Ben - Alfred Broi - E-Book

Ben E-Book

Alfred Broi

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Beschreibung

Bevor die Genesis-Saga in ihr episches Doppelfinale geht… …kommt der Broi hier einmal ganz anders - Ben Riley ist Architekt und geschieden … und ein mürrischer, wortkarger Egoist. Er lebt allein in einer großen Wohnung, in die er sich gern zurückzieht, um Kontakten und Konflikten aus dem Weg zu gehen. Sie ist seine Festung und er der uneingeschränkte Herr darin. Nach einer Phase des Selbstmitleids ist Ben mittlerweile sehr zufrieden mit diesem Leben, das ihm Kontinuität und Sicherheit gibt. Bis zu dem Tag, an dem sein Kollege und eigentlich einziger Freund Derek Foreman, vollkommen aufgelöst vor der Tür steht. Obwohl sein Inneres Ich ihm sagt, er solle ihn wieder wegschicken, lässt er ihn ein – ohne zu ahnen, dass sich sein Leben dadurch grundlegend ändern wird. Jetzt muss er reden, wird nach seiner Meinung gefragt, soll Ratschläge geben und die Probleme seines Freundes auch noch verstehen! Und nicht nur das: Auch seine ungeliebte Chefin Allyson benimmt sich plötzlich vollkommen merkwürdig. Und als ob all das noch nicht reicht, versucht seine Exfrau Sophia offensichtlich, ihn wieder einmal schamlos zu manipulieren. Und so findet sich Ben nicht entspannt auf seiner Couch wieder, sondern mittendrin in genau dem chaotischen Wirrwarr, dem er eigentlich entsagt hatte: Dem Leben! Ben…ist ein amüsanter, bunter Blick auf das Leben voller Überraschungen und Windungen - direkt, offen und…wie gewohnt…tabulos, dabei aber immer ehrlich und echt…jedoch auch mit einem gehörigen Augenzwinkern…

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Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

60. Kapitel

61. Kapitel

62. Kapitel

63. Kapitel

64. Kapitel

65. Kapitel

66. Kapitel

67. Kapitel

68. Kapitel

69. Kapitel

70. Kapitel

71. Kapitel

72. Kapitel

73. Kapitel

74. Kapitel

75. Kapitel

76. Kapitel

77. Kapitel

78. Kapitel

79. Kapitel

80. Kapitel

81. Kapitel

82. Kapitel

83. Kapitel

84. Kapitel

85. Kapitel

86. Kapitel

87. Kapitel

88. Kapitel

89. Kapitel

90. Kapitel

91. Kapitel

92. Kapitel

1. Kapitel

Da stand sie:

Brünette Haare, die in verspielten, kleinen Naturlocken sanft bis zwischen die Schulterblätter fielen.

Eine schlanke Figur mit einem kleinen, knackigen Po, der unter dem enganliegenden, knielangen, schwarzen Lederrock wundervoll zur Geltung kam. Darüber ein weißes Satin-Top mit Spaghettiträgern, das das zarte Schimmern kakaobrauner, sonnenverwöhnter Haut noch verstärkte.

Eine echte Traumfrau!

Zumindest bis hierhin. Denn aus seiner Position heraus – er stand etwa fünf Meter hinter ihr - konnte Ben sie zunächst nur von dieser Seite aus betrachten, wie sie sich interessiert und lebhaft mit einer anderen, deutlich älteren Frau unterhielt.

Doch Ben konnte es mehr als deutlich spüren: Wenn er sich ihr erst genähert und sie umrundet hatte, würde er in das mit Abstand wundervollste, schönste und atemberaubendste Gesicht blicken, das ihm je untergekommen war. Mit Augen wie funkelnde Juwelen, feinen, ebenmäßigen und höchstattraktiven Gesichtszügen und dem sinnlichsten Mund, den man sich nur vorzustellen vermochte, mit Lippen so weich wie Wattebäusche.

Und obwohl er das nie und nimmer von seiner Position aus einschätzen konnte, glaubte er fast schon zu wissen, dass diese Frau mit Ende Dreißig genau in dem richtigen Alter für ihn war.

Langsam und behutsam setzte Ben einen Fuß vor den anderen, näherte sich ihr zunächst weiter von hinten. Dabei spürte er eine gewisse Unruhe, die er damit begründete, dass er befürchtete, dass sie gehen würde, bevor er bei ihr war und sie ansprechen konnte.

Gleichzeitig huschten immer wieder Namen durch seinen Kopf: Susan! Ja, das wäre ein schöner Name für sie. Jasmin! Oh, noch besser. Jennifer! Auch schön. Sophia! Pri… Nein, nicht so wie seine Ex-Frau. Alles, nur das nicht. Selena! Oh wow, wundervoll. Selena. Sexy, geheimnisvoll, feurig. Ja, bestimmt hörte dieses wundervolle Geschöpf auf diesen wohlklingenden Namen.

Diese Traumfrau, die er jetzt mit einigen seitlichen Schritten umrundete.

Noch immer unterhielt sie sich, schien nicht gehen zu wollen.

Ben spürte Hoffnung, als sein Herz plötzlich erheblich schneller schlug, weil die Frau unvermittelt auflachte. Ein wohlklingendes, offenes, fröhliches und doch sanftes und liebevolles Lachen über einen Scherz, den ihre Gesprächspartnerin soeben gemacht hatte. Dabei wippten ihre Locken auf und ab und strichen verspielt über ihre samtweiche Haut.

Ben spürte Zuversicht. Ja, das war eine Frau, von der man wahrlich nur träumen konnte. Und er würde sie gleich umrundet haben, dann direkt vor sie treten, ihr tief in die Augen schauen und sie ansprechen.

Und während ihrer beider Herzen von einem Wirbelsturm aus Verlangen, Lust und Leidenschaft erfasst werden würden, würde pure Magie ihre Lippen aufeinander bringen und sie in einem Meer aus Liebe und Sinnlichkeit versinken.

Sein Puls hämmerte in einem trommelnden Rhythmus unter seine Schädeldecke, sein Herz setzte treibende Schläge gegen seinen Brustkorb, pures Adrenalin wurde ausgeschüttet, ließ seinen ganzen Körper vibrieren, ja beinahe schweben.

Und dann war es soweit: Er hatte die Frau umrundet, brauchte sich nur noch zu ihr herumdrehen und alles, was er sich so sehr erträumt, ersehnt, erwünscht und erhofft hatte, würde endlich wahr werden.

Nur noch eine Sekunde, einen Augenblick, einen Atemzug, einen Wimpernschlag und dann…

Mmmööööööppp!

Mmmööööööppp!

Ein widerliches Geräusch in einer so penetrant ätzenden Tonlage und einer so durchdringenden Lautstärke, dass er fast einen Herzinfarkt bekam.

Mmmööööööppp!

Bens Kopf zuckte sofort herum auf der Suche nach dem Ursprung dieses akustischen Gewaltakts, doch er konnte nichts erkennen. Als er jedoch wieder nach vorn sah, musste er feststellen, dass alle umstehenden Personen ihn anstarrten, als wäre er selbst die Ursache dieser Frechheit.

Mmmööööööppp!

Plötzlich schien es ihm auch selbst, als wäre dies tatsächlich der Fall. Das unverschämte Geräusch war irgendwo ganz in seiner Nähe.

Mmmööööööppp!

Ben fühlte sich ziemlich hilflos, mehr noch, als er sehen konnte, wie nun auch die unbekannte Schönheit ihr Gespräch mit der älteren Dame unterbrach und ihren Kopf in seine Richtung wandte.

Mmmööööööppp!

Und dann geschah es:

Das gesamte Bild vor seinen Augen begann urplötzlich zu verschwimmen, wie frische Farbe im Regen. Quasi mit jedem Millimeter, den sich der Kopf der Frau herumdrehte, beschleunigte sich dieser Vorgang immer mehr.

Bens Hilflosigkeit wich echter Panik. Er wusste nicht, was hier los war, er konnte sich aber auch aus einem undefinierbaren Grund nicht mehr bewegen, war nur noch zum Zuschauen verdammt. Er starrte auf den Kopf der Frau, hoffte aus tiefstem Herzen und wusste doch, dass das Bild längst komplett verschwommen sein würde, noch bevor er ihr wundervolles, einmaliges, atemberaubendes Gesicht sehen konnte.

Mmmööööööppp!

Verdammt nochmal, der Lärm soll endlich aufhören! brüllte er, doch kamen keine Worte aus seinem Mund. Stattdessen formte sich ein Schrei in ihm. Pure Verzweiflung und echter Zorn nährten ihn, weil ihm die Erfüllung seiner Wünsche verwehrt wurde.

Mmmööööööppp!

Im Gegensatz zu seinen Worten, fand der Schrei sehr wohl einen Weg nach außen. Und es war, als würde ihn ein kräftiger Sog hinfort reißen.

Deutlich konnte er für einen Augenblick einen Luftzug spüren.

Doch als er danach wieder seine Augen öffnete, war urplötzlich alles ganz anders:

Er flog nicht, er stand nicht einmal. Er saß. Auf seinem Bett. Im Licht der aufgehenden Sonne, dass durch die Fenster in sein sehr geräumiges Schlafzimmer fiel.

Doch eines war geblieben: Das widerliche Geräusch, dass ihn mittweilerweile total nervte.

Mmmööööööppp!

Sein Wecker!

Verdammtes Mistding!

Noch während er sich förmlich herumwarf, um ihn auszuschalten, wogte eine Welle der Enttäuschung und des Frustes durch seinen Körper, weil der Wecker nicht nur verhindert hatte, dass diese Traumfrau jetzt in seinen Armen lag, sondern ihm auch klarmachte, dass alles nur eine Fiktion war, die sich in purem Zorn manifestierte, als Ben seine rechte Hand zur Faust ballte und mit einem wilden Aufschrei auf das Gerät donnerte, dass das Gehäuse zerbarst und mit einem lauten Scheppern vom Nachttisch flog.

