Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dämon-Trilogie - Finale! Das Tor zur Hölle von fliegenden Dämonen attackiert und Talea, Francesca und Peter, trotz des unerwarteten Auftauchens von Eric, auf der Flucht. Das Tor zur Erde in der Hölle in Dämonenhand und bereit, aktiviert zu werden, um eine dauerhafte Verbindung zur Menschenwelt herzustellen. Und jetzt wird auch noch Christopher entführt, weil er etwas besitzt, von dem bisher niemand, nicht einmal er selbst, etwas weiß: Das Tor zum Himmel! Während sich die Gruppe um Razor und Heaven bemühen, das Tor zur Erde zurückzuholen, bevor es aktiviert wird, setzt Francesco alles daran, Christopher aus den Klauen des grauenvollen Samael zu befreien. Denn er weiß: Das Tor zum Himmel ist das weitaus mächtigste Artefakt von allen. Wenn es in Samaels Hände geriete, würde er unvorstellbare Macht erlangen und alle Welten in ein grausames Chaos stürzen. Wenn es jetzt noch gelingen soll, die sich anbahnende Katastrophe zu verhindern, müssen sich unsere Helden einem wahrlich furchterregenden Gegner entgegenstellen und allen ist klar, dass ihnen der härteste Kampf bevorsteht, den sie je gefochten haben. Und sein Ausgang ist vollkommen offen... Dämon III - Absolution ist der Abschluss der fulminanten Trilogie ins Reich der Finsternis, des Grauens und...des Bösen...jenseits der Vorstellungskraft
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 994
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
© 2012 + 2016 by Alfred Broi
Umschlaggestaltung:
Idee: Kevin Broi, Dominik Broi, Carmen Broi
Gestaltung: Alfred Broi
Das hier vorliegende Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Es ist nicht gestattet, Texte dieses Buches zu digitalisieren, auf PCs, CDs oder andere Datenträger zu speichern oder auf Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Texten wiederzugeben (original oder in manipulierter Form), es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Autors
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Germany
Wenn du an die Hölle glaubst,
Dann musst du auch an endlosen, wahnsinnigen Schmerz glauben.
Wenn du an die dunkelste Finsternis glaubst,
you have to believe in the glariest light.
dann musst du auch an das strahlendste Licht glauben.
Wenn du also an den Teufel glaubst,
then you have to believe… in God !
dann musst du auch an Gott glauben...
Father Z
Exorcist
Convento di Gandolfo, Venosa
Was bisher geschah…
Prolog - Das dritte Tor
(K)ein Plan
Wege zur Hölle
Die unmögliche Hoffnung
Schmerzen
Der reine Ort
Trumpf-As
Feuerwerk
Ein würdiges Ende
Am Schlachthof
Der Strom der Verdammten
Die Zwischenwelt
Ice
Geräusche in der Finsternis
Liebe braucht Hoffnung
Getrennte Wege
Im letzten Moment
Dunkelheit
Nur anfassen…
Sixpack
Das Tor zur Erde
Kampf im Schlachthof
Die uralte Lüge
Auf dem Highway
Die gespenstische Präsenz
Depot 5
In der Wüste
Fakten
Eindringlinge
Überlebt
Dämonenjäger
Unerwartete Gefühle
Erklärungen
In der Lobby
Einbahnstraße
Schlacht in der Lobby
Der Seelenzwilling
Ein wahres Monster
Der Weg in die Tiefe
Bodenlos
Der Blender
Nicht kampflos
Gegenwehr
Der Verdacht
Die Hintertür
Flugbahnen
Der Schatten im Inneren
Das schlagende Herz
Die Zeit verrinnt
Alles auf eine Karte
Explosion
Deja vu
Das Schicksal der Welten
Ein letztes Opfer?
Das einzige Opfer
Das Mahnmal
Es ist soweit
Das Tor zum Himmel
Die Trennung
Epilog - Partytime
Hymne
(1) Vor acht Jahren wütete in New York der Henker des Teufels, den jeder für den wohl grausamsten Massenmörder hielt, den die Welt je gesehen hatte.
Doch das ist er nicht...
Er ist ein Dämon, der seine Opfer wie ein Parasit befällt, um in der Welt der Menschen überleben zu können, und er kommt direkt aus der Hölle.
Nur Silvia kennt seine wahre Existenz - und ihr Großvater Francesco, der diese furchterregende Kreatur vor mehr als fünfzig Jahren, wenn auch unbeabsichtigt, aus seinem ewigen Gefängnis befreit hatte.
Als die beiden Polizisten Christopher Jeremiah Freeman und Douglas Maroon ihn nach einer nervenaufreibenden Verfolgungsjagd letztlich zur Strecke bringen können, ahnen sie hiervon jedoch (noch) nichts.
Ganz besonders Christopher nicht, der auf geradezu schicksalshafte Weise mit dieser Bestie in Menschengestalt verbunden ist.
Das Zusammentraffen mit Silvia während der anschließenden Gerichtsverhandlung ist dann auch kein Zufall.
Dennoch verlieben sich beide ineinander.
Als der Henker des Teufels sieben Jahre später aus dem Hochsicherheitstrakt ausbrechen kann. machen sich Christopher und Douglas erneut auf die Jagd nach ihm.
Hierbei muss dann speziell Christoppher erkennen, dass Silvia weitaus enger mit der Bestie verbunden ist, als er je befürchten konnte - und auch er.
Während sich der Dämon auf die Suche nach dem Tor zur Hölle macht, einem uralten Artefakt, mit dem er in die Hölle zurückkehren kann, schließen sich noch andere Personen, unter ihnen der FBI-Agent Eric Thomson, der Jagd nach ihm an.
Der Kampf gegen den Dämon zieht eine Spur der Verwüstung durch ganz New York, fordert Opfer (u. a. auch Francesco und Eric) und findet schließlich seinen letzten Showdown auf den Dächern des World Trade Centers, während sich am Boden das Tor zur Hölle öffnet.
Letztlich kann der Dämon getötet werden. Es gelingt ihm jedoch, Silvia als letztes Opfer mit sich in die Finsternis zu reißen.
Douglas bringt den schwerverletzten Christopher an einen sicheren Ort. Während der Genesung jedoch verzweifelt dieser ein ums andere Mal am Verlust seiner geliebten Silvia.
Letztlich beschließt er New York für immer zu verlassen.
(2) Ein Jahr später sucht Douglas seinen ehemaligen Partner in San Francisco auf und verkündet ihm, dass die Dinge in New York nicht so waren, wie sie erschienen.
Silvia ist nicht tot und Douglas im Besitz des Höllentors.
Zusammen mit neuen Verbündeten (Douglas Frau Cynthia, Erics Frau Talea, Francescos Frau Francesca und sein Sohn Alfredo) wollen sie es erneut öffnen, damit Christopher hindurchgehen und Silvia erretten kann.
Hierzu aber ist noch das Tor zur Erde notwendig, um den Weg zurück in die Welt der Menschen zu finden.
Während Christopher durch das Tor zur Hölle geht, macht sich Douglas auf die Suche nach dem Tor zur Erde. Er findet es jedoch nicht, dafür aber weitere Verbündete.
Um Christopher in der Hölle beizustehen, geht Douglas ebenfalls durch das Tor.
Dort hat Christopher Silvia mittlerweile gefunden, muss aber erkennen, dass die Hölle sie sehr verändert hat.
Als ihm klar wird, dass er sich umsonst auf die gefahrvolle Reise in die Finsternis gemacht hat, rennt er davon und wird prompt von Dämonen gestellt und entführt, jedoch nicht getötet!
Den Grund hierfür weiß Francesco, der als Engel in der Hölle erscheint und Douglas und seinen Freunden zur Hilfe eilt.
Während auch Eric, ebenfalls als Engel seiner Frau Talea, Francesca und Peter in der Welt der Menschen im Kampf gegen Dämonen beisteht, um das Tor zur Hölle zu schützen, wird dort allen klar, dass sie Christopher aus den Fängen der Dämonen befreien müssen
Denn er besitzt etwas, das die Welt, wie wir sie kennen, für immer in ein blutiges Chaos stürzen könnte…
Howard Freeman erinnerte sich.
Und wie immer, wenn er es tat, geschah dies in Form eines furchtbaren, grauenhaften Alptraums.
Allerdings kam das nicht besonders häufig vor, denn Howard wusste, dass er Alpträume haben würde, sobald er die Augen schloss und einschlief – also mied er den Schlaf wie ein Vampir das Tageslicht, so oft es ihm sein Organismus nur ermöglichte, trieb seinen Wachzustand bis an die Grenzen seiner Kräfte und schloss erst dann seine Augen, wenn sein Körper seinen Dienst zu verweigern drohte.
Wie immer, wenn dieser Zusammenbruch nahte, suchte er sich eine billige Unterkunft, legte sich auf das Bett, atmete einmal tief durch und schloss seine Augen in dem absoluten Wissen, dass die Bilder der Finsternis sogleich wieder nach ihm greifen würden.
So auch dieses Mal:
Fünf Tage war er nun schon schlaflos in den zerklüfteten Berghängen des mexikanischen Zentralmassivs unterwegs gewesen, bevor er sich in der kleinen, grauen Stadt San Adres ein Zimmer im einzigen Hotel – man konnte es allerdings kaum so nennen – nahm, während einer kurzen, faden Mahlzeit in seinen mittlerweile schon sehr umfangreichen Unterlagen blätterte, bevor er seine Augen nicht mehr länger offen halten konnte und er sich auf das Bett legte. Ein langer, tiefer Atemzug, dann schloss er seine Augen und wartete förmlich darauf, dass das Grauen ihn wieder erfassen würde.
