahe unerträglich anschwoll.
¤
Das hell erleuchtete Innere der Anomalie schien sich wieder zu verdunkeln, doch es waren nur die heran stürzenden Jagdmaschinen, die dicht an dicht durch sie hindurch zur Planetenoberfläche rasten.
Ein beinahe unerträgliches Pfeifen begleitete sie.
Wieder schossen sie zunächst fast senkrecht in die Tiefe, ihre metallischen Außenhäute glänzten im Licht der Anomalie und der unzähligen Feuer in Ara Bandiks teuflisch rot.
Doch diesmal kam ihre Attacke nicht überraschend, diesmal wartete schon jemand auf sie.
Die rund fünfzig Jagdmaschinen, die bereits vom Deck der Kamarulu aus gestartet waren, schossen mit hoher Geschwindigkeit in geringer Höhe über die Stadt hinweg, hatten so eine gute Ausgangsposition für die bevorstehende Schlacht und schon nach wenigen Augenblicken wurden die ersten Abwehrraketen abgefeuert, von denen einige ihr Ziel auch erreichten.
Um Ara Bandiks herum blitzten plötzlich unzählige Lichter auf, die die Stadt wie einen Ring umgaben. Es waren die Geschütze der Bodentruppen, die wie Nadelstiche schräg nach oben schossen. Die meisten von Ihnen waren auf das Ende der Anomalie gerichtet, um die Jagdmaschinen des Feindes bereits beim Austritt zu eliminieren, was auch wirklich gut funktionierte.
Die Schiffe in der Bucht nahmen ebenfalls die Anomalie selbst aufs Korn, da die feindlichen Jäger eindeutig zu wendig waren, um sie mit ihren Geschützen zu verfolgen.
Innerhalb weniger Momente war der Nachthimmel über Ara Bandiks von unzähligen Detonationen erfüllt und beinahe wieder taghell erleuchtet.
Der Ausgang der Anomalie schien in einer einzigen gewaltigen, nie enden wollenden Explosion zu vergehen und doch schossen immer wieder neue Jäger durch den Bombenteppich hindurch zu Boden, wo nicht wenige zunächst für weitere Verwüstungen sorgten, bevor sie von den eigenen Jägern verfolgt und ausgeschaltet werden konnten.
Ohrenbetäubender Lärm, der auch körperlich deutlich zu spüren war, erfüllte das Szenario. Ein furchtbares und tödliches Blitzgewitter jagte über den Himmel hinweg, die Luft begann zu flirren, der Boden bebte unter der Wucht der Raketeneinschläge.
Und doch konnte man deutlich erkennen, dass das Stadtgebiet weitaus mehr verschont blieb, als noch beim ersten Angriff. Alle Truppenteile leisteten hervorragende Arbeit, schirmten Ara Bandiks ab, so gut es ging. Doch es war auch sehr schnell klar, dass der Feind ihnen mit seiner zweiten Angriffswelle wesentlich mehr Jäger sandte, als noch vor wenigen Stunden.
Innerhalb von nur drei Minuten schoss bereits die dritte Staffel an Jägern aus der Anomalie, vergrößerte die Zahl auf insgesamt fast vierhundert Maschinen – und ein Ende schien nicht in Sicht.
Nur eines war ganz sicher: Die Hölle war nach Ara Bandiks zurückgekehrt!
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„Weiter, weiter!“ brüllte Jorik. Er war wieder stehengeblieben, ließ die Männer mit ihren Tragen an sich vorbeihasten und trieb sie zu noch größerer Eile an. Immer wieder zuckte sein Blick hinauf in den Himmel, wo er das furchtbare Szenario mit verfolgen konnte. Er spürte, wie der Boden unter seinen Füßen vibrierte, doch noch waren alle Raketen weit von ihnen entfernt eingeschlagen. Jorik aber wusste, dass das nicht so bleiben würde. Dennoch durfte er noch immer keine Panik zulassen. „Ruhig. Bleibt ruhig. Dann geht es am Schnellsten!“ Er wandte seinen Blick zum Schiff und konnte sehen, dass sich bereits einige der dort Anwesenden auf den Weg gemacht hatten, um ihnen zu helfen.
„Captain?“ rief Jorik in sein Headset.
„Ja?“
„Wir sind gleich am Schiff. Lassen sie die Triebwerke schon einmal warmlaufen!“
„Fidu ist bereits im Cockpit und kümmert sich um alles!“
„Okay!“ Das Ende der Schlange hatte Jorik erreicht. Jaspas und Dr. Mutas schauten ihn mit ernster Miene an. „Wir haben es gleich geschafft!“ stieß Jorik hervor, als er wieder zu laufen begann, um mit ihnen Schritt zu halten.
¤
Kendig und Rimbo hatten in ihren Jägern Platz genommen und überprüften kurz die Instrumente. Für eine vollständige Startsequenz war jetzt keine Zeit und so gaben sie dem Tower ihr Okay.
Zehn Sekunden später bekamen sie die Startfreigabe, der Beschleunigungsschlitten hakte sich um ihr Fahrwerk. In ihrem Kopfhörer hörten sie die mechanische Stimme des Startcomputers.
„Drei, zwei, eins, und ab!“
Innerhalb eines Wimpernschlages beschleunigte der Startschlitten die Jäger auf über dreihundert Meilen die Stunde. Wie eine rasende Kanonenkugel fegten sie über das Startdeck hinweg. Rimbo schrie, um diese extremste Belastung des Körpers besser zu ertragen, Kendig entspannte sich und ließ die Schmerzen so quasi an sich abprallen.
Als sie das Ende des Startdecks erreicht hatten, klinkte sich der Startschlitten aus und zeitgleich donnerten sie über die Kante hinweg in den Himmel über Ara Bandiks.
Obwohl die Triebwerke entsprechenden Vorwärtsschub leisteten, verringerte sich ihre Geschwindigkeit für eine Sekunde ruckartig und sie sackten etwa fünfzig Meter in die Tiefe. Danach hatten die Stabilisatoren den Jäger wieder im Griff und die beiden konnten ihre Maschinen problemlos manövrieren.
Sie vollführten in aller Eile einige kurze Flugmanöver, um sich an die Jäger vom Typ MF-4 zu gewöhnen.
Dann aber gingen sie sofort zum Angriff über, nahmen je einen feindlichen Jäger ins Visier und konnten beide nach kurzer Zeit einen Abschuss verzeichnen, während sich hinter ihnen feindliche Maschinen angenähert hatten und sie zunächst ihre Verfolger abschütteln mussten, bevor sie selbst wieder angreifen und Beute machen konnten.
Wieder war es so, wie Kendig es erwartet hatte. Der Feind war durchaus schlagbar, sein größtes Plus war jedoch die schier wahnsinnige zahlenmäßige Überlegenheit, die trotz des mörderischen Speerfeuers der Bodentruppen und der Marine noch immer vorherrschte und zwangsläufig zu eigenen Verlusten führte.