Mit einem tiefen Stöhnen fiel Bens Oberkörper halb auf die Bettkante, sodass er sehen konnte, wie die Nervensäge zu Boden schlug – direkt neben eine geöffnete Zeitschrift, die dort lag. Er erinnerte sich, dass er gestern Abend vor dem Einschlafen kurz darin geblättert hatte. Jetzt lag sie offen da und Ben konnte nur zu genau das Bild eines Modells erkennen, das für einen Optik-Konzern Werbung machte.

Die Frau hatte brünette, naturgelockte Haare, eine schlanke Figur, die in einem enganliegenden, knielangen, schwarzen Lederrock und einem weißen Satin-Top mit Spaghettiträgern steckte, unter dem sich das zarte Schimmern kakaobrauner, sonnenverwöhnter Haut zeigte.

„Verdammt!“ brummte Ben. Das also war seine Traumfrau gewesen. Zugegeben war sie wirklich sehr attraktiv, aber doch eindeutig noch keine Dreißig, womöglich nicht einmal Zwanzig. Und ihr Gesicht war zwar sehr hübsch, aber längst nicht wundervoll oder gar atemberaubend, wie ihm das sein Traum vorgespielt hatte.

Mit einem weiteren Stöhnen drehte er sich zurück auf das Bett und ließ seinen rechten Arm achtlos auf die Matratze fallen.

Im nächsten Moment ertönte ein lautes Quieken. Ben erschrak sichtlich und riss seinen Arm wieder in die Höhe. „Leroy!“ Himmel, er hatte gar nicht bemerkt, dass sein Kater neben ihm geschlafen hatte. Mit einem Satz war das Tier auf den Beinen und starrte ihn aus großen Augen an. Offensichtlich hatte es so tief geschlafen, dass es noch ziemlich geschockt war. „Tut mir leid, ich…!“ Ben wollte dem Kater über den Kopf streicheln, doch er erntete nur ein wüstes Fauchen mit durchgedrückten Beinen und aufgestelltem Nackenfell. Ja, Leroy war eindeutig noch nicht wirklich wach. Mit einem weiteren Fauchen wandte er sich ab und sprang vom Bett. Während Ben seinen eigenen Schreck erst noch verdauen musste, trottete der Kater müde und ein wenig torkelnd aus dem Zimmer. „Alter, es tut mir wirklich leid!“ rief Ben ihm hinterher. „Ehrlich, es war doch nur…!“ Weiter kam er nicht, denn als er jetzt seinen rechten Arm wieder auf das Lacken senkte, bemerkte er eine feuchte Stelle dort. Als er dorthin sah, konnte er tatsächlich einen nahezu kreisrunden, etwa Handteller großen Fleck erkennen. „Hast du etwa?“ Sofort verdächtigte Ben seinen Kater, dass er vielleicht ins Bett gemacht hatte und warf seinem gerade um die Ecke biegenden Schwanz einen verärgerten Blick hinterher. Dann hob er das Laken an, um zu sehen, wie weit die Sauerei sich bereits ausgebreitet hatte, als er erneut innehielt und einen vollkommen entsetzten Gesichtsausdruck bekam. „Oh Scheiße!“ Er sah noch einen zweiten Fleck gleicher Art – auf seiner Schlafhose! „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ Vollkommen entgeistert realisierte er, dass nicht Leroy der Verursacher war, sondern er selbst. Sein ach so wundervoller Traum, hatte ihn ganz offensichtlich weitaus mehr erregt, als er das gespürt hatte. Und das, obwohl er noch nicht einmal Hand an seine Traumfrau gelegt hatte, geschweige denn mit ihr in wilder Ekstase um die Welt geritten war. Knallhart erkannte er, dass es wirklich höchste, nein allerhöchste Zeit wurde, mal wieder eine echte Frau zu spüren, wenn ihn schon ein so verhältnismäßig harmloser Traum zum Höhepunkt treiben konnte. „So ein Mist!“ stöhnte Ben echt frustriert, stieg aus den Bett, zog sofort seine Schlafhose aus und das Laken vom Bett und brachte alles zusammen mit der Schlafdecke ins Badezimmer, wo er es missmutig in den Wäschekorb stopfte.

Dann ging er unter die Dusche, um seinen Kopf, aber auch seinen Körper wieder klar zu bekommen.

Das heute jedoch offensichtlich absolut nicht sein Tag werden würde, musste er nur wenige Minuten später schmerzhaft erkennen: Ihm fiel das Duschgel aus der Hand. Als er sich danach bückte, geriet sein Kopf in den Wasserstrahl, was ihm Shampoo in die Augen trieb, sodass seine Sicht für einen Augenblick getrübt war und er beim Aufrichten mit dem Kopf gegen den Wasserhahn knallte. Der Schlag war nicht gerade fest und tat eigentlich auch nicht wirklich weh, aber er erschrak so sehr, dass er seinen Kopf ruckartig zur Seite riss, dabei das Gleichgewicht auf dem rutschigen Boden verlor und der Länge nach hinschlug – was dann doch wehtat und Ben schmerzhaft aufschrie. „Verdammter Mist!“ stöhnte er, während er sich mühsam wieder aufrappelte.

In genau diesem Moment hörte er die Türklingel!

Er verharrte kurz in seiner Bewegung, als wäre er nicht sicher, ob er sie wirklich vernommen hätte, doch plötzlich bekam er große Augen. „Die Tickets!“ In einer flüssigen Bewegung drehte er den Wasserhahn ab, öffnete die Duschkabine und fischte ein Handtuch vom Halter. Während er aus der Kabine stieg, faltete er das Handtuch auf und legte es sich um die Hüften. Dann stürmte er los.

Seit klein auf schon war er ein großer Fan von Bryan Adams. Und nächste Woche gab der eines seiner seltenen Konzerte in dieser Stadt. Ben hatte sich früh um eine Eintrittskarte bemüht, aber er war schon zu spät gewesen. Einige Zeit schob er echten Frust darüber, letztlich aber hatte er sich doch damit abgefunden. Bis er durch puren Zufall im Internet jemanden getroffen hatte, der noch zwei Karten dafür besaß und bereit war, sie zu verkaufen, weil er selbst unglücklicherweise verhindert sein würde. Der Preis war dennoch nahezu unverschämt gewesen und er musste auch beide Karten abnehmen, doch Ben wusste, dass Bryan Adams jeden Preis wert war. Deshalb schlug er zu. Die Karten sollten in den nächsten Tagen per Post kommen. Das war vorgestern gewesen. Da er sonst nichts bestellt hatte, was ein Bote persönlich abliefern musste, konnte es sich jetzt normalerweise nur um die Tickets handeln. Und da er nicht riskieren wollte, dass der Bote unverrichteter Dinge wieder abzog und er die Karten nicht mehr rechtzeitig bekam, musste er jetzt so triefendnass, wie er war, eben zur Tür rennen.

Zumindest wollte er das, denn kaum hatte er mehr als drei Schritte in den Flur hineingemacht, da spürte er plötzlich etwa Weiches unter seinem rechten Fuß. Zeitgleich ertönte das halb überraschte, halb zornige Quieken einer Katze. „Leroy!“ rief Ben ebenfalls in einer Mischung aus Schreck und Verärgerung aus, während er seine Arme ausbreitete, um nicht umzufallen, was ihm jedoch nicht gänzlich gelang und er eine kleine Holzschale von der Flurkommode fegte, in der einige Schlüssel abgelegt waren. „Zum Teufel, verschwinde hier!“ Als Antwort bekam er ein bösartiges Fauchen, doch konnte er sehen, wie sich sein Kater umdrehte und in Richtung Wohnzimmer rannte. „Warte gefälligst, bis du dran bist!“ Natürlich tat es ihm leid, dass er den Kater schon zum zweiten Mal geärgert hatte, doch die Tickets waren jetzt einfach wichtiger. Entschlossen setzte er seinen Weg zur Wohnungstür fort. Dabei achtete er erneut nicht auf seine Schritte und als er mit dem linken Fuß auf einen der herabgefallenen Schlüssel trat, zuckte er zusammen, stöhnte mehrmals auf und humpelte dann mit schmerzverzerrtem Gesicht weiter.

Als er die Tür erreicht hatte, klingelte es zum wiederholten Male. Ohne zu zögern öffnete Ben und verharrte dann sichtlich überrascht, während er den weiblichen FedEx-Boten mit großen Augen anstarrte, weil die Frau etwa in seinem Alter mit Proportionen aufwarten konnte, die ihn in seiner momentanen Situation beinahe schon erschreckten. Bei einer Körpergröße von kaum hundertsechzig Zentimetern sprengte ihr Busen in Doppel-DD geradezu das enganliegende Polo-Shirt, wurde aber von einem leichten Rundum-Rettungsring noch daran gehindert, der Schwerkraft Tribut zu zollen. Ihr Kopf mit dem kurzgeschnittenen, hellblonden Haar wirkte seltsam klein auf den Schultern, ihr Gesicht mit den Pausbäckchen und den kleinen rehbraunen Augen auf den ersten Blick noch einigermaßen niedlich, auf den zweiten jedoch viel zu grell geschminkt. Als Ben sie ansah, bemerkte er, dass sie außer Atem schien und sich Schweiß auf ihrer Stirn zeigte.