Doch dieses Mal schien die Erschöpfung deutlich größer zu sein, als zuvor, denn es gelang ihm tatsächlich fast zwei Stunden traumlos und tief zu schlafen. Sicherlich sorgten das feuchte, warme Klima und die vielen steilen Pfade an den üppig bewachsenen Berghängen des zentralen mexikanischen Hochlands dafür, dass er auch körperlich und nicht nur – wie so oft – nur geistig ausgepumpt war.
Doch nach zwei Stunden erholsamen Schlaf wurde dem ein jähes Ende gesetzt und die Alpträume setzen wuchtig ein.
Zunächst war da jedoch nichts als eine totale Finsternis, die ihn umgab, wenngleich er ein leises, tiefes Brummen aus unbestimmter Richtung vernahm, dass einen langsamen Rhythmus annahm und ihn beinahe einzulullen drohte.
Dann jedoch – schlagartig – blitzte Helligkeit vor ihm auf, so kurz und so grell aber, dass er sie nicht zu erkennen vermochte. Dann wieder Dunkelheit und nach wenigen Sekunden wieder das Licht, dieses Mal etwas länger, jedoch nicht mehr ganz so grell. Zusätzlich wurden die unterschwelligen Geräusche lauter, heller, klangen aber auch hektischer und abgehackt.
Howard schien es, als würde er in einem Zug sitzen, der beständig durch kurze Tunnel fuhr. Immer wieder wurde die tiefe Dunkelheit durch ein grelles Licht zerrissen und eine Art schriller Schrei durchzuckte seinen Körper, dann verschwand das Licht so abrupt, wie es gekommen war. Während es anfangs parallele waagerechte Linien in der nachfolgenden Dunkelheit zeichnete, gewann die Finsternis jedoch sehr schnell wieder die Oberhand und ließ das Licht letztlich völlig verblassen. Dann war da für einen Moment wieder tiefstes Schwarz, bevor das grelle Licht erneut aufblitzte.
Howard spürte eine deutlich aufkommende Unruhe in sich, die seinen Herzschlag spürbar erhöhte und eine Hitzewelle durch seinen Körper trieb.
Allmählich wurden die hellen Phasen immer länger, wobei sich die Intensität des Lichtes verminderte und er erste Konturen darin erkennen konnte. Wenige Augenblicke später wusste er bereits, wo er sich befand.
Die Dunkelheit – es waren Tunnelwände und das Licht kam von einer größeren Kammer, die sich rechts vor ihm auftat.
Oh ja, er erkannte dieses Bild aus seiner Vergangenheit sofort, denn es war am schlimmsten Tag seines Lebens entstanden. Der Tag, an dem er morgens mit großem Tatendrang erwacht und in einen seither nicht mehr enden wollenden Alptraum geraten war. Der Tag, an dem er mit Steve und Matsumoto zwei seiner besten Freunde auf so unendlich grausame Weise verloren hatte. Der Tag, an dem seine Zeitrechnung endete und es für ihn nur noch eines gab: Die Jagd nach einem wahrhaftigen Dämon aus den tiefsten Tiefen der Hölle.
Monatelang, Jahrelang – nunmehr fast schon zwei ganze, quälend lange Jahrzehnte! Doch noch immer ohne Erfolg und schon seit viel zu langer Zeit ohne ein weiteres Zeichen seines einzigen, hoffentlich noch immer lebenden Freundes Francesco, der sich ebenso wie er, den Rest seines Lebens auf die Suche und die Vernichtung des Dämons verschrieben hatte, um die Schuld, die furchtbare Schuld an ihren beiden anderen Freunden und so vielen folgenden Opfern zu sühnen, obwohl sie tief in ihrem Inneren bereits wussten, dass diese Schuld unsühnbar war.
All dies hatte vor so langer Zeit im peruanischen Hochland seinen Anfang genommen, als sie auf der blauäugigen Suche nach einem sagenumwobenen Schatz das Gebiet von Machu Picchu entehrt und eine geheime, unterirdische Kammer geöffnet hatten, die ihnen einen gewaltigen, pyramidenähnlichen Komplex offenbarte.
Matsumotos - Motos Aufzeichnungen schienen korrekt zu sein und sie konnten den Reichtum schon förmlich riechen, doch das, was sich am allermeisten bewahrheitete, war die Warnung in den uralten Zeilen, die Mächte der Finsternis in ihrem jahrtausendealten Gefängnis nicht zu stören.
Und genau diese Bilder erschienen nun vor Howards innerem Auge:
Er betrat die Kammer, die das Gefängnis eines Dämons war. Die Kammer, in der diese furchtbare Kreatur in einem Behältnis in Form eines Sarkophags durch uralte und magische Kräfte wie von Zauberhand gehalten in der Luft schwebte. Die Kammer, in der er jetzt die beiden Gegenstände erkennen konnte, die den Dämon auf ewig in seinem Gefängnis zu bannen vermochten: Zwei Pyramiden, von denen er damals noch nicht erahnen konnte, dass sie das Tor zur Hölle und das Tor zur Erde darstellten.
Unter dem Sarg schwebte über einem konzentrierten schwarz-roten Lichtstrahl, der aus dem Boden der Höhle trat und senkrecht in die Höhe schoss, das Tor zur Hölle. Die Grundfläche der Pyramide absorbierte den Lichtstrahl, nahm ihn komplett in sich auf, er durchfloss sie. Dann schoss er in weiter gebündelter Form aus ihrer Spitze wenige Zentimeter in die Höhe, bevor er sich zu einer Art waagerechten Scheibe von mindestens drei Metern Durchmesser, aber nur wenigen Millimetern Stärke ausdehnte.
Deutlich war auf der Unterseite der Scheibe das schwarz-rote Licht zu erkennen, dass vom Mittelpunkt nach außen zu den Rändern floss, über sie hinweg und auf der Oberseite zurück zum Mittelpunkt.
Hier jedoch änderte sich sehr schnell die Farbe des Lichts und aus dem düsteren, schmutzigen Rotschwarz wurde zunächst ein dunkles Blau, dann ein tiefes Grün, bis es immer heller wurde und sich im Mittelpunkt der Scheibe zu einem wahrlich reinen, gleißenden Weiß verändert hatte.
Dort bündelte sich der Lichtstrahl erneut und schoss – wieder nur wenige Zentimeter – senkrecht in die Höhe und traf dann auf die Spitze einer umgedrehten zweiten Pyramide – dem Tor zur Erde.
Aus der nach oben gerichteten Grundfläche schoss der gleißende Lichtstrahl schließlich wieder heraus, dass es in den Augen schmerzte und er einem beinahe den Blick raubte, während er sich zu einem großen Lichtkegel öffnete, der letztlich breit genug war, um den mattschwarzen Sarkophag, der die doppelte Größe eines normalen Sarges besaß, komplett zu umschließen. Dabei schien das Licht an seinen Außenseiten in die Höhe zu fließen und riss immer wieder dunkelrote Stellen mit sich, die sich auf dem Sarkophag beständig bildeten, wie Salbe, die eine eiternde Wunde reinigte, um sie nur einen Wimpernschlag später vollends zu vertilgen.
Dabei verlor das Licht deutlich an Strahlungskraft und Intensität und war direkt unter der Höhlendecke nicht mehr, als ein schwacher Schein.
Damals - wie alle anderen auch, die in diesem Moment die Kammer betraten – war er im höchsten Maße fasziniert von den Farben, ihrer pulsierenden, beinahe lebendigen Kraft, der Anordnung ihm unbekannter, aber ganz offensichtlich uralter und ohne Zweifel magischer Gegenstände und ihrem unsichtbaren Einfluss auf die Gedanken und das Handeln der Menschen.
Wie auch sollte er wissen, dass all dies nur die furchtbarste Ausgeburt der Hölle bannte, die er sich zu diesem Zeitpunkt selbst in seinen kühnsten und finstersten Träumen niemals auch nur annähernd so furchterregend und grausam hätte vorstellen können, weil ihre Existenz schlicht jegliche Vorstellungskraft sprengte.
Heute wusste er all dies nur zu genau, doch konnte er das Geschehene nicht ungeschehen machen, die Toten nicht wieder lebendig und den Fluch nicht mehr rückgängig.
So sehr er sich das in jeder einzelnen Sekunde seines von Gott Höchstselbst verdammten Seins auch noch so wünschte.
Für seine Taten musste er büßen und ein Teil dieser Buße waren diese schrecklichen Alpträume, sobald er in Schlaf fiel, worin er immer und immer wieder die Geschehnisse dieser grauenvollen Nacht in einer derart schockierend realen Art und Weise durchlebte, als würden sie sich tatsächlich gerade jetzt erst abspielen – nur mit dem einen, aber entscheidenden Unterscheid, dass er jetzt bereits wusste, was geschehen würde und den Schmerz und den Schrecken schon spüren konnte, lange bevor er gewahr wurde.
So wie seit jener Nacht unzählige Male – so wie auch heute.
Und doch – irgendetwas schien diesmal anders zu sein!