Kendig und Rimbo würden mehr als ihr Bestes geben müssen, um diesen Zustand deutlich zu ihren Gunsten zu verändern.
¤
Als sie endlich die Laderampe der Amarula erreicht hatten, waren viele helfende Hände sofort damit beschäftigt, die Menschen auf den Tragen in das Innere zu bringen.
„Sind das alle?“ fragte Cosco.
Jorik nickte. „Wir laden ein, sie gehen ins Cockpit. Wir müssen hier gleich einen Blitzstart hinlegen!“
„Sie kümmern sich um die Leute, ich werde fliegen!“ Cosco nickte ihm zu und rannte ins Cockpit.
Jorik verschnaufte kurz, während das Einladen schnell voranging.
Innerhalb von nur einer Minute befanden sich alle Menschen aus der Krankenstation im Laderaum der Amarula, während sich die Raketeneinschläge deutlich näherten.
„Wir sind soweit!“ rief Jorik von seinem Platz auf der Ladeluke in sein Mikro und schaute Shamos und Marivar ausdruckslos an. „Schließen sie die Luke und dann nichts wie weg hier!“
„Aye!“ gab Cosco zurück und schon bewegte die Hydraulik die Ladeluke. „Sagen sie den Leuten, sie sollen sich sehr gut festhalten. Ich werde keine Zeit für einen beschaulichen Flug über Land haben!“
„Tun sie, was sie können, Captain!“ erwiderte Jorik, während er langsam in das Innere des Schiffes kam. „Bringen sie uns hier raus!“
„Kein Sorge! Das werde ich!“
Innerhalb eines Wimpernschlages jaulten die Vertikal-Triebwerke der Amarula wild auf, ein Rütteln ging durch das Schiff und es hob vom Boden ab.
Jorik stand noch immer auf der sich immer weiter schließenden Ladeluke und schaute noch einmal hinaus auf den Flughafen. Sie hatten hier vierhundert Überlebende gefunden und vielleicht würden sie sie auch in Sicherheit bringen können, doch Gott allein wusste, wie viele Menschen hier noch verschüttet, eingeschlossen, eingeklemmt oder bewegungsunfähig verwundet waren, die sie nicht gefunden hatten. Er erkannte knallhart, dass die Leichenhalle des Todes heute ganz sicher noch lange nicht geschlossen sein würde. Dann hob sich die Luke immer weiter und er ließ sich von ihr endgültig in der Innere der Amarula treiben.
„Sie sorgen hier unten für Ruhe!“ sagte er zu Jaspas, Danzis und Dr. Mutas. „Wollen sie mit?“ fragte er Marivar.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bleibe hier bei meinen Patienten!“
Jorik nickte und gab Shamos ein Zeichen. „Komm!“ Gemeinsam mit ihm lief er ins Cockpit.
„Ladung ist sicher verstaut!“ sagte er, als er Cosco und Fidu sehen konnte. Er bekam keine Antwort. „Haben sie schon einen Plan, wie wir hier rauskommen können?“ fragte er.
„Ha!“ Cosco lachte laut auf. „Wie kommen sie denn darauf? Ich fliege grundsätzlich intuitiv!“
Und das musste er hier auch. Die Vertikaltriebwerke hatten vollen Schub und wuchteten den riesigen Rumpf der Amarula dennoch anfangs nur quälend langsam in die Höhe. Cosco wäre am liebsten ausgestiegen und hätte geschoben.
Doch ihr Aufstieg war nicht das vordringliche Problem, wenn sie genügend Flughöhe erreicht hatten, würden sie auch anfangs nur schleppend vorankommen, bevor die Horizontaltriebwerke entsprechend Schub liefern würden. Diese rund zwanzig Sekunden würden ihnen am Ende zum Verhängnis werden, dessen war sich Cosco sicher. Aufgrund ihrer Größe war die Amarula wohl kaum zu übersehen und es war nichts leichter, als diesen dicken Käfer mit einem nicht mal notwendigerweise gut gezielten Schuss vom Himmel zu blasen.
Nein, sie mussten in schneller Bewegung bleiben, so wie jetzt, da die Vertikaltriebwerke die Amarula endlich sehr schnell in die Höhe drückten.
Und...ja, genau! fuhr es Cosco ins Gehirn. Das ist es!
„Behalten sie vollen Schub auf die Vertikaltriebwerke!“ befahl er Fidu.
„Was haben sie vor?“ fragte Jorik, während sie immer weiter und immer schneller senkrecht in die Höhe schossen und das Kampfgeschehen dort erreichten.
„Schnallen sie sich an!“ rief Cosco und Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. „Das wird ihnen gefallen!“
Im nächsten Moment waren sie mittendrin im Krieg der Welten, fremde und eigene Jäger zischten um sie herum, jagten sich, zerstörten sich.
Plötzlich war sich Cosco nicht mehr ganz so sicher, ob seine Eingebung nicht eine verdammt beschissene Idee gewesen war, denn er rechnete jeden Moment mit einem Treffer, doch noch bevor irgendjemand ihre Anwesenheit bemerken konnte, war die Amarula auch schon über sie hinweg gestiegen und ließ das Kampfgetümmel unter sich.
Coscos Plan schien aufzugehen.
¤
„Was zum Teufel ist denn das?“ rief Kendig irritiert aus, als er den riesigen Rumpf aus dem Trümmerfeld des Flughafens aufsteigen sah. Die Form konnte er nicht zuordnen.
„Was meinst du?“ fragte Rimbo.
„Am Flughafen!“ erwiderte Kendig, peilte das Schiff an und sandte ein Scan-Signal aus.
„Das kann keines von unseren sein. Das sieht ganz anders aus!“ sagte Rimbo. „Los schnappen wir uns die dicke Mama!“
Kendig wollte ihm zustimmen, doch da erschien auf seinem Display plötzlich die Kennung des Schiffes. „Halt!“ stieß er hervor.
„Was?“
„Das ist die Amarula vom Imrix-Konzern! Das ist eines unserer eigenen Schiff!“
„Das ist aber ein verdammt merkwürdiges eigenes Schiff. Und was zum Teufel macht es da?“
„Das haben wir gleich!“ Kendig betätigte das Funkgerät. „Captain Kendig an Amarula! Amarula bitte melden!“
Im Cockpit der Amarula starrte Cosco plötzlich wie versteinert auf den Lautsprecher. Fidu wandte seinen Kopf zu ihm und sein Gesicht zeigte Überraschung. Shamos schaute interessiert, aber auch total nervös nach vorn. Jorik blickte auf Coscos Gesicht und er konnte sich vorstellen, was jetzt in seinem Inneren vor sich ging.
„Hier Amarula!“ sagte Cosco kurz in sein Mikro.
„Was zum Teufel machen sie da am Flughafen?“
„Wir sind im Rettungseinsatz und haben fast vierhundert Verwundete an Bord!“
„Und was treiben sie jetzt?“ Kendigs Frage war ziemlich rüde.
„Wir versuchen unbeschadet aus diesem scheiß Schlamassel wieder rauszukommen, Junge!“ Das letzte Wort war Cosco einfach so rausgerutscht und er wünschte sich sofort, es wäre nicht passiert.