Die Frau sah zunächst Ben mit gestresstem, wenig freundlichem Blick ins Gesicht, doch als sie erkannte, dass er nur mit einem Handtuch bekleidet war, huschte ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie wurde für einen Augenblick nervös, bevor sie leise kicherte, komische Stöhn- und Brummgeräusche machte, die in ihrem voluminösen Körper wie in einer Kirchenglocke nachhallten und ihn dann mit einem schmachtenden Blick förmlich auszog – wenn er das denn nicht schon gewesen wäre. „Guten Morgen…!“ hauchte sie mit funkelnden Augen. „…Süßer!“

„Sie sind früh!“ erwiderte Ben mit einem verzogenen Grinsen, weil ihm bewusstwurde, dass es tatsächlich noch sehr früh für eine solche Lieferung war.

„Der frühe Vogel fängt den Wurm! Wenn ich gewusst hätte, was mich hier erwartet, wäre ich noch früher gekommen!“

„Was?“ Ben war etwas irritiert. Versuchte diese Frau etwa, ihn derart dreist anzubaggern?

„Ist die Dusche noch heiß?“

„Was? Nein!“ Ben schüttelte den Kopf. Um Himmels willen! „Ich bin fertig!“

„Schade!“ Die Frau schob die Unterlippe nach vorn, doch dann lächelte sie wieder. „Aber ein kleiner Quickie im Flur tut es auch, was?“ Sie glühte ihn wieder unverhohlen an.

„Nein, bitte!“ Er grinste verzerrt. „Nicht heute! Ich meine: Was haben sie für mich?“ Ben wurde etwas nervös.

Daraufhin verlor die Frau ihr Lächeln und musterte ihn für eine Sekunde durchdringend, bevor sie doch wieder lächelte. „Schon gut!“ Ihr Blick wurde ein wenig traurig. „War nur Spaß! Der Tag wird lang und hart genug werden. Nichts für ungut!“ Sie sah Ben an und der nickte. „Ich habe hier einen eingeschriebenen Brief für Mister Ben Riley!“ Sie zog das Postgut aus ihrer großen Umhängetasche.

„Das bin ich!“ Jetzt begannen Bens Augen zu leuchten. Ja, das konnten nur die Tickets sein!

„Ich brauche ihren Ausweis, bitte!“

„Meinen…?“ Ben stöhnte auf. „Moment!“ Damit drehte er sich um, huschte zur Kommode im Flur, fischte seinen Ausweis aus der Brieftasche und rannte zurück, während die Frau in der Tür ihm mit einem breiten Lächeln hinterherstarrte, das erst wieder einer teilnahmslosen Miene wich, als Ben erneut vor ihr stand. „Hier!“ Er reichte ihr seinen Ausweis.

Die Frau prüfte seine Adresse und das Foto, dann nickte sie. „Alles klar!“ Sie holte einen kleinen Kasten aus der Umhängetasche und hielt ihn Ben mit einem Kunststoffstäbchen vor die Nase. „Einmal unterschreiben, bitte!“

Ben tat, wie geheißen.

„Danke!“ Die Frau war zufrieden, verstaute das Gerät wieder in ihrer Tasche und reichte ihm den Ausweis zurück.

Ben war aber leider schon so sehr auf den anderen Umschlag fixiert, dass er seinen Ausweis nur achtlos entgegennahm – und ihn sogleich fallen ließ. „Oh!“ Ben erschrak und sein Oberkörper zuckte förmlich nach unten.

„Oh!“ Auch die Frau bemerkte sein Missgeschick. Sie wollte ihm helfen und auch ihr Oberkörper zuckte nach unten.

Ein hohles Klack-Geräusch war zu hören, als ihre beiden Köpfe zusammenknallten. Während der Frau jedoch kein Ton entwich, stieß Ben einen überraschten Schrei aus. Er verlor das Gleichgewicht und kippte hinten über. Da er den Ausweis zuvor noch hatte ergreifen können, konzentrierte er sich fest darauf, ihn nicht wieder loszulassen – und vergaß dabei sein Handtuch. Während er der Länge nach zu Boden schlug, löste es sich von seinen Lenden und rutschte neben seinen Körper, sodass Ben jetzt vollkommen nackt war.

„Ein Jammer!“ stieß die Frau hervor, als sie sich wiederaufgerichtet hatte und grinste breit.

Ben war noch sichtlich durcheinander. Er sah, wie sie ihn anstarrte, wusste aber noch nicht warum. Erst, als die Frau einen Schritt auf ihn zu machte und sich zu ihm herabbeugte, wurde er sich seiner Blöße bewusst. Augenblicklich versteifte sich sein ganzer Körper, allerdings ausschließlich seines besten Stücks – Gott sei Dank! Die Frau aber schien die Situation wirklich ausnutzen zu wollen, denn ihr rechter Arm trieb nach vorn und kam ihm immer näher. Bens Gesicht zeigte echte Panik und als sich ihre Hand direkt über seinem Penis befand, stieß er ein fast schon irres Stöhnen aus. Das brachte ein breites Grinsen auf die Lippen der Frau. Einen Augenblick später ließ sie den Umschlag herabfallen, sodass er Bens Gemächt wunderbar verdeckte. Wieder entfuhr Ben ein irres, halb erleichtertes Quieken.

„Sorry, aber ich bin in Eile!“ meinte die Frau noch, als sie sich wieder erhob. „Vielleicht beim nächsten Mal! Bye!“ Sie drehte sich um und winkte über ihre rechte Schulter hinweg, trat in den Flur zurück und zog die Tür hinter sich zu.

Ben war noch immer derart geschockt über den Vorfall, dass er sich nicht bewegen konnte. Er starrte auf den Umschlag auf seinen nackten Lenden, sah vor seinem inneren Auge die Hand der Frau, wie sie sich darüberlegte und schluckte dann einmal demonstrativ und laut. Im selben Moment sah er, wie Leroy neben ihn trottete, sich hinsetzte, ihn ansah und einmal laut um Futter miaute. Da entspannte sich Bens Körper schlagartig und sein Kopf sackte mit einem lauten Stöhnen und einem frustrierten „Oh Mann!“ zurück auf den Boden. Dort atmete er hörbar aus und blies die Luft in die Wangen. Für einige Sekunden verharrte er dann vollkommen reglos und starrte zur Decke. Bis schließlich Leroy erneut miaute. Da drehte Ben seinen Kopf in seine Richtung. „Hast Recht, Alter!“ Er ergriff den Umschlag auf seinen Lenden und erhob sich. Dann fischte er das Handtuch vom Boden. „Na komm!“ meinte er und ging ins Wohnzimmer. Leroy folgte ihm. Den Umschlag legte Ben auf eine weitere Kommode, dann ging er in die Küche, wo er dem Kater zunächst etwas Trockenfutter in eine Schale am Boden und etwas Nassfutter in eine andere daneben schüttete. Dass er dabei etwas über den Rand kleckerte, ignorierte er. Der Küchenfußboden dort zeigte auch schon ältere Flecken dieser Art.

Ben drehte sich zur Anrichte. In der Spüle und daneben stapelte sich einiges an schmutzigem Geschirr. Teller, Besteck, Gläser, Tassen, Schalen. Als er das sah, verzog er für einen Augenblick die Mundwinkel, bevor er fast wie automatisch den Geschirrspüler öffnete. In dem Gerät befand sich noch Geschirr, allerdings nicht viel. Aber es war bereits sauber. Ben nickte zufrieden, nahm eine Tasse und einen Löffel heraus und schloss die Maschine wieder. Das schmutzige Geschirr beachtete er nicht weiter.

Dann ging er zu dem Kaffeeautomaten auf der Anrichte und schaltete ihn ein. Während sich die Maschine aufwärmte, bis sie Betriebstemperatur erreichte, verließ Ben die Küche und ging zurück ins Badezimmer, wo er sich rasierte und die Zähne putzte.

Nachdem er sich im Schlafzimmer eine dunkelblaue Jeanshose, ein rotes, leicht zerknittertes Baumwollhemd und eine schwarze Krawatte, die er locker umband, angezogen hatte, kehrte er zurück in die Küche. Er stellte die Tasse unter den Automaten und drückte dann die Taste für einen großen Pott Kaffee. Die Maschine röhrte zunächst heiser, als sie frische Bohnen malte, dann drückte sie das heiße Getränk mit mehreren Bar Druck in die Tasse. Dieser Vorgang dauerte etwa eine Minute. Als er abgeschlossen war, nahm Ben die Kaffeetasse an sich, füllte etwas Zucker hinein, rührte um, nippte kurz einen ersten, kleinen Schluck und trottete dann ins Wohnzimmer.

Dabei fischte er den Umschlag von der Kommode. Nachdem er sich auf die ausladende, herrlich bequeme Ledercouch gesetzt und die Kaffeetasse abgestellt hatte, öffnete er den Umschlag. Als er tatsächlich die beiden Eintrittskarten für das Bryan-Adams-Konzert in den Händen hielt, leuchteten seine Augen. Endlich!