Obwohl alles so ablief wie immer - urplötzlich zuckten kleine rot-schwarze Lichtfetzen aus dem Lichtstrahl unterhalb des Tors zur Hölle. Sofort schossen sie auf den Kopf des Indios zu, der ihn und seine Freunde hierherbegleitet hatte und der vollkommen eingenommen war von den wundersamen Geschehnissen rund um die beiden Pyramiden, und umhüllten ihn innerhalb weniger Sekunden – schien es Howard dieses Mal so, als würde er alles wie durch einen Schleier sehen, der die Konturen leicht verwischte. Auch hörte er die Stimmen und Geräusche, die sonst so klar und schonungslos direkt in sein Gehirn hämmerten, nur gedämpft und unnatürlich verzogen. Außerdem – und das war das Außergewöhnlichste von Allem – verspürte er dieses Mal keinen so furchtbar allumfassenden Schmerz bei diesen Geschehnissen, dass es ihm regelmäßig das Herz zerriss, sondern nur ein taubes Druckgefühl auf seiner Brust, das ihm das Atmen erschwerte, aber den Schrecken deutlich abmilderte.
Fast schien es ihm, als wäre er dieses Mal nur ein unbeteiligter Beobachter einer über alle Maßen grauenhafte Szene.
Einen Augenblick später wusste Howard, dass er Recht hatte, denn als sich der Indio wie von Geisterhand getrieben auf die Pyramiden zu bewegte und sich das unheimliche Licht um seinen Kopf auch auf seinen rechten Arm ausdehnte, wurde auch Howards Blick dieses Mal wie magisch angezogen – doch nicht von den Aktionen des Indio, sondern vom Zentrum der Lichtscheibe!
Und was er da sah, konnte er kaum glauben.
In all den Jahren, in denen er immer und immer wieder ein und denselben Alptraum von den Geschehnissen hier in dieser Nacht und sich dabei niemals auch nur die geringste Kleinigkeit je geändert hatte, sah er jetzt im Zentrum der Lichtscheibe die zwischen den beiden Pyramiden schwebte etwas, was ihm dort noch niemals zuvor aufgefallen war: Eine unglaublich kleine Kugel, kaum größer als ein Stecknadelkopf und doch von einer derartigen Strahlungskraft, das Howard das Gefühl hatte, als würde in ihrem winzigen Inneren ein unglaublicher Feuersturm aus purem Licht toben.
Im nächsten Moment aber zweifelte er schon: Er hatte diese Szene bereits so unfassbar oft gesehen und niemals war ihm etwas Derartiges an dieser Stelle aufgefallen. Wie auch sollte er eine so winzige Kugel dort überhaupt erkennen können, wenn überall drum herum nur intensives Licht vorhanden war? Und wie konnte etwas derart Kleines ein derart gleißendes Licht verströmen?Nein, er musste sich ganz sicher täuschen!
Im nächsten Moment hatte der Indio das Tor zur Erde nur eine Winzigkeit von seinem ursprünglichen Platz verschoben und Howard spürte, wie ihm in Erwartung der nachfolgenden Ereignisse fröstelte. Doch bevor das Grauen seinen Lauf nahm, erschrak er beinahe, denn für einen winzigen Augenblick konnte er sehen, wie die Spitze der oberen Pyramide, wie das Tor zur Erde, durch die Berührung des Indios nicht nur seitlich verschoben wurde, sondern auch einen kleines Stück in die Tiefe sackte und dabei genau auf die winzige Kugel traf, die Howard schon zuvor zum ersten Mal bemerkt hatte. Ein winziger Blitz zuckte auf, ein Knistern war zu hören, dann quoll das rot-schwarze Licht aus der unteren Pyramide auf die Oberseite der Lichtscheibe und nahm sie komplett ein. Und genau in dem Moment, da es auf die winzige Kugel traf, deren reines, klares Licht rasend schnell erlosch, erschütterte eine gewaltige Explosion die Kammer und den gesamten unterirdischen Komplex, in Folge derer das Gefängnis um den Sarkophag zerstört wurde und sich der Dämon von seinem Bann befreien konnte.
Howard spürte, wie er von der Druckwelle von den Füßen gerissen und gegen eine Felswand geschleudert wurde. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen.
Als er sie wieder öffnete, mochten nur Sekunden vergangen sein. Er konnte den entsetzlich zugerichteten Körper des Indios in der Mitte der Kammer entdecken, sein Blut, sein Fleisch, seine toten, in größter Panik weit hervorgetretenen Augen, die ihn in einem stummen Schrei anstarrten. Im nächsten Moment hörte er direkt neben sich schwere, dumpfe Schritte, die sich von ihm entfernten und konnte gerade noch den mächtigen Schatten des Dämons erkennen, der die Kammer in seiner unendlichen Blutgier verließ.
Moto, Steve, Francesco! – schoss es ihm durch den Kopf. Er musste ihnen helfen, obwohl er doch schon wusste, dass es vollkommen sinnlos war, zu glauben, es könne ihm jemals gelingen. Dennoch drückte er sich ungeachtet großer Schmerzen in die Höhe und hätte die Kammer sicherlich verlassen, wenn ihn nicht eine kleine, unscheinbare Bewegung zurückgehalten hätte. Als er seinen Kopf dorthin drehte, konnte er im ersten Moment jedoch nicht mehr als unzählige Trümmer aus Felsgestein vor seinen Füßen erkennen, doch dann sah er die kleine, winzige Kugel, kaum größer als einen Stecknadelkopf, über den Boden auf ihn zurollen. Howard erschrak augenblicklich und starrte wie gebannt in ihre Richtung. Die Kugel schimmerte jetzt in einem matten Grau, jegliches Feuer in ihrem Inneren schien erloschen zu sein. Dann stoppte sie etwa einen halben Meter vor ihm ab und blieb reglos liegen.
Howard verharrte zunächst unschlüssig, dann beugte er sich aus seiner Hockposition in ihre Richtung, streckte schließlich seine rechte Hand nach ihr aus und versuchte sie zu ergreifen. Das gelang ihm jedoch nicht, denn sie war viel zu klein, um sie mit seinen Fingern zu fassen, aber sie lag auf einem dünnen Holzsplitter und den konnte Howard sehr wohl ergreifen. Obwohl er am Ende des Ganges die Schreie seiner Freunde und das bösartige Grollen des Dämons hören konnte, nahm er das Stück Holz mit zittrigen Händen beinahe behutsam auf und hob es direkt vor seine Augen.
Die Kugel war so winzig, dass er sie anfangs kaum mit seinen Augen erfassen konnte. Ihre Außenhülle zeigte ein stumpfes Grau, von ihrer immensen Strahlungskraft war nichts mehr zu sehen, doch Howard glaubte eine Art Wellenbewegung auf ihr zu erkennen, die ihm zeigte, dass dieser winzige, unscheinbare Gegenstand mehr in sich trug, als er nach außen hin zeigte.
Howard war derart fasziniert davon, dass er die Welt um sich herum zu vergessen schien – und auch das tiefe Grollen nicht vernahm, dass sich ihm schnell näherte. Erst, als sich ein dunkler Schatten über ihn legte, kehrte er zurück in die Wirklichkeit. Doch da war es für eine auch nur irgendwie geartete Reaktion schon zu spät.
Howard konnte gerade noch seinen Kopf anheben und sein Herz setzte aus, als er in die grausame und furchterregende Fratze des Dämons blickte, dessen feuerrote Augen ihn direkt anstarrten. Nur einen Augenblick später schloss sich die gewaltige Pranke der Kreatur auch schon um seinen Kopf und riss ihn mühelos in die Höhe.
Sofort erfasste ihn eine unglaubliche Panik, die seinen gesamten Körper erzittern ließ. In all den Jahren, all den unzähligen Nächten, in denen ihn die Alpträume erschütterten, hatte es jedoch niemals eine Szene wie diese gegeben. Er hatte den Indio sterben sehen – obwohl er ja zu diesem Zeitpunkt niemals selbst in der Kammer zugegen war, er jedoch annahm, dass der Herrgott ihm diese Bilder als zusätzliche Strafe ausgebürdet hatte – er hatte Moto sterben sehen und letztlich auch Steve, doch niemals war ihm der Dämon direkt gegenübergetreten, geschweige denn hatte er ihn angegriffen.
Die Tatsache, dass es heute anders war, das Gefühl, dass die Pranke dieser Kreatur wie ein Schraubstock seinen Kopf umfasste, der Blick in böse, gnadenlose Augen, in das furchterregendste Maul aller Zeiten, der widerwärtige Gestank nach Blut, Exkrementen und Verwesung, all das brachte ihn augenblicklich an den Rand des Wahnsinns.
Immer größer wurde der Druck des Dämons auf seinen Kopf und Howard spürte, wie er ob der Schmerzen zu schreien begann und jeden Moment damit rechnete, dass er zerplatzen und sein Gehirn in alle Richtungen spritzen würde.
Doch genau das geschah nicht und als Howard spürte, wie die andere Pranke des Dämons seinen Nacken umfasste und seinen Körper blitzschnell herumdrehte, sodass er jetzt mit dem Rücken zu der Kreatur stand, wusste er, dass seine Befürchtung töricht war, da er doch mehr als genau wusste, wie dieses Monstrum zu töten pflegte.