Kendig blieb einen Moment stumm. „Mit wem spreche ich? Wer ist der Captain dieses...was auch immer?“ In seiner Stimme schwang deutlich eine Vorahnung mit.
Cosco grinste kurz. „Dein Vater!“
„Dad!“ Kendig konnte seine Freude nur schwer unterdrücken. „Verdammt, Dad. Scheiße Dad!“
„Deine Begrüßungen waren auch schon mal freundlicher!“
„Ja, aber da konnte ich auch keine feindliche Staffel sehen, die direkt auf euch zuhält!“
Cosco riss entsetzt seinen Kopf in die Höhe und sofort erkannte er die Wahrheit in den Worten seines Sohnes.
Während sich die Amarula immer weiter in den Himmel schraubte und bereits eine Höhe von sechshundert Metern erreicht hatte, zog sie die Aufmerksamkeit von vier gegnerischen Jägern auf sich, die im Formationsflug eine sanfte Schleife geflogen waren und jetzt direkt auf sie zuhielten.
„Verdammt!“ entfuhr es ihm halblaut. Er schätzte, dass sie noch etwa zehn Sekunden hatten, um zu reagieren, bevor der Feind sie wegpusten würde.
„Dad, ihr...!“ setzte Kendig an.
„Triebwerke aus!“ rief Cosco, ohne auf seinen Sohn zu reagieren. Seine Hände umklammerten den Steuerknüppel ganz fest, seine Augen waren starr auf die heran peitschenden Jäger gerichtet.
Im Cockpit war absolute Stille und auch Kendig sagte nichts mehr.
Dann blitzte es unterhalb der feindlichen Maschinen kurz auf, als vier Raketen zeitgleich aus den Waffenkammern der Jäger zuckten und sich auf ihren tödlichen Weg zur Amarula machten. Ihre Flugzeit würde bei höchstens fünf Sekunden liegen.
„Festhalten!“ brüllte Cosco und hämmerte im selben Moment das Ruder des Schiffes nach vorn rechts und unten. Durch das Abschalten der Triebwerke hatten sie bereits deutlich an Fahrt verloren, hingen quasi nur noch wie eine fette Monsterfliege in der Luft. Als Cosco das Ruder dann betätigte, reagierte die Amarula sofort und erstaunlich schnell, kippte über ihre rechte Seite hinweg nach unten, trieb den Männern ihr Blut ins Gehirn.
Alle vier mussten aufschreien, um das Spiel der Kräfte zu ertragen, konnten sie die Raketen doch auch schnell näherkommen und erst im letzten Moment über sich hinweg zischen sehen.
Dann gewannen sie sehr schnell wieder an Geschwindigkeit, als die gewaltige Masse der Amarula den Rumpf im freien Fall rasant beschleunigte.
Kendig sah das riskante Flugmanöver, das sein Vater da mit diesem riesigen Fluggerät vollführte und konnte im ersten Moment nur staunen.
Dann fing er sich wieder, weil er die Raketen erkannte, die dicht an der Oberseite des Rumpfes vorbeischossen. Sie hatten ihr Ziel verfehlt und würden weit außerhalb von Ara Bandiks detonieren.
Kendig war erfreut und schaute der Amarula bei ihrem Sturzflug zum Boden weiter zu.
Plötzlich sah er die vier feindlichen Jäger, wie ihre Flugbahn ebenfalls nach unten abknickte und sie im eigenen Sturzflug das Schiff verfolgten.
„Rimbo!“ stieß er entsetzt hervor.
„Bin schon dabei!“ erwiderte sein Freund und beide zogen ihre Maschinen in einer engen Kurve hinter den Gegner.
Kaum hatten sie ihre Schreie aufgrund des ersten Manövers beendet und waren froh, den tödlichen Raketen entkommen zu sein, konnten sie sehen, wie sie erneut auf die Luftschlacht unter ihnen zusteuerten und wieder brüllten alle, was das Zeug hielt. Um sie herum schienen plötzlich eigene und feindliche Jäger wie die Schmeißfliegen herumzuschwirren, doch wieder nur für wenige Augenblicke, dann hatten sie dieses Gebiet durchstoßen.
Fast gleichzeitig ertönte wieder das Warnsignal des Radars, das deutlich zu verstehen gab, dass sie erneut angepeilt wurden. Wieder waren es die vier feindlichen Jäger, die sich ihnen von schräg oben schnell näherten.
Scheiße! dachte Cosco, Das war es!
Die Amarula war bei weitem nicht wendig genug, hier jetzt noch ein zweites überraschendes Manöver hinzulegen. Wenn er nicht bald ihren Sturzflug beendete, war es sowieso Aus mit ihnen und absolut völlig egal, ob da noch gegnerische Raketen auf sie abgefeuert wurden, denn dann würden sie mit fast sechshundert Meilen die Stunde so was von geradewegs in den Boden rauschen, dass nur noch Staubkörnchen von ihnen übrigbleiben würden.
Mittlerweile hatten auch die anderen die Radarwarnung gehört und alle starrten Cosco mit entsetztem Gesicht an, als hofften sie, dass er gleich wieder irgendetwas aus der Trickkiste holen würde.
Doch das konnte er nicht. Nicht noch einmal.
Kendig und Rimbo waren in Schussweite gelangt und ihre Zielsucher hatten ihre Opfer geortet. Ohne zu zögern gaben sie je eine Rakete frei, nahmen sofort danach die beiden anderen verbleibenden Jäger aufs Korn und während das Zielradar erneut Kontakt anzeigte, explodierten die ersten beiden Jäger fast zeitgleich in einer gleißenden Flammenfaust. Einen Wimpernschlag später waren zwei weitere Raketen freigegeben, die sich präzise und tödlich die anderen beiden Jäger als Opfer suchten.
In dem Moment, wo sie wuchtig einschlugen, konnte Kendig jedoch sehen, wie aus dem rechten Flugzeug seinerseits eine Rakete aus dem Waffenschacht gespuckt wurde und sich unaufhaltsam auf die Amarula zu bewegte.
Cosco gelang es, die Amarula abzufangen und aufrecht zu setzen. Mehr konnte er nicht tun.
In den Augenwinkeln registrierte er zunächst zwei Explosionen, nur wenige Momente später zwei weitere Detonationen und ihre Verfolger wurden in alle Winde zerfetzt.
Offensichtlich waren sie in ihrem Kampf nicht allein gewesen.
Doch genauso offensichtlich war ihr Problem noch nicht gänzlich gelöst, denn jetzt ertönte das Heckradar und zeigte an, dass eine Rakete von dort auf sie zuraste.
Kendig hatte sofort gehandelt und seine Maschine auf das Äußerste beschleunigt. Die Amarula war ein wirklich stolzes und mächtiges Schiff, aber hatte im Kampf gegen die wendigen Jäger keine und gegen eine bereits abgefeuerte und zielerfasste Rakete nun überhaupt keine Chance.