Während er darüber nachdachte, was ihn dort erwarten würde, trank er den Kaffee. Im nächsten Augenblick sprang Leroy auf die Couch und schmiegte sich sofort schnurrend an ihn. Ben genoss diese Liebkosungen und streichelte seinen Kater ausgiebig. „Na, alter Junge!“ meinte er dann. „Wie sieht es aus: Lust auf Bryan Adams?“ Leroys Reaktion bestand darin, seinem Herrchen seinen Bauch entgegen zu recken. Ben musste grinsen. „Hast Recht!“ Er kraulte ihn weiter. „Aber wen soll ich mitnehmen?“ Er sah Leroy direkt an. „Allison?“ Er spielte damit auf seine Chefin an. Sie war in seinem Alter, wie er geschieden und sah einfach umwerfend aus. Allerdings funkten beide garantiert nicht auf einer Wellenlänge, was Ben eigentlich sehr schade fand. Er hätte schon sehr gern mit Allison… „Ich werde sie fragen!“ Plötzlich maute Leroy. „Wenn sie ablehnt?“ Ben zog die Augenbrauen in die Höhe. „Wer könnte meinem Charme schon wiederstehen, hör mal?“ Er grinste säuerlich, während Leroy brummte. „Foreman?“ Bens Gesicht verdunkelte sich, als er an seinen Arbeitskollegen und besten Freund dachte. Eigentlich seinen einzigen Freund. „Ich wollte eigentlich erst Spaß mit Bryan und dann Spaß mit meiner Begleitung haben!“ Leroy schnurrte. „Was sagst du?“ Ben lauschte und Leroy wälzte sich schnurrend um seine Längsachse. „Bist du sicher? Sophia??“ Bens Blick wurde erst ernst, als er an seine Exfrau dachte, dann säuerlich. Zwar lag ihre Scheidung schon zwei Jahre zurück, doch die Tatsache, dass Sophia ihn und nicht er sie verlassen hatte, lastete noch immer schwer auf seiner Seele. Mittlerweile verstanden sie sich eigentlich wieder ganz gut, wenngleich sie sich nur selten sahen. Damals aber hatten sie sich oft gezankt. Obwohl das nicht ganz stimmte: Sophia hatte versucht mit ihm zu reden und ihre offensichtlichen Probleme zu lösen, er hatte dazu aber keine Lust gehabt und sich stets davongemacht. Weiber! Warum mussten sie nur immer alles bereden? Doch Ben wusste, dass er jetzt ein Problem hatte: Er wusste, dass Sophia Bryan Adams mindestens genauso sehr mochte, wie er selbst. Daher wäre es nur fair gewesen, sie einzuladen. „Weißt du was, Leroy?“ rief Ben mit einem breiten Lächeln. „Ich werden den Escort-Service anrufen. Die sollen mir eine Nutte schicken, mit der man vorher auch ausgehen kann. Vielleicht die Rothaarige, die im letzten Jahr schon mal hier war!?“ Er schien einen Augenblick zu überlegen, dann aber schüttelte er den Kopf. "Nein, das ist vielleicht doch keine so gute Idee!" Er erinnere sich noch lebhaft daran, dass er überraschend Erektionsprobleme gehabt hatte, obwohl sie sehr bemüht um ihn gewesen war. Am Ende hatte Ben seinen Frust über sein eigenes Versagen an ihr ausgelassen und ihr vorgeworfen, es wäre ihre Schuld gewesen. Sie hatte daraufhin stinksauer die Wohnung verlassen und bei der Agentur sogar auf ihr Honorar für diesen Abend verzichtet. Die Erinnerung ließ ihn noch immer leicht rot werden. „Na, dann eben eine andere!" meinte er schließlich jedoch mit einem Achselzucken und grinste kurz. "Ich werde mich in der Mittagspause gleich darum kümmern!“

Und mit diesen Worten erhob er sich, legte die Tickets in eine Vitrine und brachte die Kaffeetasse in die Küche.

Fairness! Ben grinste innerlich. Von wegen! Sophia hatte ihn verlassen. Was hatte sie da schon noch von ihm zu erwarten?

Er stellte die Kaffeetasse zu dem anderen schmutzigen Geschirr, ging in den Flur, schnappte sich seine Schlüssel von der Kommode und eine Jacke vom Haken. Dann blickte er nochmals zu Leroy, der noch immer ausgestreckt auf der Couch lag. „Viel Spaß, Dicker!“ Er wollte schon gehen, als ihm noch etwas einfiel. „Maria kommt heute und macht hier Ordnung!“ Er warf Leroy einen ernsten Blick zu. „Versuch dieses Mal, ihr nicht ins Bein zu kratzen!“ Er wartete auf eine Reaktion des Katers, doch der gähnte nur. „Verräter!“ Ben grinste und drehte sich um. „Obwohl…!“ dachte er laut und an seine relativ neue, zweiunddreißigjährige, mexikanische Haushälterin. „Maria wäre auch eine gute Idee für das Konzert!“ Zwar sahen sie sich nicht oft und wenn, dann trug Maria immer ihre Arbeitskleidung. Doch Ben glaubte zu wissen, dass unter den unförmigen Klamotten eine durchaus attraktive Frau steckte. Vielleicht sollte er einen Versuch wagen!? Wenn es klappte, hatte er ja vielleicht einen schönen Abend mit nächtlichem Ausritt. Wenn nicht…na ja, Haushaltangestellte gab es mehr als genug, um sie danach auszutauschen.

Ben schloss die Haustür hinter sich und nahm sich vor, auf dem Weg zur Arbeit darüber nachzudenken.

2. Kapitel

Etwa eine halbe Stunde später fuhr Ben auf den Parkplatz seiner Firma.

Wie immer war er sehr zufrieden mit der Zeit, die er für die gut elf Kilometer lange Strecke gebraucht hatte. Um dies zu gewährleisten und auch, um nicht ständig in irgendwelchen Staus während der Rush-Hour zu stecken, hatte er sich anstatt eines Autos ein Motorrad angeschafft, was ihm allerdings nicht sehr schwer gefallen war, denn er mochte diese Art des Fahrens sehr.

Seine Wahl war hierbei auf die BMW R1200R gefallen. Mit ihrem mattschwarzen Design und der vergoldeten vorderen Lenkgabel war sie nicht nur optisch ansprechend, sondern hatte Ben seinerzeit besonders in ihren hervorragenden Fahreigenschaften überzeugt. Dabei hatte sie mit 125 PS genügend Power, um zügig durch die Straßen zu kommen und auch genug Reserven, um Gefahrsituationen gut bewältigen zu können, ohne jedoch gleich übermotorisiert zu wirken. Schließlich war Ben kein hirnloser Raser, dem erst bei Geschwindigkeiten jenseits der zweihundert Stundenkilometer so richtig einer abging.

Mit einem Preis von rund fünfzehntausend Dollar war sie zwar nicht billig gewesen, jedoch hatte er diese Investition nicht bereut.

Außerdem war Geld nie ein Problem für ihn gewesen. Wenn ich in manch anderen Bereichen meines Lebens so wenige Sorgen hätte, wie in finanzieller Hinsicht, wäre ich wohl ein glücklicher Mann, dachte er verbittert, doch wollte er zu so früher Stunde nicht schon wieder darüber nachdenken.

Ben lenkte das Motorrad in eine Parklücke und schaltete den Motor ab. Er zog den Helm vom Kopf, betätigte den Seitenständer und stieg ab. Er legte den Helm auf den Sitz, öffnete die über der Hinterachse angebrachte Seitentasche aus Kunststoff und holte seine Arbeitstasche aus dunkelbraunem, geschmeidigem Rindsleder hervor. Dann nahm er seinen Helm und machte sich auf den Weg ins Innere des sechzehn-stöckigen Gebäudes.

Dabei kam er an einigen Arbeitskollegen vorbei, die ihn allesamt grüßten. Bei denjenigen, die jünger waren, als er, kam ein "Guten Morgen, Mr. Riley!", gepaart mit einem freundlichen Lächeln, zusätzlich Anzeichen von Respekt, aber auch Unsicherheit. Die älteren Kollegen murmelten nur ein knappes "Morgen!", wobei sie nicht lächelten und Spuren von Distanz zu erkennen waren.

Ben kümmerte das wenig. Er nickte allen nur zu und blickte sie kaum an - außer natürlich sie waren weiblich und jung, dann zeigte sich sogar der Anflug eines Lächelns auf seinen Lippen.

*

Kurz bevor er den Eingang in das Gebäude erreicht hatte, fiel ihm der schneeweiße Audi Q5 seines Kollegen und einzigen Freundes Derek Foreman auf.

Riley verlangsamte seinen Schritt und blickte zur Fahrertür, als würde er erwarten, dass Foreman jeden Moment ausstieg. Tatsächlich war das auch so und als dies aber nicht geschah, legte Ben die Stirn in Falten, bevor er weiterging.

Derek arbeitete stets viel und hart für die Firma, doch war er morgens nie pünktlich, sondern immer mindestens eine halbe Stunde zu spät. Dafür aber blieb er sehr oft abends länger im Büro oder verzichtete auf seine Mittagspause. Nur sehr selten fing er morgens pünktlich an, absolut ungern aber sogar früher. Das tat er wirklich nur, wenn etwas brennend Wichtiges auf dem Plan stand, von dem Riley aber wusste, dass dies im Moment nicht der Fall war. Da beide zumindest beruflich sehr engen Kontakt hatten, hätte Ben von einer derartigen Sache Kenntnis gehabt.

Die Anwesenheit des Q5 machte ihn daher stutzig und während er das Gebäude und anschließend den Fahrstuhl betrat und in die zwölfte Etage hinauffuhr, überlegte er, welchen Grund es für Dereks Anwesenheit zu dieser für ihn unchristlichen Zeit wohl geben mochte.

*

Der Gong ertönte, die Fahrstuhltüren öffneten sich und Ben trat hinaus in den Flur. Fünf Meter vor ihm befand sich der Empfangstresen, auf dem mit großen, violetten, metallisch-schimmernden, geschwungenen Lettern

Strongholt Architectures

stand

Meine Schöpfung, dachte Ben jedes Mal, wenn er den Schriftzug sah. Vor jetzt fast fünfzehn Jahren hatte der damalige Firmeninhaber Howard Strongholt einen Wettbewerb unter den jungen, angestellten Architekten ausgeschrieben, einen neuen Schriftzug für das Firmenlogo zu entwerfen. Ben hatte ihn gewonnen und da er seither nie geändert wurde, konnte er ihn jeden Morgen beim Betreten der Büroräume sehen, was ihn stets noch immer mit Stolz erfüllte, aber auch besänftigte und milde stimmte.