Während der Griff der Bestie in seinem Nacken immer fester wurde, raubte ihm der widerwärtige Gestank aus dem Maul der Kreatur schier den Atem, als sie ihren Schädel neben seinen Kopf schob. Dann hörte Howard das tiefe, hasserfüllte Grollen und spürte zeitgleich die rasiermesserscharfen Krallenenden der anderen Pranke in seinem Rücken. Sein Herzschlag hämmerte in einem nie gekannten Rhythmus gegen seine Schädeldecke und schien seinen ganzen Körper in Schwingungen zu versetzen. In seinen Ohren begann es zu rauschen, Schweiß drang ihm aus jeder Pore. Doch weit mehr als all das, verspürte er eine derart allumfassende Angst in sich, dass er kaum bei Besinnung zu bleiben vermochte.
Unzählige Leichen hatte er bisher gesehen, die diese grausame, tödliche Wunde besaßen, vierzehn Menschen hatte er mit eigenen Augen sterben sehen – seine Freunde Matsumoto und Steve eingeschlossen – während ihre grauenhaften Schmerzensschreie tiefe Furchen in sein Herz und seinen Verstand trieben.
Und jedes Mal war er sich mehr als sicher, dass er niemals und unter keinen Umständen auf diese grausame Art und Weise sterben wollte – jetzt aber war dieser Moment doch gekommen und er war weitaus schlimmer, als er ihn sich je vorgestellt hatte.
Howard wollte schreien, doch ihm fehlte ganz einfach die Luft hierzu, sodass ihm nicht mehr als ein heiseres Röcheln entfuhr. Im nächsten Moment riss der Dämon sein Maul weit auf, sein Kopf zuckte zurück, gleichsam wie die Pranke in Howards Rücken, dann brüllte er irrsinnig laut auf und im selben Moment durchstieß die Pranke wuchtig die Haut in seinem Rücken und rasiermesserscharfe Krallen drangen in sein Fleisch ein, umschlossen schließlich seine Wirbelsäule, nur um sie einen Wimperschlag später ruckartig aus seinem Körper zu reißen.
Howards Innerstes explodierte dabei in einem furchtbaren Stakkato aus Angst, Schmerz, Wahnsinn und Tod.
In der Realität riss ihn die Hölle seines Alptraums ruckartig aus dem Schlaf und er schrie so laut, dass sogar Personen auf dem Gang darauf aufmerksam wurden, für einen Moment verdutzt, aber auch erwartungsvoll auf die geschlossene Tür seines Zimmers starrten, nur um sich dann leise murmelnd oder einfach nur stumm wieder abzuwenden.
In seinem durch eine schmutzige Deckenlampe kaum mehr als mäßig beleuchteten Zimmer saß Howard schweratmend und schweißüberströmt auf seinem Bett und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf ein unbestimmtes Ziel vor seinem inneren Auge. Immer wieder entfuhr ihm dabei gequältes Stöhnen und jammerndes Schluchzen, während er versuchte, Herzschlag und Puls wieder auf ein Normalmaß zu drosseln. Das schien ihm nach einigen Sekunden auch zu gelingen, denn er atmete etwas ruhiger und sein Blick wurde deutlich klarer, doch dann stöhnte er fast brüllend auf, warf sich zur Seite und erbrach seinen gesamten Mageninhalt wuchtig auf den schäbigen Fliesenboden des Hotelzimmers.
Hiernach brauchte er einige weitere Minuten, um wieder soweit klar zu werden, dass er sich auf die Bettkante setzen konnte. Dabei musste er allerdings seine Ellbogen auf die Oberschenkel stützen und seinen Kopf in die Hände legen. Mit geschlossenen Augen versuchte er, sich weiter zu beruhigen. Dieses Mal gelang ihm das auch, zumindest bis zu dem Moment, da er erneut diverse Bilder seines Alptraums vor sich aufblitzen sah und dabei fast ausschließlich die kleine, winzige Kugel, die eine so immense Leuchtkraft besessen hatte.
Er öffnete seine Augen wieder und wandte seinen Kopf mit einem tiefen Stöhnen zur anderen Zimmerseite um, wo ein kleiner, wackeliger Tisch stand, auf dem sich seine lederne Umhängetasche befand. Sie beinhaltete alles, was er in über neunzehn Jahren über den Dämon und den Fluch, der ihn gebannt hatte, in Erfahrung bringen konnte. Außerdem gab es haufenweise Zeichnungen, Fotos und Berichte, die seine Jagd nach der Ausgeburt der Hölle lückenlos dokumentierten.
Howard wusste, dass sich unter all diesen Unterlagen auch eine Zeichnung befand, die er von dem magischen Gefängnis des Dämons aus seinen Erinnerungen aus den unzähligen Alpträumen gemacht hatte. Er erhob sich, trat an den Tisch, durchwühlte kurz die Papiere und fand schließlich, was er suchte: Eine Bleistiftzeichnung im DIN-A 4 Format, die das Gefängnis der Höllenkreatur mit den beiden Pyramiden, der Lichtscheibe und dem Sarkophag zeigte. Howard betrachtete sie eine ganze Weile, doch vermochte die Zeichnung nicht wie erhofft ein in seinem Unterbewusstsein verborgenes Bild der winzigen Kugel im Zentrum der Lichtscheibe hervorzubringen.
Im ersten Moment war er daher sicher, dass er sich all dies nur eingebildet hatte, doch schon einen Augenblick später hatte er erneut Zweifel daran. Warum sollte er sich in seinem Alptraum etwas einbilden, was vollkommen belanglos war und keinerlei Sinn und Zweck zu haben schien? Ob mit oder ohne diese Kugel, das Grauen nahm immer wieder den gleichen furchtbaren Verlauf. Warum dann aber dieser neue Blickwinkel?
Howard wusste es nicht, doch plötzlich schoss ihm etwas anderes durch den Kopf: Die Pyramiden! Sie waren es, die den Dämon in seinem Gefängnis bannten. Erst nachdem der Indio ihre Konstellation geändert hatte, konnte der Dämon ausbrechen. Bisher war er immer davon ausgegangen, dass sie durch die nachfolgende Explosion zerstört worden waren. Was aber, wenn nicht? Was, wenn sie noch immer dort in dieser Kammer zu finden waren? Mit ihnen wäre dann doch vielleicht…
Howard zwang sich förmlich, diesen Gedankengang sofort zu beenden, doch schon im nächsten Augenblick wusste er mehr denn je, was er zu tun hatte.
Wenige Minuten später hatte er das Hotel ungesehen durch den Hinterausgang verlassen und war auf Direktkurs nach Machu Picchu!
*
Howard musste all seine Kraft aufbringen, um den Weg durch den unterirdischen Komplex zu meistern, doch konnte er nicht verhindern, dass er unglaublich nervös war. Je näher er der Kammer kam, desto mehr begannen seine Hände zu zittern und seine Knie wurden gummiweich. Das flaue Gefühl im Magen wurde immer stärker und trieb ihm bittere Magensäure in die Speiseröhre. Er bekam Kopfschmerzen und ihm wurde leicht übel. Dennoch zwang er sich, weiter zu gehen, auch wenn sein Herz wie wahnsinnig in seinem Brustkorb hämmerte.
Dann hatte er die Höhle erreicht, an deren Ende ein kurzer schmaler Gang in die Kammer führte, die einst das Gefängnis des Dämons war. Auch hier hatte die Explosion für schwere Schäden gesorgt, doch konnte Howard auf dem Boden verstreut menschliche Knochen erkennen. Als ihm bewusst wurde, dass sie auch zu Matsumoto gehören mochten, kroch eine eiskalte Gänsehaut seinen Rücken hinauf.
Trotzdem ging er weiter, denn nichts, was er je tun könnte, würde den Tod seines geliebten Freundes ungeschehen machen, achtete jedoch darauf, wo er hintrat. Er durchquerte den Raum und den anschließenden Gang, wobei er immer langsamer wurde und auf jedes noch so kleine Geräusch lauschte. Einen Schritt bevor er die Kammer betreten konnte, stoppte er ab. Schweiß rann ihm über die Stirn, sein Herz pochte noch immer wie wild. Das Rauschen in seinen Ohren wurde lauter. Seine Augen waren weit geöffnet und zuckten nervös hin und her. So verharrte er stocksteif.
Der Gang führte in einer Ecke in die Kammer, von seinem Standpunkt aus, konnte er nicht mehr erkennen, als ein fahles Zwielicht und einige Felsentrümmer, der ehemalige Standort der Pyramiden blieb ihm noch verborgen.
Howard zögerte noch immer. Fast schien es so, als würde er einen Grund suchen, um die nächsten Schritte nicht machen zu müssen. Doch dann konnte er sich überwinden.
Obwohl in der Kammer nichts war, worüber man erschrecken konnte, tat er doch genau das und stand erneut einen Moment wie erstarrt, bevor ihm die Realität klar wurde.
Die Kammer war nahezu vollständig zerstört. Die Rückwand war förmlich herausgerissen worden und gab den Blick auf eine weitere, jedoch leere Höhle frei. Auch die Decke war weggesprengt worden, doch gab es dort nichts außer tiefer Dunkelheit. Der Boden jedoch war nicht etwa übersät mit Trümmerteilen, die die gewaltige Explosion erzeugt hatte, sondern mit einer zentimeterdicken Staubschicht. Sie wirkte vollkommen glatt, wie die Wasseroberfläche eines Sees bei völliger Windstille.