Das einzige, was sie noch retten konnte, war er – und das wusste er.
Also jagte er hinter ihr her, holte aus seinem Jäger, was immer er herzugeben bereit war, konnte den Abstand zu dem Geschoss verringern. Gleichzeitig gelang es ihm sich unter die Rakete zu setzen und als er nahe genug heran war, riss er den Steuerknüppel zu sich.
Auf das Zielradar konnte er hier nicht bauen, also war eine eigene Rakete nicht das richtige Mittel.
Alles, womit er überhaupt eine Chance haben würde, war die Bordkanone.
Und die betätigte er jetzt im Dauerfeuer. Sein Jäger schoss schräg in die Höhe, direkt auf die Rakete zu, verringerte die Entfernung zu ihr drastisch, doch noch zischten alle Kugeln an ihr vorbei und Kendigs Hoffnung, die Amarula von ihrem tödlichen Verfolger befreien zu können, schwand rapide.
„Komm schon!“ sagte er, um sich selbst Mut zu machen, doch noch immer konnte er keine Treffer landen. Die Rakete war jetzt keine dreißig Meter mehr von ihrem Ziel entfernt, Kendig hatte nur noch wenige Sekunden.
„Komm schon....verdammt!“ brüllte er hinaus und genau in diesem Moment traf eine Kugel aus der Bordkanone seitlich gegen die Rakete und sie zerbarst in einem Feuerball.
„Juch-hu!“ rief Rimbo aus der anderen Maschine laut aus. Er hatte die feindliche Rakete zu spät bemerkt, sodass er keine Chance zum Handeln hatte. Ihm blieb nur, Kendig vor feindlichen Angriffen anderer Jäger zu schützen und ansonsten mit schweißnassen Händen den Rettungsversuch seines Freundes zu verfolgen. Als die Rakete zerstört wurde, musste er seine Freude darüber hinausschreien.
Das Heckradar verstummte.
„Was ist los?“ fragte Fidu und schaute zu Cosco.
„Was los ist?“ hörten sie Rimbo über Lautsprecher rufen. „Kendig hat es geschafft. Er hat die Rakete zerstören können!“
In der nächsten Sekunde konnte man vier Männer mit dicken Backen sehen.
„Danke!“ sagte Cosco dann und auf seinem Gesicht war ein Lächeln zu sehen.
„Sonst alles okay bei euch?“ Kendigs Frage schien emotionslos, aber auch er grinste dabei.
„Ja, alles okay! Wir machen uns auf den Weg zurück zu Imrix!“
„Moment!“ Kendig hatte eine Idee. „Captain Kendig an Kamarulu!“
„Hier Kamarulu!“
„Ich erbitte Genehmigung, die Amarula mit vierhundert Flüchtlingen aus Ara Bandiks zur Imrix-Corporation zu geleiten!“
Einen Moment herrschte Stille in der Leitung. „Sie haben die Genehmigung zum Geleitschutz! Kehren sie unverzüglich zurück, sobald sie ihre Mission erfüllt haben!“
„Ja Sir!“ erwiderte Kendig fröhlich und kappte die Leitung. „Ihr habt es gehört, Leute. Ihr habt jetzt zwei Babysitter. Lehnt euch zurück. Das wird ein Kinderspiel! Rimbo?“
„Ja?“
„Übernimm du die Vorhut. Ich bleibe hinter ihnen!“
„Du und deine Vorliebe für anale Spielereien!“ gab Rimbo zurück.
„Was?“ Das war Cosco, der ihr Gespräch verfolgt hatte und jetzt doch ziemlich irritiert war.
„Hör nicht auf ihn, Dad! Rimbo ist einfach nur total irre!“ Kendig lachte und schüttelte den Kopf.
Cosco blies entnervt die Luft durch die Wangen. „Warum hab ich mich eigentlich nicht schon längst pensionieren lassen?“
Die furchtbare Schlacht über Ara Bandiks war weiterhin in vollem Gange. Alle Truppenteile taten ihr Bestes, um den Feind am Abwurf von Bomben und Raketen zu hindern, doch was sie mit ihrem Können und ihrer Taktik aufbauten, riss die unglaubliche Überlegenheit an schier unendlichen Jagdmaschinen wieder ein.
Zwar wurden die Explosionen im Stadtgebiet deutlich weniger, als noch beim ersten Angriff der Fremden, doch jeder Einschlag in das furchtbare Trümmerfeld schien dafür doppelt wuchtig und schrecklich zu sein.
Es war gerade so, als wäre Ara Bandiks ein schwerkranker Patient mit aufgeschlitztem Bauch, in dessen frische Wunde der Feind immer weiter gnadenlos hinein hämmerte.
Und doch würden die Fremden so wieder keinen vollständigen und endgültigen Sieg davontragen, es sei denn, ihr Kontingent an Maschinen war tatsächlich unerschöpflich.
Alles schien wieder nur eine Frage der Zeit zu sein, in der die Menschen einfach nur durchhalten mussten, bis der Angriff irgendwann wieder verebbte.
Doch es schien nur so...
Niemand bemerkte die Veränderung an der Außenhülle der Anomalie. Doch das war auch kein Wunder, denn sie geschah an einer Stelle, die sich weit ab von ihrem Ende befand, in den obersten Luftschichten des Planeten, dort wo die Atmosphäre von Santara in den Weltraum überging.
Alle Augen, alle Aufmerksamkeit, alle Konzentration waren aber auf das Ende der Anomalie gerichtet, das noch immer unzählige Jagdmaschinen ausspuckte.
Eine Veränderung wäre nur hier, höchstens aber im weiteren, sichtbaren Teil aufgefallen, nicht jedoch dort, wo sie jetzt auftrat.
In diesem Teil war die Anomalie längst nicht so hell erleuchtet, wie im sichtbaren Teil nach dem Eintritt in die Atmosphäre des Planeten, hier schimmerte sie nur relativ schwach gegen den schwarzen Hintergrund des Universums.
Und doch – genau da – zeigte sich urplötzlich Bewegung.
Die ansonsten fast perfekt runde Außenhaut der Anomalie schien an mehreren Stellen punktförmig aufzuweichen. Es war, als würde sie auf einer Länge von etwa fünfhundert Metern vier Pickel an unterschiedlichen Stellen bekommen.
Dort, wo sich die Hülle aufweichte, begann sie etwas heller zu leuchten.
Dann schien es so, als würde etwas von innen gegen diese Stellen drücken und die Außenhaut wölbte sich anfangs nur schwach, dann jedoch immer deutlicher und vor allem schneller heraus.
Die Pickel wurden immer weiter in die Länge gezogen, während sich alle vier zwar in unterschiedliche Richtungen, dennoch gleichsam in einem Abwärtsbogen ebenfalls auf die Atmosphäre von Santara zu bewegten und sie durchdrangen.
Es war, als hätte dieser Teil der Anomalie wie ein Baum neue Triebe bekommen, die sich als immer schneller wachsende Äste auf den Planeten zu bewegten.