Bei dem Gedanken daran, wie sich die Dinge entwickelt hatten, seit er im Alter von 26 Jahren hier angefangen hatte, kam erneut Frust in ihm auf.

Zu Howard Strongholt hatte er immer ein gutes, nein, sogar sehr gutes Verhältnis gehabt, besonders nachdem er den Schriftzug für das Firmenlogo kreiert hatte. Howard wusste Bens Fähigkeiten und Talente als Architekt zu schätzen, förderte ihn und nach sieben Jahren war er leitender Mitarbeiter mit einem wirklich ordentlichen Gehalt nebst Bonusvereinbarung. Das ging sechs wundervolle Jahre so - bis Strongholt vollkommen unerwartet einen schweren Herzinfarkt erlitt und daran verstarb.

Seine Nachfolgerin wurde seine Tochter Allison. Und eigentlich hätte die Welt damit vollkommen in Ordnung bleiben können. Allison war eine hervorragende Architektin und eine gewiefte Geschäftsfrau. Sie war sehr hübsch und ausgesprochen attraktiv, leidig, kinderlos und auch der Typ Frauen, den Ben mochte. Normalerweise hätten sie sich gut verstehen müssen, doch leider war genau das Gegenteil der Fall. Irgendwie waren sie wie Hund und Katze, bei denen allerdings die Floskel Was sich liebt, das neckt sich! absolut und überhaupt nicht zutreffen wollte. Ganz im Gegenteil: Sie hatten sich ständig in der Wolle. Die Arbeit mit Allison war schwierig, mühsam und ermüdend, weshalb Ben immer versuchte, so wenig Kontakt zu ihr zu haben, wie möglich. Doch in letzter Konsequenz war sie sein Boss und spätestens, wenn sie ihre Unterschrift leisten musste, war ein Aufeinandertreffen mit ihr unvermeidbar.

Ben hasste das, doch war er auch ein Gewohnheitsmensch. Irgendwie hatte er die Geschicke der Firma in den letzten Jahren mit gelenkt, tat dies ja auch heute noch, und daher war sie so etwas wie sein Zuhause geworden. Er wollte hier nicht weg - allerdings wollte er auch nicht ständig mit Allison aneinandergeraten. Beides aber ging nicht, also musste er einen Tod sterben. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer, doch war seine Stimmung zu Arbeitsbeginn seither eben nicht mehr die Beste.

*

Er grüßte Julie, die Empfangsdame, bog nach links ab und ging weiter zu seinem Büro am Ende des Ganges. Dabei kam er an Allisons Büro vorbei. Da alle Räume vollverglast und nur bis auf halbe Höhe blickdicht satiniert waren, konnte man entsprechend hineinsehen. Ben erkannte, dass Allison bereits anwesend war. Sie stand und schien auf ihn zukommen zu wollen. Seine Stimmung sank sofort noch mehr, weil er befürchtete, dass schon gleich der erste Ärger drohte, doch dann erkannte er, dass sie ihr Handy am Ohr hatte und aufmerksam lauschte. Sie warf ihm nur einen flüchtigen, ernsten Blick zu und hob kurz die Hand zum Gruß, was er mit einem Nicken und einem gequälten Lächeln erwiderte, dann wandte sie sich ab.

Ben entspannte sich. Glück gehabt!

Dann hatte er sein Büro erreicht. Bevor er jedoch hineinging, blickte er in Foremans Büro direkt gegenüber, konnte seinen Freund aber dort nicht ausmachen.

Komisch, dachte er und wollte sich schon weitere Gedanken darübermachen, als er die Tür zu seinem Büro öffnete, er sogleich ein lautes, raues Schnarren vernahm und im selben Moment schon Derek langgestreckt, mit dem Rücken zu ihm und schnarchend auf seiner Bürocouch erkennen konnte.

*

Was zum Geier ist denn hier los? rief er innerlich, während er abrupt und sichtlich erstaunt stehenblieb. Für einen Augenblick wusste er nicht recht, was er tun oder sagen sollte.

Er entschloss sich schließlich dafür, erst einmal die Tür zu schließen, seinen Motorradhelm auf ein Sideboard zu stellen und seine Arbeitstasche neben ein halbhohes Regal hinter seinem Schreibtisch. Dann wandte er sich um und betrachtete seinen schlafenden Freund.

Hatte er gestern etwa länger gearbeitet? Ben überlegte. Keine Ahnung! stellte er fest. Aber warum? Riley hatte keine Erklärung dafür. Allerdings ging ihm das knarrende Schnarchen allmählich auf die Nerven.

Also umrundete er den Tisch vor der Couch, legte seine linke Hand auf Foremans linke Schulter und rüttelte kräftig daran. "Aufwachen, Polizei!" sagte er mit strenger, dunkler Stimme, während er seine Hand wieder zurückzog. Doch er erhielt keine Reaktion. Mit einem leicht genervten Brummen, beugte er sich nochmals herab und wiederholte die Prozedur mit den Worten: "Hände hoch oder ich schieße!" Als er sich jetzt wiederaufrichtete, hatte das Schnarchen geendet und ein tiefes Stöhnen war zu hören, dem ein undefinierbares Grummeln folgte, während sich Foremans Körper langsam herumdrehte und er noch sichtlich orientierungslos mit den Augen blinzelte.

Ben ging das alles aber nicht schnell genug, daher brummte er nochmals und rief. "Sergeant, hetzen sie die Hunde auf ihn!" Zeitgleich stupste er Derek nochmals in den Rücken.

Das zeigte Wirkung.

Eben noch im Halbschlaf wirbelte Foreman herum und starrte Ben mit weitaufgerissenen Augen an. "Was?" rief er halb überrascht, halb entsetzt. "Was?" Und als er keine Antwort erhielt, jedoch in Rileys finsteres Gesicht blickte, richtete er sich ruckartig und erschrocken auf. Dabei war ein weiteres, gequältes Stöhnen zu hören. "Oh Gott!" stieß er hervor. "Ich bin unschuldig!"

"Von wegen!" rief Riley mit einem schiefen Grinsen. "Du bist auf frischer Tat ertappt!"

Doch Foreman hatte sich mittlerweile gefangen und war in der Realität angekommen. Schnell erkannte er, dass es nur Ben war, den er vor sich hatte. Mit einem tiefen Atemzug entspannte er sichtlich, allerdings so sehr, dass ihm ein harter, lauter Furz entfuhr. "Verdammt!" meinte er daraufhin und stöhnte nochmals.

"Alter, jetzt reicht es aber!" protestierte Riley mit verzogenem Gesichtsausdruck und machte einige schnelle Schritte zum Eingang. "Nicht nur, dass du meine Couch mit deinem hässlichen Hintern plattliegst…!" Er betätigte einen Schalter neben dem Lichtschalter, der die hier eingebaute Lüftungsanlage in Betrieb nahm. Augenblicklich war ein tiefes Summen zu hören, das schnell leiser wurde. Ein deutlicher Luftzug, der frische, gereinigte Luft in den Raum blies, aber war weiterhin zu spüren. "…jetzt verpestest du auch noch meine Luft!" Riley drehte sich herum und funkelte seinen Freund verärgert an.

"Sorry!" Foreman war die Sache sichtlich peinlich. "War keine Absicht!" Er versuchte zu lächeln, was ihm jedoch kaum gelang.

"Das will ich verdammt hoffen!" erwiderte Riley wenig freundlich. "Was zum Teufel machst du eigentlich hier?"

"Ich…!" hob Foreman sofort an, doch hielt er plötzlich inne, machte große Augen und schien für einen Moment an einem komplett anderen Ort zu sein. "…bin…!" Dann sanken seine Gesichtszüge herab und er bekam einen ziemlich traurigen Blick. Schließlich schluckte er demonstrativ, als er Riley ansah und dabei beinahe verlegen wurde. "Ich…habe länger gearbeitet!" Er lächelte, aber es sah dümmlich aus. "Dann muss ich wohl müde geworden sein!"

"Ach?" rief Ben. "Und da legst du dich einfach auf meine Couch!?"

Plötzlich lächelte Foreman offen und nickte. "Sie ist so viel bequemer, als meine!"

"Hm!" brummte Riley mit verzogenen Mundwinkeln, da er wusste, dass das stimmte. Weiches Leder war einfach unschlagbar. "Weshalb hast du dich überhaupt genötigt gefühlt, länger zu machen? Ich wüsste nicht, dass irgendetwas Wichtiges anliegt!?"

"Was?" Foreman schien wieder nervös zu werden. "Doch!" Er nickte mehrmals. "Ich…!" Dann räusperte er sich. "Allison hat mir den Sunderland-Auftrag aufs Auge gedrückt!"

"Den Sunderland-Auftrag?" Bens Augenbrauen sanken herab. "Ich dachte, das wäre Mikes Baby?"

"War es ja auch!" Foreman nickte, dann wogte sein Kopf hin und her. "Ist es eigentlich auch noch immer!"

"Aber?"

"Aber ich soll ihn unterstützen. Allison traut ihm das allein wohl noch nicht zu!" Er sah Riley an und verzog die Mundwinkel. "Aber du weißt ja, was das heißt: Im Grunde genommen hat sie damit mir die Verantwortung übertragen! Wenn jetzt etwas schiefgeht, macht sie mir die Hölle heiß!"

Jetzt grinste Riley mit leuchtenden Augen. "Sie wird dir die Eier abreißen, Alter! Langsam und genüsslich. Und nachher zum Frühstück verspeisen!"

"Ja, Danke auch!" Foreman war sichtlich bedient. "Du solltest Motivationscoach werden!" Ben grinste nur noch mehr. Doch anstatt, dass ihn das noch mehr verbitterte, lächelte Derek plötzlich. "Aber jetzt weißt du, warum ich gestern Nacht hier war!"