Howard stutze für einen Augenblick, dann wurde ihm klar, dass der Grund, warum hier keine Trümmer zu finden waren, der war, dass die Explosion derart gewaltig gewesen war, dass sie alles zu Staub zerfetzt hatte. Und damit natürlich auch die beiden Pyramiden. Howard befiel eine traurige Stimmung.
Plötzlich aber stutzte er. Waren da nicht Fußspuren zu sehen? Dort hinten an der gegenüberliegenden Wand?
Er drehte den Lichtkegel seiner Taschenlampe in diese Richtung und wusste augenblicklich, dass er Recht hatte. Ja, dort waren tatsächlich Fußabdrücke zu sehen. Sie verliefen etwa drei Meter in die Mitte des hinteren Drittels der Kammer, dort schienen sie mehrfach so ziemlich auf der Stelle getreten zu sein, bevor sie wieder in die andere Richtung verschwanden.
Howard überlegte. Wer mochte das wohl gewesen sein? Francesco? Sein Herzschlag nahm erneut zu. Hatte er die gleiche Idee gehabt? Oder waren es einfach nur Fremde gewesen, die diesen Ort mehr zufällig gefunden hatten? Oder…?
Howard erschrak ein weiteres Mal und er wünschte sich sofort, dass ihm dieser Gedanke nicht gekommen wäre. Doch ließ er sich natürlich nicht verdrängen und er wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab, es festzustellen. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, hielt sich dabei dicht an der Felswand und machte erst im letzten Moment den Schlenker in die Mitte. Ihm war es, als würde er hier erneut unberührtes Terrain betreten und er war sich nicht sicher, ob es vielleicht besser unberührt bleiben sollte. Beim letzten Mal zogen ihre Handlungen schließlich nicht weniger als eine Katastrophe nach sich.
Dennoch ging Howard weiter. Als er die Fußspuren erreicht hatte, blieb er unschlüssig stehen. Sie waren nicht klar genug, um von ihnen Rückschlüsse auf den Verursacher zu erhalten. Es schienen menschliche Abdrücke zu sein, doch es konnten ebenso gut auch…
Plötzlich wurde Howard aus seinen Gedanken geholt, als er vor sich einen deutlich quadratischen Abdruck sah, der etwas größer als eine Handfläche war. Sofort wusste er, was diesen Abdruck erzeugt hatte: Die Grundfläche einer Pyramide! Deutlich waren direkt davor Fußabdrücke. Jemand musste sie an sich genommen haben. Und noch viel wichtiger: Sie war bei der Explosion offensichtlich nicht zerstört worden! Augenblicklich ließ er seinen Blick noch einmal kreisen und tatsächlich: Etwa fünf Meter entfernt traf er auf einen ähnlichen Abdruck. Er ging darauf zu und sah eine verwischte, aber dennoch deutlich dreieckige Vertiefung im Staub: Die Seitenfläche einer Pyramide – der zweiten Pyramide! Auch hier gab es direkt davor Fußabdrücke.
Howard spürte Erregung in sich. Beide Pyramiden hatten die Explosion offensichtlich überstanden, waren jetzt jedoch verschwunden. Wieder dachte er hoffnungsvoll zuerst an Francesco, dann an Fremde, schließlich an den Dämon.
Für einen langen Moment stand er reglos da und überlegte mit ernster Miene, was er jetzt tun konnte, bis ihm klar wurde, dass seine einzige Option die war, Francesco zu suchen, um in Erfahrung zu bringen, ob er die beiden Objekte an sich genommen hatte oder er wusste, wer es gewesen sein mochte.
Daraufhin atmete er einmal tief durch, blickte sich nochmals um, ob er nicht vielleicht noch etwas übersehen hatte, konnte das schließlich verneinen und wollte sich schon auf den Weg zurück an die Oberfläche machen, als er urplötzlich ein kurzes, aber durchaus helles Aufblitzen in der Staubschicht vor sich erkennen konnte.
Irritiert wandte er sich um und starrte auf die Stelle, an der er den Lichtblitz bemerkt hatte, doch konnte er dort im ersten Moment nichts erkennen. Unsicher machte er zwei Schritte darauf zu, als er ein schwaches Schimmern in der Staubschicht bemerkte, das heller und deutlicher wurde, je näher er kam. Als er schließlich direkt davor stand, pulsierte das Licht in einem langsamen Rhythmus. Howard beugte sich herab und schob den Staub beiseite. Das Licht wurde immer heller, doch schien es irgendwie nicht von einem bestimmten Punkt auszugehen, sondern der gesamte Bereich dort schien zu glühen. Als Howard jedoch noch ein wenig tiefer grub, stockte ihm plötzlich der Atem, denn als das Licht jetzt wieder für einen kurzen Moment erlosch, zog es sich auf einen winzig kleinen Punkt in der Staubschicht zurück.
„Oh mein Gott!“ stieß er leise hervor, denn er erinnerte sich sofort an seinen Traum, der ihn letztlich erst hierhergeführt hatte. Behutsam streckte er seine Hand aus, schob sie in die Staubschicht und hob sie wieder an. Als er sie vor seine Augen führte, erstrahlte das Licht bereits wieder so grell, dass er zunächst nichts erkennen konnte. Erst als es wieder erlosch, sah er die winzige, stecknadelgroße Kugel, die genauso so aussah, wie die in seinem Alptraum. „Aber, das ist doch…nicht möglich!“ Howard Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und sein Gesicht zeigte pures Erstaunen und völlige Ratlosigkeit, während sein Gehirn fieberhaft nach einer Erklärung für die Existenz dieser winzigen Kugel suchte.
Für eine Sekunde war es totenstill in der unterirdischen Kammer, als urplötzlich ein Geräusch in der Ferne zu hören war. Es klang dunkel und rau. Wie ein… Howard erschrak und eine eiskalte Gänsehaut zuckte über seinen Körper. Es klang wie das Grollen einer bösartigen Kreatur!
Bevor ihn die Angst einnehmen und seine Bewegungen lähmen konnte, handelte Howard überraschend schnell und konsequent. Er fischte einen Lederbeutel aus seiner Umhängetasche, schüttete den Inhalt achtlos zu Boden und füllte ihn schließlich mit dem Staub in seiner Hand. Bevor er den Beutel wieder schloss, vergewisserte er sich, dass die leuchtende Kugel darin lag. Dann stopfte er ihn zurück in seine Tasche, drehte sich um und machte sich mit schnellen Schritten auf den Rückweg. Obwohl sein Herz wild pochte und einen lauten Rhythmus in seine Ohren trieb, glaubte er immer wieder das bösartige Grollen zu hören, das zwar weiterhin nur leise oder weit entfernt schien, ihn aber eindeutig verfolgte.
Als er zurück an der Oberfläche war, war er völlig außer Atem und musste erst einmal mehrfach tief durchatmen. Doch schon wenige Augenblicke später wurde er erneut aufgeschreckt, weil ein tiefer, wütender und hasserfüllter Schrei hinter ihm ertönte, der um ein Vielfaches näher zu sein schien, als alle anderen Geräusche zuvor.
Sofort streckte Howard seinen Körper durch, nahm einen letzten tiefen Atemzug und rannte, was das Zeug hielt und er hörte erst auf, als sein Körper derart ausgepowert war, dass er ohnmächtig zu Boden sank.
*
Als er wieder erwachte, war um ihn herum alles still. Während er weiterging, aß und trank er etwas. Anfangs noch sehr nervös und schreckhaft, wurde er schon bald etwas ruhiger, als keine weiteren Geräusche mehr, die auf den Dämon schließen ließen, zu hören waren.
Er verließ schließlich den Dschungel und kehrte zurück in die Staaten. Dort machte er sich mit Nachdruck auf die Suche nach Francesco. Es sollte jedoch weitere vier Monate dauern, bis er ihn in Ägypten ausfindig machen konnte.
Ihr erstes Zusammentreffen seit mehr als drei Jahren fand in einer heißen, stürmischen Nacht auf einem alten Fabrikgelände etwas außerhalb von Alexandria statt.
Nachdem sie sich für einige Momente stumm gegenüber standen, tauschten sie wenige Worte der Begrüßung aus, wobei man jedem ansah, dass er über den Anblick des anderen mehr als erfreut, aber auch deutlich geschockt war. Die Jagd nach dem Dämon hatte sie nicht nur innerlich sehr verändert, die schier endlosen Jahre der Suche hatten auch in ihren Gesichtern tiefe, unauslöschliche Narben hinterlassen.
Dann konnte Howard nicht mehr an sich halten. Er holte den Beutel aus seiner Tasche, öffnete ihn und offenbarte Francesco sein Geheimnis. „Sieh Francesco…!“ sagte er. „Sieh, was ich in Machu Picchu gefunden habe!“
Sein Freund betrachtete die winzige Kugel mit großem Erstaunen, doch Howard erkannte nach wenigen Augenblicken auch tiefe Erkenntnis darin. „Großer Gott, Howard!“ sagte Francesco atemlos. „Du hast es gefunden!“
Howard war sichtlich irritiert. „Ich habe was gefunden, Francesco?“
Sein Freund sah ihn in mit einem traurigen Lächeln an. „Ich habe gesucht, so wie du. Nach Worten, Schriftstücken, Belegen, die Auskunft über das geben konnten, was wir gesehen und erlebt haben. Ich bin an vielen Orten fündig geworden, ebenso wie du. Und wir haben viel in Erfahrung bringen können: Wir wissen, wer unser Gegner ist. Wir wissen um die Existenz der beiden Pyramiden, die weit mehr sind, als sie zu sein scheinen…!“
„Das Tor zur Hölle. Das Tor zur Erde!“ Howard atmete tief durch und nickte.