Doch nicht nur in an diesem Teil der Anomalie, sondern an jedem der acht Hauptarme, die sich über dem Planeten verteilt hatten, ging diese Veränderung vor sich und sandte jeweils vier weitere Triebe in die Tiefe.
Triebe, die jedoch kein neues Leben bringen sollten, sondern nur den Tod, denn aus dem Hauptstrang der Anomalie, der sich quer durch das Sternensystem zog, schossen dunkle Schatten auf Santara zu und drängten auch in diese neu geschaffenen Tunnel des Grauens.
¤
Kaleena erhob sich von der Toilettenschüssel und zog ihren Slip und ihre Hose in die Höhe.
Gerade als sie den Hosenknopf schließen wollte, schoss ihr ein widerlich flaues Gefühl durch den Magen und auch in ihren Kopf.
Mist, dachte sie. Bestimmt hatte sie zu schnell gegessen. Sie war ohnehin die ganze Zeit über nervös gewesen, denn eigentlich wäre sie am liebsten schon in der Luft und auf dem Weg nach Ara Bandiks und zu Vilo gewesen. Es machte sie halb wahnsinnig, dass sie hier noch warten musste.
Wahrscheinlich rächten sich diese Umstände jetzt. Ja, Kaleena war sicher, dass dies der Grund für ihr flaues Gefühl war, das in ihr herumschlich.
Sie räusperte sich einmal, knöpfte die Hose zu und trat an das Waschbecken, um sich die Hände zu waschen und sich ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht zu werfen. Ersteres gelang auch problemlos, doch beim Aufrichten mit nassem Gesicht, schoss ihr ein weiterer Schmerz in den Magen und trieb seinen Inhalt durch ihre Speiseröhre nach oben.
Kaleena schnellte herum, fiel vor der Toilettenschüssel auf die Knie und übergab sich lautstark.
Der Würgereiz war widerlich und nicht nur das gesamte Essen von eben klatschte in die Tiefe, außerdem noch jede Menge bittere Gallenflüssigkeit. Sie keuchte und atmete schwer.
Plötzlich klopfte es an der Badezimmertür. „Kaleena?“ Es war Esha. „Alles okay mit dir?“
„Ja...!“ japste sie und musste doch im nächsten Moment wieder den Mund öffnen. „...mir geht es gut!“ schloss sie ihren Satz danach noch ab.
„Wir sind soweit!“ sagte Esha. „Wenn du fertig bist, können wir losfliegen!“
Na endlich! freute sie sich stumm. „Ich komme gleich!“ rief sie und ein erneuter Magenkrampf ließ sie zusammenzucken.
Hiernach jedoch fühlte sie sich schon viel besser. Die Übelkeit war fast verflogen, der Kopf dröhnte noch ein wenig.
Kaleena erhob sich, spülte die Toilette und ging zurück zum Waschbecken, wo sie ihren Mund kräftig ausspülte und sich nochmals das Gesicht wusch.
Als sie sich abtrocknete, sah sie ihre Augen im Spiegel über dem Waschbecken und sie verharrte in ihrer Bewegung.
„Es war nur die Aufregung!“ sagte sie zu sich selbst, doch zeigte ihr Blick in ihre eigenen Augen etwas ganz anderes. „Nur die Aufregung…!“ Dann schaute sie weg, weil sie ihr eigenes Spiegelbild nicht mehr ertragen konnte.
Ja, sie wusste, sie machte sich etwas vor, aber sie musste es doch tun. Alles, was jetzt wichtig war, war Vilo. Das andere konnte sie im Moment weiß Gott überhaupt nicht gebrauchen.
„Alles okay?“ fragte Esha noch einmal besorgt, als Kaleena zurück in das Esszimmer kam.
Kaleena nickte, schaute sie dabei aber nur flüchtig an.
Esha nahm ihre Antwort zur Kenntnis. Für einen Sekundenbruchteil verengten sich dabei ihre Augenlider, dann erhob sie sich von ihrem Stuhl.
„Wo ist Kabus?“ Kaleena erkannte, dass er nicht mehr da war.
„Er startet schon einmal die Triebwerke!“ erwiderte Biggs, der gerade aus der angrenzenden Küche kam.
„Liva und Malis sind bei ihm!“ sagte Esha und trat zu ihr.
„Sind sie hier fertig?“ fragte Biggs freundlich.
Kaleena nickte.
„Dann wollen wir keine Zeit mehr verlieren!“ Er nickte den beiden Frauen zu und schob sie aus dem Haus.
Draußen war es merklich dunkler geworden, auch der Wind hatte deutlich aufgefrischt.
Biggs übernahm die Führung und legte ein erstaunliches Tempo vor. Er führte sie weg vom Haupthaus auf eine der hinteren Scheunen zu, in der Licht brannte.
Während Kaleena stumm, mit gesenktem Kopf und ernstem Gesicht neben ihr her schritt und so wie sie versuchte, an Biggs dran zu bleiben, war sich Esha ziemlich sicher, dass irgendetwas mit ihrer Freundin nicht stimmte.
Plötzlich wurde sie von einem Geräusch weit hinter ihr aus den Gedanken gerissen. Warum sie darauf aufmerksam wurde, konnte sie nicht sagen, aber instinktiv drehte sie sich zurück in Richtung Haupthaus, hinter dem man den hellerleuchteten Stützpunkt erkennen konnte.
Doch Esha konnte in der ersten Sekunde dort nichts Ungewöhnliches ausmachen und wollte ihren Kopf bereits wieder zurückdrehen, als sie das Geräusch erneut vernahm. Es war wie ein entferntes Donnern, als würde sich ihnen ein Gewitter nähern. Wieder rein instinktiv hob sie ihren Kopf dann zum Himmel und blieb urplötzlich wie angewurzelt stehen. Nein, das war kein Gewitter, das sich ihnen näherte, das war die Ausgeburt des Teufels!
„Oh mein Gott!“ entfuhr es ihr und erst jetzt wurde Kaleena auf sie aufmerksam. Sie blieb stehen, drehte sich zu Esha und schaute ihr fragend ins Gesicht. „Was ist los?“ Dabei folgte sie ihrem Blick zum Himmel. Und als auch sie dort deutlich die Plasma-Anomalie sehen konnte, die rasend schnell über dem Stützpunkt immer größer wurde, stieß sie einen erschreckten Schrei aus und ihre Augen wurden vor Entsetzten riesengroß.
„Hey Ladies!“ Biggs hatte die Scheune erreicht und sich zu ihnen umgedreht. „Was ist denn nun?“
Während Kaleena scheinbar starr vor Schreck war, zwang sich Esha zu antworten. „Wir haben ein Problem!“
„So? Welches?“
Esha drehte sich zu ihm, schaute ihm direkt in die Augen und riss dann ihren rechten Arm in die Höhe. „Das da!“
Biggs folgte ihrem Zeichen und erstarrte ebenfalls in seiner Bewegung. „Oh Scheiße!“ Er atmete einmal tief durch. „Wir...!“ Weiter kam er nicht. Urplötzlich war die Luft erfüllt von einem immer lauter werdenden Rauschen aus dem Inneren der Anomalie. Während sich fast gleichzeitig etwa zwei Dutzend Flugzeuge von den Startbahnen des Stützpunktes erhoben und auf die Anomalie zuhielten, konnte Biggs unzählige kleine Punkte in ihrem Inneren erkennen, die immer größer wurden.