"Okay!" Riley nickte. "Aber das erklärt noch nicht die Sache mit dem Furz!"

Foreman grinste breit. "Zu viel Kaffee!" Er erhob sich von der Couch. "So, ich muss dann auch mal wieder weitermachen!" Er ging zur Tür. "Danke für den Schlafplatz!"

"Wage es ja nicht, das zu wiederholen!"

Foreman blickte beinahe erschrocken, als würde ihn dieses Verbot jetzt wirklich in echte Bredouille bringen. "Okay!" Er nickte unterwürfig. "Kommt nicht wieder vor!"

Jetzt schien Ben zufrieden. "Wasch dich und zieh dir ein anderes Hemd an. Du müffelst nach altem Schweiß…und Furz!"

Foreman zog die Augenbrauen hoch und nickte. "Alles klar!" Dann wandte er sich mit einem tiefen Stöhnen ab und verließ das Büro.

Riley sah ihm hinterher, wie er den Flur überquerte und in seinem eigenen Büro verschwand. Dabei hatte er das untrügliche Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte.

Was das aber sein sollte, vermochte er nicht zu sagen.

Vielleicht, weil Derek heute nicht so schlagfertig war und seine so beschissen positive Ausstrahlung fehlte, die manchmal so grell war, dass Riley glatt hätte kotzen können.

Wie konnte ein Mensch nur so fröhlich, aufgeschlossen, positiv eingestellt und liebenswürdig sein? Ben spürte, wie ihm förmlich wieder unwohl wurde, obwohl er eigentlich wusste, dass die Frage anders lauten musste: Warum nur konnte er nicht so fröhlich, aufgeschlossen, positiv eingestellt und liebenswürdig sein?

Weil ich dann kotzen müsste!

Verdammt, Riley! schalt er sich selber. Reiß dich zusammen!

Denn Tatsache war, dass er Derek wirklich beneidete: Um seine Sicht der Dinge und wie er sie anging. Um die Art, wie er mit anderen umging. Um die Stärke, sich von Rückschlägen nicht entmutigen zulassen, gleichsam Energie aus Erfolgen zu ziehen und davon zu zehren. Um die Leichtigkeit, Dinge auch einfach mal nur zu belächeln, anstatt sie zu analysieren. Oder schlicht alles auf einen Punkt gebracht: Um sein Verständnis vom Leben!

Im Gegensatz zu ihm, hatte Derek viele Freunde, die ihn mochten, respektierten und vielfach sogar um Rat fragten. Ben hatte nur Derek. Und ihre Freundschaft war auch nicht wirklich das, was man eng nennen konnte, zumindest nicht, sobald man sie außerhalb des Jobs betrachtete.

Anders als Ben, mochten die meisten Mitarbeiter - vor allem die weiblichen - Derek als Kollegen und Menschen. Riley allerhöchstens als Kollegen - und dann wohl auch nur wenige.

Derek hatte sogar ein gutes Verhältnis zu Allison, obwohl sie ihn eigentlich ebenso nervte und quälte, wie sie Ben traktierte.

Und Foreman hatte im Gegensatz zu Ben eine Ehefrau.

Ihr Name war Leyla und sie war atemberaubend schön und hinreißend attraktiv.

Wie nur hatte sich Derek je eine solche Frau an Land ziehen können?

Die Antwort war einfach und schmeckte bitter zugleich:

Obwohl Ben eigentlich der hübschere Mann von den beiden war (er war fünf Zentimeter größer, als Derek, muskulöser gebaut, hatte eine sportlichere Figur, eine deutlich attraktiveres Gesicht und wusste sich modischer zu kleiden, als Foreman), war Derek um Längen geschickter, selbstbewusster, aufmerksamer und empfindsamer im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht, als Ben es wohl je sein könnte. Alle Frauen - ob jung oder alt - mochten ihn und einige von ihnen sahen ihn sogar schmachtend an. Ben warfen sie eher verunsicherte und einige fast schon ängstliche Blicke zu. Wenn er ins Zimmer kam, verstummten die Gespräche, zumindest aber wurden sie leiser. Private Worte gab es so gut wie nie und für den Fall, dass tatsächlich mal Jemand so unvorsichtig war, ihm nähertreten zu wollen, hatte er stets einige zynische und harte Worte parat, um diese zarte Blume wie mit einem chemischen Giftcocktail sofort auszumerzen. Im Nachhinein tat Ben sein Verhalten meist leid und er ärgerte sich selbst am meisten über sich, doch schon bei der nächsten Gelegenheit gab er sich wieder ätzend und abweisend.

Es geschieht dir ganz Recht, dass dich keiner leiden kann! hetzte er gegen sich selbst. Und auch, dass Sophia dich verlassen hat!

Bei dem Gedanken an seine Exfrau spürte er einen echten Stich im Herzen.

Sie ist meine größte Niederlage, wusste er.

Denn so, wie er sich anderen gegenüber verhielt, hatte er sich mit zunehmender Dauer ihrer Ehe auch Sophia gegenüber verhalten. Anstatt immer weiter zusammenzuwachsen, hatte er es zugelassen, dass sie sich voneinander entfernten. Nachdem Sophia das anfangs scheinbar nicht realisiert hatte, steuerte sie, nachdem es ihr bewusstgeworden war, mit all ihrer Kraft dagegen. Doch weil Ben nicht mitzog, war dieses Unterfangen sinnlos. Da Sophias Liebe zu ihm aber so groß war, dauerte es fast bis zur Selbstaufgabe, bevor sie die Reißleine zog und sich von ihm scheiden ließ.

Bei dem Gedanken daran, wurde ihm beinahe schlecht.

Die größte Niederlage deines Lebens, wurde ihm zum x-ten Mal eiskalt bewusst.

Und er hatte es schon so oft bereut und sich gewünscht, es rückgängig machen zu können. Doch das war nicht möglich, denn Sophia hatte wieder eine neue Beziehung und er hatte nun wirklich nicht das Recht dazu, sich dort einzumischen.

Außerdem hatte er ihr nichts Neues zu bieten.

Ich war, bin und werde es immer sein: Ein Arschloch! stellte er fest.

Sophia war da, wo sie jetzt war, offensichtlich glücklich. Und dabei musste es auch bleiben.

Basta!

Dennoch konnte er nicht verhindern, sich seine Exfrau in Gedanken vorzustellen.

Und mochte Dereks Frau Leyla so schön und attraktiv sein, wie sie wollte, Sophia schlug sie wahrlich noch um Längen.

Die einzige Sache, die ich in meinem Leben je richtiggemacht habe - und ich habe sie versaut! Er verzog säuerlich die Mundwinkel. Riesenarschloch!

Er spürte, dass Wut, aber auch Verzweiflung in ihm aufkam, doch er wollte sich jetzt nicht damit herumärgern. Also zwang er sich an etwas Anderes zu denken.

Dabei fiel ihm wieder Derek und seine Begründung für seine Übernachtung auf Bens Couch ein.

Irgendetwas daran ließ ihn nicht los.

Und urplötzlich wusste er auch, was, denn er war sich mit einem Male ziemlich sicher, dass Foreman gestern Abend das Büro noch vor Riley verlassen hatte!

3. Kapitel

Ben beschloss, sich zunächst einen Kaffee aus der Küche zu holen, bevor er Foreman zur Rede stellte, doch auf dem Rückweg kamen ihm erste Zweifel, ob Derek gestern wirklich vor ihm gegangen war.

Ich muss erst nochmal darüber nachdenken!

Riley ging daher in sein eigenes Büro zurück und konzentrierte sich auf seine Arbeit.

Und das war das Sorensen-Projekt!

Ein anfangs scheinbar alltäglicher und wenig reizvoller, wenngleich auch lukrativer Auftrag eines millionenschweren Hedgefonds-Managers, entwickelte sich der Entwurf seines neuen Domizils zu einer nervenaufreibenden, wendungsreichen und immer aufwändigeren Reise, wie Ben sie bisher noch nicht erlebt hatte.

Von dem ursprünglichen Entwurf für das Haus war nach nunmehr sieben Monaten wahrlich nichts mehr übriggeblieben. Der Grundriss hatte sich mittlerweile sechsmal geändert! Ständig wurde die Lage einzelner Räume verschoben, ebenso der Eingang in das Haus. Entsprechend musste auch die Form des Daches immer wieder neu konzipiert werden. Das kostete natürlich Zeit und Geld, doch davon hatte Sorensen offensichtlich reichlich. Aber Ben kostete es vor allen Dingen Nerven. Dass ein Entwurf mehrfach geändert wurde, war üblich und er schon lange genug im Geschäft, um damit umgehen zu können. Doch bei Sorensen gab es tagtäglich Änderungen, manchmal verwarf er am Nachmittag sogar schon wieder das, was er am Morgen erst noch geändert haben wollte.

Doch als wenn all das noch nicht ausreichte, wurden seine Wünsche mittlerweile auch immer abstruser. So, wie gerade jetzt: Sorensen wollte, dass das Dach des Schlafzimmers komplett eingefahren werden konnte! Total verrückt! war Bens erster Gedanke gewesen und er wollte schon ablehnen. Doch Sorensen hatte bereits einen weiteren Vorschuss von hunderttausend Dollar geleistet, sodass Riley keine Wahl hatte. Also blieb ihm nichts Anderes übrig, als die gesamte Dachkonstruktion neu zu planen. Für das Schlafzimmer wählte er eine Kombination aus Glas und Stahl, die quasi wie ein Raffrollo einzufahren war. Kostenpunkt inklusive Verstärkung des Fundaments und der Wände: Neunzigtausend Dollar! Aber wen juckte das schon? Sorensen jedenfalls sicher nicht!