Francesco tat es ihm gleich, dann schaute er seinen Freund direkt an. „Hast du dich denn nie gefragt?“
„Mich was gefragt?“
„Ob es noch ein…drittes Tor geben würde!“
Howard zog seine Augenbrauen in die Höhe. „Ein…drittes Tor?“
Francesco nickte. „Die Hölle, die Erde…!“ Er wartete, bis Howard ihn ansah, dann deutete er in die Höhe. „…der Himmel!“
Howard verstand sofort und sog abrupt die Luft in die Lungen. „Du meinst?“
Wieder nickte Francesco und deutete auf den kleinen Beutel, in dem die winzige Kugel ihr ungebrochen grelles Licht ausstrahlte. „Das Tor zum Himmel!“
„Das…?“ Howard zog die Augenbrauen zusammen und starrte den Beutel beinahe ehrfürchtig an. „Du meinst…dieses unscheinbare Ding, diese winzige Kugel ist…?“
Francesco nickte wortlos.
Howard blies die Luft in die Wangen. „Unfassbar!“
Francesco lächelte müde. „Und doch ist es so! Ich habe es in alten Schriften gelesen, die ich in Spanien gefunden habe. Der Sarkophag des Dämons wurde erst durch das Tor zum Himmel zu einem Gefängnis, das für ihn undurchdringlich war. Erinnere dich an die Konstellation! Das konzentrierte Böse trat aus dem Boden und traf auf das Tor zur Hölle. Von dort wurde die Lichtscheibe zwischen den beiden Pyramiden gespeist. Doch erst das Tor zum Himmel im Zentrum dieser Scheibe kehrte das Böse in pures, reines Licht um, mit dem wiederrum das Tor zur Erde gespeist wurde, sodass der Sarkophag damit umhüllt und somit in seinem irdischen Gefängnis gebannt werden konnte. Keine Kraft auf Erden ist stark genug, um dieses furchtbare Geschöpf der Finsternis zu bannen, erst das Tor zum Himmel machte es möglich!“
„Aber…!“ Howard war noch immer total verwirrt. „Es ist so viel kleiner und…unscheinbarer, als die beiden anderen Tore!“
Wieder nickte Francesco mit einem müden Lächeln. „Aber es ist das Mächtigste von ihnen. Mächtiger als alles, was du dir je vorstellen könntest!“
Einen Moment entstand eine tiefe Stille, die nur durch den pfeifenden Wind unterbrochen wurde und in der beide Männer auf den Lederbeutel blickten.
„Wow!“ meinte Howard dann echt beeindruckt. „Und was jetzt? Ich meine, können wir damit…?“ Er deutete mit dem Kopf in Richtung Kugel.
Francesco Gesicht wirkte sofort gequält. „Nur alle drei zusammen vermögen den Dämon wieder hier auf Erden zu bannen!“
„Dann…müssen wir die beiden anderen suchen!“ Howard schaute seinen Freund erwartungsvoll an.
„Ja, das müssen wir!“ Francesco nickte, doch klang seine Stimme müde und sein Gesicht zeigte keine Zuversicht. „Und zwar, bevor…!“
Howard zog die Augenbrauen zusammen. „Bevor was?“
Francesco hob seinen Kopf. „Bevor er sie findet!“
„Er?“ Wieder war Howard sichtlich überrascht. „Du meinst, er sucht ebenfalls danach?“
Francesco nickte. „Alle drei Tore sind machtvolle Relikte. Doch genauso, wie sie uns helfen könnten, ihn zu bannen, würden sie auch ihm Kräfte verleihen, deren Auswirkungen wir uns wohl nicht vorzustellen vermögen!“ Der Italiener schaute Howard direkt an, doch sein Freund blieb stumm, musste offensichtlich erst verdauen, was er soeben gehört hatte. „Mit dem Tor zum Himmel hast du…!“ Francesco hielt inne und sein Kopf zuckte nach links. Hatte er dort eben nicht ein schabendes Geräusch gehört? Er lauschte für einen Augenblick, doch als es still blieb, wandte er sich wieder seinem Freund zu. „…ein machtvolles Instrument im Kampf gegen den Dämon gefunden, aber…!“ Wieder hielt er abrupt inne und sein Kopf zuckte erneut nach links. Dabei war er sich sofort sicher: Ja, da war ein schabendes Geräusch und auch…ein bösartiges Knurren! „…du bist auch in großer Gefahr!“ Sein Kopf wirbelte herum und er schaute Howard direkt in die Augen. Seine Stimme klang eindringlich. „Er ist hier!“
Jetzt hatte es auch der Amerikaner erkannt und er starrte in die Richtung, aus der das Knurren kam.
„Lauf!“ sagte Francesco, griff gleichzeitig in seinen Rücken, wo er ein automatisches Schnellfeuergewehr befestigt hatte und zog es in einer flüssigen
Bewegung vor den Körper. Howard jedoch rührte sich nicht und wollte seinerseits bereits eine Waffe ziehen, doch Francesco hielt ihn zurück. „Nein! Ich werde ihn aufhalten!“ Etwa zehn Meter vor ihnen ertönte ein hasserfülltes Grollen und es schepperte in den alten, rostigen Fabrikaufbauten. „Das Tor ist zu wichtig. Wir dürfen es nicht mehr verlieren!“ Er drehte sich zu seinem Freund, umfasste seinen rechten Unterarm und wartete, bis Howard ihn ansah. „Du musst es beschützen und einen Platz dafür finden, wo er es nicht finden kann!“
Howard nickte, doch sein Gesicht zeigte große Verwirrung. „Wie? Wo?“ fragte er dann auch.
„Das Tor muss an einen reinen Ort. Nur dort wird es nicht mehr strahlen!“
Ein lautes Brüllen übertönte das Pfeifen des Windes und im selben Moment schob sich ein Schatten aus dem Halbdunkel eines Silos. Es war eine junge Frau, schlank, mit feinen Zügen, ausgesprochen hübsch. Doch ihre rot leuchtenden Augen zeigten deutlich, dass dies nur ihre äußere Hülle war und sich in ihrem Inneren ein Monstrum befand. Schon öffnete sie ihren Mund und stieß ein zorniges Fauchen aus.
„Lass mich dir helfen!“ rief Howard. „Gemeinsam…!“
„Nein!“ brüllte Francesco jedoch beinahe wütend. „Du musst dich um das Tor kümmern. Verstehst du? Es ist einfach zu wichtig!“ Er wartete, bis Howard ihn ansah. „Geh und blicke nicht zurück!“ Er schaute Howard flehend an, dann lächelte er. „Wünsch mir Glück!“
Howard sah man an, dass ihn die Entscheidung zu gehen, fast zerriss, dass er aber auch wusste, dass Francesco Recht hatte. Der Dämon war mächtig und bösartig, doch wenn es ihm gelänge, die Tore an sich zu bringen, wäre gar nicht auszudenken, was geschehen konnte. Deshalb war klar, dass er gehen musste. Je früher, desto besser. Francesco musste den Dämon schließlich nicht töten – das wäre ihm ohnehin nicht gelungen – nur eben lange genug aufhalten, damit sein Freund entkommen konnte.
Howard wollte noch etwas sagen, doch er konnte ihm nur zunicken.
Francesco erwiderte die Geste mit einem sanften Lächeln, dann atmete er tief durch und machte ein paar Schritte auf den Dämon zu.
Howard schaute seinem Freund noch einen Augenblick hinterher, wobei ihm nicht entging, dass die Augen der jungen Frau ausschließlich auf ihn gerichtet waren und sie Francesco überhaupt nicht wahrzunehmen schien. Dann wandte er sich ab und rannte in die Richtung, in der das Auto stand, mit dem er hierhergekommen war. Hinter sich nahm er lautes Brüllen und Fauchen des Dämons wahr, sowie Wortfetzen seines Freundes. Als er sich nochmals umblickte, konnte er sehen, dass die junge Frau ihm folgen wollte, dass sich ihr Francesco jedoch in den Weg gestellt hatte. Schon im nächsten Moment drückte sein Freund den Abzug und erste Schüsse donnerten in den Körper der Bestie. Davon ließ sie sich natürlich nicht lange aufhalten, doch als sie sich anschickte loszurennen, warf Francesco eine Handgranate nach ihr. Die Explosion riss sie von den Füßen und schleuderte sie wieder zurück in die Aufbauten, aus denen sie gekommen war.
Bevor Francesco ihr folgte, drehte er sich nochmals zu Howard herum. „Worauf wartest du? Nun mach endlich, dass du wegkommst!“ rief er ihm zu und sein Blick war ernst und konzentriert. Dann verschwand er hinter dem Silo.
Howard zögerte noch eine Sekunde, dann wandte er sich ebenfalls ab und rannte, so schnell er konnte.