Esha nahm Kaleena am Arm und zog sie mit sich zu Biggs. „Was ist das?“ rief sie ihm zu und blickte erneut zur Anomalie in den Himmel.
Biggs antwortete nicht sofort, sondern wartete eine Sekunde, bis aus dem Rauschen ein widerliches Pfeifen wurde. „Jäger!“ sagte er dann nur knapp. Dann drehte er sich um und begann damit, das Scheunentor zu öffnen. „Gehen sie rein!“ rief er Esha zu. „Sagen sie Kabus, er soll sich beeilen!“ Mit all seiner Kraft stemmte er den linken Torflügel so schnell er konnte auf.
Esha nickte und zog Kaleena mit sich.
Im Inneren der Scheune gab es sechs Flugzeuge, doch nur eines hatte die Triebwerke gezündet. Es war ein mittelgroßer Truppentransporter, der etwa zwei Dutzend Personen Platz bot. Er sah mit seiner eher eckigen Form etwas klobig aus und war wohl auch nicht für hohe Fluggeschwindigkeiten ausgelegt, aber er wirkte intakt und stabil. Die seitliche Einstiegsluke war geöffnet. Esha drückte Kaleena hinein und schob sich dann an ihr vorbei zum Cockpit. Malis und Liva, die ihr zunächst freundlich zugelächelt hatten, verstummten, als sie ihr ernstes Gesicht sahen.
„Ah...!“ begrüßte sie Kabus im Cockpit. „...sind sie endlich fertig!“
„Mehr als das!“ erwiderte Esha tonlos und setzte sich auf den Copilotensitz.
Kabus erkannte an ihrem Tonfall, dass etwas nicht stimmte. „Was ist los?“
„Sie sollten sich ein wenig beeilen!“
„Warum?“ fragte er Böses ahnend und gab leichten Schub auf die Vertikaltriebwerke, sodass der Transporter sanft einige Zentimeter vom Boden abhob und er ihn herumdrehen konnte.
„Wir haben Besuch bekommen!“
„Besuch?“ Jetzt war er doch etwas überrascht. Der Transporter hatte sich mit dem Cockpit in Richtung Eingang gedreht. Kabus erkannte Biggs, wie er eigentlich viel zu hektisch und wild den zweiten Torflügel aufstemmte. „Wen?“ Sanft gab er Schub auf die Horizontaltriebwerke und der Transporter schob sich aus der Scheune.
„Die Handlanger des Teufels!“ Esha deutete mit ihrem Arm auf die Anomalie, die sich zu ihrer vollen Größe ausgebreitet hatte und aus der immer wieder feindliche Jäger herausschossen und sich zu den anderen gesellten, die bereits dabei waren, den Stützpunkt und die angrenzende Stadt systematisch und erschreckend effektiv zu bombardieren. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis sie sich auch in ihre Richtung bewegen würden.
„Verdammter Mist!“ fluchte Kabus und schaute gebannt auf die Schlacht. Aus den Augenwinkeln beobachtete er dabei Biggs, der das Scheunentor gänzlich geöffnet hatte und zu ihnen rannte. Kabus hatte den Transporter dicht an ihn heran geschoben, sodass er nur wenige Schritte zu machen brauchte. Seine Augen waren noch immer auf das Schlachtfeld gerichtet und gerade in dem Moment, da Biggs sich in Bewegung setzte, hatten sich zwei Jäger aus ihrer Formation gelöst und rasten direkt auf sie zu.
„Anschnallen!“ sagte er nur kurz und emotionslos und Esha beeilte sich damit. Über Lautsprecher hatten es auch Kaleena, Malis und Liva im hinteren Raum gehört und ließen sich ebenfalls nicht lange bitten.
Kabus aber bewegte ihren Transporter keinen Millimeter von der Stelle, sein Blick war nur starr geradeaus auf den heran rauschenden Feind gerichtet.
Esha neben ihm wurde zusehends nervöser, ihr Blick zuckte zwischen Kabus und den Jägern hin und her.
Biggs hatte mittlerweile den Transporter erreicht und hechtete prustend in den Innenraum. Kaum war er dort auf dem Boden aufgekommen, wirbelte er blitzschnell herum und betätigte die Schließhydraulik. „Der alte Sack ist an Bord!“ rief er atemlos aus und ließ sich zurückfallen, um ausgestreckt auf dem Boden zu verschnaufen.
Doch Kabus ließ ihm dazu absolut keine Zeit. Kaum hatte Biggs ihm das Okay zum Start gegeben, donnerte er den Schubhebel des Transporter bis zum Anschlag nach vorn, während er das Steuer zurückriss.
Im selben Moment zuckte unterhalb der Flügel der feindlichen Jäger je ein kleiner, gleißender Blitz auf und zwei tödliche Raketen schossen auf sie zu.
Zu diesem Zeitpunkt ruckte der Transporter durch die maximale Schubleistung nach vorn. Fast zeitgleich hob sich die Nase innerhalb eines Wimpernschlages senkrecht in die Höhe, nur um sofort weiter nach hinten über zu kippen.
Esha und der Rest der Besatzung schrien aus Leibeskräften, weil irrsinnige Kräfte auf ihre Körper wirkten. Malis wurde ohnmächtig. Esha wurde schlagartig schwindelig, sie verlor augenblicklich die Orientierung.
Biggs krallte sich mit all seiner Kraft an eine Sitzlehne, um nicht wie ein lebender Kegel durch das Flugzeug zu poltern.
Kabus verzog ebenfalls sein Gesicht und unterdrückte einen Schrei. Auch auf ihn hatten derartig wilde Kräfte lange nicht mehr gewirkt. Doch es war die einzige Chance, hier lebend herauszukommen.
Kabus ließ den Transporter über die Senkrechte hinweg kippen, dann rollte er das Flugzeug über den linken Flügel wieder in eine annähernd aufrechte Position und überflog mit Höchstgeschwindigkeit die Scheune in die andere Richtung. Kaum hatten sie sie hinter sich gelassen, donnerten die beiden Raketen in sie hinein und zerfetzten in einem gewaltigen Feuerball alles, was sich in ihr befand.
Esha zuckte erschrocken zusammen, als der Explosionsdonner die Triebwerkgeräusche zu einem Flüstern verkommen ließ und wilde Flammen um sie herum schlugen.
Kabus trieb den Transporter in die Tiefe, ließ ihn nur zwei Meter über dem Boden dahin rasen, machte sich jedoch keine Hoffnungen, den Feind irgendwie abgehängt haben zu können. Das schrille Piepen des Heckradars bestätigte seine Annahme, beide Jäger rauschten durch die schmutzige Flammenkugel der zerberstenden Scheune und hielten Kurs auf sie. Kabus riss den Transporter nach rechts in eine enge Kurve, um hinter einer weiteren Scheune erst einmal außer Sicht zu gelangen. Lange würde er dieses Versteckspiel aber nicht durchhalten.