*

Ben hatte die Konstruktion gerade soweit fertiggestellt, dass er sie ins Zeichenbüro geben konnte, als sein Telefon klingelte.

Leitung 1, sah er. Das war Allison! Rileys Blick verdunkelte sich. Muss das noch vor dem Mittag sein? Er verzog die Mundwinkel und nahm mit einem tiefen Stöhnen ab. "Ja?" Kurze Pause. "Hallo Allison!" Ben lächelte freudlos, dann lauschte er. "Okay!" Er nickte und atmete hörbar aus. "Ich bin gleich bei dir!" Er legte auf und betrachtete das Telefon. Sie wollte ihn sprechen! Klar doch! In welcher Angelegenheit, sagte sie jedoch nicht! War das jetzt gut, oder schlecht? Die Vergangenheit hatte oft genug gezeigt: Schlecht!

Dennoch war sich Ben bewusst, dass er keine Wahl hatte. Er gab die Dateien für das Zeichenbüro frei, dann erhob er sich und machte sich auf den Weg zu Allisons Büro.

Als er in den Flur trat, konnte er in Dereks Büro blicken. Sein Freund saß am Schreibtisch und telefonierte - offensichtlich war er ziemlich erregt und sein Gesichtsausdruck war ungewohnt ernst.

Wieder fiel ihm ein, dass hier irgendetwas mit Foreman nicht stimmte, doch hatte er bisher immer noch nicht herausgefunden, was. Das wurmte ihn und er beschloss, Derek zum Mittagessen einzuladen, um der Sache endgültig auf den Grund zu gehen.

Dann hatte er Allisons Büro erreicht.

*

Ben sah, dass sie mit ihrem Handy telefonierte.

Vielleicht habe ich ja doch Glück, dachte er, klopfte gegen die Scheibe, wartete, bis Allison ihn ansah, dann lächelte er und deutete an, dass er wieder gehen und später - möglichst viel später - wiederkommen würde.

Doch sie schüttelte sofort den Kopf und forderte ihn mit ihrem rechten Arm gestenreich auf, einzutreten.

Mist! Doch er tat, was sie verlangte.

Während er die Tür wieder schloss, hörte Allison zu, was der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung sagte.

Ben blieb mitten im Raum stehen. Wie bestellt und nicht abgeholt, dachte er mit leichter Verärgerung.

"Nein!" sagte Allison mit einem Mal und schüttelte den Kopf. "Das geht nicht. Das schaffe ich nicht!" Dabei sah sie zu Ben und als sich ihre Blicke trafen, deutete sie ihm an, sich an den Besprechungstisch zu setzen.

Ben tat wie geheißen, doch dauerte das Telefongespräch noch an, sodass er nichts Anderes tun konnte, als zu warten. Dabei betrachtete er Allison, ohne dass sie es bemerkte.

Ja, sie war eindeutig eine sehr hübsche und attraktive Person. Ben kannte ihr genaues Alter nicht, aber er schätzte, dass sie Mitte Dreißig sein musste. Sie hatte eine sportlich-schlanke Figur mit festen Formen, einen kleinen, knackigen Hintern und eine Handvoll Brust. Ihre lockigen Haare hatte sie meist hochgesteckt, doch heute fielen sie sanft und verspielt auf ihre Schultern. Wie immer war Allison nur leicht und dezent geschminkt, sie hatte aber ein Talent dafür, ihre stahlblauen Augen so zu betonen, dass sie sehr anziehend wirkten.

Außerdem war sie stets feminin gekleidet, was Ben sehr mochte. Gerade heute trug sie ein bordeauxfarbenes, wadenlanges, enganliegendes Kleid aus leicht schimmernder Baumwolle, das ihre weiblichen Vorzüge auf zurückhaltende, aber sehr prickelnde Art betonte.

Zum wiederholten Mal fragte sich Riley, warum er solche Probleme mit Allison hatte. Eigentlich hätten sie doch sogar ein gutes Paar abgegeben.

"Ja, nun also sag schon!" meinte Allison und ihr Tonfall klang etwas genervt. "Welche Uhrzeit?" Sie lauschte. "Nein, du entscheidest!" meinte sie entschieden. "19.30 Uhr?" Sie verzog die Mundwinkel. "Das wird zu knapp. Sagen wir 20 Uhr!" Wieder lauschte sie, dann nickte sie zufrieden. "Na, also. 20 Uhr! Wo?" Während sie horchte, verzog sie erneut die Mundwinkel. "Italiener?" Sie schüttelte den Kopf. "Nö, ich will zum Mexikaner!" Einen Moment Stille, dann lächelte sie. "Prima. Also 20 Uhr in der Bodega!" Plötzlich wurde ihr Blick wieder ernst. "Sei pünktlich!" Ein letztes Lauschen. "Sicher!" Mit unbewegter Miene nahm sie das Handy vom Ohr und kam zu Ben an den Tisch. Bevor sie es darauflegte, betrachtete sie es einen Moment gedankenversunken.

"Wer war das?", fragte Ben.

Allison sah ihn ausdruckslos an, dann schüttelte sie den Kopf. "Kennst du nicht!"

Aha, ein neuer Lover, dachte er und verspürte komischerweise ein wenig Neid aufkommen. "Die Bodega kenne ich. Toller Laden! Das Essen ist echt prima!"

"Weiß ich!" erwiderte Allison nur kurz, dann atmete sie tief durch. "Hör zu Ben. Ich plaudere ja gern mit dir über Gott und die Welt…!" Sie sah ihn direkt an und lächelte mit verzogenen Mundwinkeln. "Aber wir haben wenig Zeit!"

Oh! dachte Ben sofort. Schade! Gott sei Dank! Das tut mir aber leid. Blödsinn! "Okay!" Er lächelte. "Ich verstehe!"

Allison sah ihn einen Moment mit abgesenkten Augenbrauen an, dann aber nickte sie und erhob sich. "Kaffee?" fragte sie.

Ich denke, du hast keine Zeit? "Gern!" Leider verspürte er gerade tatsächlich Lust darauf.

Allison ging zu einem Sideboard und schenkte zwei Tassen ein. "Wie laufen die Dinge beim Sorensen-Projekt?" fragte sie in beiläufigem Ton, ohne Riley anzusehen.

"Wie schon?" Ben kräuselte die Oberlippe. "Chaotisch!"

"Immer noch?" Allison wandte sich mit beiden Tassen um und zog die Augenbrauen in die Höhe.

Riley nickte. "Gestern rief er an und sagte mir, er wolle die Decke seines Schlafzimmers einfahren können!"

Allison stellte gerade die Tassen auf den Tisch, als sie innehielt und ihn mit großen Augen ansah. "So richtig komplett?"

Ben nickte erneut. "Mit allem Zipp und Zapp!"

Allison schürzte die Lippen, nickte aber. "Okay, wer es mag…!" Sie setzte sich Ben gegenüber. "…und bezahlen kann!"

"Ja, leider hat er scheinbar mehr Kohle als Krösus!" Ben war sichtlich genervt. "Ansonsten…!"

"Ansonsten was?" Allison, die gerade an ihrem Kaffee nippte, hielt inne und sah ihn direkt an.

Ben wollte schon loslegen, doch eine innere Stimme sagte ihm, er solle sich bremsen. Stattdessen machte er einen auf Opferlamm. "Herrgott Allison, ich werde allmählich zu alt, um mich mit solchen Chaoten herumzuschlagen. Warum gibst du Aufträge dieser Art nicht den jungen Wilden? Denen wäre bei Sorensens Sonderwünschen sicher ein ums andere Mal einer abgegangen. Mir raubt so ein Mist nur meinen wohlverdienten Schlaf!"

Sein Gegenüber nippte nochmals an ihrer Kaffeetasse, dann stellte sie sie langsam auf den Tisch, lehnte sich in ihrem Sitz zurück und sah ihn einen längeren Moment stumm an. "Erstens…!" begann sie dann.

Verdammt! Ben war klar, dass er verloren hatte.

"…konnte zu Beginn niemand ahnen, dass Sorensen dermaßen sprunghaft ist!"

Da hat sie leider Recht!

"Zweitens: Der zahlende Kunde ist noch immer König! Wenn Sorensen sein süßes Frauchen also im Bett unter freiem Himmel nageln will, dann soll er das auch dürfen und wir werden ihm das ermöglichen!" Sie wartete, bis Ben sie ansah und widerwillig nickte.

Herrgott, ja, verdammt!

"Und drittens…!" Jetzt lächelte Allison. "Der erste Entwurf für Sorensens Haus wies Baukosten von knapp zwei Millionen Dollar aus. Mittlerweile haben die sich verdreifacht. Damit hat sich auch unser Planungsanteil verdreifacht. Und selbst, wenn ich deine Nerven davon abziehe, bleibt noch locker mehr als das Doppelte!" Sie schüttelte den Kopf. "Also, ich weiß nicht, wie du das siehst, aber mir treibt das ein breites Grinsen auf die Lippen!" Demonstrativ machte sie einen auf Honigkuchenpferd.

"Wie du meinst!" brummte Ben.

"Nun sei mal nicht so pissig!" meinte Allison und sah ihn wieder direkt an. "Du bist den Auftrag ja jetzt los!"

Riley glaubte im ersten Moment sich verhört zu haben. Was?" rief er total überrascht und mit heruntergezogenen Augenbrauen.

"Ich werde den Rest von Desmond erledigen lassen!"

"Desmond?" Ben starrte sie mit großen Augen an. "Aber…warum?"