Als er mit Vollgas den Hügel zur Stadt hinab raste, konnte er im Rückspiegel die Flammenfaust einer weiteren Explosion erkennen. Sein Herz schmerze in diesem Moment und fast wäre er doch noch umgekehrt. Doch er wusste, er durfte es nicht tun. Während er Alexandria erreichte, waren seine Gedanken und Hoffnungen bei seinem Freund im Kampf gegen die furchtbarste Kreatur der Finsternis.
Er hoffte inständig, dass er Francesco heute nicht zum letzen Mal gesehen hatte.
*
Doch es kam alles ganz anders:
Francesco gelang es, den Dämon lange genug aufzuhalten, damit Howard fliehen konnte. Als die Bestie erkannt hatte, was geschehen war, stürmte sie davon, ohne dass Francesco sie verfolgen konnte. Ihm blieb in diesem Moment nur die Hoffnung, dass Howard ihn verstanden hatte und es ihm gelingen mochte, das Tor zum Himmel an einen sicheren Ort zu bringen.
Natürlich versuchte er, Howard so schnell es nur ging, ausfindig zu machen, doch war ihm fast klar, dass sein Freund nun beständig auf der Flucht vor der Ausgeburt der Hölle war – zumindest so lange, bis die kleine unscheinbare Kugel in Sicherheit war.
Doch mit jedem neuen Tag, an dem Francesco vergeblich nach Howard suchte, schwand seine Hoffnung immer mehr.
Dann – vollkommen unerwartet – erhielt er von Howard einen Telefonanruf. Sein Freund war hörbar außer Atem. Seine Stimme klang gehetzt, rau und sehr erschöpft. „Ich habe es geschafft, alter Freund. Der reine Ort. Ich habe ihn gefunden. Das Tor zum Himmel ist in Sicherheit!“
Francescos Herz schien vor Freude überquellen zu wollen. Das Tor in Sicherheit, sein Freund noch am Leben. Nach so unendlich langer Zeit, lächelte er - wenn auch nur ganz leicht. „Das ist eine wunderbare Nachricht, alter Freund!“ erwiderte er. „Das hast du wirklich gut gemacht!“
„Nein…!“ Howards Stimme klang leise, vollkommen hoffnungslos und derart schmerzvoll, dass Francesco eine eiskalte Gänsehaut über den Rücken kroch. „Das habe ich nicht! Um den reinen Ort zu finden, habe ich die, die ich liebe, verraten und einen weiteren Fluch auf mich geladen. Damit ist mein Leben endgültig verwirkt!“
Francesco spürte tiefe Angst in sich aufkommen. „Oh Gott, Howard, was hat du getan?“
Am anderen Ende der Leitung blieb es einen Moment lang still, dass Francesco schon befürchtete, Howard wäre einfach weggegangen, doch dann hörte er den tiefen Atemzug. „Ich habe…!“
Und dann erzählte ihm Howard, was er aus purer Verzweiflung, doch in der Hoffnung, das Richtige zu tun, getan hatte.
Am Ende wusste Francesco, dass er selbst kaum anders gehandelt hätte und das Tor zum Himmel fürs Erste in Sicherheit war, dass aber eine Zeit kommen mochte, in der dieser Entschluss seines Freundes seine eigene Familie in höchste Gefahr bringen würde.
Deshalb vermochte Francesco in diesem Moment keine Worte zu finden, die ausdrücken konnten, was er empfand.
Dann sprach Howard wieder und die Worte, die er jetzt sagte, sollte Francesco nie wieder vergessen. „Ich werde mich jetzt dem Dämon stellen. Dann heißt es, er oder ich. Möge Gott mir meine Sünden vergeben oder mich für meine Verfehlungen in die Hölle schicken! Hier auf Erden habe ich das Recht zu leben verwirkt! Leb wohl, Francesco!“
„Was?“ Francesco schien, es würde man ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. „Nein!“ brüllte er in den Hörer. „Großer Gott, Howard, nein, bitte. Tu das nicht! Nein, nein, um Himmels Willen, Howard, hör mir zu. Howard? Geh nicht...“ Doch die Leitung wurde gekappt.
Zwei Stunden später war Howard Freeman tot…
„Das hat sein Großvater getan?“ Cynthia stoppte ab, drehte sich zu Francesco, zog ihre Augenbrauen in die Höhe und schaute ihn mit großen Augen an.
Während sein Blick weiterhin auf das riesige burgähnliche Gebäude auf dem Berghang etwa fünfhundert Meter vor ihnen gerichtet war, nickte Francesco ihr zu. „Deshalb werden sie verstehen, warum es so wichtig ist, dass wir umgehend eingreifen!“ Seine Augen zuckten immer wieder zu jeder Seite, um die Dämonen, die zu Dutzenden um sie herumschwirrten, im Blick zu behalten.
„Wer hat was getan?“ Das war Heaven, die an ihnen vorbeiging. Auch sie beobachtete die Dämonen, doch schien sie vollkommen unaufgeregt und relaxt zu sein. Eine Antwort wollte sie jedoch offensichtlich gar nicht haben, denn sie ging einfach weiter, bis sie Razor erreicht hatte, der im Moment zusammen mit Bim und den beiden Brüdern Horror und Terror die Vorhut der Gruppe bildete.
Stattdessen aber war – natürlich – Douglas ebenfalls stehen geblieben und schaute jetzt den Italiener mit großen Augen an. „Oh Mann, wenn Chris das erfährt, bringt er den Alten glatt um!“
Augenblicklich verdunkelte sich Cynthias Gesichtsausdruck. „Doug?“
„Ja, Schatz?“ erwiderte er mit einem sanften Lächeln.
„Chris Großvater ist schon lange tot!“ Ihre Stimme klang genervt und ihr Blick zeigte deutlich, dass sie allmählich am Geisteszustand ihres Mannes zweifelte.
Douglas erkannte augenblicklich seinen Fehler und wurde ernst. „Oh verdammt! Du hast Recht!“ Er verzog sein Gesicht zu einer gequälten Grimasse. „Dann lässt er das wieder an mir aus!“
Cynthias Blick verdunkelte sich nochmals. „Warum sollte er dich für die Taten seines Großvaters verantwortlich machen?“
Jetzt schaute sie Douglas etwas irritiert an. „Weil ich grundsätzlich an allem Schuld bin?“
Sofort zog Cynthia ihre Augenbrauen in die Höhe. „Stimmt!“ Sie lächelte. „Na dann bin ich mal gespannt, wie du aus der Nummer wieder rauskommst?“ Dabei grinste sie kurz.
„Na danke auch!“ grummelte ihr Mann zurück und verzog die Mundwinkel.
Bevor er jedoch mehr sagen konnte, rief Bim von vorn in einem mahnenden Tonfall „Leute!?“ und alle drehten sich zu ihm.
Dabei bemerkte Cynthia Silvia neben sich und das sanfte Lächeln auf ihren Lippen. „Was lachst du?“ fragte sie.
Ihre so lange tot geglaubte Freundin, für deren Befreiung sie alle den Trip in die Hölle erst auf sich genommen hatten, meinte. „Ihr beide seid süß! Ich habe immer gehofft, ich könnte mit Chris genauso sein!“
„Süß?“ Cynthias Blick zeigte deutliche Zweifel. „Wenn mich dieser große, dicke Bär zur Weißglut bringt, könnte ich ihn glatt umbringen!“
Silvia lachte leise auf. „Aber ihr liebt euch. Das sieht man in jedem Moment. Keiner kann ohne den anderen. Das finde ich total toll!“ Sie schaute ihre Freundin direkt an und ihr Blick wurde wehmütig. „Bewahrt euch das, so lange ihr könnt!“ Damit ging Silvia zu den anderen.
Cynthia wollte ihr etwas nachrufen, doch sie blieb stumm. Den Grund für Silvias Worte konnte sie absolut verstehen. Es war beinahe ein wahres Drama gewesen, bis die beiden – Silvia und Christopher – endlich zusammengefunden hatten. Doch nur Silvia hatte in den darauffolgenden Jahren immer und immer wieder gezeigt, dass sie ihren Partner wirklich liebte. Christopher – dieser damals über alle Maßen not- und dauergeile Bock – verlegte sein Rohr wie Stahlbauer ihre im Akkord und trampelte damit eigentlich viel zu oft auf Silvias Gefühlen herum. Warum sie Chris nicht schon längst verlassen hatte, hatte Cynthia nie verstehen können, bis ihr klar wurde, dass Silvia ihn halt schlicht und einfach nur wirklich liebte. Christopher schien dies lange Zeit aber kaum zu interessieren, bis zu dem Moment, da Silvias Leben durch den Dämon in akute Gefahr geriet. Erst da begriff er ganz allmählich, wie viel ihm diese Frau wirklich bedeutete und was es hieß, ehrlich zu lieben und diese Liebe auch zu geben und nicht nur zu empfangen. Doch in dem Moment, da er das endlich verinnerlicht hatte, verlor er Silvia scheinbar für immer, als sie beim Eintritt in das Tor zur Hölle starb.
Das nachfolgende Jahr war für ihn dann weitaus schlimmer, als die Hölle es wohl je hätte sein können. Erst als Douglas und Francesca ihm offenbarten, dass Silvia entgegen aller Annahmen und entgegen aller Logik, doch nicht tot war, sondern sich noch immer lebend in der Hölle befand, ließen ihn wieder Hoffnung schöpfen.