„Esha!“ rief er und schaute zu ihr herüber. „Esha!“
Esha hatte sich in die Sitzlehnen gekrallt. Sie hörte Kabus Worte, doch sie hatte nicht das Gefühl, dass ihr Körper darauf reagieren würde.
„Esha, sie müssen mir helfen!“ sagte Kabus erneut.
„Ich...!“ Esha fand kaum Luft zum Atmen. „Ich kann nicht!“
„Doch, sie können!“ widersprach Kabus entschieden. „Sie müssen! Ohne sie schaffe ich es nicht!“
„Ich...!“ begann sie wieder, dann schluckte sie und drückte sich aufrechter in den Sitz. „Okay,...was soll ich tun?“
„Sehen sie den roten Hebel rechts vor sich?“
Esha erkannte ihn unter einer durchsichtigen Schutzkappe und nickte.
„Entfernen sie die Schutzkappe und drücken ihn auf mein Kommando!“
Esha nickte. „Das kriege ich hin!“ Sofort klappte sie die Schutzkappe nach oben.
„Dann Achtung jetzt...!“ Kabus sondierte kurz das Gelände. „Auf mein Kommando!“ Rechts von ihnen konnte er eine weitere Scheune erkennen, deren Tore auf einer Seite ebenfalls geöffnet waren. Offensichtlich hatte Biggs dort an einer Maschine gearbeitet, bevor sie angekommen waren. Das würde ihre Chance sein – oder ihr aller Tod.
Kabus flog eine enge Linkskurve, bis er den Transporter so gestellt hatte, dass er frontal auf diese Scheune zuflog. Dabei musste er einer weiteren Rakete ausweichen, die Gott sei Dank nur halbherzig gezielt schien und dicht neben ihnen einschlug.
Kaum hatte Kabus den Transporter in eine aufrechte Position gebracht, verlangsamte er die Geschwindigkeit. Die beiden feindlichen Jäger rückten sehr schnell näher.
„Kabus?“ Esha hatte bemerkt, dass sie langsamer wurden und wurde sofort sehr nervös.
„Hebel umlegen!“ rief Kabus, ohne sie zu beachten. Seine Augen waren auf das Heckradar und die Scheune vor ihnen gerichtet.
Esha tat, was ihr befohlen wurde und drückte den Hebel nach rechts. „Was genau tue ich hier eigentlich?“ fragte sie unsicher.
„Sie lassen Treibstoff ab!“ erwiderte Kabus tonlos und trocken.
„Aber...!“ Eshas Augen weiteten sich augenblicklich.
„Keine Angst. Sie machen das prima!“ Kabus grinste kurz und stellte zufrieden fest, dass der Treibstoff aus den Tanks den Boden unter ihnen tränkte. „Schalten sie ihn wieder ab auf mein Kommando!“
„Alles klar!“ bestätigte Esha und machte sich bereit.
Kabus flog unbeirrt auf die Scheune zu, während sich die beiden Jäger weiter näherten. Nun macht schon! flehte er stumm. Die Scheune rückte bedrohlich näher.
Da jaulte das Heckradar erneut auf und zeigte an, dass einer der Jäger eine weitere Rakete auf sie freigegeben hatte.
„Was war das?“ fragte Esha.
Wieder grinste Kabus scheinbar zufrieden. „Eine Rakete!“
Esha starrte ihn verwirrt an. „Ihr Männer steht auf so was, oder?“
„Klar!“ gab Kabus zurück und starrte auf das Heckradar. Sie waren jetzt noch etwa hundert Meter, also rund zwei Sekunden von der Scheune entfernt. Die feindliche Rakete hatte sie fast erreicht, das Heckradar schrillte immer lauter und schneller.
Kabus zählte in Gedanken eine Sekunde ab und als das Piepen unerträglich wurde, riss er das Steuer des Transporters herum und er vollführte eine schnelle horizontale 360-Grad-Drehung. Während alle Insassen wieder mit sich selbst zu kämpfen hatten, registrierte Kabus zufrieden, dass die Rakete an ihnen vorbei gerauscht war und in die Scheune donnerte. Bevor sie dort nur einen Wimpernschlag später im hinteren Teil wuchtig explodierte, hatte der Transporter das vordere Tor erreicht und flog hindurch.
„Hebel abschalten!“ brüllte Kabus und donnerte den Schubhebel wieder ganz nach vorn.
Esha reagierte trotz des irrwitzigen Flugmanövers und der extremen Nervenbelastung sehr schnell und stoppte den Treibstoffverlust.
In der nächsten Sekunde rauschte der Transporter in die höllische Flammenwand, die die gesamte Scheune einnahm.
Esha und diesmal auch Kabus schrien.
Zeitgleich entzündete dieselbe Flammenfaust das abgelassene Flugbenzin und eine Feuerschneise rauschte in die andere Richtung. Die beiden feindlichen Jäger, die dem Transporter dichtauf gefolgt waren, wurden davon erfasst und die Piloten offensichtlich davon überrascht. Der vordere Pilot verriss das Steuer und anstatt sauber durch die Scheune hindurch zu fliegen, donnerte er seitlich in die ausrangierten Flugmaschinen, in denen sich noch genug Flugbenzin befand, um sie in Explosion zu versetzen. Der vordere Jäger wurde komplett zerrissen, der nachfolgende Pilot hatte keine Chance mehr, der Mischung aus Flammen und Trümmerteilen noch zu entgehen und starb ebenfalls in einem Feuerball, der letztlich die komplette Scheune wie einen Luftballon zerplatzen ließ und in einem Feuersturm vollständig zerstörte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Transporter die Flammenwand am anderen Ende bereits hinter sich gelassen und rauschte mit Höchstgeschwindigkeit dicht über dem Boden davon.
„Boa!“ stieß Esha schweratmend hervor. „Das war knapp!“
Kabus nickte. „Ging so!“ Zufrieden nahm er zur Kenntnis, dass sie ihre Verfolger abgeschüttelt hatten und noch keine neuen hatten. Damit das auch so blieb, steuerte er direkt nach Westen die Küste in etwa drei Kilometern Entfernung an.
„Sie sind ein verdammter Teufelskerl!“ Esha lächelte erleichtert.
Kabus nickte stumm und deutete mit seiner rechten Hand an Esha vorbei aus der Frontscheibe.
Esha folgte seinem Blick und sofort verschwand ihr Lächeln wieder, als sie die furchtbare Zerstörung des Stützpunktes und der Stadt quasi von einem Logenplatz aus mit verfolgen konnte.
„Was jetzt?“ fragte sie nach ein paar Sekunden und drehte sich zu Kabus.