Jetzt war Allison überrascht. "Hab ich was verpasst?" Sie wirkte aber sofort auch etwas genervt. "Du beschwerst dich über Sorensen, seitdem er die erste Änderung in Auftrag gegeben hat. Jede Faser deines Körpers schreit: Ich will nicht mehr! Und jetzt, da ich dir diese Last nehme, ist dir das auch nicht recht?" Sie schüttelte den Kopf. "Das verstehe wer will!" Sie sah ihn erneut direkt an. "Ich nicht!"

"Ich…!" Ben hielt inne und atmete einmal tief durch. Ruhig bleiben, Alter! "Es ist nur, weil ich dich kenne!"

Allisons Augenbrauen sanken herab. "Was soll das heißen?"

"Wenn du mir das Sorensen-Projekt wegnimmst, bevor es erledigt ist, dann sicher nur, weil du etwas noch Schlimmeres im Schilde führst!"

Sein Gegenüber zeigte zunächst keine Reaktion, dann aber grinste sie breit.

"Wusste ich es doch!" Ben war sichtlich bedient. "Sag schon, was ist es?"

Allison ließ sich mit ihrer Antwort ein paar Augenblicke Zeit. "CAPCO-Enterprises!"

"Was?" Jetzt war Ben beinahe bass erstaunt. "Ich dachte, da ginge es nur um den Neubau einer Lagerhalle in den Docks? Warum gibst du das nicht Desmond?"

Allison sah ihn etwas verständnislos an. "Weil ich es nicht will!"

"Dann gib es Mike!" meinte Ben.

"Mike? Der arbeitet am Sunderland-Projekt!"

Ben schüttelte den Kopf. "Nicht mehr. Du hast gestern Derek die Verantwortung dafür übertragen!" Jetzt grinste er. "Und wir beide wissen, dass Mike damit faktisch raus ist!"

"Wie bitte?" Allisons Blick wurde immer finsterer. "Warum sollte ich das getan haben?" Ihre Stimme klang sichtlich genervt. "Mike macht da gute Arbeit. Ich bin sehr zufrieden mit ihm. Der Junge hat Talent. Er ist absolut ausbaufähig!" Sie verzog die Mundwinkel. "Außerdem ist Derek…mindestens…noch zwei Monate mit der neuen Fassade für den Hillman-Tower beschäftigt!" Jetzt schüttelte sie den Kopf. "Ich weiß nicht, wer dir diesen Blödsinn erzählt hat, aber…er ist nicht witzig!"

"Das war…!" Ben hielt inne.

"Ja?" Allison blickte ihn neugierig an.

Doch ihr Gegenüber schüttelte den Kopf. "Spielt keine Rolle!" Er lächelte freudlos. "Ich muss das wohl einfach nur missverstanden und etwas durcheinandergebracht haben!"

"Das wird es sein!" stimmte Allison zu. Dann atmete sie tief durch. "Also zurück zur Lagerhalle!" Sie sah Ben wieder direkt an. "Du weißt schon, wer CAPCO ist, oder?"

Der nickte. "Ein Großkonzern!"

"Falsch!" Allison schüttelte den Kopf und beugte sich vor. "Das ist der größte Konzern auf diesem Planeten!" Sie wartete, bis Ben sie ansah. "Und ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass sie im nächsten Jahr den Bau einer gigantischen Forschungsstation an der Westküste planen!"

Ben zog beeindruckt die Mundwinkel nach unten. "Okay!"

"Und wenn mir der Sorensen-Auftrag ein breites Grinsen auf die Lippen zaubert, dann kannst du sicher sein, dass ich bei der Aussicht auf ein solch gewaltiges Projekt, wie diese Forschungsstation, glatt ein feuchtes Höschen bekomme!"

Ben nickte mit verzogener Miene. "Klar doch!"

"Also wirst du dafür sorgen, dass beim Bau der Lagerhalle alles so glatt läuft, wie Gleitcreme, damit ich eine gute Position habe, wenn es darum geht, den dicken Fisch an Land zu ziehen!"

"Verstehe!" meinte Ben und sah sich schon nächtelang im Büro sitzen und Überstunden ohne Ende schieben.

"Das will ich wohl hoffen, Ben!" Allison blickte ernst und sah ihn durchdringend an. "Dieser Auftrag wäre der größte in unserer Firmengeschichte und würde uns alle für Jahre hinaus beschäftigen. Er könnte uns allen Wohlstand bringen!"

"Und wer würde das wohl nicht wollen, was?" Ben grinste schief.

Allison musterte ihn mit finsterer Miene. "Also kann ich davon ausgehen, dass du dir der Verantwortung der Aufgabe bewusst bist und alles tun wirst, was nötig ist, um ihn erfolgreich abzuwickeln!?" Ihr Blick durchbohrte ihn beinahe.

Ben sah Allison zunächst nur ausdruckslos an. Sie war so hübsch und attraktiv und sah heute echt zum Anbeißen aus. Warum nur nehmen wir uns kein Hotelzimmer und vögeln eine Runde, anstatt hier von harter Arbeit zu reden? dachte er, doch dann nickte er einfach nur. "Natürlich!" Er verzog die Mundwinkel. "Wie immer!"

"Prima!" rief Allison sogleich und war sichtlich zufrieden. "Und damit du deine zukünftigen Auftraggeber schon einmal kennenlernst, wirst du mich zum heutigen Geschäftsessen begleiten!" Sie schaute auf ihre Uhr am Handgelenk. "In einer Stunde!" Dann lächelte sie Ben an. "Sei pünktlich!" Sie stand auf, ging zu ihrem Schreibtisch und beachtete ihn nicht mehr.

Riley erhob sich langsam, drehte sich um und verließ das Büro.

Draußen blieb er im Flur stehen und atmete einmal tief durch, um seinen Kopf frei zu bekommen.

Dabei verspürte er eine Mischung aus Frust und Müdigkeit.

Mann, er hatte die letzten Wochen und Monate wirklich hart an dem Sorensen-Projekt gearbeitet und dabei jede Menge Nerven gelassen. Und jetzt, da das Ende in Sicht war und die Arbeit damit weniger und ruhiger werden würde, nahm Allison ihm den Auftrag weg, um ihm einen neuen zu verpassen. Eine Lagerhalle! Verdammt, dachte Ben, das ist ein undankbarer Job. Damit kann man keinen Blumentopf gewinnen, sondern eigentlich nur Fehler machen. Um das zu vermeiden, hieß es also wieder, Überstunden machen und sich zu verbiegen, um dem Auftraggeber, den er ja noch nicht kannte, stets gerecht zu werden.

Diese Veränderung war also keine wundervolle Geste Allisons, sondern damit war er vom Regen in die Traufe gekommen.

Na, vielen Dank auch!

Ben spürte, wie sich ein mächtig großer Brocken bitteren Frustes in seinem Hals bildete. Und er wusste, dass er hinausmusste, bevor er daran ersticken würde.

Also brauchte er ein Opfer.

Und er wusste auch schon genau, wen er sich schnappen würde. Denn plötzlich erinnerte er sich an Allisons Worte, die Dereks Erklärung für seine Übernachtung auf Bens Coach als glatte Lüge entlarvt hatten.

Jetzt würde er Foreman nicht nur die Wahrheit herauspressen, sondern ihm auch gleichzeitig seine Faust in den Rachen stecken und auf seinen Rippen La Paloma zupfen!

4. Kapitel

Der Herrgott aber war ihm heute wahrlich nicht wohl gesonnen, denn als er frustriert in Dereks Büro stapfte, war der nicht da.

Als er auch nach fünf Minuten nicht erschien, fragte er in der Zentrale nach, wo man ihm mitteilte, dass er zur Baustelle gefahren war und nicht vor 15 Uhr zurück sein würde.

Damit blieb er mit seinem Frust also doch allein, erstickte jedoch glücklicherweise widererwartend nicht daran.

*

Das Mittagessen jedoch verlief wirklich sehr zufriedenstellend. Die Vertreter von CAPCO-Enterprises erwiesen sich als angenehme Gesprächspartner, wirkten entschlossen und kompetent, jedoch auch besonnen und aufmerksam.

Ben hatte eigentlich ein ganz gutes Gefühl, was den Bau der Lagerhalle anging.

Außerdem stand die meiste Zeit über Allison im Mittelpunkt. Ihre Mischung aus fundierter Kompetenz, Witz, Sexappeal und Charme kam hervorragend an und hielt die Anwesenden in ihrem Bann.

Ben war das nur Recht. So konnte er sich etwas zurücklehnen und entspannen und gleichzeitig ein absolut wunderbares Pasta-Gericht genießen. Dabei beobachtete er Allison immer wieder.

Ja! musste er erneut feststellen. Sie ist wirklich eine würdige Nachfolgerin für den guten, alten Howard. Er konnte stolz auf seine Tochter sein. Und ihre ruhige, sichere Gewandtheit im Umgang mit diesen Managern sorgte bei Riley sogar dafür, dass sich in seinen Lenden ein angenehmes Kribbeln ausbreitete. Zumindest so lange, bis ihm wieder bewusstwurde, dass er Allison trotz all ihrer körperlichen Vorzüge nicht leiden konnte. Aber bei der Vorstellung, mit ihr zumindest eine Nacht lang die Schenkel zu kreuzen, kroch ein wohliger Schauer über seinen Rücken, der jedoch abrupt endete, sobald Allison ihn ansah und er in ihren Augen zu erkennen glaubte, dass sie seine Gedanken erkannte.

Wie zum Teufel macht sie das nur? Ben fühlte sich ertappt, war frustriert, wusste plötzlich wieder sicher, dass es niemals zu einer gemeinsamen Nacht kommen würde und bildete sich ein, dass er es auch gar nicht nötig hatte, um Allisons Körper zu betteln.

Damit war das Essen für ihn gelaufen und Gott sei Dank ging es eine halbe Stunde später auch tatsächlich zu Ende.

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