Mit dem Durchgang durch das Tor zur Hölle riskierte er sein Leben für sie, nur um dann hier zu erkennen, dass die Zeit an diesem schlimmsten aller denkbaren Orte Silvia entscheidend und dauerhaft verändert hatte. Jetzt war er es, dessen Liebe nicht so erwidert wurde, wie sie es verdient gehabt hätte. Cynthia glaubte jedoch nicht, dass Silvia sich wirklich von ihm abgewandt hatte – selbst ein Jahr an diesem verdammten Ort konnte diese tiefen, ehrlichen und reinen Gefühle zu ihm nicht vollkommen zerstören – und die Tatsache mit welcher Leidenschaft Silvia sich der Rettung Christophers aus den Fängen der Dämonen verschrieben hatte, gab wirklich Grund zur Hoffnung. Dennoch war Cynthia sich bewusst, dass die beiden noch einen langen – sehr langen - Weg vor sich haben mochten, bevor ihr beider Traum – den nur sie beide erfüllen konnten, dem aber auch nur einzig sie selbst im Weg standen - wahr werden würde.
Cynthia war klar, dass sie helfen würde, wo sie konnte – und dass das am Ende auch für ihren Mann Douglas galt – doch natürlich würden die beiden das meiste selbst und allein erledigen müssen.
Mit diesen Gedanken etwas gestärkt, schloss sie schließlich zu den anderen auf. Dabei schaute sie hinauf zu dem gewaltigen Gebäudekomplex in düsterem Grau und glänzendem Schwarz, der an eine riesige Burg erinnerte und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie eigentlich vollkommen wahnsinnig sein musste, diese Art von Gedanken zu haben, wo doch die Chancen, dass Christopher längst tot war oder aber innerhalb der nächsten Minuten sterben würde, sowas von genial gut standen, dass ihr schon im nächsten Moment spürbar übel wurde und sie tief durchatmen musste, um das flaue Gefühl im Magen wenigstens ein wenig zu überlagern.
Razors Kommentar, den er wohl auf eine Bemerkung Francescos hin abgab, führte ihr das sofort nochmals deutlich vor Augen. „Das sieht mir jetzt aber nicht wie ein Plan aus!“
Francesco lachte leise auf, doch sein Gesicht zeigte, dass er ein wenig ungehalten war. „Ich bin erst seit ein paar Minuten hier, junger Mann. Woher zum Geier sollte ich da einen Plan haben?“ Er brummte missmutig.
„Das ist jetzt nicht ihr Ernst, oder?“ Bim war sichtlich geschockt, was bei dem riesigen Bär von einem Mann wie ihm irgendwie niedlich aussah.
„Doch!“ Francesco nickte und ein sanftes Lächeln huschte über seine Lippen. „Aber den brauchen wir auch nicht. Das schaffen wir auch so!“
„Na dann…!“ Das war Horror, dem die Abneigung sichtlich ins Gesicht geschrieben stand. „…ist ja alles erste Sahne. Solange sie noch zuversichtlich sind!“ Er funkelte den Alten mit verzogenen Mundwinkeln an.
„Mann, unsere Gegner sind Dämonen und Schlimmeres!“ erklärte Francesco wieder leicht genervt. „Denen können sie nicht mit Logik begegnen!“
Horror brummte genervt, doch bevor er etwas erwidern konnte, trat Heaven zwischen ihnen. „Was meinen sie denn mit Schlimmeren?“
Francesco sah die junge Frau direkt an. „Dämonen agieren nicht vorausschauend. Das sollten sie wissen. Sie töten, fressen…!“ Er zuckte mit den Schultern. „...scheißen!“
„Echt?“ Das war Terror, der beinahe geschockt schien. „Die kacken wie wir?“
Alle in der Gruppe sahen ihn für einen Moment teils verständnislos, teils genervt an, doch keiner sagte etwas.
„Das beantwortet nicht meine Frage!“ meinte dann Heaven mit ernstem Gesicht und deutlich gereizt.
„Wenn es nur Dämonen wären, die Christopher gefangen genommen hätten, wäre er jetzt bereits tot!“ erwiderte Francesco. Er schaute in die Runde und als er das schmerzvolle Gesicht seiner Enkelin sah, verspürte er einen deutlichen Stich im Inneren.
„Also?“ Das war jetzt Cynthia, die natürlich erkannt hatte, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde.
„Sie haben ihn dorthin gebracht!“ Francesco deutete mit einem Nicken auf die Burg vor ihnen.
„Ach was?“ raunte Heaven, da diese Tatsache ja bereits mehr als offensichtlich war. „Und wer ist da?“
„Ihr Boss!“
„Ihr…Boss?“ Douglas Gesicht zeigte eine Mischung aus Überraschung und böser Vorahnung.
Francesco nickte. „Der Boss aller Dämonen!“ Wieder schaute er in die Runde und konnte jetzt ausnahmslos geschockte Gesichter erkennen.
„Und wer wäre das?“ fragte Silvia. Ihre Stimme klang schwach und ängstlich.
„Er hat viele Namen, denn er ist so alt wie die Zeit selbst. Doch mir gefällt…Samael, der Gefallene…am besten!“
„Gefallen?“ fragte Heaven. „Woraus?“
„Aus dem…!“
„Grandpa?“
„…Himmel!“ endete Francesco noch seinen Satz, dann wandte er sich an seine Enkeltochter. Als er ihr Gesicht sah, wusste er bereits, was sie von ihm wollte. „Ja meine Sonne?“
Als Silvia den Kosenamen hörte, den ihr Großvater früher immer gebraucht hatte, konnte sie ein kurzes Lächeln nicht verhindern, doch wurde sie sofort wieder ernst. „Können wir uns…bitte...um Chris kümmern?“
Da wurde Francesco bewusst, dass sie schon eine geraume Zeit beinahe getrödelt hatten. „Aber natürlich, Conchita. Du hast vollkommen Recht!“ Er wandte sich an die Gruppe, speziell aber an die, die mit ihm diskutiert hatten. „Wir sollten aufhören zu reden und uns auf unsere Aufgabe konzentrieren!“
„Und wie bitte schön sollen wir das jetzt anstellen?“ raunte Horror. „Ich meine reingehen und höflich fragen ist ja wohl schon mal nicht, oder?“
Francesco konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen. „Natürlich nicht. Wir müssen uns schon was einfallen lassen!“
„Aber…!“ Das war Alfredo, der bisher still geblieben war. „…du sagtest doch, du hättest keinen…!“
Francesco wandte sich zu ihm. „Sohn!“ Er sah Alfredo direkt und mit ernster Miene an. „Habe ich schon jemals etwas ohne Plan gemacht?“
„Dann haben sie also doch einen?“ rief Heaven erstaunt.
Francesco sah die junge Frau an und musste grinsen. „Aber natürlich habe ich einen!“ Und dann zwinkerte er ihr verschwörerisch zu.
Die Hölle!
Der Schlimmste aller vorstellbaren Orte…
…und sie alle mittendrin!
Wer hätte je geglaubt, dass es möglich wäre? Wer hätte je gedacht, dass man etwas derart Unvorstellbares sogar überleben könnte?
Und doch war ihre Existenz hier auf dieser kargen, staubigen Ebene mitten in den tiefsten Tiefen der Finsternis real!
Ihr Weg hierher hätte unterschiedlicher jedoch kaum sein können:
Da gab es Heaven, Razor, Bim und die Brüder Horror und Terror. Sie waren auf dem üblichen Weg hierhergekommen. Durch Mord, Verrat und ähnlichem. Dinge, die alle unweigerlich zum Tode geführt hatten. Doch mehr als alles andere war es die Sünde, der Frevel, die Schuld, die sie dabei auf sich geladen hatten, die sie letztlich an diesen Ort gebracht hatte. Die Hölle, der Ort an dem sie für ihre begangenen Sünden durch immerwährende Qualen büßen mussten. Sie gehörten hierher. Es war ihr Weg, ihre Strafe - ihr Schicksal. Und sie alle hatten es angenommen.
Dann gab es da Silvia, Christopher, Cynthia, Douglas und Alfredo. Sie waren auf dem unüblichen Weg hierhergekommen. Durch Mut und Liebe, die letzten drei aber vor allem doch auch durch eine gehörige Portion Irrsinn. Sie gehörteneindeutig nicht hierher, doch standen die Chancen, diesen Ort wieder verlassen zu können nicht gut und die Gefahr, hier für immer gestrandet zu sein war sehr hoch.
Und da gab es Francesco. Er war auf dem wohl unüblichsten Weg hierhergekommen, den man sich nur vorstellen mochte. Einzig durch Liebe. Er gehörteam allerwenigsten hierher und seine Anwesenheit blieb alles andere als verborgen!
Auf der weitläufigen Ebene waren Dutzende, wenn nicht gar Hunderte von Dämonen zu sehen. Sie alle starrten Francesco an und in ihren Augen war der reine Hass, aber auch die reine Gier zu sehen.
Dennoch kam niemand von ihnen näher als zehn Meter an die Gruppe heran, obwohl man jedem von ihnen ansah, dass er nichts lieber als das getan hätte.
Doch sie konnten es nicht tun.
Was von den anderen Niemand wusste, die Dämonen aber mehr als deutlich spürten, war eine unsichtbare Aura, die Francesco um seine Freunde aufgebaut hatte, die ein Eindringen der Bestien verhinderte.