„Wir fliegen zur Küste und werden uns von dort nach Norden bewegen. Ich hoffe, dass niemand auf uns aufmerksam wird. Nach Ara Bandiks sind es dann noch etwa vierzig Minuten!“
Esha nickte. „Danke!“
„Ich wurde für derartige Dinge ausgebildet!“ erwiderte Kabus mit ausdruckslosem Gesicht. „Aber hey...!“ Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen. „...es war auch mein Leben, das in Gefahr war!“ Er schaute Esha für eine Sekunde direkt in die Augen. „Biggs?“ rief er dann.
„Ja?“ Eine gestresste Antwort kam aus dem Passagierraum.
„Mach mal die Stewardess und reiche unseren Gästen ein paar Drinks. Ich such derweil was fürs Bordkino!“ Kabus grinste breit.
„Du kannst mich am Arsch lecken!“ donnerte Biggs entnervt.
Und bei seinen Worten mussten Esha und Kabus laut loslachen.
4
„Cosco?“ Jorik hob seinen Kopf nicht an, sondern schaute weiterhin gebannt auf den Radarschirm.
„Was gibt es?“ fragte Cosco ernst, der am Tonfall von Joriks Frage erkannt hatte, dass es ein Problem geben würde.
„Ich empfange hier ein wirklich...!“ Jorik zog die Augenbrauen hoch. „...wirklich...echt beschissenes Signal!“
„Welcher Art?“ Cosco drehte sich zu Jorik herum.
„Eine gottverdammte Scheiß-Plasma-Anomalie...!“ rief plötzlich Kendig in sein Mikro. „Etwas in der Art, Dad!“
Cosco wirbelte sofort wieder zurück. „Auf den Schirm!“ befahl er und Jorik gab dem Computer das entsprechende Kommando.
Einen Augenblick später konnte sich jeder davon überzeugen, dass Kendig Recht hatte. Aus den oberen Luftschichten der Planetenatmosphäre schob sich ein fast kreisrundes, gelb und blau leuchtendes Gebilde in die Tiefe, dessen Außenhaut deutlich rotierte.
„Verdammter Mist, wo kommt die denn her?“ platzte Cosco hervor.
Jorik hatte sich als Erster von dem unheimlichen Anblick lösen können und seine Hände huschten über die Computertastatur. Er stellte eine Verbindung zu einem der zahllosen Imrix-Satelliten her, der über eine Kamera verfügte. Mit wenigen Befehlen konnte er diese Kamera so schwenken, dass sie ihren Focus auf ihren Planeten richtete.
„Jorik?“ fragte Cosco ungeduldig.
„Ich hab´s gleich!“ Er wartete noch eine Sekunde, bis ein gutes Bild zustande gekommen war, dann brachte er es auf den zweiten Schirm am Cockpit und sandte es auch an die beiden Jäger von Kendig und Rimbo.
Für einige Momente war es danach sehr still, als sich alle der Tatsache bewusst wurden, was sie dort sahen.
„Das verdammte Mistding hat sich geteilt!“ stellte Rimbo stellvertretend für alle klar.
Wieder hatte Jorik bereits am Computer weitergearbeitet. „Aus allen acht Armen des Hauptstrangs haben sich weitere Arme abgezweigt. Insgesamt zweiunddreißig. Sie sind dünner als die Hauptarme, aber...!“
„...immer noch groß genug für jede Menge hässliche Feinde!“ beendete Kendig den Satz.
„Richtig!“ erwiderte Jorik.
„Welchen Kurs hat diese Anomalie?“ fragte Cosco.
„Na welchen wohl, Dad?“ rief Kendig. „Das Ding ist im Direktanflug auf das Imrix-Gelände!“
„Jorik?“ Cosco drehte sich wieder zu ihm um.
„Ich fürchte, Kendig hat Recht!“ gab Jorik mit einem müden Nicken zurück und sein Blick wurde sehr traurig.
„Wie lange noch?“
„Wie lange noch was?“
„Bis sie Imrix erreicht hat?“
„Ich würde sagen, eine, höchstens zwei...!“ begann Jorik.
„Wie wäre es mit gar keine..!?“ platzte Rimbo dazwischen und starrte auf die Dutzende von feindlichen Jägern, die aus der Anomalie schossen.
„Mist!“ meinte Kendig. „Und ich dachte, ich wäre hier auf einem beschaulichen Ausflug durchs Ländle!“
„Blödmann!“ grummelte Rimbo. „Komm lieber nach vorn und decke meinen Arsch!“ Deutlich war zu sehen, dass der Feind zwar hauptsächlich über dem Imrix-Gelände seine tödliche Bombenfracht abwarf, doch es war allen klar, dass es nicht lange dauern würde, bis man sie entdeckt hatte.
„Ich komme zu dir...!“ erwiderte Kendig. „...aber ich werde weder deinen Arsch, noch sonst was von dir decken. Hol dir für so was gefälligst ein paar Tunten!“ Kendig erhöhte kurz seinen Schub und zischte an der Amarula vorbei neben Rimbos Jäger.
„Was machen wir jetzt?“ fragte Shamos und starrte wie alle anderen auch mit großem Entsetzen aus dem Cockpitfenster auf das sich vor ihnen ausbreitende Schlachtfeld. Etwa fünfzig Jäger donnerten über das Gelände der Imrix-Corporation und zerstörten dabei fast schon gewohnt systematisch jeden Quadratzentimeter. Auf dem Gelände gab es zwar einen Haufen Flugzeuge, doch nur wenige davon waren überhaupt bewaffnet. Irgendjemand hatte die meisten von ihnen auch noch rechtzeitig in die Luft aufsteigen lassen, doch waren die Piloten kaum erfahren im Luftkampf. Die Gegenwehr, die sie auf die Beine stellten, war absolut kläglich und sie mussten alle mit einem grausamen Tod bezahlen. Entsprechend konnte der Feind auf dem riesigen Areal schalten und walten, wie er wollte, doch machte er wie schon in Ara Bandiks nicht einmal den Hauch von Anstalten, das Gelände zu besetzen oder darauf zu landen, es zu erobern, in Besitz zu nehmen, Gefangene zu machen. Alles, was ihm wichtig erschien, war eine gnadenlose, flächendeckende und konsequente Zerstörung von allem, was sich unter ihm ausbreitete. Und das beherrschte er ganz offensichtlich nahezu perfekt.
„Wollen wir versuchen, sie zu umzingeln?“ fragte Rimbo gereizt.
„Wir müssen unseren Kurs ändern!“ sagte Cosco knapp, erhielt aber keine Erwiderung. Deshalb drehte er sich zu Jorik um. „Jorik?“
Jorik saß hinter dem Computer und starrte ausdruckslos aus dem Cockpit auf den Kampf direkt vor ihnen. Man sah ihm deutlich an, dass er in diesem Moment nur körperlich anwesend war.
„Jorik?“ Shamos drehte sich ebenfalls zu ihm. Als er seinen Freund mit traurigem Gesicht zusammengesunken sitzen sah, verspürte er wieder einen Stich im Herzen und er wusste sofort, was jetzt in Joriks Kopf vorging.